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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 36/99
Verkündet am:
19. Juli 2001
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
ja
nein
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
Auch aufgrund von Presseberichten, die keine amtliche Verlautbarung enthalten, kann der Gläubiger den Umständen nach gehalten sein, sich nach der
Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu erkundigen.
GesO § 10
KO § 29
InsO § 129
-2Die Insolvenzanfechtung bleibt auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
möglich.
BGH, Urteil vom 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99 - OLG Jena
LG Erfurt
-3-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats
des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 6. Januar 1999
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 8. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt als Verwalter in der Gesamtvollstreckung über das
Vermögen der R. Bau GmbH - eines früheren Großbauunternehmens in Thüringen - (künftig: Schuldnerin) von der beklagten Krankenkasse im Wege der
Anfechtung Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von
609.000 DM.
Die Schuldnerin bemühte sich 1995 mit staatlicher Unterstützung und
unter Anteilnahme der Presse um weitere Bankkredite. Gemäß Antrag der
-4-
Schuldnerin vom 4. April 1995 stundete die Beklagte die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für März 1995 um zwei Wochen. Am 27. Juni 1995 wurden die der Schuldnerin gewährten Bankkredite fällig gestellt. Die Löhne und
Gehälter für Juni 1995 wurden nicht gezahlt. Letzte Kreditverhandlungen zwischen der Schuldnerin und den Banken scheiterten in der ersten Juli-Woche
1995. Am 6. Juli 1995 betrugen die fälligen und ernsthaft eingeforderten Bankverbindlichkeiten der Schuldnerin etwa 45 Mio. DM; zu diesem Zeitpunkt waren
die Passiva der Schuldnerin mit etwa 143 Mio. DM mehr als doppelt so hoch
wie deren Aktiva.
Am 6. Juli 1995 widerrief die Schuldnerin eine der Beklagten erteilte Ermächtigung zum Einzug der Sozialversicherungsbeiträge im Lastschriftverfahren. Vor 10.00 Uhr dieses Tages überwies die Schuldnerin telegraphisch der
Beklagten einen "Abschlag" von 609.000 DM auf Sozialversicherungsbeiträge
für Juni 1995; zeitgleich erfüllte die Schuldnerin Verbindlichkeiten gegenüber
anderen Sozialversicherungsträgern und der Finanzbehörde. Der überwiesene
Betrag wurde dem Konto der Beklagten am Vormittag des 6. Juli 1995 gutgeschrieben. Zwischen 10.00 und 11.00 Uhr dieses Tages beantragte die
Schuldnerin, die Gesamtvollstreckung über ihr Vermögen zu eröffnen, weil sie
zahlungsunfähig und überschuldet sei. Um 14.00 Uhr des 6. Juli 1995 ordnete
das Amtsgericht Maßnahmen zur Sicherung der Masse an und bestellte den
Kläger zum Sequester. Am 1. September 1995 wurde das Gesamtvollstrekkungsverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Unter
dem Datum vom 23. Mai 1997 - veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 3. Juni
1997 - zeigte der Kläger Masseunzulänglichkeit (§ 13 GesO) an.
-5-
Die der Beklagten am 23. Juli 1997 zugestellte Anfechtungsklage hatte
in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision wird der Klageanspruch
weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO); von der Möglichkeit des § 565
Abs. 1 Satz 2 ZPO wird Gebrauch gemacht.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die - rechtzeitig geltend gemachte (§ 10 Abs. 2 GesO) - Anfechtung wegen der Abschlagszahlung der
Schuldnerin an die Beklagte am 6. Juli 1995 auf die Sozialversicherungsbeiträge für Juni 1995 sei nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO begründet. Es hat
zunächst festgestellt, daß der Beklagten an diesem Tage die - unterstellte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht bekannt gewesen ist; das nimmt die
Revision hin. Weiterhin hat das Berufungsgericht angenommen, der Beklagten
habe zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht den
Umständen nach bekannt sein müssen.
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Dazu hat es ausgeführt: Der Kläger habe die entsprechende Anfechtungsvoraussetzung nicht hinreichend dargelegt und bewiesen. Die Stundung
der Sozialversicherungsbeiträge im April 1995 habe die Beklagte nicht auf eine
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hinweisen können, weil diese eine mustergültige Schuldnerin gewesen sei, die ihre Sozialversicherungsbeiträge habe durch Lastschrift einziehen lassen und immer für ausreichende Deckung
gesorgt habe. Die einmalige Stundung habe auf einen Liquiditätsengpaß hingedeutet, der damals in der Bauwirtschaft üblich gewesen sei. Nach der Stundung habe die Schuldnerin die Sozialversicherungsbeiträge für April, Mai und
Juni 1995 wieder fristgerecht gezahlt. Auch aus der telegraphischen Überweisung vor dem üblichen Zahlungstermin lasse sich keine Fahrlässigkeit der Beklagten herleiten. Das gelte auch für den schriftlichen Widerruf des Lastschriftverfahrens am 6. Juli 1995. Eine fahrlässige Unkenntnis der Beklagten von einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin ergebe sich auch nicht aus den Berichten der Tagespresse. Allgemeine Presseberichte, die keine amtlichen Verlautbarungen enthielten, könnten eine solche fahrlässige Unkenntnis nicht begründen, weil auch eine bloße Überschuldung des Schuldners möglich sei. Die
Zeitungsartikel hätten auch nicht mit ausreichender Sicherheit die Mitteilung
einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin enthalten. Aus den Artikeln von
April 1995 ergebe sich lediglich, daß die Schuldnerin Liquiditätsschwierigkeiten
gehabt habe. Das gelte auch für die Presseberichte vom 4. Juli 1995, in denen
zugleich von massiven Sanierungsbemühungen die Rede gewesen sei. Zwar
sei dem Bericht in der Thüringer Landeszeitung vom 6. Juli 1995 zu entnehmen, daß der Konkurs der Schuldnerin unvermeidbar sei, weil die Sanierungsverhandlungen gescheitert seien. Es sei jedoch bereits fraglich, ob ein Gläubiger einem solchen Artikel in einer regionalen Zeitung Glauben schenken müsse. Außerdem seien Gegenstand der gesamten Berichterstattung gekündigte
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Kredite und die Möglichkeit weiterer, von Land und Bund verbürgter Kredite
gewesen; dies könne allenfalls auf eine Überschuldung hindeuten. Eine fahrlässige Unkenntnis der behaupteten Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin könne auch nicht aus einer Zusammenschau der genannten Umstände geschlossen werden. Das gelte um so mehr, weil die Sozialversicherungsträger vom
Gesetzgeber insoweit privilegiert worden seien, als die Nichtabführung der
Beiträge unter Strafe gestellt sei (§ 266a StGB).
Diese Erwägungen halten den Rügen der Revision nicht stand (§ 286
ZPO).
1. Dem Anfechtungsgegner schadet, wie das Berufungsgericht richtig
erkannt hat, im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO bereits leichte Fahrlässigkeit; werden dem Gläubiger bestimmte Tatsachen bekannt, die den Verdacht
der Zahlungsunfähigkeit begründen, kann der Gläubiger gehalten sein, sich
nach der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu erkundigen und entsprechende
zusätzliche Informationen einzuholen (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR
337/97, ZIP 1998, 2008, 2011; v. 14. Oktober 1999 - IX ZR 142/98, NJW 2000,
211, 212; v. 13. April 2000 - IX ZR 144/99, WM 2000, 1207, 1208). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die maßgeblichen Verdachtsgründe unzureichend und einseitig zugunsten der Beklagten gewürdigt und damit die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Klägers überspannt (vgl. dazu
BGH, Urt. v. 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98, BGHR ZPO § 286 - Beweismaß
1). Es hat ferner die Voraussetzungen für eine Erkundigungsobliegenheit nicht
richtig beurteilt.
-8-
a) Bei der Bewertung der antragsgemäßen Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für März 1995 im April 1995 hat das Berufungsgericht nicht
berücksichtigt, daß im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem
Vorgang am 8. April 1995 in der Thüringer Allgemeinen ein Bericht über wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten der Schuldnerin erschienen ist,
durch den die im Stundungsantrag der Schuldnerin vom 4. April 1995 angeführten "akuten Liquiditätsprobleme" ein besonderes Gewicht erhalten haben.
In diesem Artikel heißt es u.a., daß die Schuldnerin nach wirtschaftlichen
Schwierigkeiten jetzt der Landesregierung ein neues Sanierungskonzept vorgelegt habe, das einen Stellenabbau von bisher 1.300 Beschäftigten auf 650
vorsehe. Der Geschäftsführer der Schuldnerin habe Konkursgerüchte dementiert. Die Auftragslage des Unternehmens sei gut. Es bestünden kurzfristige
Liquiditätsprobleme. Derzeit würden Gespräche mit der Landesregierung über
die finanzielle Sicherung von Krediten geführt, um die Arbeitsplätze zu sichern.
Nach diesem Bericht war es zweifelhaft, ob gemäß dem Stundungsantrag der Schuldnerin "die Liquiditätsengpässe bis spätestens Monatsende April
1995 überwunden" werden konnten.
b) Außerdem hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht
beachtet, daß die Schuldnerin die Löhne und Gehälter für Juni 1995 nicht gezahlt hat. Daß die Beklagte dies nicht gewußt habe, hat sie selbst nicht behauptet.
c) Diese Umstände haben in Verbindung mit mehreren Berichten vom 4.
und 5. Juli 1995 in verschiedenen Zeitungen entgegen der Wertung des Beru-
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fungsgerichts den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin begründet.
aa) In einem Artikel der Thüringer Allgemeinen vom 4. Juli 1995 mit der
Überschrift "Sanierung von R. Bau ist noch nicht gesichert" heißt es u.a., die
seit längerer Zeit bestehenden Liquiditätsprobleme der Schuldnerin seien offenbar nicht abgewendet. Ob die schwierige Sanierung gelinge, müsse sich in
den nächsten Tagen entscheiden. Abhängig sei der Erfolg von zusätzlichen
Kreditbeiträgen der Banken. Gesperrte Kreditlinien seien schuld, daß
3.000 Arbeitsplätze bei der Schuldnerin und den Nachauftragsunternehmen
gefährdet seien.
In diesem Sinne haben sich am 4. Juli 1995 auch zwei Berichte der Thüringer Landeszeitung geäußert. In einem Artikel, in dessen Überschrift die
Schuldnerin als "Sanierungsfall" bezeichnet worden ist, ist ausgeführt worden,
die Schuldnerin sei auf die Sanierungsfinanzierung der Banken sowie auf
Bürgschaften des Landes und des Bundes angewiesen; die Schuldnerin werde
von einem Bankenkonsortium finanziert; die Finanzierungsinstitute seien wohl
bereit, das Weiterbestehen des Unternehmens zu sichern, sofern die Bürgschaften ihren Vorstellungen entsprächen; vor ihrer endgültigen Entscheidung
hätten die Banken vorübergehende Maßnahmen zur Sicherung der Kredite
eingeleitet. In einem weiteren Bericht dieser Zeitung mit der Überschrift "Im
Strudel der Pleiten" heißt es u.a., immer mehr Betriebe der Thüringer Baubranche müßten den Gang zum Konkursrichter antreten, um die Gläubiger auszuzahlen; besonders hart treffe es die Branche, wenn ein Großunternehmen in
finanzielle Schieflage gerate; wenn es gar den Thüringer Branchenprimus - die
Schuldnerin - treffe, seien die Folgen für kleinere Betriebe gar nicht mehr ab-
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zusehen; das Eingreifen von Bund und Land sei mehr als vernünftig, um einen
weiteren Konkursfall im Thüringer Baugeschehen zu verhindern; Überbrükkungsfinanzierung und Feuerwehreinsätze änderten aber nichts daran, daß die
Situation der Firmen angespannt bleibe.
Danach haben sich diese Presseberichte vom 4. Juli 1995 entgegen der
Wertung des Berufungsgerichts nicht nur über Liquiditätsschwierigkeiten und
massive Sanierungsbemühungen verhalten. Vielmehr ist darüber hinaus dargestellt worden, daß der Sanierungsversuch schwierig und von weiteren Bankkrediten abhängig sei, über die in den nächsten Tagen entschieden werde.
Außerdem ist - dies war besonders schwerwiegend - über "gesperrte Kreditlinien" sowie über "vorübergehende Maßnahmen zur Sicherung der Kredite" der
Banken berichtet worden; diese Umstände stellten den notwendigen kurzfristigen Sanierungserfolg in Frage.
bb) Nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht einen Artikel der Thüringer Landeszeitung vom 5. Juli 1995. Darin ist mitgeteilt worden, in dieser
Woche solle die Entscheidung über die Zukunft der Schuldnerin fallen; es habe
Management-Fehler gegeben, die die Schuldnerin in die Schieflage gebracht
hätten.
cc) Diese Presseberichte vom 4. Juli 1995 haben unter Berücksichtigung
der Liquiditätsprobleme der Schuldnerin seit April 1995 den konkreten Verdacht begründet, ihre Zahlungsunfähigkeit sei bereits eingetreten oder stehe
unmittelbar bevor. Die Mitteilungen, "gesperrte Kreditlinien" gefährdeten die
Arbeitsplätze bei der Schuldnerin sowie deren Nachunternehmern und die
Banken hätten vor ihrer endgültigen Entscheidung über die Finanzierung der
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Schuldnerin "vorübergehende Maßnahmen zur Sicherung der Kredite eingeleitet", ließen darauf schließen, daß die Banken der Schuldnerin damals keinen
weiteren Kredit gewährten; tatsächlich hatten die Banken bereits am 27. Juni
1995 die Kredite fälliggestellt. Nach dem Presseartikel vom 5. Juli 1995 - einem
Mittwoch - sollte die Entscheidung über die Zukunft der Schuldnerin "in dieser
Woche" fallen. Wegen dieser Presseberichte hätte die Beklagte, die spätestens am 15. Juli 1995 eine Zahlung der Schuldnerin in Höhe von mehr als
600.000 DM auf Sozialversicherungsbeiträge für Juni 1995 erwartete, mit der
im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt die weitere Entwicklung der Schuldnerin beobachten und sich nach deren Zahlungsfähigkeit bei dieser, bei der
Presse oder anderen geeigneten Stellen erkundigen müssen.
dd) Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte durch
Presseberichte schon am frühen Morgen des 6. Juli 1995 die Gewißheit erlangt, daß die Schuldnerin zahlungsunfähig war.
In einem Artikel der Thüringer Landeszeitung von diesem Tage heißt es
u.a., der Konkurs der Schuldnerin sei unvermeidbar; das Bankenkonsortium
habe seine Zustimmung zum Sanierungskonzept verweigert, weil die Banken
nicht das Risiko für die erforderlichen Kredite tragen wollten. In einem weiteren
Bericht dieser Zeitung von demselben Tage mit der Überschrift "R. Bau GmbH
steht vor dem Aus" ist mitgeteilt worden, die Schuldnerin werde wahrscheinlich
die Gesamtvollstreckung beantragen müssen; der letzte Sanierungsversuch sei
geplatzt; die Banken seien nicht bereit gewesen, einen Teil des Kreditrisikos
für die Bürgschaft in Höhe von 85 Mio. DM zu übernehmen. In einem Artikel der
regionalen Bild-Zeitung vom 6. Juli 1995 mit der blickfangartig hervorgehobenen Überschrift "R.-Bau vor Pleite" heißt es u.a., die 85-Millionen-Bürgschaft
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für die Schuldnerin sei geplatzt; fünf Banken hätten sich geweigert, 35 % davon
zu übernehmen; der Konkurs sei nicht mehr abzuwenden.
ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können auch Presseberichte, die keine amtliche Verlautbarung enthalten, Umstände i.S.d. § 10
Abs. 1 Nr. 4 GesO sein, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen,
wie die Revision zutreffend geltend macht (vgl. BGH, Urt. v. 15. November
1990 - IX ZR 92/90, WM 1991, 150, 151 f; v. 22. November 1990 - IX ZR
103/90, WM 1991, 152, 155; Beschl. v. 18. April 1996 - IX ZR 268/95, ZIP
1996, 1015, zur Anfechtung eines Arrest- und Pfändungsbeschlusses, der nach
Medienberichten über die Flucht des Schuldners ins Ausland erwirkt worden
war; OLG Stuttgart ZIP 1994, 722, 723). Weder der Gesetzeswortlaut noch
Sinn und Zweck dieser Vorschrift stützen die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts. Ob Presseberichte insoweit Beachtung verdienen, ist eine Frage
des Einzelfalls. Ist ein Bericht inhaltlich substantiiert, scheint er aus einer zuverlässigen Quelle zu stammen und wird er durch Artikel anderer Presseorgane gestützt, so kann der Bericht eine gewisse Überzeugungskraft gewinnen,
die einen Gläubiger veranlassen muß, im eigenen Interesse Erkundigungen
über die Zahlungsfähigkeit eines Schuldners einzuholen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle gegeben. Erwirbt ein Großgläubiger - wie die
Beklagte - von Gesetzes wegen dauernd erhebliche Forderungen gegen ein
Großunternehmen - wie die Schuldnerin -, so verstößt dieser regelmäßig gegen die im Eigeninteresse gebotene Sorgfalt, wenn er solche Presseberichte
nicht zur Kenntnis nimmt. Das gilt auch für einschlägige Artikel der örtlichen
oder regionalen Presse, weil diese häufig - wie auch im vorliegenden Falle - an
dem Schicksal eines Großunternehmens in ihrem Bereich besonderen Anteil
nimmt. Wenn die Beklagte gemäß ihrem Vorbringen die Presseartikel als un-
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beachtliche Spekulationen gewertet hat, so hat sie aus den dargelegten Gründen ihre Erkundigungsobliegenheit verletzt.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt zumindest eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen, im unmittelbaren sachlichen und zeitlichen
Zusammenhang stehenden Umstände bei richtiger Anwendung der Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt allein die Schlußfolgerung zu, daß die
- vom Berufungsgericht unterstellte - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin am
6. Juli 1995 der Beklagten infolge Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Die
Strafvorschrift des § 266 a StGB ist insoweit unerheblich. Daraus kann nicht
abgeleitet werden, daß der Sozialversicherungsträger diejenigen Beträge, die
er in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unter
dem Druck der Strafdrohung empfangen hat, im Verhältnis zu anderen Gläubigern behalten darf (BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999 - IX ZR 142/98, ZIP 1999,
1977, 1979).
II.
Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist zu klären,
ob die weiteren Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO vorliegen.
1. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Gläubigergemeinschaft
durch die angefochtene Leistung der Schuldnerin an die Beklagte benachteiligt
worden ist.
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a) Eine Benachteiligung gerade der Insolvenzgläubiger entfällt nicht
schon deswegen, weil der Kläger inzwischen die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Dies ist für die Anfechtung grundsätzlich bedeutungslos (ebenso LG
Hamburg ZIP 2001, 711, 713; Ahrendt/Struck ZInsO 2000, 264, 266; Pape
ZIP 2001, 901 ff; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch 2. Aufl. § 46
Rn. 47; vgl. auch A. Schmidt NZI 2000, 442, 443; a.M. LG Stralsund ZIP 2001,
936, 940 f; Dinstühler ZIP 1998, 1967, 1705 f; Kübler/Prütting/Paulus, InsO
§ 129 Rn. 22 a.E.; im Ansatz auch OLG Dresden NZI 2001, 259, 260). Das für
die Anfechtung vorauszusetzende Merkmal der Gläubigerbenachteiligung bedeutet - nur -, daß die angefochtene Rechtshandlung die Befriedigungsaussichten der Gesamtvollstreckungs-(Insolvenz-)Gläubiger im allgemeinen verkürzt hat. Dies ist auf der Grundlage des gesetzlich vorgesehenen, regelmäßigen Ablaufs des Gesamtvollstreckungs-(Insolvenz-)verfahrens zu beurteilen.
Dagegen wird nicht zugleich vorausgesetzt, daß von jeder einzelnen Anfechtung im Ergebnis nur Insolvenzgläubiger, nicht jedoch Massegläubiger "profitieren". Vielmehr dient das an die Anzeige der Masseunzulänglichkeit anschließende Verfahren (vgl. nunmehr § 208 Abs. 3 InsO) mittelbar den Interessen
sämtlicher Gläubiger; die vorrangige Befriedigung der Massegläubiger ist nur
als Vorstufe zu einer potentiellen späteren Berücksichtigung auch der Insolvenzgläubiger gedacht. Durch einen völligen Ausfall bleiben diese erst recht
benachteiligt. Zudem widerspräche es dem Grundsatz der insolvenzrechtlichen
Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger und damit dem Anfechtungszweck,
einzelne anfechtbar begünstigte Insolvenzgläubiger nur deshalb besser zu
stellen, weil das Schuldnervermögen sogar bis zur Bedeutungslosigkeit vermindert worden ist.
- 15 -
b) Eine Gläubigerbenachteiligung, die grundsätzlich vom Verwalter darzulegen und zu beweisen ist (u.a. BGH, Urt. v. 11. Mai 2000 - IX ZR 262/98,
WM 2000, 1209, 1210), kann fehlen, wenn mit dem weggegebenen Geldbetrag
gerade diejenigen Gläubiger befriedigt wurden, die auch der Verwalter in gleicher Weise hätte befriedigen müssen. Das setzt jedoch voraus, daß es außer
den ausgezahlten Gläubigern keine weiteren Gläubiger mit gleichen oder besseren Vorrechten gibt oder daß die Masse zur Befriedigung aller bevorrechtigten Gläubiger ausreicht; dies hat der Anfechtungsgegner zu beweisen (BGHZ
114, 315, 322; BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 - IX ZR 147/91, ZIP 1992, 1008,
1010; vom 12. November 1992 - IX ZR 237/91, ZIP 1993, 271, 273; vom
16. Juni 1994 - IX ZR 94/93, ZIP 1994, 1194, 1196; vom 13. März 1997
- IX ZR 93/96, ZIP 1997, 853, 854).
aa) Der Kläger hat unter Beweisantritt vorgetragen, er könne zur Zeit
über ein Guthaben von 640.732,11 DM verfügen; dem stünden folgende vorab
zu begleichende Ansprüche gegenüber:
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO geschätzt
3.456.852,00 DM;
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 GesO
2.200.000,00 DM;
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 a GesO
3.872.747,00 DM;
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 b GesO
603.343,74 DM.
Deswegen habe er - der Kläger - unter dem Datum des 23. Mai 1997 die
Masseunzulänglichkeit gemäß § 13 GesO im Bundesanzeiger angezeigt. Danach habe die angefochtene Zahlung an die Beklagte, deren Anspruch gemäß
§ 13 Abs. 1 Nr. 3 b GesO bevorrechtigt sei, die Aktivmasse geschmälert (vgl.
- 16 -
zur Feststellung der Masseunzulänglichkeit BGH, Urt. v. 22. Februar 2001
- IX ZR 191/98, z.V.b. in BGHZ).
bb) Dagegen hat die Beklagte unter Hinweis auf Berichte des Klägers
und dessen Prozeßvorbringen, er habe bereits bis zum 30. September 1997
Masseansprüche in Höhe von 10.970.907,39 DM "verauslagt", vorgebracht, der
Kläger habe eine freie Masse von 27.670.158,23 DM zur Verfügung, mit der er
sämtliche noch bestehenden Masseverbindlichkeiten gemäß § 13 GesO erfüllen könne.
cc) Das Landgericht hat festgestellt, daß der Kläger die Masseansprüche voll befriedigen könne, und deswegen die Klage abgewiesen, weil ihr der
Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenstehe. Das Berufungsgericht hat diese Streitfrage noch nicht geprüft. Sollte es zum Ergebnis kommen, daß es nicht
feststeht, ob die Masse zur Befriedigung aller Ansprüche nach § 13 GesO ausreicht, ist diese Streitfrage im Verteilungsverfahren (§§ 17, 18 GesO) zu erledigen (vgl. BGHZ 114, 315, 323).
2. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Rechtserwerbs der Beklagten am
6. Juli 1995 hat die - vom Berufungsgericht lediglich unterstellte - Zahlungseinstellung der Schuldnerin vorgelegen (vgl. dazu BGHZ 118, 171, 174; BGH, Urt.
v. 8. Oktober 1998, aaO 2009; v. 13. April 2000 - IX ZR 144/99, aaO; v.
25. Januar 2001 - IX ZR 6/00, WM 2001, 689, 690 f). Nach den genannten
- 17 -
Presseberichten von jenem Tage haben die Banken am 5. Juli 1995 entschieden, ihre fälligen Forderungen gegen die Schuldnerin - unstreitig in Höhe von
etwa 45 Mio. DM - ernsthaft einzufordern und dieser keinen weiteren Kredit zu
gewähren.
Kreft
Kirchhof
Fi-
scher
Zugehör
Ganter