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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 267/16
Verkündet am:
12. Oktober 2017
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 288 Abs. 1
Bei verzögerter Freigabe eines hinterlegten Geldbetrages hat der Gläubiger in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe (Fortführung von BGHZ 167, 268).
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 267/16 - LG Hagen
AG Hagen
ECLI:DE:BGH:2017:121017UIXZR267.16.0
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Oktober 2017 durch den Richter Grupp als Vorsitzenden, die Richterinnen Lohmann und Möhring, die Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen
vom 5. Oktober 2016 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsrechtszugs tragen die Klägerin
5 vom Hundert und der Beklagte 95 vom Hundert.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über Verzugszinsen bei verzögerter Freigabe eines
hinterlegten Betrages.
2
Die Klägerin war zu 1/5, der Beklagte zu 4/5 Miteigentümer eines Grundstücks, das am 17. November 2011 zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft zwangsversteigert wurde. Von dem zu verteilenden Überschussbetrag
hinterlegte das Amtsgericht den auf die Klägerin entfallenden Anteil bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts, weil der Beklagte der Auszahlung an die
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Klägerin nicht zustimmte. Die Klägerin forderte den Beklagten zur Freigabe des
hinterlegten Betrages auf, was dieser mit E-Mail vom 10. September 2012 ablehnte. Mit Urteil des Landgerichts Hagen vom 3. Februar 2015 wurde er verurteilt, der Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Klägerin zuzustimmen.
Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils am 28. Dezember 2015 ging der
hinterlegte Betrag am 16. Februar 2016 bei der Klägerin ein.
3
Die Klägerin begehrt nunmehr für den Zeitraum vom 10. September 2012
bis zum 16. Februar 2016 Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe aus dem hinterlegten Betrag. Das Amtsgericht hat den Beklagten bei Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin Verzugszinsen für die Zeit vom 10. September
2012 bis einschließlich 28. Dezember 2015 in Höhe von 4.105,62 € zu zahlen
und die Klägerin freizustellen von ihr vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten
durch Zahlung von 492,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21. Januar 2016 an die von der Klägerin
beauftragte Anwaltssozietät. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht den in der Hauptsache zu zahlenden Betrag auf 4.104,43 € herabgesetzt
und die Zinsforderung bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen.
4
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt mit dem Ziel einer Verzinsung der vorgerichtlichen Anwaltskosten
ab dem 29. Januar 2016.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
Die Rechtsmittel sind zulässig, aber unbegründet.
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Anspruch auf Zinsen auf den hinterlegten Betrag ergebe sich dem
Grunde nach aus einer analogen Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift des § 288 Abs. 1 BGB gelte zwar nach ihrem Wortlaut lediglich für Geldforderungen, sie finde aber entsprechend Anwendung auf Ansprüche, die auf
Zustimmung zur Auszahlung hinterlegten Geldes an den Gläubiger gerichtet
seien. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 288
Abs. 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung (Urteil vom
25. April 2006 - XI ZR 271/05, BGHZ 167, 268), der auch nach Inkrafttreten des
Gesetzes zur Beschleunigung von Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I
S. 330) zum 1. Mai 2000 und des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) zum 1. Januar 2002 zu folgen
sei. Für Ansprüche, die nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung in
die Auszahlung von Geld gerichtet seien, weise § 288 Abs. 1 BGB eine Regelungslücke auf, die vom Gesetzgeber nicht gesehen worden sei und an deren
Fortbestand sich daher nichts geändert habe. In diesen Fällen liege auch eine
die Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage vor. Für den aus der
Vorenthaltung von Geld erwachsenden (Zins-)Schaden sei es gleichgültig, ob
die Vorenthaltung darauf beruhe, dass der Schuldner nicht zahle, oder darauf,
dass der Schuldner die Auszahlung des Geldes seitens einer Hinterlegungsstelle durch Nichterteilung seiner Zustimmung verhindere. Dass der Gesetzgeber
durch § 288 Abs. 1 BGB (auch) die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen
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habe beschleunigen wollen, stehe der Gleichsetzung einer Nichtzahlung mit
einer zu Unrecht verweigerten Zustimmung zur Auszahlung nicht entgegen. Die
Klägerin habe auch Anspruch auf Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten
Geldes gehabt, was bereits aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Hagen vom 3. Februar 2015 nach § 322 Abs. 1 ZPO bindend für den hier
zu beurteilenden Zinsanspruch feststehe. Mit der Erfüllung dieses Anspruchs
sei der Beklagte in Verzug gewesen, spätestens seit er durch seine E-Mail vom
10. September 2012 die Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages
ernsthaft und endgültig im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert habe.
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Hinsichtlich der Höhe des Anspruches sei in Anwendung von § 187
Abs. 1 BGB ein Zinszeitraum erst ab dem Tag nach Zugang der Zahlungsverweigerung in der E-Mail vom 10. September 2012 zugrunde zu legen. Der Einwand des Beklagten, der Klägerin habe teilweise ein Anspruch auf Hinterlegungszinsen zugestanden, sei unerheblich, weil der Nachweis eines geringeren
Schadens vom Gesetzgeber bewusst nicht vorgesehen worden sei, im Übrigen
das Amtsgericht für das Berufungsgericht bindend festgestellt habe, dass lediglich der hinterlegte Erlösanteil aus der Versteigerung an die Klägerin ausgekehrt
worden sei.
8
Der Klageantrag betreffend die außergerichtlichen Kosten der Klägerin
sei dahin auszulegen, dass er auf Freistellung gerichtet sei. Ein solcher Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten stehe der Klägerin
in geltend gemachter Höhe auch zu. Indes bestehe ein Anspruch auf Prozessoder Verzugszinsen hinsichtlich des Freistellungsanspruches nicht, insoweit
komme auch keine Analogie zu §§ 288 ff BGB in Betracht.
-6-
II.
9
Die zulässige Revision des Beklagten erweist sich als unbegründet.
Nach den unangefochtenen Feststellungen befand sich der Beklagte mit der
Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Geldes in Verzug. Er schuldet daher
der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.
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1. Der Beklagte war nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts verpflichtet, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts
seine unbedingte Zustimmung zu erklären, dass der dort hinterlegte Anteil am
zu verteilenden Erlös aus der Teilungsversteigerung an die Klägerin ausgezahlt
wird. Dies zu tun hatte der Beklagte mit E-Mail vom 10. September 2012 ernsthaft und endgültig verweigert. Er befindet sich seither auch ohne vorangehende
Mahnung der Klägerin in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Umstände, aufgrund
derer der Beklagte diesen nicht zu vertreten hätte, sind weder vom Landgericht
festgestellt noch von der Revision geltend gemacht.
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2. Der Beklagte ist daher - wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen
hat - in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Zahlung
der gesetzlichen Verzugszinsen in zuerkannter Höhe verpflichtet.
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a) Der Beklagte war zwar nicht mit einer Geldschuld, sondern mit der
Abgabe einer Freigabeerklärung in Verzug, auf die § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB
keine unmittelbare Anwendung findet. Ein Gläubiger hat aber in entsprechender
Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bei verzögerter Freigabe eines
hinterlegten Geldbetrages einen Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher
Höhe. Dies gilt nicht nur für die bis zum 30. April 2000 geltende Fassung des
-7-
§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 271/05,
BGHZ 167, 268), sondern auch für die Neufassungen dieser Norm.
13
Der Revision ist zuzugeben, dass auf Grund des vom Gesetzgeber bewusst eng gefassten Anwendungsbereichs des § 288 Abs. 1 BGB und mit Blick
auf dessen gerade auf den Verzug mit einer Geldschuld bezogenen Schutzzweck die Vorschrift nicht auf alle Fälle angewendet werden kann, in denen mittelbar die Verschaffung von Geld geschuldet wird (BGH, Urteil vom
5. Dezember 2012 - XII ZR 44/11, BGHZ 196, 1 Rn. 23). Der Senat hält jedoch
daran fest, dass der Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung hinterlegten
Geldes einer Geldschuld gleichzustellen ist. Insoweit besteht eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke. Die von der Revision aufgegriffenen Bedenken hiergegen (vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, 2014, § 288
Rn. 13; Soergel/Benicke/Nalbantis, BGB, 13. Aufl., § 288 Rn. 40; MünchKommBGB/Ernst, 7. Aufl., § 288 Rn. 13) erachtet der Senat für ebenso wenig durchgreifend wie die Überlegungen der Revision, nach der Neufassung des § 288
BGB sei eine die Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage nicht
mehr gegeben.
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aa) Zunächst kann dahinstehen, ob es sich bei § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB
um eine Ausnahmeregelung handelt (hierauf abstellend Staudinger/Löwisch/
Feldmann, aaO; Foerster ZMR 2009, 245, 251 Fn. 80), denn dies stünde jedenfalls hier einer analogen Anwendung nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat
selbst - wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. April 2006
näher ausgeführt hat (aaO Rn. 14) - § 288 Abs. 1 BGB für analogiefähig erachtet. Der Regelung liegt seit jeher der Grundsatz zugrunde, dass die mit dem
Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeiten auch ohne Substanzverbrauch in aller Regel geldwerte wirtschaftliche Vorteile bieten, deren Vorenthal-
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tung rechtlich als Schaden anzusehen ist, der unabhängig von den Umständen
des Einzelfalles mit einem Mindestzinssatz abzugelten ist (vgl. Motive, Mugdan
II S. 34; BGH, Urteil vom 26. April 1979 - VII ZR 188/78, BGHZ 74, 231, 234 f).
Der Gläubiger soll einen Zinsschaden oder einen sonstigen Schaden gerade
nicht beweisen müssen (Motive, Mugdan II S. 34). Wenn dem Schuldner statt
"einer eigentlichen Geldschuld … z.B. eine deponierte Menge Geldes vorenthalten wird" (Motive, Mugdan II S. 34), könne die Vorschrift zu den Verzugsfolgen
bei Geldschulden entsprechend angewendet werden.
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bb) Der vom Gesetzgeber nicht in den Blick genommene Anspruch auf
Einwilligung in die Auszahlung hinterlegten Geldes ist einer Geldschuld gleichwertig. Ob der Anspruch des Gläubigers unmittelbar auf Zahlung gerichtet ist
oder auf Herausgabe einer aufgrund eines privatrechtlichen Verwahrvertrags
deponierten "Menge Geldes" (wie schon in der Gesetzesbegründung angesprochen) oder - wie hier - auf Freigabe eines bei einer Hinterlegungsstelle im
Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Hinterlegungsverhältnisses zur Sicherung
hinterlegten Geldbetrags, macht wertungsmäßig keinen Unterschied.
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Der Freigabeanspruch hat - wie bereits das Reichsgericht entschieden
hat (RG, JW 1912, 635f; JW 1938, 3112) - einen Geldbetrag zum Gegenstand.
Danach betrifft es lediglich die äußere Form, in der dieser Anspruch verwirklicht
werden müsste, dass er nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung
zur Auszahlung von Geld geht. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof
die Freigabeforderung ihrem Gegenstand nach als gleichartig mit dem Anspruch auf Geldzahlung angesehen und folglich die Aufrechnung für zulässig
erachtet (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 70/87, DNotZ 1989, 752,
753; Urteil vom 17. November 1999 - XII ZR 281/97, NJW 2000, 948, 950; Beschluss vom 17. Januar 2008 - III ZR 320/06, NJW-RR 2008, 556 Rn. 16). Die-
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se Erkenntnis, die breite Zustimmung erfahren hat (z.B. OLG Karlsruhe NJWRR 2002, 1225; Soergel/Schreiber, BGB, 13. Aufl., § 387 Rn. 6; Erman/
Wagner, BGB, 15. Aufl., § 387 Rn. 11; MünchKomm-BGB/Schlüter, 7. Aufl.,
§ 387 Rn. 34; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 387 Rn. 9; NK-BGB/
Wermecker, 3. Aufl., § 387 Rn. 25; BeckOGK-BGB/Skamel, 2017, § 387
Rn. 108; BeckOK BGB/Dennhardt, 2017, § 387 Rn. 27.1; Pfeiffer in Prütting/
Wegen/Weinrich, BGB, 12. Aufl., § 387 Rn. 15; vgl. auch Koenig/Fritsch, AO,
3. Aufl., § 226 Rn. 25; Jäger/Windel, InsO, § 94 Rn. 119; MünchKommInsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl., InsO § 94 Rn. 26; Uhlenbruck/Sinz, InsO,
14. Aufl. § 94 Rn. 29; aA Staudinger/Gursky, BGB, 2016, § 387 Rn. 93; Schmitz
MDR 1989, 582), stützt die Gleichstellung des Anspruchs auf Einwilligung in die
Auszahlung hinterlegten Geldes mit einer Geldschuld im Sinne von § 288
Abs. 1 BGB.
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Dieser Gleichstellung steht nicht entgegen, dass bei der Freigabe hinterlegten Geldes ein Dritter, der nicht Anspruchsgegner ist, die Auszahlung des
geschuldeten Geldbetrags zu bewirken hat. Zwar kann in diesem Fall der Anspruchsgegner zu keinem Zeitpunkt selbst über das vorenthaltene Geld verfügen. Die Verzugsfolgen des § 288 Abs. 1 BGB greifen aber unabhängig davon,
ob der Schuldner vorenthaltenes Geld gewinnbringend verwenden oder sonstige Vorteile daraus ziehen konnte.
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Auch hängt die zur Auszahlung des hinterlegten Geldbetrags führende
Herausgabeanordnung, nachdem sie beantragt worden ist, allein von der Freigabeerklärung ab (vgl. § 22 des hier maßgeblichen HinterlG NRW). Damit wird
der Nachweis der Empfangsberechtigung erbracht und die Herausgabe ist anzuordnen (§§ 21, 22 HinterlG NRW). Der Miteigentumsanteil der Klägerin an
dem gemäß § 753 Abs. 1 BGB versteigerten Grundstück setzte sich zunächst
- 10 -
mit dem Zuschlag im Teilungsversteigerungsverfahren im Wege der dinglichen
Surrogation an dem Versteigerungserlös fort (vgl. BGH, Beschluss vom
13. November 2013 - XII ZB 333/12, BGHZ 199, 71 Rn. 16 mwN; vom
22. Februar 2017 - XII ZB 137/16, NJW 2017, 2544 Rn. 21). Der Beklagte war
entsprechend den Feststellungen des Berufungsgerichts sodann zur Vornahme
der für die Erlösverteilung erforderlichen Mitwirkungshandlungen verpflichtet.
Der Klägerin wäre hieraus ein unmittelbar auf Auskehr des nach Abzug der
Versteigerungskosten (§§ 180, 109 ZVG) und Berichtigung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten (§§ 755, 756 BGB) verbleibenden Überschusses gerichteter Anspruch erwachsen. Dass der Beklagte durch die unberechtigte Verweigerung seiner Zustimmung hierzu eine Hinterlegung erforderlich gemacht hat
(§ 117 Abs. 2 Satz 3 ZVG), mit der Folge, dass sich die Bruchteilsgemeinschaft
am versteigerten Grundbesitz nunmehr an der Forderung gegen die Hinterlegungsstelle fortsetzte (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017, aaO Rn. 25),
nimmt dem Anspruch der Klägerin (aus § 749 Abs. 1, § 752 Satz 1 BGB; vgl.
BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017, aaO Rn. 30 f) auf Abgabe der erforderlichen Einwilligung in die Auszahlung des beim Amtsgericht hinterlegten Erlösanteils nicht den Charakter einer unmittelbar auf Erhalt des ihr zustehenden
Erlösanteils gerichteten Forderung.
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cc) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil
das Gesetz Regelungen zu Hinterlegungszinsen kennt. Soweit im Rahmen der
Teilungsversteigerung das Bargebot vom Zuschlag an zu verzinsen war (§ 49
Abs. 2 ZVG), fließen die Zinsen in den anteilig zu verteilenden Übererlös, dessen Auskehr an die Klägerin gerade verzögert wurde. Soweit darüber hinaus
zunächst in § 8 der Hinterlegungsordnung vom 10. März 1937 und nach deren
Aufhebung durch Gesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2614) in den
Bundesländern Hessen, Saarland, Hamburg und Niedersachsen der hinterlegte
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Betrag verzinst wird, ist dies allein darin begründet, dass das hinterlegte Geld in
das Eigentum des jeweiligen Landes übergeht. Eine Kompensation des Gläubigers, dem der Betrag während der Dauer der Hinterlegung vorenthalten bleibt,
ist damit nicht angestrebt. Ob und inwieweit geleistete Hinterziehungszinsen auf
den pauschalierten Schadensersatz des § 288 Abs. 1 BGB anzurechnen sein
könnten, bedarf hier keiner Entscheidung, denn solche wurden nicht gezahlt
(vgl. § 12 HinterlG NRW).
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dd) Die für die analoge Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB maßgeblichen
Gesichtspunkte haben sich nicht dadurch geändert, dass der Gesetzgeber
durch das am 1. Mai 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung fälliger
Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330), durch das zum 1. Januar 2002
in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom
26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) und sodann durch das am 29. Juli 2014
in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (BGBl. I S. 1218), mit dem die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 48/1 vom 23. Februar 2011) umgesetzt wurde, den gesetzlichen Verzugszins erhöht hat. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass der Gesetzgeber bei keinem der genannten Gesetze
die Frage der Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB auf den Anspruch auf Freigabe hinterlegten Geldes in den Blick genommen hat (vgl. BT-Drucks. 14/1246,
S. 4 f; BT-Drucks. 14/6040, S. 148; BT-Drucks. 18/1309, S. 19 f).
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Entgegen der Auffassung der Revision hat sich der Gesetzeszweck nicht
grundlegend dadurch gewandelt, dass durch eine Erhöhung der gesetzlichen
Verzugszinsen die Zahlungsmoral verbessert werden sollte. Der aufgezeigte
Regelungsgehalt des § 288 Abs. 1 BGB wird dadurch nicht in Frage gestellt.
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Seit jeher liegt der Sinn dieser Norm nicht nur in einer abstrakten Entschädigung des Gläubigers für die entbehrte Kapitalnutzung, sondern auch darin, den
Schuldner zur alsbaldigen Erfüllung anzuhalten (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985
- VII ZR 266/84, BGHZ 94, 330, 333). Bereits der historische Gesetzgeber hatte
erkannt, dass der gesetzliche über dem marktüblichen Zins liegen müsse, zumal auch der Verzugsgläubiger zumeist selbst Schuldner sei und sich die Zinshöhe daher nicht allein an einem entgangenen Kapitalertrag orientieren dürfe
(Protokolle, Mugdan II S. 509 f, 537).
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ee) Die Auffassung der Revision, § 288 Abs. 1 BGB sei auf den Anspruch auf Freigabe eines hinterlegten Betrages nicht anwendbar, findet entgegen dem Revisionsvorbringen keine Stütze in anderen Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs.
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Bereits in seinem Urteil vom 26. April 1979 (VII ZR 188/78, BGHZ 74,
231) hat der Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung von § 288
Abs. 1 BGB bejaht (konkret für die Bezifferung des Schadens aus schuldhafter
Nichtbeschaffung eines langfristigen zinslosen Darlehens) und zur Begründung
- wie die Revision selbst einräumt - auf die Nutzungsmöglichkeiten, die Geld
bietet und die nach allgemeiner Lebensauffassung einen Vorteil darstellen, der
seinerseits Geldwert hat, verwiesen. Im Beschluss vom 15. September 2005
(III ZR 28/05, NJW 2005, 3709) hat der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit
von § 288 Abs. 1 BGB auf einen auf die Herausgabe von Geld gerichteten Anspruch aus § 667 Alt. 2 BGB bejaht, obgleich es sich nicht um eine gewöhnliche
Geldschuld handle. Er hat dies damit begründet, dass der Geldherausgabeanspruch nach § 667 Alt. 2 BGB bei der Aufrechnung wie eine "normale" Geldschuld behandelt werde, und damit, dass die Höhe des Verzugsschadens und
damit das Bedürfnis nach dessen pauschalierter Berechnung nicht davon ab-
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hänge, ob der Schuldner die Mittel wirtschaftlich aus seinem eigenen Vermögen
aufzubringen hat.
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Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 4. Mai 2005 (VIII ZR
94/90, NJW 2005, 2310) eine unmittelbare Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB
und im Urteil vom 5. Dezember 2012 (XII ZR 44/11, BGHZ 196, 1) auch eine
analoge Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB geprüft und jeweils verneint hat,
liegen dem Sachverhaltskonstellationen zugrunde, die mit der vorliegenden
nicht vergleichbar sind. So ist die Notwendigkeit, einen Zinsschaden bei verweigerter Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen konkret darlegen zu
müssen und nicht auf § 288 BGB zurückgreifen zu können, Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, nach der dem Vermieter ein Anspruch auf den erhöhten Mietzins nicht von Gesetzes wegen zusteht, sondern eine entsprechende Änderung des Mietvertrags voraussetzt, so dass der Vermieter den Mieter
zunächst auf Zustimmung zu dieser Änderung in Anspruch nehmen muss und
nicht sogleich Zahlung verlangen kann (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005, aaO).
Auch die Verpflichtung des Vermieters zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung ist nicht mit einem Anspruch vergleichbar, der unmittelbar darauf gerichtet ist, dem Gläubiger einen Geldbetrag zu verschaffen; vielmehr kann der
Mieter von seinem Vermieter zunächst nur die Erstellung einer ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung verlangen, während ein Rückerstattungsanspruch dem Mieter nur zusteht, soweit die geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen durch die in dem betreffenden Abrechnungszeitraum tatsächlich angefallenen Nebenkosten nicht aufgezehrt sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember
2012, aaO Rn. 24). Demgegenüber führt allein die Freigabe des hier hinterlegten Überschussbetrags aus einer Teilungsversteigerung durch den Beklagten
dazu, einen der Höhe nach bereits bestimmten Geldzufluss bei der Klägerin zu
- 14 -
bewirken, ohne dass es eines einer Vertragsänderung oder Abrechnung vergleichbaren Zwischenschritts bedürfte.
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b) Die Höhe des der Klägerin zugesprochenen Betrages begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
III.
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Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig, bleibt aber ebenfalls ohne Erfolg.
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1. Trotz der nur zu Gunsten des Beklagten ergangenen Zulassungsentscheidung ist die Anschlussrevision statthaft (§ 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl.
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 - II ZR 147/03, NJW-RR 2005, 651). Sie
betrifft auch einen Lebenssachverhalt, der mit dem von der Revision erfassten
Streitgegenstand in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang
steht (zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung vgl. BGH, Urteil vom 22. November
2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 36 ff).
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2. Die Anschlussrevision ist unbegründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht das Urteil des Amtsgerichts insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als gesetzliche Zinsen auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin zuerkannt waren. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Befreiungsanspruch findet § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1994 - IV ZR 229/93,
NJW-RR 1994, 1302, 1303; OLG Stuttgart, Urteil vom 4. Oktober 2010 - 5 U
60/10, NJW-RR 2011, 239; Staudinger/Löwisch/Feldmann, aaO, § 288 Rn. 8;
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BeckOGK/Dornis, 2017, BGB § 288 Rn. 32; Palandt/Grüneberg, aaO, § 288
Rn. 6).
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Es kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen die Klägerin statt
der Freistellung Zahlung an sich hätte verlangen können und ob § 288 Abs. 1
Satz 1 BGB in allen Fällen anzuwenden wäre, in denen ein nach §§ 280, 286
BGB begründeter Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergegangen ist. Anders als etwa in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
9. Juli 2015 (I ZR 224/13, NJW-RR 2016, 155 Rn. 34) zugrundeliegenden
Sachverhalt hat die Klägerin nicht auf Zahlung angetragen. Der Klageantrag,
dessen Auslegung als Prozesshandlung vollen Umfangs der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2014 - V ZR
53/14, NJW-RR 2015, 583 Rn. 8; vom 18. Dezember 2015 - V ZR 160/14, NJW
2016, 863 Rn. 8; vom 4. Oktober 2007 - I ZR 143/04, NJW 2008, 1384 Rn. 11 je
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mwN; BeckOK-ZPO/Bacher, 2017, § 253 Rn. 58), richtet sich - wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat - allein auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Grupp
Lohmann
Schoppmeyer
Möhring
Meyberg
Vorinstanzen:
AG Hagen, Entscheidung vom 15.06.2016 - 144 C 10/16 LG Hagen, Entscheidung vom 05.10.2016 - 3 S 46/16 -