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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 146/05
Verkündet am:
10. Mai 2007
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 131, 142; BGB § 648a
a) Eine zwischen den Vertragsparteien nicht vereinbarte Direktzahlung des Auftraggebers des Bestellers an den Werkunternehmer ist auch dann inkongruent, wenn
diesem ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 648a BGB zustand.
b) Wird ein Vertrag geändert, bevor Leistungen erbracht worden sind, steht die Änderung allein der Annahme einer Bardeckung nicht entgegen.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - IX ZR 146/05 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter
Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 18. Juli 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
1
der
AG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin beauftragte als
Generalunternehmerin für die
GmbH (fortan:
Auftraggeberin) die Beklagte als Subunternehmerin mit dem Gewerk "Mobile
Trennwandanlagen". Mit Schreiben vom 7. Februar 2001 bestätigte die Beklagte den Auftrag und bat zugleich um Stellung einer Bankbürgschaft in Höhe der
Brutto-Auftragssumme. Unter dem 22. Mai 2001 forderte die Beklagte die
Schuldnerin zur Leistung einer Sicherheit gemäß § 648a BGB bis zum 5. Juni
2001 auf und kündigte an, nach fruchtlosem Ablauf der Frist von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Die Schuldnerin leistete keine
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Sicherheit. Die Beklagte weigerte sich in der Folgezeit, die bereits gefertigten,
aber noch auf ihrem Betriebsgelände befindlichen Trennwände einzubauen.
2
Am 13. Juli 2001 vereinbarte die Schuldnerin mit der Auftraggeberin,
dass diese bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Forderungen von Subunternehmern gegen die Schuldnerin unmittelbar begleichen solle. Die Auftraggeberin teilte dies der Beklagten mit, wobei sie die offene Forderung der Beklagten
mit 70.130,41 Euro netto bezifferte. Die Beklagte antwortete, sie werde die
Trennwände erst nach Zahlung von 161.166,73 DM, also der gesamten Angebotssumme, montieren. Die Auftraggeberin zahlte einen Betrag von brutto
148.515,36 DM (75.934,70 Euro); daraufhin baute die Beklagte die Montagewände mangelfrei ein.
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Am 8. Oktober 2001 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 14. Januar 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger Rückgewähr der von
der Auftraggeberin gezahlten netto 65.460,95 Euro. Das Landgericht hat die
Beklagte antragsgemäß verurteilt; das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die
Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe keine inkongruente Deckung erhalten. Außerdem fehle es an einer unmittelbaren oder mittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Die Beklagte habe den Werklohn bekommen, welcher dem Wert der montierten Trennwände entsprochen habe. Der
Werklohnanspruch sei fällig gewesen. Nachdem die Beklagte vergeblich unter
Ablehnungsandrohung Sicherheitsleistung verlangt habe, sei sie zu Vorleistungen nicht mehr verpflichtet gewesen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
hätte ein Insolvenzverwalter den Anspruch auf Lieferung der Trennwände nur
nach einer Erfüllungswahl durchsetzen können; dann jedoch wäre die Werklohnforderung zu einer Masseforderung geworden. Ob die Voraussetzungen
eines Bargeschäfts vorlägen, sei nicht entscheidungserheblich.
II.
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Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage kann ein Anspruch aus § 131 Abs. 1
Nr. 2, § 143 Abs. 1 InsO nicht ausgeschlossen werden.
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1. Ist der Werklohnanspruch der Beklagten, wie der Kläger vorträgt, aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Auftraggeberin und der Schuldnerin
unmittelbar durch die Auftraggeberin befriedigt worden, hat die Beklagte eine
inkongruente Deckung erhalten. Erfüllt ein Dritter auf Anweisung des Schuldners dessen Verbindlichkeit, ohne dass eine insolvenzfeste Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner vorgelegen hat, ist die Befriedigung inkon-
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gruent (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 337/97, WM 1998, 2345, 2348; v.
9. Januar 2003 - IX ZR 85/02, WM 2003, 398, 400; v. 21. April 2005 - IX ZR
24/04, WM 2004, 1033, 1034). Der fruchtlose Ablauf der von der Beklagten gesetzten Frist zur Beibringung einer Sicherheit ändert daran nichts. Die Vorschrift
des § 648a BGB gibt dem Unternehmer ein Leistungsverweigerungsrecht, jedoch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung einer Sicherheit (BGHZ
146, 24, 28). Wie der Senat bereits entschieden hat, begründet § 648a BGB
nicht einmal die Kongruenz einer nachträglichen Vereinbarung über die Abtretung einer Werklohnforderung des Hauptunternehmers gegen den Bauherrn an
den Subunternehmer (BGH, Urt. v. 18. November 2004 - IX ZR 299/00, WM
2005, 804, 806). Für Direktzahlungen des Bauherrn an den Subunternehmer
gilt das erst recht. Die (vorzeitige) Erfüllung des Werklohnanspruchs durch Dritte ist in § 648a Abs. 1 BGB nicht vorgesehen und daher schon deshalb grundsätzlich inkongruent.
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2. Die Zahlung der Auftraggeberin hat auch zu einer Benachteiligung der
Gesamtheit der Gläubiger geführt. Nach Darstellung des Klägers sollte die Zahlung der Auftraggeberin unmittelbar auf eine unabhängig von den Leistungen,
welche die Beklagte zu erbringen hatte, begründete Werklohnforderung der
Schuldnerin gegen die Auftraggeberin angerechnet werden. Damit hätte die
Schuldnerin für die Befriedigung der Beklagten einen Vermögensgegenstand
aufgegeben, der andernfalls den Gläubigern zur Verfügung gestanden hätte.
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3. Nach der revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Darstellung des
Klägers ist eine Anfechtung schließlich nicht nach § 142 InsO ausgeschlossen.
Ein Bargeschäft setzt eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Falle
einer inkongruenten Deckung - einer Leistung, die so nicht geschuldet war
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(§ 131 Abs. 1 InsO) - gerade fehlt (BGHZ 123, 320, 328 f; 150, 122, 130; 157,
350, 360; 167, 190, 199; BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, ZIP 2005,
1243, 1245).
III.
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Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 3 ZPO), muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen
werden (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgenden rechtlichen Gesichtspunkt hin:
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1. Legt man den Vortrag der Beklagten zugrunde, sind die Voraussetzungen eines unanfechtbaren Bargeschäfts (§ 142 InsO) erfüllt.
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a) Nach Darstellung der Beklagten hat es nach fruchtlosem Ablauf der
gemäß § 648a Abs. 1 BGB gesetzten Frist zur Beibringung einer Sicherheit und
nach der „Vereinbarung“ vom 13. Juli 2001 zwischen der Auftraggeberin und
der Schuldnerin über Direktzahlungen an bestimmte Subunternehmer eine dreiseitige Vereinbarung zwischen ihr, der Schuldnerin und der Auftraggeberin dahingehend gegeben, dass die von ihr zu liefernden Trennwände insgesamt von
der Auftraggeberin bezahlt werden sollten. Ist das richtig, so war die Zahlung
der 148.515,36 DM durch die Auftraggeberin an die Beklagte - bezogen auf die
behauptete Vereinbarung - kongruent.
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b) Maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen eines Bargeschäfts ist derjenige, in dem die zeitlich erste Leistung eines Vertragsteils erbracht wird. Bis
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dahin können die Beteiligten den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern,
ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden (BGHZ 123, 320, 328;
MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 8). Als die behauptete Vereinbarung
getroffen worden sein soll, hatte die Schuldnerin noch keinerlei Zahlungen geleistet. Die Beklagte hatte die fraglichen Trennwände zwar bereits gefertigt, jedoch noch nicht ausgeliefert und eingebaut. Die Schuldnerin hatte also ebenfalls noch keine Leistungen von der Beklagten erhalten.
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c) Der für die Anwendung des § 142 InsO erforderliche enge zeitliche
Zusammenhang zwischen den beiderseitigen Leistungen ist nach derzeitigem
Sach- und Streitstand ebenfalls erfüllt. Der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge ist ein solcher Zusammenhang auch dann erforderlich,
wenn nicht der Gläubiger, sondern der Schuldner vorleistet (BGHZ 167, 190,
202). Nach Darstellung des Klägers sind die Zahlungen "nach dem 7. Juli 2001"
geleistet worden; nach Darstellung der Beklagten ist erst nach Erstellung eines
neuen Angebots und dessen Annahme durch die Schuldnerin am 24. Juli 2001
gezahlt worden. Eingebaut wurden die Trennwände im August 2001. Die Abnahme fand am 29. August 2001 statt. Die Beklagte hat überdies unwidersprochen vorgetragen, ihre Leistungen "unmittelbar" nach Eingang der von der Auftraggeberin gezahlten 148.515,36 DM erbracht zu haben.
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d) Die Schuldnerin hat schließlich auch eine gleichwertige Gegenleistung
für die von ihr erbrachte Leistung - die Zahlung durch die Auftraggeberin unter
Anrechnung auf deren Verbindlichkeiten - erhalten. Sie konnte die von der Beklagten erbrachten Werkleistungen nämlich ihrerseits gegenüber der Auftraggeberin abrechnen. Dass insoweit geringere Preise als im Verhältnis zur Beklagten vereinbart gewesen wären, hat keine Partei behauptet. Die Beklagte hat
vielmehr unwidersprochen auf den Unternehmeraufschlag hingewiesen, der in
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den zwischen der Schuldnerin und der Auftraggeberin vereinbarten Preisen
enthalten war und den die Schuldnerin so zusätzlich erhielt. Leistungsfähig war
die Auftraggeberin ebenfalls.
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2. Der Kläger hat das Vorliegen einer dreiseitigen Vereinbarung über die
Direktzahlungen bestritten. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 142 InsO ist der Anfechtungsgegner (BGH, Urt. v.
1. Oktober 2002 - IX ZR 360/99, WM 2002, 2369, 2372; Kayser, ZIP 2007, 49,
50). Das Berufungsgericht wird den von der Beklagten angetretenen Zeugenbeweis zu erheben haben.
Dr. Gero Fischer
Lohmann
Richter am BGH
Vill
Dr. Ganter ist in Urlaub
und daher verhindert zu
unterschreiben.
Dr. Gero Fischer
Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 24.02.2005 - 15 O 3338/04 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.07.2005 - 11 U 33/05 -