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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 101/02
Verkündet am:
3. April 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
InsO §§ 208 Abs. 1 und 2, 209 Abs. 1 Nr. 3
Die vom Insolvenzverwalter formgerecht angezeigte Masseunzulänglichkeit ist für
das Prozeßgericht bindend; Altmasseverbindlichkeiten können danach nicht mehr mit
der Leistungsklage verfolgt werden (im Anschluß an BAG ZIP 2002, 628).
InsO §§ 209 Abs. 2 Nr. 3, 55 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2, 90 Abs. 2 Nr. 3
Der Insolvenzverwalter nimmt die Gegenleistung aus einem Dauerschuldverhältnis in
Anspruch, indem er diese Leistung nutzt, obwohl er das pflichtgemäß hätte verhindern können. Die Entgegennahme einer fälligen Untermietzahlung vor Anzeige der
Masseunzulänglichkeit ist keine Nutzung in dem anteilig mit abgegoltenen Zeitraum
danach.
InsO §§ 209 Abs. 1 Nr. 2, 210
Reicht die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht aus, um alle Neumassegläubiger voll zu befriedigen, ist auf den Einwand
des Insolvenzverwalters hin auch für diese Gläubiger nur noch eine Feststellungsklage zulässig; die Voraussetzungen sind vom Verwalter im einzelnen darzulegen und
erforderlichenfalls nachzuweisen.
BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 101/02 - LG Düsseldorf
AG Langenfeld
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und
 
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung der
Anschlußrevision der Kläger - das Urteil der 24. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf vom 19. März 2002 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Langenfeld vom 1. Oktober 2001 wird auch insoweit zurückgewiesen,
als
es die
Klage
wegen
einer
Forderung
von
433,67
(848,19 DM) - als Miete für die Zeit vom 15. bis 31. März 2001 abgewiesen hat.
Wegen der verbliebenen Forderung von 1.734,69

DM)
wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über
die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen wird.
Von Rechts wegen
-3-
Tatbestand:
Im Rahmen einer gewerblichen Zwischenvermietung vermieteten die
Kläger eine Eigentumswohnung an die B.
GmbH (nachfolgend GmbH
oder Schuldnerin) für eine Garantiemiete von zuletzt monatlich 1.696,38 DM.
Mit Beschluß vom 31. Januar 2001 wurde über das Vermögen der GmbH das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter benannt.
Dieser kündigte das mit den Klägern bestehende Mietverhältnis fristgemäß zum
31. Mai 2001. Mit einem am 15. März 2001 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schreiben zeigte der Beklagte die Masseunzulänglichkeit des Insolvenzverfahrens an; das Gericht unterrichtete darüber die Massegläubiger einschließlich der Kläger. In der Folgezeit bezog der Beklagte weiter Miete von den
Endmietern.
Die Kläger fordern die vereinbarte Miete für die Zeit vom 1. Februar bis
31. Mai 2001 in Höhe von 6.785,52 DM. Das Amtsgericht hat der Klage nur wegen der April-Miete, das Landgericht hat ihr weitergehend - in Höhe von insgesamt 2.168,36
- für den Zeitraum vom 15. März bis 31. Mai 2001 stattgege-
ben. Dagegen richten sich die zugelassene Revision des Beklagten und die
Anschlußrevision der Kläger.
Entscheidungsgründe:
Nur die Revision des Beklagten hat Erfolg.
-4-
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte schulde die Miete für
die Zeit vom 15. März bis 31. Mai 2001 aus der Insolvenzmasse. Es handle sich
um Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2
Nr. 3 InsO, weil der Beklagte die im Mietvertrag vereinbarte Leistung der Kläger
durch die fortdauernde Zwischenvermietung während der fraglichen Zeit benutzt habe. Ein besonderes "Verlangen" des Insolvenzverwalters sei dazu nicht
nötig.
Hingegen sei die Klage wegen der Mietansprüche für die frühere Zeit
unzulässig. Es handle sich um nachrangige Masseverbindlichkeiten im Sinne
von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Ihretwegen sei eine Zwangsvollstreckung gemäß
§ 210 InsO nicht mehr zulässig. Die Kläger könnten sich insoweit auch nicht auf
eine vermeintliche Zahlungszusage des Beklagten bezüglich der Februar-Miete
berufen. Denn die entsprechende Erklärung des Beklagten habe sich erkennbar
allein auf den Fall bezogen, daß die Kläger ihrerseits von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätten.
II.
Die gegen die Klageabweisung gerichtete Anschlußrevision der Kläger
(für den Zeitraum vom 1. Februar bis 15. März 2001) ist unbegründet.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß Forderungen im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit - § 208 Abs. 1 InsO - nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt
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werden können (BAG ZIP 2002, 628, 629 f m.w.N.; OLG Köln ZIP 2001, 1422,
1423 f; OLG Celle OLGR 2001, 61; LAG Düsseldorf ZIP 2000, 2034, 2035;
MünchKomm-InsO/Hefermehl § 208 Rn. 65 f; Braun/Kießner, InsO § 210 Rn. 7;
Smid, InsO 2. Aufl. § 208 Rn. 15; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 208 Rn. 27;
Hess/Weis, InsO 2. Aufl. § 210 Rn. 15 f; Kübler in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. S. 967, 979 Rn. 42; vgl. auch LAG Stuttgart ZIP 2001, 657,
658). Der Senat schließt sich der hierfür vom Bundesarbeitsgericht (aaO) gegebenen, überzeugenden Begründung an.
Die in Übereinstimmung mit § 208 Abs. 1 und 2 InsO angezeigte Masseunzulänglichkeit ist für das Prozeßgericht bindend (BAG aaO S. 631). Dies
ergibt nicht nur die Entstehungsgeschichte der neuen Norm zweifelsfrei. Vielmehr kann sie auch nur aufgrund eines solchen Verständnisses ihren Zweck
erfüllen: Sie soll es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, die noch vorhandene
Insolvenzmasse gemäß § 208 Abs. 3 InsO auf rechtlich gesicherter Grundlage
abzuwickeln. Diese sollte nach dem Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung
durch einen Beschluß des Insolvenzgerichts geschaffen werden. Statt dessen
hat der Bundestag schon der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den
Insolvenzverwalter eine solche konstitutive Wirkung beigemessen. Als Folge
davon hat der Insolvenzverwalter vorauszuplanen, wie er künftig die Insolvenzmasse möglichst günstig abzuwickeln vermag. Jede verläßliche Berechnungsgrundlage würde aber zerstört, wenn sie aufgrund einer Vielzahl von Klagen der
Altmassegläubiger laufend und sogar unbefristet zur Überprüfung durch unterschiedliche Prozeßgerichte gestellt werden könnte. Zwar bewirkt die Anzeige,
daß die Altmassegläubiger keine quotale Befriedigung aus der Verteilung der
vorhandenen Insolvenzmasse erhalten. Statt dessen geraten sie in einen Nachrang gegenüber den Neumassegläubigern (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Diese im
Interesse einer möglichst günstigen Masseverwertung - potentiell zugunsten
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aller Gläubiger des betroffenen Insolvenzschuldners - getroffene Regelung des
Gesetzgebers ist hinzunehmen. Als Ausgleich dafür hat er insbesondere die
Haftung des Insolvenzverwalters für nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten
nach Maßgabe des § 61 InsO verschärft. Dessen Anzeige der Masseunzulänglichkeit selbst kann dagegen allenfalls unter denselben Voraussetzungen unverbindlich sein, unter denen eine entsprechende Feststellung des Insolvenzgerichts nichtig wäre. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme haben die
Kläger hier nicht einmal ansatzweise dargetan.
2. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, daß die
Mietforderungen der Kläger für Februar und - jedenfalls die erste Hälfte des
Monats - März 2001 nur Altmasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1
Nr. 3 InsO darstellten. Dies sind, wie der Umkehrschluß aus Nr. 2 dieses Absatzes ergibt, Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 InsO, die schon bis zur
Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind. Für eine "Begründung" in diesem Sinne erst nach der Anzeige genügt es nicht, daß ein vorher
abgeschlossenes Dauernutzungsverhältnis im Sinne des § 108 InsO auch noch
eine gewisse Zeit lang nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtlich fortbesteht. Dieser Umstand führt nicht etwa dazu, daß auch die vor der Anzeige
ausgetauschten Leistungen rückwirkend als Leistungen nach der Anzeige gelten könnten.
Vielmehr geht § 108 Abs. 2 InsO grundsätzlich von der Teilbarkeit der
Leistungen in einem Dauerschuldverhältnis entsprechend den Zeitabschnitten
aus.
In zeitlicher Hinsicht begründet nicht nur die Insolvenzeröffnung selbst
einen rechtlichen Einschnitt in das Dauerschuldverhältnis, sondern erneut die
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Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Anderenfalls wäre sie für Dauerschuldverhältnisse insgesamt wirkungslos, sofern diese nur die Insolvenzeröffnung selbst
überdauern. Das verstieße gegen die Absicht des Gesetzgebers, mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit auch eine Neuordnung der Ratenverbindlichkeiten herbeizuführen. Die gegenteilige Auffassung der Anschlußrevision verstößt
zudem gegen den systematischen Zusammenhang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO
mit den in Absatz 2 aufgeführten Fällen von Neumasseverbindlichkeiten. Alle
diese knüpfen an Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters nach der Anzeige
der Masseunzulänglichkeit an.
3. Schon aus diesem Grunde führt auch die Ansicht der Anschlußrevision
nicht weiter, der Beklagte habe am 6. März 2001 eine Masseverbindlichkeit anerkannt. Denn auch eine solche Handlung hätte vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit stattgefunden.
Im übrigen vermag die Rüge der Anschlußrevision nicht die Auslegung
des Berufungsgerichts zu erschüttern, ein solches Anerkenntnis liege nicht vor.
Unter Hinweis auf die frühere Korrespondenz hatte der Bevollmächtigte der
Kläger gebeten, die Mieten ab Februar an diese weiterzuleiten. Darauf vermerkte der Beklagte:
"mit den Mietern habe ich von hier aus keinen Kontakt; auf Nachfrage
der Mieter bestätige ich ggfs. die Kündigung
Auszahlung der Februar-Miete ist aus banktechnischen Gründen erst in
der 3. März-Woche möglich."
Dies enthält schon dem Wortlaut nach weder ein Zahlungsversprechen
noch ein Anerkenntnis.
-8-
III.
1. Die Revision des Beklagten führt wegen der für die zweite Märzhälfte
2001 geltend gemachten Miete - in Höhe von 433,67
- zur Klageabweisung.
Denn auch insoweit handelt es sich um eine Altmasseverbindlichkeit im Sinne
von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, die nicht im Wege der Leistungs-, sondern nur mit
der Feststellungsklage verfolgt werden kann. Nummer 2 dieser Vorschrift, die
den Vorrang von Neumasseverbindlichkeiten anordnet, greift (noch) nicht ein,
weil die Verbindlichkeit in diesem Umfang nicht nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden ist.
a) Unmittelbar im Sinne dieser Vorschrift ist ein Schuldverhältnis "begründet" worden, wenn der Insolvenzverwalter den Rechtsgrund dafür erst nach
der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelegt hat, insbesondere durch eine
Handlung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies ergibt nicht nur der Wortsinn, sondern auch der systematische Zusammenhang des § 209 Abs. 1 Nr. 2
InsO mit der erweiternden Vorschrift seines zweiten Absatzes sowie den Fällen
des § 55 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 InsO; hierbei handelt es sich jeweils um Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter durch selbstbestimmtes Handeln
auslöst.
Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Der Mietvertrag mit den
Klägern stammt schon aus dem Jahre 1993 und damit aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung.
b) Nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO gelten als Neumasseverbindlichkeiten
auch diejenigen aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte.
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Dies entspricht allgemein der ersten Alternative des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO und
knüpft an das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO
an. Darum geht es vorliegend ebenfalls nicht. Das Grundstücksmietverhältnis
unterliegt nicht § 103, sondern den §§ 108 bis 111 InsO.
Entgegen der Auffassung des Beklagten bildet der Mietvertrag zwischen
den Klägern und der GmbH keine rechtliche Einheit mit dem - abgewickelten Vertrag über die ursprüngliche Erstellung der Eigentumswohnung. Unabhängig
von einem wirtschaftlichen Zusammenhang dieser Verträge ist der Dauernutzungsvertrag über die hergestellte Wohnung ein selbständiges Rechtsgeschäft,
das demgemäß nach eigenständigen Regeln abzuwickeln ist.
c) Gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO gelten als Neumasseverbindlichkeiten
ferner die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach
dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn
der Beklagte hatte das auf zehn Jahre fest abgeschlossene Mietverhältnis mit
den Klägern schon zuvor durch Schreiben vom 27. Februar 2001 zum 31. Mai
2001 gekündigt. Dies war gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. § 565 Abs. 1
Nr. 3 BGB a.F. (§ 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F.) der frühestmögliche Termin seit
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine erneute Kündigung nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit hätte die Vertragsbeendigung nicht zu beschleunigen vermocht.
d) Endlich greift § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO vorliegend noch nicht für die
zweite Märzhälfte 2001 ein. Die Vorschrift setzt voraus, daß der Verwalter nach
der Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Gegenleistung aus einem Dauerschuldverhältnis für die Insolvenzmasse in Anspruch genommen hat. Hierunter
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ist, wie in § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO, ein Verhalten des Insolvenzverwalters zu
versehen, mit dem er die Gegenleistung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nutzt, obwohl er dies pflichtgemäß hätte verhindern können (so auch Eckert
NZM 2003, 41, 48 f).
aa) Wie der Begriff "Inanspruchnahme" in diesem Sinne zu verstehen ist,
ist umstritten. Teilweise wird dafür eine auf die Nutzung gerichtete Willensbetätigung des Insolvenzverwalters im Sinne eines (Erfüllungs-)"Verlangens" vorausgesetzt (Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht 3. Aufl.
Rn. 14.49 f; Spliedt ZIP 2001, 1941, 1946; Mayer DZWIR 2001, 309, 312 f; wohl
auch Uhlenbruck, aaO § 209 Rn. 15 a.E.). Demgegenüber wird - mit dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall - angenommen, daß schon das bloße Erlangen der Gegenleistung ausreiche (MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 209
Rn. 30; zu § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO auch LG Essen NZI 2001, 217), zum Teil
allerdings mit der Einschränkung, daß der Insolvenzverwalter die Mietsache
tatsächlich nutze (Frankfurter Kommentar zur InsO/Schumacher, 3. Aufl. § 55
Rn. 35 und -/Kießner § 209 Rn. 34; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 55 Rn. 69)
oder die Nutzung nicht aufgebe (Sinz in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung,
aaO S. 593, 610 Rn. 39).
bb) Die amtliche Begründung der Bundesregierung (zu § 321 Abs. 2
Nr. 3 des Entwurfs einer InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 220) führt zur Erläuterung der Vorschrift aus, daß ein Arbeitnehmer, der seine vertragliche Leistung
voll zu erbringen habe - der also trotz des noch fortbestehenden Vertrages nicht
vom Verwalter "freigestellt" worden sei - weiterhin Anspruch auf volle Vergütung
für diese Arbeitsleistung habe. Eine entsprechende Regelung wurde bereits in
§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a GesO verwirklicht. Eine solche Freistellung kann
und muß der Insolvenzverwalter gegebenenfalls in Verbindung mit einer Kündi-
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gung erklären, anstatt die Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen. Dadurch
könnte er das Entstehen einer entsprechenden Neumasseverbindlichkeit stets
verhindern.
cc) Ein solches Verständnis, das auf die Möglichkeit des Insolvenzverwalters zur Verhinderung der Masseverbindlichkeit abstellt, entspricht auch dem
systematischen Zusammenhang des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO mit der Regelung
in korrespondierenden Vorschriften, die zwischen freiwillig begründeten und
aufgezwungenen Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse unterscheiden:
Zu § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO, der auf die Kündigungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters abstellt (s.o. c), führt die amtliche Begründung (aaO) aus,
hierdurch habe der Verwalter die Möglichkeit, das Entstehen neuer Forderungen zu verhindern. Entsprechendes gilt für die Haftungsnorm des § 61 Satz 1
InsO.
Endlich unterscheidet § 90 InsO in gleicher Weise hinsichtlich des Vollstreckungsverbots für Verbindlichkeiten, die "nicht durch eine Rechtshandlung
des Insolvenzverwalters begründet worden sind". Die amtliche Begründung der
Bundesregierung (zu § 101, aaO S. 138) unterscheidet insoweit ausdrücklich
zwischen "oktroyierten" und "gewillkürten" Masseverbindlichkeiten; sie stellt
hierbei auch auf den Vertrauensschutz für Partner ab, die mit dem Insolvenzverwalter neue Verträge abschließen. An diesen Wertungen hat die vom Bundestag vorgenommene Umgestaltung der Vorschrift zu § 90 InsO in der jetzigen
Fassung - die nur das Ziel hatte, das Insolvenzgericht von Einstellungsentscheidungen zu entlasten - nichts geändert (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 12/7302 S. 165 zu
§ 101).
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dd) Danach ist der Insolvenzverwalter einerseits gehalten, von sich aus
alles zu unternehmen, um die weitere Inanspruchnahme der Gegenleistung zu
verhindern. Soweit er durch eine noch laufende Kündigungsfrist gebunden ist
(s. oben c), hat er den Vermieter im Zusammenhang mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit aus dessen Überlassungspflicht "freizustellen", indem er ihm
die weitere Nutzung der Mietsache anbietet. Dies kann durch das Angebot auf
Rückgewähr des unmittelbaren Besitzes erfolgen. Ist diese, wie hier, wegen
einer fortdauernden Unter- oder Weitervermietung unmöglich, so ist die Übergabe des mittelbaren Besitzes anzubieten. Hierzu gehört auch das Recht, den
Untermietzins einzuziehen.
ee) Für die zweite Märzhälfte 2001 konnte sich hier ein solches - als
pflichtgemäß zu unterstellendes - Angebot des Beklagten aber nicht mehr auswirken. Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend darauf verwiesen, daß die
Kläger in § 3 Nr. 4 Abs. 3 des Mietvertrages vom 18./21. April 1993 mit der
GmbH die monatliche Mietzahlung jeweils im voraus vereinbart hatten. Auch die
Endmieter haben ihre Mieten nach den vom Beklagten vorgelegten Aufstellungen jeweils zum Monatsbeginn gezahlt. In beiden Mietverhältnissen war die
Märzmiete vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit fällig und - von den Endmietern - gezahlt.
Dann ist eine Aufteilung allein nach Zeitabschnitten, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, ausgeschlossen: Im Verhältnis zu den Klägern
konnte der Beklagte an der weiteren Nutzung durch die Endmieter von Rechts
wegen nichts mehr ändern. Diese Nutzung war dem Beklagten durch die Dauer
der gesetzlichen Kündigungsfrist und die Weigerung der Kläger, ihr eigenes
Kündigungsrecht auszuüben, aufgezwungen. Andererseits ist eine Masseberei-
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cherung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) durch die Zahlung der Endmieter vor Anzeige
der Masseunzulänglichkeit eingetreten; dieser Geldbetrag stand noch allen bisherigen Massegläubigern zu. Die davon abzusondernde Insolvenzmasse gegenüber den Neugläubigern wurde dadurch nicht angereichert. Es braucht deshalb hier nicht entschieden zu werden, ob auch eine nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit eingetretene Massebereicherung zu den Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gehört.
2. Wegen der Miete für die Monate April und Mai 2001 in Höhe von zusammen 1.734,69
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a) Insoweit handelt es sich nach dem bisherigen Sachvortrag allerdings
um Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Denn
nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 15. März 2001 hätte der Beklagte den Klägern noch den mittelbaren Besitz an der vermieteten Wohnung
- in Gestalt des Rechts, die von den Endmietern zu zahlende Miete einzuziehen - verschaffen können. Es ist nicht dargetan, daß die Kläger von einem solchen Angebot weiterhin keinen Gebrauch gemacht hätten.
b) Jedoch rügt die Revision demgegenüber zutreffend, daß das Berufungsgericht sich nicht mit dem Vortrag des Beklagten (auf S. 3 seines Schriftsatzes vom 20. November 2001) befaßt hat, die Masse reiche auch nicht zu
vollständiger Befriedigung aller Neumassegläubiger aus; denn die Belastungen
aus den Garantiemietverhältnissen seien höher als die Einnahmen aus den
Endmietverhältnissen, und es kämen noch Leerstände hinzu. Insoweit könnte
es sich für die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 109 Abs. 1 Satz 1 InsO) um dieselbe, anhaltende Ursache handeln, die möglicherweise bereits zur
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Insolvenz der GmbH geführt hatte. Zum Beweis hatte sich der Beklagte auf die
Akten über das Insolvenzverfahren bezogen.
Dem waren die Kläger vor dem Berufungsgericht nicht entgegengetreten.
Wenn nunmehr die Revisionserwiderung das Vorbringen für unsubstantiiert
hält, hätte der Beklagte im Falle des Bestreitens ergänzenden Vortrag nachreichen können. Er hatte das Gericht um einen Hinweis gebeten, falls es weiteren
Vortrag für erforderlich hielt.
c) Ein solcher Hinweis wäre hier gemäß § 139 ZPO geboten gewesen,
weil einerseits das Vorbringen aus Rechtsgründen erheblich sein konnte (s.o.
aa und bb), andererseits die tatsächlichen Voraussetzungen noch klärungsbedürftig waren (s.u. cc).
aa) Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) auch die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse
wiederum nicht ausreicht, um alle fälligen Neumasseverbindlichkeiten zu dekken, ist gesetzlich nicht geregelt. § 210 InsO ordnet ein Vollstreckungsverbot
ausdrücklich nur für (Alt-)Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1
Nr. 3 InsO an.
In der Literatur wird für den Fall, daß auch auf Neumassegläubiger nur
eine quotale Befriedigung entfallen könne, ganz überwiegend die Ansicht vertreten, dann sei regelmäßig nur noch eine Feststellungsklage zulässig (Heidelberger Kommentar zur InsO/Landfermann, 2. Aufl. § 210 Rn. 5 a.E.; MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 210 Rn. 22 f; Braun/Kießner, aaO § 210 Rn. 8; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 210 Rn. 8; Hess/Weis, aaO § 210 Rn. 18; vgl. Nerlich/Römermann/Westphal, InsO § 209 Rn. 19). Teilweise wird dafür gehalten,
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daß erneut die Masseunzulänglichkeit entsprechend § 208 InsO angezeigt werden könne (MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO Rn. 22). Andere Autoren verweisen den Insolvenzverwalter auf die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO (Uhlenbruck, aaO § 210 Rn. 5 a.E.; Breutigam in
Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 210 Rn. 17).
bb) Nach Ansicht des Senats ist es auch in den Fällen der erneuten
Masseunzulänglichkeit gegenüber den Neumassegläubigern geboten, auf eine
entsprechende Einwendung des Insolvenzverwalters hin nur noch die Feststellungsklage zuzulassen. Denn wie in den Fällen des § 208 InsO und des § 60
KO kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung auf Neumasseverbindlichkeiten
verweigern, sobald sich herausstellt, daß die verfügbare Insolvenzmasse nicht
zur vollen Befriedigung aller Neumassegläubiger ausreicht. Für diese greift
- innerhalb der durch § 209 InsO vorgegebenen Rangordnung - ebenfalls wieder der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger im Insolvenzverfahren
(§ 1 Satz 1 InsO) ein. § 209 Abs. 1 InsO ordnet für Altmassegläubiger an, daß
sie (innerhalb ihrer jeweiligen Rangordnung), "nach dem Verhältnis ihrer Beträge" zu befriedigen sind. Das gilt sinngemäß auch, wenn nicht mehr alle Forderungen der Neumassegläubiger voll zu berichtigen sind. Dann ist ein Vorrang
schnellerer Neumassegläubiger, welche Vollstreckungsmaßnahmen durchführen und hierdurch die auf andere Neumassegläubiger entfallende Quote weiter
verringern, zu vermeiden. Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall nicht
mehr uneingeschränkt zur Leistung verurteilt werden; das Bestehen der Forderung der Neumassegläubiger ist - jedenfalls wenn eine auf sie entfallende
Quote noch nicht feststeht - gerichtlich nur noch festzustellen (so zu § 60 KO
BGHZ 147, 28, 36 f; BAGE 31, 288, 293 ff; BFHE 181, 202, 206; ähnlich BSGE
52, 42, 46).
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Ob in derartigen Fällen eine erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit
mit der rechtsverbindlichen Wirkung des § 208 InsO (dazu s. oben II 1) zulässig
ist, kann hier offen bleiben. Jedenfalls ist sie als Voraussetzung einer entsprechenden Einwendung - ohne gesetzliches Gebot - nicht unverzichtbar nötig. Sie
dient einer klar erkennbaren Abgrenzung der vorrangig zu berücksichtigenden
Forderungen als Grundlage einer geordneten weiteren Abwicklung der Insolvenzmasse nach § 208 Abs. 3 InsO. Dieser Zweck der Rechtsklarheit würde
aber verfehlt, wenn etwa bei einem mit Verlusten arbeitenden gewerblichen
Zwischenvermieter als Insolvenzschuldner - wie hier behauptet - Monat für Monat erneut die Masseunzulänglichkeit angezeigt werden müßte. Die Prüfung
obliegt auch insoweit (s.o. II 1) dem Insolvenzverwalter in eigener Verantwortung.
cc) Allerdings hat der nur im Prozeß vorgebrachte Einwand der Masseunzulänglichkeit nicht die verbindliche Wirkung einer Anzeige gemäß § 208
InsO. Vielmehr obliegen dem Insolvenzverwalter, wie im Anwendungsbereich
des § 60 KO, die Darlegung und der Nachweis der Masseunzulänglichkeit (vgl.
BAG ZIP 2002, 1261 ff m.w.N.). Das Prozeßgericht hat die Voraussetzungen
der Masseunzulänglichkeit entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO zu beurteilen
(BGHZ 147, 28, 38).
d) Da das Berufungsgericht den entsprechenden, entscheidungserheblichen Vortrag des Beklagten und dessen Ergänzungsangebot nicht berücksichtigt hat, ist die Sache gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO in die
Vorinstanz zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß der Beklagte die mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit (vgl.
§ 208 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 2 InsO) des für Neumasseverbindlichkeiten gebildeten, abgesonderten Massebestandteils im einzelnen darzulegen hat. Ein ge-
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genständlich begrenzter Überschuldungsstatus kann dafür - nur - ein Beweisanzeichen sein. Insoweit genügt die pauschale Gegenüberstellung von Aktiven
und Passiven, wie in der Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom 14. März
2001, nicht.
Die Zurückverweisung gibt den Parteien auch Gelegenheit, zur Frage
ergänzend vorzutragen, ob der Beklagte den Klägern den mittelbaren Besitz an
der Wohnung vor dem 1. April 2001 hätte übertragen können (s.o. III 2 a).
Kreft
Kirchhof
Raebel
Fischer
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