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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 80/11
vom
24. März 2011
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 304 Abs. 1 Satz 1
Der Grundsatz, dass ein Schuldner auch dann unter die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens fällt, wenn er neben einer abhängigen Beschäftigung einer wirtschaftlich selbständigen Nebentätigkeit nachgeht, gilt nur dann, wenn die Nebentätigkeit
einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch verfestigt hat; eine
nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit, die sich nicht zu einer einheitlichen Organisation verdichtet hat, ist keine selbständige Erwerbstätigkeit.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 80/11 - AG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 24. März 2011
beschlossen:
Der Antrag des Rechtsbeschwerdeführers auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 4. Februar 2011 wird abgelehnt.
Gründe:
I.
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Die bei einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit einem monatlichen
Bruttoeinkommen von 1.360 € vollzeitbeschäftigte Schuldnerin beantragte zunächst das Verbraucherinsolvenzverfahren nebst Restschuldbefreiung. Am
28. Januar 2008 meldete sie ein Gewerbe für Schreibarbeiten an, mit dem sie
2009 einen Umsatz von 840 € erzielte. Am 28. März 2008 nahm ihr Verfahrensbevollmächtigter den Insolvenzantrag mit der Begründung zurück, dass es nicht
gelungen sei, den ursprünglich vom hiesigen Versagungsantragsteller (fortan:
auch Gläubiger) in Aussicht gestellten Verzicht auf die Qualifikation seiner Forderung als unerlaubte Handlung umzusetzen. Aufgrund eines im November
2009 gestellten Insolvenzantrags mit Antrag auf Restschuldbefreiung, mit dem
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sie zugleich einen Insolvenzplan vorlegte, eröffnete das Insolvenzgericht am
18. Februar 2010 das Regelinsolvenzverfahren. Der Plan sieht vor, dass die
Schuldnerin gegen Zahlung eines Betrages von 20.000 € von dritter Seite, der
nach Abzug der Kosten des Verfahrens an die Gläubiger verteilt werden soll,
die Restschuldbefreiung erlangt. Im Abstimmungstermin am 10. November
2010 nahm die Mehrheit der Gläubiger gegen den Widerstand des Versagungsantragstellers den Plan an.
Auf Antrag des Gläubigers hat das Insolvenzgericht die Bestätigung des
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Insolvenzplans mit Beschluss vom 25. November 2010 versagt. Die hiergegen
gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Insolvenzgerichts aufgehoben und die Planbestätigung erteilt, weil der Gläubiger eine wirtschaftliche Schlechterstellung durch
den Plan nicht glaubhaft gemacht habe. Mit seiner Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung er Prozesskostenhilfe beantragt, möchte der Gläubiger die
Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und Versagung der
Planbestätigung erreichen.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, die
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Rechtsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114
ZPO).
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Die vom Gläubiger zu 1 zunächst ohne weitere Begründung eingelegte
Rechtsbeschwerde (§§ 6, 7 Abs. 1, § 253 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO)
ist unzulässig, weil kein Zulassungsgrund erkennbar ist (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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1. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, der Schuldnerin
hätte die Bestätigung des Insolvenzplans versagt werden müssen, weil sie den
Weg des Regelinsolvenzverfahrens mit Vorlage eines Insolvenzplans rechtsmissbräuchlich gewählt habe, um die im Verbraucherinsolvenz- und Schuldenbereinigungsverfahren aufgrund seines Widerstands nicht durchsetzbare Befreiung von seiner Forderung im Regelinsolvenzverfahren zu erlangen. Die Aufnahme der wirtschaftlich bedeutungslosen selbständigen Tätigkeit habe ausschließlich dazu gedient, in das Regelinsolvenzverfahren mit der dort möglichen
Durchführung eines Insolvenzplans zu gelangen.
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a) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts drängt sich zwar auf, dass
die Schuldnerin die selbständige Tätigkeit mit äußerst geringen Umsätzen nur
aufgenommen habe, um die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens
zu schaffen. Dies könne aber nicht zur Versagung der Planbestätigung ohne
Glaubhaftmachung einer wirtschaftlichen Schlechterstellung des Gläubigers
führen, weil es letztlich eine autonome Entscheidung der Gläubigermehrheit sei,
ob sie den Insolvenzplan annehme. Rechtsmissbrauch sei in der Ausnutzung
eines im Gesetz vorgesehenen Verfahrens nicht zu sehen.
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b) Diese Ausführungen sind im Ergebnis nicht angreifbar. Grundsatzfragen, die nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden könnten,
stellen sich nicht. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass vorliegend erhebliche Bedenken gegen die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens bestehen. Zwar entspricht es nahezu einhellig vertretener Auffassung, dass ein
Schuldner auch dann unter die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens fällt,
wenn er neben einer abhängigen Beschäftigung einer selbständigen Nebentätigkeit nachgeht (vgl. AG Hamburg, ZInsO 2004, 1375; HK-InsO/Landfermann,
5. Aufl. § 304 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 304 Rn. 52;
Uhlenbruck/Vallender, InsO 13. Aufl. § 304 Rn. 9; Wenzel in Kübler/Prütting/
Bork, InsO § 304 Rn. 14; Pape/Sietz in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der
Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. § 16 Rn. 16). Einschränkend ist aber nach zutreffender Auffassung eine wirtschaftlich selbständige Tätigkeit, welche die Anwendung des Regelinsolvenzverfahrens rechtfertigt, erst dann gegeben, wenn die
Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch
verfestigt hat (FK-InsO/Kohte, 6. Aufl. § 304 Rn. 9; Graf-Schlicker/Sabel, InsO
2. Aufl. § 304 Rn. 8; HK-InsO/Landfermann, aaO; Uhlenbruck/Vallender, aaO).
Erreichen die Einkünfte aus der Tätigkeit nicht einmal die Bagatellgrenze des
§ 3 Nr. 26 EStG (derzeit 2.100 €), spricht vieles für das Fehlen einer
verfestigten organisatorischen Einheit (vgl. Graf-Schlicker/Sabel, aaO). Die
Schuldnerin hat 2009 mit ihrer selbständigen Tätigkeit nur einen Umsatz von
840 € erzielt. Die Schwelle zur Erheblichkeit der Tätigkeit war folglich bei weitem nicht überschritten.
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c) Der damit möglicherweise vorliegende Verstoß gegen die Zuordnung
der Schuldnerin zum Regelinsolvenzverfahren kann aber nicht zur Versagung
der Planbestätigung führen. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die
Rechtskraft des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für
sämtliche Beteiligten bindende Wirkung hat und auch dann hinzunehmen ist,
wenn er verfahrensfehlerhaft ergangen ist, sofern nicht ausnahmsweise ein
Mangel vorliegt, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führt (vgl. BGH,
Urteil vom 22. Januar 1998 - IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40, 44; BGH, Urteil vom
7. Juli 2008 - II ZR 37/07, ZInsO 2008, 973 Rn. 13; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 27
Rn. 35; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 27 Rn. 35; Uhlenbruck, aaO § 27
Rn. 19). Hier ist ein Mangel, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führen könnte, nicht ersichtlich. Die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens ist
ungeachtet der Bedenken am Vorliegen einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit der Schuldnerin wirksam. Damit konnte diese einen Insolvenzplan vorlegen, für den die §§ 217 ff InsO gelten.
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2. Nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Bestätigung des Insolvenzplans
auf Antrag eines Gläubigers dann zu versagen, wenn dieser Gläubiger durch
den Insolvenzplan schlechter gestellt würde, als er ohne den Plan stünde. Zu
vergleichen ist die Position des Gläubigers bei Abwicklung des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften der Insolvenzordnung und bei Ausführung des Insolvenzplans. Bringt der Plan für den widersprechenden Gläubiger wirtschaftliche Nachteile, hat der Widerspruch Erfolg. Zulässig ist der Antrag, die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, nur, wenn der Gläubiger die Verletzung
seines wirtschaftlichen Interesses glaubhaft macht. Dazu muss er Tatsachen
vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit seiner Schlechterstellung durch den Insolvenzplan ergibt. Die
Prüfung des Insolvenzgerichts ist auf die vom Gläubiger vorgebrachten und
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glaubhaft gemachten Tatsachen und Schlussfolgerungen beschränkt (BGH,
Beschluss vom 29. März 2007 - IX ZB 204/05, ZInsO 2007, 491 Rn. 10; vom
19. Mai 2009 - IX ZB 236/07, ZInsO 2009, 1252, Rn. 12 f).
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Entsprechend diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht den Antrag des Rechtsbeschwerdeführers, der eine konkrete wirtschaftliche Schlechterstellung bei Durchführung des Insolvenzplanverfahrens weder dargelegt noch
glaubhaft gemacht hat, als unzulässig verworfen. Fragen von grundsätzlicher
Bedeutung stellen sich auch hierbei nicht. Die in Betracht kommenden Rechtsfragen sind im Sinne der Entscheidung des Beschwerdegerichts geklärt.
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3. Soweit der Rechtsbeschwerdeführer eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Gläubigern natürlicher Personen durch das Insolvenzplanverfahren gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren rügen könnte, weil Forderungen,
die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners
herrühren (vgl. § 174 Abs. 2 InsO), von der Schuldbefreiung durch den erfüllten
Insolvenzplan nur ausgenommen sind, wenn der Plan dies ausdrücklich bestimmt, steht dies mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie dem
Sinn und Zweck des Insolvenzplanverfahrens in Einklang. Das Insolvenzplanverfahren ist nur dann handhabbar und kann nur dann zu der im Interesse der
Gläubigergesamtheit gewünschten zeitnahen Schuldenregulierung führen,
wenn die Prüfung der behaupteten Schlechterstellung im Verfahrensabschnitt
der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans (§ 247 Abs. 2, §§ 248 bis 251
InsO) an die Glaubhaftmachung durch den widersprechenden Gläubiger geknüpft wird. Dieses Erfordernis wird sonach durch die Besonderheiten dieser
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Verfahrensart gerechtfertigt; es erscheint sogar zwingend erforderlich (BGH,
Beschluss vom 17. Dezember 2009 - IX ZB 32/08, Rn. 3).
Kayser
Vill
Fischer
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 25.11.2010 - 8211 IN 1903/09 LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 04.02.2011 - 11 T 10430/10 -