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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 61/15
vom
25. Februar 2016
in dem Prozesskostenhilfeverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 127
Dem Antragsgegner steht gegen einen im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen
Beschluss, mit dem das Prozesskostenhilfeverfahren an ein Gericht eines anderen
Rechtswegs verwiesen wird, kein Rechtsmittel zu.
GVG § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6
Die Bestimmungen über die Rechtsmittel bei einer Rechtswegentscheidung nach
§ 17a GVG sind im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entsprechend anwendbar.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - IX ZB 61/15 - OLG Hamburg
LG Hamburg
ECLI:DE:BGH:2016:250216BIXZB61.15.0
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring
und den Richter Dr. Schoppmeyer
am 25. Februar 2016
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss
des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt Dr. T.
bei-
geordnet. Der Antragsteller hat keine Raten und keine Beträge
aus dem Vermögen zu leisten.
Gründe:
I.
1
Der Antragsteller ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen
der I.
mbH & Co. KG (fortan: Schuld-
nerin). Die Schuldnerin schloss mit der Antragsgegnerin einen Anstellungsvertrag, aufgrund dessen die Schuldnerin die Antragsgegnerin als Rechtsanwältin
beschäftigte. Zwischen Januar 2008 und April 2010 zahlte die Schuldnerin der
Antragsgegnerin 70.046,44 € als Entgelt.
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2
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückgewähr des der Antragsgegnerin gezahlten Entgelts gemäß § 133 Abs. 1, § 143
Abs. 1 InsO. Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen, weil der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte falle. Auf die
Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht den Beschluss des
Landgerichts geändert, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Prozesskostenhilfeverfahren an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der landgerichtlichen
Entscheidung erstrebt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
4
1. Zwar hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde uneingeschränkt zugelassen. Jedoch ist eine solche Zulassung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirkungslos und das Rechtsbeschwerdegericht hieran nicht gebunden, wenn in dem zugrunde liegenden Verfahren eine
Beschwerdemöglichkeit kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (BGH, Beschluss
vom 12. September 2002 - III ZB 43/02, NJW 2002, 3554; vom 1. Oktober 2002
- IX ZB 271/02, NJW 2003, 70; vom 8. Oktober 2002 - VI ZB 27/02, NJW 2003,
211; vom 27. Januar 2004 - VI ZB 33/03‚ FamRZ 2004, 869; vom 13. September 2011 - VI ZB 67/10, NJW 2011, 3371 Rn. 5 mwN). Eine Entscheidung, die
vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, bleibt auch bei - irriger - Rechtsmittelzulassung unanfechtbar. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO steht dem nicht entgegen,
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weil die Vorschrift nicht dazu dient, gesetzlich nicht vorgesehene Rechtsmittel
zu schaffen.
5
Allerdings kann die Rechtsbeschwerde im Verfahren über die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe wegen solcher Fragen zugelassen werden, die das Verfahren oder die persönlichen Voraussetzungen betreffen (BGH, Beschluss vom
22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 10 mwN). Hierzu
zählt auch die Frage, ob im Prozesskostenhilfeverfahren eine bindende Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an ein Gericht eines anderen Rechtswegs möglich ist. Für die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels ist darüber
hinaus jedoch erforderlich, dass das Gesetz eine Anfechtbarkeit gerade für den
Beschwerdeführer eröffnet. Sieht die Verfahrensordnung nur für bestimmte Parteien ein Rechtsmittel vor, ist die Entscheidung für Parteien, denen das Gesetz
kein Rechtsmittel zugesteht, unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - VI ZB 67/10, NJW 2011, 3371 Rn. 7). Dabei bleibt es auch dann,
wenn das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zulässt.
6
So liegt der Fall hier. Im Prozesskostenhilfeverfahren sind die Rechtsmittelmöglichkeiten eingeschränkt. Beschwerde kann grundsätzlich nur die am
Prozesskostenhilfeverfahren beteiligte Partei einlegen (Zöller/Geimer, ZPO,
31. Aufl., § 127 Rn. 12). Dies ist stets der Antragsteller, der Prozesskostenhilfe
begehrt. Hingegen steht dem Antragsgegner im Prozesskostenhilfeverfahren im
allgemeinen kein Beschwerderecht zu (Zöller/Geimer aaO; Fischer in Musielak/
Voit, ZPO, 12. Aufl., § 127 Rn. 16; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO,
4. Aufl., § 127 Rn. 16; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 127 Rn. 11 f). Der
Gegner ist nicht Partei des Prozesskostenhilfeverfahrens; die in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen beeinträchtigen ihn regelmäßig nicht in seinen
Rechten. Er wird durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht beschwert
- 5 -
(BGH, Beschluss vom 12. September 2002 - III ZB 43/02, NJW 2002, 3554).
Dies gilt auch für Entscheidungen über die der Prozesskostenhilfeentscheidung
vorgeschaltete Frage, welches Gericht für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zuständig ist (LAG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2006
- 2 Ta 275/05, nv; OLG Karlsruhe, NJOZ 2007, 1772). Zwar hat das Gericht
gemäß § 118 Abs. 1 ZPO dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Regelung verschafft dem Gegner der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei jedoch nicht die Stellung eines beschwerdebefugten Beteiligten des
Prozesskostenhilfeverfahrens. Vielmehr soll ihm mit der Regelung nur rechtliches Gehör gewährt werden; sie soll zudem Gerichte und Staatskasse in die
Lage versetzen, unbegründete oder aussichtslose Anträge zu erkennen (vgl.
Zöller/Geimer aaO § 118 Rn. 1 f). Das Prozesskostenhilfeverfahren ist außerhalb und innerhalb des Zivilprozesses nach der gesetzlichen Regelung in den
§§ 114 ff ZPO ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren, in dem sich als Beteiligte nur
der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen
(BGH, Beschluss vom 3. März 2004 - IV ZB 43/03, NJW 2004, 1805, 1806
mwN). Das Prozesskostenhilfeverfahren geht dem Hauptsacheverfahren voraus
und richtet sich darauf, der bedürftigen Partei Rechtsschutz in einem bereits
anhängigen oder beabsichtigten gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugänglich
zu machen (BGH, Beschluss vom 12. September 2002 - III ZB 43/02, NJW
2002, 3554). Eine Beschwerde steht daher im Hinblick auf Verfahrensfragen
nur der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei zu.
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Es ist unbedenklich, dass das Gesetz nur dem Antragsgegner die Anfechtung versagt, während der Antragsteller gegen eine ablehnende Entscheidung Beschwerde einlegen kann. Antragsteller und Antragsgegner sind im Prozesskostenhilfeverfahren von einer Gerichtsentscheidung in unterschiedlicher
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Weise betroffen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - VI ZB 67/10,
NJW 2011, 3371 Rn. 7 zum selbständigen Beweisverfahren). Es ist auch nicht
erforderlich, dem Antragsgegner eine Beschwerdebefugnis zuzubilligen. Denn
er wird durch die Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an ein anderes
Gericht nicht beschwert. Er hat weder ein besonderes Interesse daran, dass ein
bestimmtes Gericht über den Prozesskostenhilfeantrag entscheidet, noch hat
eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an ein anderes Gericht für
den Antragsgegner nachteilige Wirkungen. Denn die Entscheidung über das für
das Prozesskostenhilfeverfahren zuständige Gericht wirkt nicht für das Hauptsacheverfahren (BGH, Beschluss vom 5. Juni 1991 - XII ARZ 14/91, NJW-RR
1991, 1342, 1343; vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09, NJW-RR 2010, 209,
Rn. 15 mwN).
8
2. Eine Beschwerdemöglichkeit ergibt sich nicht aus § 17a Abs. 4 Satz 3,
4 GVG. Zwar sehen diese Vorschriften Rechtsmittel im Verfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor. Diese Vorschriften gelten jedoch im Prozesskostenhilfeverfahren weder unmittelbar noch entsprechend. Dabei kann dahinstehen, ob - wie das Beschwerdegericht annimmt - im Prozesskostenhilfeverfahren eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens entsprechend § 17a
Abs. 2 Satz 1 GVG möglich ist oder ob nur eine - einen entsprechenden Antrag
voraussetzende - einfache Abgabe des Prozesskostenhilfeverfahrens (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. August 2011 - X ARZ 263/11, GuT 2013, 150
Rn. 13) an ein Gericht eines anderen Rechtsweges in Betracht kommt. Jedenfalls besteht selbst im Falle einer von Amts wegen auszusprechenden und für
das Gericht, an das das Prozesskostenhilfeverfahren verwiesen wird, hinsichtlich des Rechtswegs bindenden Verweisung durch das mit dem Prozesskostenhilfeantrag befasste Gericht entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1, 3 GVG kein
Grund, hinsichtlich der Verweisungsentscheidung die in § 17a Abs. 4 Satz 3 bis
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6 GVG geregelten Rechtsmittel zu eröffnen. Vielmehr verbleibt es auch in diesem Fall bei den im Prozesskostenhilfeverfahren allgemein gegebenen
Rechtsmitteln.
9
a) Das in § 17a Abs. 4 GVG geregelte Rechtsmittelverfahren bezieht sich
auf Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs in einem anhängigen Rechtsstreit. Diese Bestimmungen sind nach allgemeiner Meinung - die
auch das Beschwerdegericht teilt - im Prozesskostenhilfeverfahren nicht unmittelbar anzuwenden. Das Verfahren der Rechtswegverweisung ist in §§ 17a, 17b
GVG abschließend geregelt (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2000 - III ZB
33/99, NJW 2000, 1343, 1344). Ein Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2
Satz 1 GVG setzt voraus, dass das Verfahren bereits rechtshängig ist (BAG,
NJW 2006, 1371 Rn. 17). Daran fehlt es bei einem bloßen Prozesskostenhilfeantrag.
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b) Die Bestimmungen des § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG sind im Prozesskostenhilfeverfahren auch nicht entsprechend anzuwenden. Die in einem
Prozesskostenhilfeverfahren vorgesehenen Rechtsmittel sind vom Gesetzgeber
bewusst eingeschränkt worden, wie sich aus § 127 ZPO ergibt. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren (BGH, Beschluss vom
3. März 2004 - IV ZB 43/03, NJW 2004, 1805, 1806 mwN). Es zielt darauf, den
unbemittelten Antragsteller möglichst zügig in die Lage zu versetzen, Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren zu erlangen. Angesichts dieses Zwecks
des Prozesskostenhilfeverfahrens ist ein zusätzlicher Rechtsmittelzug allein für
die Frage, das Gericht welchen Rechtswegs über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden hat, mit den gesetzlichen Wertungen nicht vereinbar (vgl.
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OVG Bautzen, VIZ 1998, 702, 703; OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2007, 912,
914).
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Bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg im Prozesskostenhilfeverfahren geht es lediglich darum, einen negativen Kompetenzkonflikt zu vermeiden und die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung
(§ 114 ZPO) - dies im Interesse des Antragstellers - nach den richtigen Maßstäben zu beurteilen. Ein besonderer Rechtsmittelzug ist hierfür nicht erforderlich. Die von § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorausgesetzte Interessenlage beruht auf dem Interesse beider Parteien an einer Entscheidung der Hauptsache
durch das Gericht des richtigen Rechtswegs; die Frage, welches Gericht über
das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden hat, ist hiermit nicht vergleichbar.
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3. Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu bewilligen. Zwar kann für das Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Dies gilt jedoch nicht für eine
Rechtsbeschwerde in Prozesskostenhilfeverfahren, weil hier eine Vertretung
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich
- 9 -
ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02, NJW, 2003,
1192).
Kayser
Gehrlein
Möhring
Grupp
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 27.04.2015 - 316 O 376/14 OLG Hamburg, Entscheidung vom 14.07.2015 - 9 W 29/15 -