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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 163/10
vom
13. Januar 2011
in dem Insolvenzverfahren
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Pape
am 13. Januar 2011
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Memmingen vom 25. Juni 2010 wird auf Kosten
des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
1
Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6,
7, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO) ist unzulässig, weil ein Zulässigkeitsgrund (§ 574
Abs. 2 ZPO) nicht durchgreift.
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1. Soweit das Beschwerdegericht den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5
InsO als erfüllt ansieht, greift ein Zulässigkeitsgrund nicht durch.
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a) Der Umfang der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ergibt sich im
Wesentlichen für das Eröffnungsverfahren aus § 20 InsO und für das eröffnete
Verfahren aus § 97 InsO. Auskunft ist danach über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst
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alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung zur
Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände
von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offen legen, soweit sie offensichtlich
für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage
liegen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - IX ZB 126/08, ZInsO 2010, 477
Rn. 5; vom 15. April 2010 - IX ZB 175/09, ZInsO 2010, 926 Rn. 9).
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Danach war der Schuldner von sich zu einer Mitteilung an den Treuhänder bereits in dem Zeitpunkt verpflichtet, als er die Geschäftsanteile übernahm.
Der Informationspflicht hatte der Schuldner unverzüglich nach Verwirklichung
des anzeigepflichtigen Sachverhalts - mithin im unmittelbaren Anschluss an den
Erwerb der Geschäftsanteile - zu genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April
2010, aaO Rn. 10; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 290 Rn. 32; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 290 Rn. 67). Da die Auskunftspflicht umgehend zu erfüllen war, durfte der Schuldner nicht abwarten, wie sich die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entwickelt. Im Übrigen ist es nicht Sache des
Schuldners, seine Aktiva zu bewerten und von Angaben zu vermeintlich wertlosen Gegenständen abzusehen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006
- IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96 Rn. 8). Darum ist es ohne Bedeutung, dass der
Schuldner trotz seiner Bemühungen im Ergebnis keine Gewinne erwirtschaftet
hat. Infolge der tatsächlich gegebenen Vermögensmehrung kann sich der
Schuldner nicht darauf berufen, dass sich eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht verwirklicht hat (vgl. BGH, Beschluss vom
8. Januar 2009 - IX ZB 73/08, ZInsO 2009, 395 Rn. 7 ff).
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b) Ohne Grundsatzfragen zu berühren, hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Schuldner die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten grob
fahrlässig verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Das Verschweigen des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen stellt eine entsprechende Pflichtverletzung dar
(vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2010 - IX ZB 175/09, aaO Rn. 11 ff).
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Soweit die Rechtsbeschwerdebegründung meint, die subjektiven Erfordernisse der groben Fahrlässigkeit seien - anders als in dem vom Bundesgerichtshof am 15. April 2010 entschiedenen Fall - hier nicht gegeben, weil die
Aktivitäten des Schuldners vorliegend nicht auf eine Vermögensmehrung gerichtet gewesen seien, geht dies fehl. Mit dem Erwerb der Beteiligung, die einen
Nennwert von 9.875 € hat, ist in jedem Fall die vom Beschwerdegericht festgestellte Vermögensmehrung eingetreten, die der Schuldner von sich aus hätte
angeben müssen. Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner diese Beteiligung,
deren Zweck es typischerweise ist, aufgrund der geschäftlichen Aktivitäten Gewinne zu erzielen, aus anderen Gründen als dieser Absicht erworben hat, bestehen nicht. Einen bloß treuhänderischen Erwerb für einen Dritten macht der
Schuldner nicht geltend. Auf einen Rechtsirrtum (vgl. BGH, Beschluss vom
2. Juli 2009 - IX ZB 63/08, NZI 2009, 562 Rn. 14), der lediglich zur Annahme
einfacher Fahrlässigkeit führen würde, kann sich der geschäftserfahrene
Schuldner nicht berufen.
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2. Zwar hätte das Beschwerdegericht die Zurückweisung des Rechtsmittels auf die im Schlusstermin nicht geltend gemachte Verheimlichung von Nebeneinkünften in Höhe von 400 € pro Monat von Dezember 2008 bis April 2009
nicht stützen dürfen, weil nach der Rechtsprechung des Senats nur die im
Schlusstermin glaubhaft gemachten Versagungsgründe zu berücksichtigen sind
(BGH, Beschluss vom 12. Februar 2009 - IX ZB 158/08, ZInsO 2009, 684 Rn. 6
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m.w.N.). Aufgrund der vom Beschwerdegericht festgestellten Verletzung der
Auskunftspflicht wegen der Nichtangabe des Erwerbs eines Gesellschaftsanteils im Dezember 2008 ist die Rechtsbeschwerde gleichwohl unzulässig. Nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Rechtsbeschwerde nur
Erfolg haben, wenn bei mehreren voneinander unabhängigen Versagungsgründen
sämtliche
mit
Erfolg
angegriffen
werden
(BGH,
Beschluss
vom
29. September 2005 - IX ZB 430/02, ZInsO 2005, 1162). Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Kayser
Raebel
Lohmann
Vill
Pape
Vorinstanzen:
AG Neu-Ulm, Entscheidung vom 18.02.2010 - IK 271/05 LG Memmingen, Entscheidung vom 25.06.2010 - 42 T 895/10 -