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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZA 33/15
vom
12. Mai 2016
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2016:120516BIXZA33.15.0
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring
und den Richter Dr. Schoppmeyer
am 12. Mai 2016
beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 22. Oktober 2015 wird abgelehnt.
Gründe:
I.
1
Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner während der Wohlverhaltensperiode auf Antrag des weiteren Beteiligten die Restschuldbefreiung nach § 298
InsO versagt, weil die Mindestvergütung des Treuhänders durch die an ihn abgeführten Beträge nicht gedeckt war und der Schuldner den Betrag trotz Aufforderung nicht eingezahlt hatte. Der Beschluss wurde am 9. Juni 2015 dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners und eine Beschlussabschrift am
10. Juni 2015 dem Schuldner persönlich zugestellt. Am 24. Juni 2015 legte ein
vom Schuldner für das Beschwerdeverfahren bevollmächtigter Rechtsanwalt
sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Restschuldbefreiung ein. Mit
Schreiben vom 22. Juli 2015 nahm der weitere Beteiligte seinen Versagungsan-
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trag zurück, weil der Schuldner zwischenzeitlich den angeforderten Betrag für
die Mindestvergütung gezahlt hatte.
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Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Schuldner beantragt Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.
II.
3
Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, denn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114 Abs. 1
Satz 1 ZPO).
4
1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts unterliegt nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters
nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Aufhebung. Dieses verbietet eine Entscheidung durch den Einzelrichter des Beschwerdegerichts, wenn der Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird (BGH, Beschluss vom 16. April
2015 - IX ZB 93/12, NZI 2015, 563 Rn. 4 mwN). Im Streitfall ist in der Eingangsformel des angefochtenen Beschlusses zwar angegeben, der Beschluss sei
durch den Einzelrichter ergangen. Dabei handelt es sich jedoch um eine offenbare Unrichtigkeit, denn der Beschluss ist von der entscheidenden Kammer in
der vollen Besetzung von drei Richtern unterzeichnet.
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2. Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die sofortige
Beschwerde des Schuldners verfristet und deshalb unzulässig war. Die Frist
von zwei Wochen, innerhalb der eine sofortige Beschwerde einzulegen ist, be-
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gann mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners (§ 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO;
BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011 - IX ZA 16/11, nv Rn. 2). Er hatte für den
Schuldner unter Vorlage einer von diesem unterzeichneten Vollmacht den Insolvenzeröffnungsantrag gestellt und ihn seither durchgängig vertreten. Eine
Beendigung des Mandats vor der Zustellung des Beschlusses über die Versagung der Restschuldbefreiung wird vom Schuldner nicht behauptet und wurde
gegenüber dem Gericht nicht angezeigt. Der Beschluss war daher gemäß § 4
InsO, § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend dem bisherigen Verfahrensbevollmächtigten zuzustellen. Der Umstand, dass eine Abschrift des Beschlusses
kurze Zeit später auch dem Schuldner persönlich zugestellt wurde, führt nicht
zu einem späteren Beginn des Fristlaufs. Maßgeblich ist schon wegen der Bestimmung des § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten. Sie setzte aber als zeitlich frühere Zustellung den Lauf der Beschwerdefrist selbst dann in Gang, wenn die Zustellung an den Schuldner in
gleicher Weise wirksam wäre (vgl. für Zustellungen an mehrere Prozessbevollmächtigte: BGH, Urteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 105/90, BGHZ 112, 345,
347; für den Fall einer persönlichen Zustellung an den Schuldner nach einer
öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 9 InsO: BGH, Beschluss vom
14. November 2013 - IX ZB 101/11, WM 2013, 2372 Rn. 5).
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3. In der dem Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wird über
den Fristbeginn bei mehrfacher Zustellung nicht belehrt. Ob dies geboten gewesen wäre, kann dahinstehen. Denn eine Unvollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung hat keinen Einfluss auf den Lauf der Beschwerdefrist. Sie
kann allenfalls einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen (BGH, Beschluss vom 24. März 2016 - IX ZB 67/14, WM 2016, 803
Rn. 11 f). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
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nach § 233 ZPO liegen im Streitfall aber nicht vor, weil der Schuldner anwaltlich
vertreten war (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10, MDR
2010, 1073, 1074).
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4. Die Rücknahme des Antrags auf Versagung der Restschuldbefreiung
mit Schreiben vom 22. Juli 2015 hat keine Auswirkungen. Das durch den Versagungsantrag eingeleitete Verfahren war mit dem Ablauf der Beschwerdefrist
am 23. Juni 2015 rechtskräftig abgeschlossen. Die nachfolgende Rücknahme
des Antrags berührte die Wirksamkeit des Beschlusses über die Versagung der
Restschuldbefreiung nicht (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - IX ZB 269/09,
WM 2010, 1662 Rn. 4).
Kayser
Gehrlein
Möhring
Grupp
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
AG Rosenheim, Entscheidung vom 05.06.2015 - 603 IN 388/10 LG Traunstein, Entscheidung vom 22.10.2015 - 4 T 2513/15 -