You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

248 lines
14 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 56/02
Verkündet am:
12. März 2003
Fritz,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
_____________________
Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) § 40 Abs. 2
Buchst. a ee
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder muß die Kürzung der gesetzlichen Rente von Fremdrentenberechtigten durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 nicht durch Erhöhung ihrer Zusatzrente ausgleichen; vielmehr ist § 40 Abs. 2 Buchst. a ee VBLS in der Fassung
der 30. Satzungsänderung vom 26. Juni 1997 wirksam.
BGH, Urteil vom 12. März 2003 - IV ZR 56/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
-2-
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2003
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom
29. November 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18. August 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt eine höhere Versorgungsrente von der Beklagten, weil er § 40 Abs. 2 Buchst. a ee der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im folgenden: VBLS) für unwirksam
hält.
-3-
Der Kläger war vom 14. Oktober 1987 bis zum 30. November 1999
über seinen Arbeitgeber bei der Beklagten pflichtversichert. Er erhält seit
dem 1. Dezember 1999 eine Altersrente für Schwerbehinderte von der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (gesetzliche Rentenversicherung). Für deren Berechnung sind beim Kläger Dienstzeiten außerhalb
der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit vom 1. September 1959 bis
zum 30. Juni 1982 berücksichtigt worden, in denen seine Pflichtbeiträge
nicht an die heute verpflichteten Versicherungsträger im Bundesgebiet
gezahlt worden sind. Grundlage dafür, daß auch diese Beitragszeiten berücksichtigt werden, ist das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (ursprünglich vom 7. August 1953, BGBl. I S. 848, im folgenden: FRG) mit
seinen späteren Änderungen, insbesondere zur Gleichstellung der Vertriebenen
durch
Art. 1
des
Fremdrenten-
und
Auslandsrenten
- Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 (BGBl. I S. 93, im folgenden: FANG). Die dadurch eingeführte Gleichstellung mit der einheimischen Bevölkerung wurde zunächst durch Art. 14 Nr. 20 Buchst. a und
b des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606,
im folgenden: RÜG) geändert, indem für Dienstzeiten, in denen keine
Beiträge an die jetzigen Träger der Rentenversicherung bezahlt worden
sind, die für die Rentenberechnung maßgeblichen Entgeltpunkte durch
Multiplikation mit dem Faktor 0,7 gekürzt wurden. Diese Kürzung betraf
den Kläger allerdings nicht, da er seinen gewöhnlichen Aufenthalt schon
vor dem 1. Januar 1991 in den alten Bundesländern hatte (Art. 6 § 4
Abs. 5 Buchst. a FANG i. d. F. des Art. 15 Nr. 2 Buchst. e RÜG BGBl. I
S. 1697). Insoweit trat auch durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24. Juni 1993 (BGBl. I S. 1038) noch keine Änderung ein.
Erst durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom
25. September 1996 (BGBl. I S. 1461, 1471 f., im folgenden: WFG) wur-
-4-
den nicht nur der für Fremdrentenzeiten anzuwendende Kürzungsfaktor
noch weiter auf 0,6 vermindert (Art. 3 Nr. 4 Buchst. b, der § 22 Abs. 4
FRG ändert), sondern auch die bisher (nach Art. 6 § 4 Abs. 5 Buchst. a
FANG) bestehende Ausnahme für Berechtigte, die vor dem 1. Januar
1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den alten Bundesländern genommen hatten, gestrichen (Art. 4 Nr. 4 WFG, der in Art. 6 FANG einen neuen § 4 c einfügt). Diese den Kläger belastende Neuregelung trat bereits
rückwirkend ab 7. Mai 1996 in Kraft (Art. 12 Abs. 2 WFG).
Daraufhin änderte auch die Beklagte ihre Satzung. In der Fassung
der 30. Satzungsänderung vom 26. Juni 1997 lautet § 40 VBLS (mit Wirkung bereits ab 7. Mai 1996, §§ 1 Nr. 6 a und 2 (1) Buchst. e der Änderungssatzung, Bundesanzeiger Nr. 176 vom 19. August 1997):
Höhe der Versorgungsrente für Versicherte
(1) Als monatliche Versorgungsrente wird der Betrag gewährt, um den die Summe der in Absatz 2 genannten Bezüge hinter der nach §§ 41 bis 43 b errechneten Gesamtversorgung zurückbleibt.
(2) Bezüge im Sinne des Absatzes 1 sind
a) die Rente wegen Alters (§ 33 Abs. 2 SGB VI) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3 Nr. 1 und 2
SGB VI) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der
Höhe, in der sie für den Monat des Beginns der Versorgungsrente (§ 62) geleistet wird oder zu leisten wäre, wenn
...
ee) sie nicht nach Artikel 6 § 4 Abs. 6 FANG oder nach
§ 22 Abs. 4 FRG vermindert wäre.
.......
-5-
Danach zog die Beklagte für die Berechnung ihrer monatlichen
Zusatzrente vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt nicht die tatsächlich
von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausgezahlte (gekürzte) gesetzliche Rente ab, sondern eine fiktive Rente in ungekürzter
Höhe, wie sie der Kläger ohne die zum 7. Mai 1996 für ihn wirksam gewordenen Änderungen des FANG und des FRG zu erwarten gehabt hätte. Die Beklagte leistete mithin ab 1. Dezember 1999 eine monatliche
Versorgungsrente von nur 1.021,78 DM (statt 1.523,36 DM).
Demgegenüber beansprucht der Kläger eine Versorgungsrente, die
die volle Differenz zwischen der gekürzten gesetzlichen Rente und dem
gesamtversorgungsfähigen Entgelt ausgleicht. Das Landgericht hat die
Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen
wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Benachteiligung der
Bezieher von Fremdrenten aufgrund der Änderungen des FANG und des
FRG gegenüber anderen gesetzlich Versicherten durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt und daher rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte, die sich in § 14 VBLS Änderungen ihrer Satzung vorbehalten hat,
sei nicht verpflichtet, die Kürzung der ohne tatsächliche Beitragszahlungen gewährten Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
-6-
durch eine entsprechend höhere Zusatzversorgung auszugleichen. Das
sei den öffentlichen Arbeitgebern, die an der Beklagten beteiligt sind und
sie finanziell tragen, nicht zuzumuten. Die Leistungen aus der Zusatzversorgung selbst seien durch die Kürzungen der gesetzlichen Rente
nicht verringert worden.
Die Beklagte könne sich dem Kläger gegenüber nach Treu und
Glauben (§ 242 BGB) jedoch nicht auf die Neuregelung in ihrer Satzung
berufen. Denn die Beklagte habe in § 40 Abs. 1 VBLS nicht eine Zusatzversorgung versprochen, sondern die Aufstockung der gesetzlichen Altersversorgung bis zum Betrag einer nach §§ 41 ff. VBLS errechneten
Gesamtversorgung. Im Zeitpunkt der 30. Satzungsänderung sei der Kläger bereits 10 Jahre bei der Beklagten versichert gewesen und habe das
55. Lebensjahr überschritten gehabt. Er habe deshalb darauf vertrauen
dürfen, daß die Beklagte ihre Zusatzversorgung nicht nachträglich um
ein Drittel kürzen werde. Dieses Vertrauen sei noch dadurch bestärkt
worden, daß die Beklagte auf die für andere Fremdrentenberechtigte
schon vor Erlaß des WFG vom 25. September 1996 eingeführten Kürzungen der gesetzlichen Rente nicht reagiert habe. Der Kläger sei 1997
zu alt gewesen, um die neu eingeführten Kürzungen durch Eigenvorsorge auszugleichen. Eine differenzierte Übergangsregelung fehle in der
Satzung der Beklagten.
2. Diesen auf die Grundsätze von Treu und Glauben gestützten
Erwägungen folgt der Senat nicht. Die Beklagte verspricht in § 40 ihrer
Satzung nicht generell eine Aufstockung der Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Gesamtversorgung, sondern lediglich
eine durch zahlreiche Einzelheiten näher bestimmte Zusatzversorgung.
-7-
a) Bei der Satzung der Beklagten handelt es sich um privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen, die, weil sie Versicherungen regeln, Allgemeine Versicherungsbedingungen sind. Sie finden auf die
Gruppenversicherungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern (als Versicherungsnehmern) mit der Beklagten (als Versicherer) zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer,
abgeschlossen worden sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 142, 103, 106 f.;
BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 a, c).
b) Für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen
kommt es auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an; für die Satzung der Beklagten als einer Gruppenversicherung zugunsten der betroffenen Versicherten ist nach deren Verständnis
zu fragen (BGH, Urteil vom 27. September 2000 - IV ZR 140/99 - VersR
2000, 1530 unter II 2; BGHZ 103, 370, 383). Der Kläger kann dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 VBLS zunächst entnehmen, daß eine Versorgungsrente versprochen wird, die zusätzlich zur gesetzlichen Rente geleistet
werden soll. Für die Höhe dieser Zusatzrente kommt es zwar auf den
Betrag an, um den anderweit zu erwartende Bezüge hinter der nach der
Satzung der Beklagten zu bestimmenden Gesamtversorgung zurückbleiben. Schon sprachlich richtet sich das Versprechen aber auf die Zusatzrente und nicht auf die - lediglich als Element der Berechnung dienende Gesamtversorgung. Ebenso wie für die Höhe dieser Gesamtversorgung
auf §§ 41 - 43 b der Satzung verwiesen wird, nimmt § 40 Abs. 1 VBLS
auch bezüglich der abzuziehenden anderweiten Versorgungsbezüge auf
deren nähere Bestimmung in Abs. 2 der Vorschrift Bezug. Dort sind Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ohne weiteres als Abzugsbetrag für
-8-
die Errechnung der Zusatzversorgung bestimmt worden, sondern nur
unter Berücksichtigung zahlreicher, unter Doppelbuchstaben im einzelnen aufgelisteter Sonderregelungen. Daß stets der tatsächlich aus der
gesetzlichen Rentenversicherung ausgezahlte Betrag zugrunde gelegt
und durch die Versorgungsrente der Beklagten aufgestockt werde, wie
der Kläger meint, läßt sich dem Wortlaut des § 40 VBLS also nicht entnehmen.
Für eine Auslegung der Satzung in diese Richtung fehlen auch
sonst hinreichende Anhaltspunkte. Zwar ergab sich für den Kläger bis
zur 30. Satzungsänderung vom 26. Juni 1997 aus der Satzung der Beklagten nicht, daß eine Kürzung seiner gesetzlichen Rente etwa wegen
der Fremdrentenanteile von der Beklagten nicht ausgeglichen werden
würde. Für einen derartigen Hinweis gab es auch keinen Anlaß, so lange
dem Kläger eine ungekürzte gesetzliche Rente zustand. Umgekehrt
fehlte jedoch in der Satzung jeder positive Anhaltspunkt dafür, daß die
Beklagte derartige Kürzungen, wenn sie für die gesetzliche Rente eingeführt würden, von sich aus ausgleichen werde. Ein solcher Anhaltspunkt ließ sich insbesondere nicht dem Umstand entnehmen, daß die
Beklagte in ihrer Satzung für Personen wie den Kläger den Ausgleich der
vollen Differenz zwischen seinem Anspruch auf die noch ungekürzte gesetzliche Rente und der Gesamtversorgung versprach.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht
darauf an, daß für andere, durch das FRG begünstigte Personengruppen
schon aufgrund des RÜG vom 25. Juli 1991 Kürzungen der gesetzlichen
Rente wirksam geworden waren, ohne daß die Beklagte darauf zunächst
reagiert und den Abzug der gesetzlichen Rente in der vor dieser Kürzung
-9-
bestehenden Höhe in ihrer Satzung vorgeschrieben hätte. Daraus konnte
der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil er von diesen Kürzungen nicht betroffen war. Dem WFG vom 25. September 1996 hat die
Beklagte bereits 9 Monate später Rechnung getragen durch ihre
30. Satzungsänderung vom 26. Juni 1997, in der ein Ausgleich der Kürzungen der gesetzlichen Rente ausgeschlossen wurde. Diese Reaktion
war zeitnah; ein Vertrauen, daß die Beklagte ihre Satzung nicht wie geschehen anpassen werde, konnte schon deshalb nicht begründet werden.
Vor allem konnte ein durchschnittlicher Versicherter wie der Kläger
redlicherweise nicht erwarten, daß die Beklagte über die von ihr zugesagte Zusatzversorgung hinaus grundsätzlich jede Kürzung der gesetzlichen Rente, auch wenn die Beklagte sie nicht veranlaßt und nicht zu
vertreten hatte, aus eigenen Mitteln ausgleichen oder in ihren Auswirkungen durch Übergangsregelungen abmildern werde. Dies gilt jedenfalls für die durch das FRG beabsichtigte Gleichstellung in der Bundesrepublik lebender Berechtigter ohne Rücksicht auf deren Herkunft mit der
einheimischen Bevölkerung. Dieses Anliegen des Gesetzgebers hat
nichts mit den Aufgaben der Beklagten zu tun, den in der Bundesrepublik
tätigen und hier von ihren öffentlichen Arbeitgebern bei der Beklagten
versicherten Arbeitnehmern über die gesetzliche Rentenversicherung
hinaus eine zusätzliche Versorgung zu gewähren.
3. Aus diesem Grund hält § 40 Abs. 2 Buchst. a ee VBLS einer Inhaltskontrolle stand (§ 9 AGBG). Daß sich die Beklagte auf diese Neuregelung beruft, verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Der hier zu
beurteilende Fall unterscheidet sich wesentlich von dem Senatsurteil
- 10 -
vom 27. September 2000 (aaO), in dem es um eine für den Versicherten
nachteilige Satzungsänderung des von der Beklagten selbst zunächst
zugesagten Umfangs der gesamtversorgungsfähigen Zeit ging. Die vom
Kläger angegriffene Satzungsänderung verletzt auch seine Grundrechte
aus Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG nicht. Denn die Beklagte hat mit ihrer
Satzung keine rechtlich geschützte Vertrauensposition auf eine bestimmte Gesamtversorgung unabhängig von der Höhe der gesetzlichen
Rente und deren Fortbestand begründet.
4. Ob die Kürzung der gesetzlichen Rente des Klägers wirksam ist,
bedarf hier keiner Entscheidung. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts
hat wegen einer Verletzung von Art. 3 und 14 GG das Bundesverfassungsgericht angerufen (vgl. Soziale Sicherheit 2000, 289 ff.). Sollte sich
die Kürzung nicht als wirksam erweisen, hätte der Kläger möglicherweise
- 11 -
eine höhere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beanspruchen. An der Zusatzversorgung der Beklagten, die sich ohnehin an
der ursprünglich zu erwartenden, ungekürzten gesetzlichen Rente orientiert, würde sich dadurch nichts ändern.
Terno
Dr. Schlichting
Wendt
Ambrosius
Felsch