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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am:
16. Februar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
IV ZR 18/04
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
nein
_____________________
VVG § 12 Abs. 3
Ob der Versicherer ausnahmsweise rechtsmißbräuchlich handelt, wenn er sich auf
den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG beruft, hat der Tatrichter aufgrund einer
umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Diese Entscheidung kann das Revisionsgericht nur darauf hin überprüfen, ob sie auf einer
tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder
von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04 - OLG Celle
LG Hannover
-2-
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2005
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 2003 wird
auf Kosten des Beklagten zu 2), der auch die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers
trägt, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger erhebt gegen den Beklagten zu 2), einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Leistungsansprüche wegen des Diebstahls seiner Yacht "……….." (……………………………..).
Er hatte die 1998 zum Preise von 346.240 DM erworbene Yacht
unter Vermittlung der E.
, der ehemaligen Beklagten zu 1), mit Vertrag vom 3. Mai
2000
beim Beklagten
zu
2)
mit
einer
Versicherungssumme
von
295.000 DM bei einer Selbstbeteiligung von 2.000 DM kaskoversichert.
Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (AVB Wassersportfahrzeuge 1993)
-3-
zugrunde. Auf der ersten Seite des Versicherungsscheins sind oben
rechts allein die frühere Beklagte zu 1) und darunter die Büroanschrift
des betreuenden Versicherungsmaklers genannt. Im unteren Teil des
Deckblatts befindet sich vor der Unterschrift des Versicherers der folgende Text:
"In Vollmacht des Versicherers
V.
E.
"
Am 27. März 2001 wurde die Yacht durch Personal des Sportboothafens (………) B.
B.
/Italien von einem Landliegeplatz im
Hafengelände zu Wasser gelassen. Am darauf folgenden Tag sollte das
Boot zu dem vom Kläger gemieteten Liegeplatz gebracht werden. Während die beiden Sicherheitsschlüssel für die Zugangstür zum Salon der
Yacht außerhalb des Bootes verwahrt wurden, verblieben die Zündschlüssel (in jeweils zweifacher Ausfertigung) für die beiden Motoren in
einer unverschlossenen, abgedeckten Ablage unterhalb des Fahrstandes
an Bord. Ebenso blieben drei Bordnetzschlüssel für die drei Hauptschalter der elektrischen Anlage in den Schalterschlössern stecken.
In der Nacht vom 27. auf den 28. März 2001 wurde die Yacht von
unbekannten Tätern entwendet. Der Kläger meldete den Schadensfall
der Beklagten zu 1), die im Einverständnis und mit Vollmacht des Beklagten zu 2) zunächst auch die Verhandlungen über die Schadensregulierung führte. Der Kläger wurde dabei von dem Streithelfer anwaltlich
vertreten. Auf dessen erste schriftliche Aufforderung zur Auszahlung der
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Versicherungssumme erwiderte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom
23. Juli 2001, nach Rücksprache mit dem "führenden Versicherer", dem
(namentlich genannten) Beklagten zu 2), müsse sie mitteilen, man könne
der Zahlungsaufforderung derzeit nicht nachkommen. Auf die zweite,
ebenfalls an die Beklagte zu 1) gerichtete Zahlungsaufforderung des
Streithelfers
Dr. F.
vom
25. Oktober
aus F.
2001
meldete
sich
. Unter dem Betreff "V.
Rechtsanwalt
/Fr.
" teilte er dem Streithelfer mit Schreiben vom 8. November
2001 mit, daß er "die Interessen des Kasko-Versicherers" anwaltlich
wahrnehme, und kündigte eine weitere Rücksprache an.
Mit einem an Rechtsanwalt Dr. F.
gerichteten Schreiben vom
20. November 2001 kündigte der Streithelfer die Erhebung einer Klage
gegen die Beklagte zu 1) an, die er sodann - eingehend am 29. November 2001 - bei Gericht einreichte. Die auf Feststellung der Leistungspflicht aus der Kaskoversicherung gerichtete Klage wurde der Beklagten
zu 1) am 17. Dezember 2001 zugestellt.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 wandte sich Rechtsanwalt
Dr. F.
unter dem Betreff "V.
/Fr.
" an den Streit-
helfer und teilte ihm unter Bezugnahme auf seine beiden vorangegangenen Schreiben mit, nach Rücksprache mit "dem Kaskoversicherer" lehne
dieser den erhobenen Anspruch ab und werde keine Leistung erbringen,
weil der Versicherungsfall auf grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers zurückzuführen sei. Das Schreiben schließt mit den Worten:
"Wie Ihnen selbstverständlich bekannt ist, wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn
der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb von sechs Mo-
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naten gerichtlich geltend gemacht wird (§ 12 Abs. 3
VVG)."
In dem vom Kläger zunächst gegen die Beklagte zu 1) geführten
Rechtsstreit rügte diese mit Schriftsatz vom 25. Juni 2002 ihre fehlende
Passivlegitimation. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2002 stellte der Streithelfer für den Kläger daraufhin den Antrag, daß die Klage sich im weiteren
gegen den Beklagten zu 2) richten solle. Dieser hält sich schon wegen
Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG für leistungsfrei und ist weiter der Auffassung, die erhobene Klage auf Feststellung der Leistungspflicht sei unzulässig, weil der Kläger Leistungsklage hätte erheben können. Im übrigen entfalle die Leistungspflicht auch deshalb, weil der Kläger sämtliche Motoren- und Netzschlüssel an Bord gelassen und damit
den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Der Kläger meint, der Beklagte zu 2) könne sich angesichts der
besonderen Umstände des Falles nicht auf den Ablauf der Frist des § 12
Abs. 3 VVG berufen, sondern müsse sich die fristgemäße Erhebung der
Klage gegen die Beklagte zu 1) zurechnen lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht
hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte zu 2) weiterhin die Klagabweisung.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht führt aus:
1. Der Antrag auf Feststellung, der Beklagte zu 2) sei verpflichtet,
dem Kläger den um den vereinbarten Selbstbehalt verminderten Schaden aus dem Diebstahl der Motoryacht vom 27./28. März 2001 zu ersetzen, sei zulässig. Das Feststellungsinteresse entfalle nicht dadurch, daß
der Kläger - wie mit einem im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten
Antrag geschehen - auch Leistungsklage habe erheben können. Denn
von dem Beklagten zu 2), einem großen Versicherungsunternehmen,
könne erwartet werden, daß er seiner Verpflichtung zum Schadensersatz
aus einem rechtskräftigen Feststellungsurteil freiwillig nachkomme, ohne
daß es zusätzlich eines auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.
2. Anders als das Landgericht ist das Berufungsgericht weiter der
Auffassung, der Beklagte zu 2) könne sich nicht auf den Ablauf der Frist
des § 12 Abs. 3 VVG berufen, denn das stelle sich hier als rechtsmißbräuchlich dar.
Die Besonderheit des Falles liege - anders als in dem vom Oberlandesgericht Saarbrücken entschiedenen Fall (VersR 1997, 435) - darin,
daß die Klage gegen die nicht passiv legitimierte Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der vom Beklagten zu 2) unter Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG
erklärten Leistungsablehnung bereits erhoben gewesen sei. Dabei müsse sich der Beklagte zu 2) das Wissen der mit der Schadensregulierung
beauftragten Beklagten zu 1) um die Klagerhebung zurechnen lassen.
Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, der das Versicherungs-
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verhältnis in besonderem Maße präge, sei der Beklagte zu 2) wegen des
Wissens um die fehlerhafte Klagerhebung und angesichts der gesamten
Umstände des Falles gegenüber der Beklagten zu 1) verpflichtet gewesen, im Leistungsablehnungsschreiben ausdrücklich klarzustellen, daß
nur er der zuständige Versicherer sei. Durch einen solchen Hinweis wäre
der Kläger in die Lage versetzt worden, den erforderlichen Parteiwechsel
im bereits laufenden Rechtsstreit noch innerhalb der Sechsmonatsfrist
herbeizuführen. Demgegenüber verstoße es gegen Treu und Glauben,
wenn der Beklagte zu 2), der sich zudem von demselben Prozeßbevollmächtigten habe vertreten lassen wie die Beklagte zu 1), zunächst den
Ablauf der Sechsmonatsfrist abgewartet habe, um sich sodann erstmals
nach dem Parteiwechsel im laufenden Rechtsstreit darauf zu berufen.
Der Zweck des § 12 Abs. 3 VVG, eine Verzögerung der Klärung
zweifelhafter Ansprüche im Interesse zeitnaher Sachaufklärung zu verhindern und dem Versicherer die Übersicht über den Stand seines Vermögens zu wahren, sei bereits erfüllt gewesen, als das Leistungsablehnungsschreiben vom 21. Dezember 2001 abgefaßt worden sei. Denn
schon zu diesem Zeitpunkt sei für den Beklagten zu 2) ersichtlich gewesen, daß der Kläger seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen und sich
mit der außergerichtlichen Ablehnung nicht zufrieden geben wolle.
Der Kläger sei in den dem Rechtsstreit vorangegangenen Regulierungsverhandlungen auch nicht mit solcher Deutlichkeit auf die Person
des zuständigen Versicherers hingewiesen worden, daß er nicht schutzwürdig erscheine. Im Versicherungsschein sei mehrfach von einem "führenden Versicherer" die Rede, obwohl keine Mehrzahl von Versicherern
am Vertrag beteiligt gewesen sei. Daß insbesondere die Beklagte zu 1)
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nicht Mitversicherer, sondern lediglich Versicherungsagentin oder -maklerin gewesen sei, komme im Versicherungsvertrag trotz des Hinweises,
sie handle "in Vollmacht des Versicherers", nur schwer verständlich zum
Ausdruck,
zumal
sie
selbst
mit
dem
Zusatz
"Wassersport-Versi-
cherungen" firmiere und in Ziffer 15 der Besonderen Bedingungen zur
Wassersport-Kasko-Versicherung eine Halbierung der Selbstbeteiligung
für den Fall in Aussicht gestellt werde, daß das Wasserfahrzeug fünf
Jahre bei der Beklagten zu 1 schadensfrei versichert sei.
Schließlich habe auch der Rechtsanwalt des Beklagten zu 2) in der
vorgerichtlichen Korrespondenz abgesehen von der Verwendung des
Kurzrubrums "V.
/Fr.
" nicht ausdrücklich klargestellt, daß allein
der Beklagte zu 2) Versicherer sei.
3. Der Beklagte zu 2) sei auch nicht nach § 61 VVG von der Leistung frei. Zwar liege es nahe, den - nach Auffassung des Berufungsgerichts vom Kläger persönlich zu verantwortenden - Verbleib von Motorund Bordnetzschlüsseln an Bord der Yacht als grob fahrlässig anzusehen, doch habe der Beklagte zu 2) nicht nachgewiesen, daß die Yacht
unter Zuhilfenahme der Schlüssel gestohlen worden sei. Es könne vielmehr nicht ausgeschlossen werden, daß die Yacht mit Hilfe eines anderen Bootes auf See geschleppt worden sei.
Der Verbleib der Schlüssel an Bord stelle schließlich auch keine
Gefahrerhöhung im Sinne der §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG dar, weil es
an der Dauerhaftigkeit des veränderten Zustandes fehle.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in allen Punkten stand.
1. Der vom Kläger vorrangig verfolgte Feststellungsantrag ist hier
zulässig, obwohl der Kläger sein Klageziel auch mit einer bezifferten Leistungsklage hätte verfolgen können, wie der in der Berufungsinstanz
hilfsweise gestellte Antrag zeigt. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage
erreichen kann, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße
Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten läßt (BGH, Urteile
vom 4. Dezember 1986 - III ZR 205/85 - BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 2; vom 5. Februar 1987 - III ZR 16/86 - BGHR ZPO
§ 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4, jeweils m.w.N.; vom 21. Februar
1996 - IV ZR 297/94 - NJW-RR 1996, 641 unter I). Das ist insbesondere
dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie
werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen
Verpflichtungen nachkommen, ohne daß es eines weiteren, auf Zahlung
gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, Urteil vom 28. September
1999 - VI ZR 195/98 - VersR 1999, 1555 unter II 1 b, cc; vgl. auch BGH,
Urteil vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92 - NJW-RR 1994, 1272 unter II 2
b). Das hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach angenommen, wenn
es sich bei der beklagten Partei um eine Bank (BGH, Urteile vom
30. April 1991 - XI ZR 223/90 - NJW 1991, 1889 unter 1; vom 30. Mai
1995 - XI ZR 78/94 - NJW 1995, 2219 unter A II 1 - insofern in BGHZ
130, 59, 63 nicht abgedruckt -; vom 5. Dezember 1995 - XI ZR 70/95 NJW 1996, 918 unter II 1), eine Behörde (BGH, Urteil vom 9. Juni 1983
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- III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118 unter 3 c) oder - wie hier - um ein großes Versicherungsunternehmen (BGH, Urteil vom 28. September 1999
aaO unter II 1 b, cc) handelt. Umstände, die die genannte Erwartung vorliegend erschüttern könnten, zeigt die Revision nicht auf.
2. Die Annahme des Tatrichters, der Beklagte zu 2) dürfe sich im
vorliegenden Fall nach Treu und Glauben nicht auf den Ablauf der Frist
des § 12 Abs. 3 VVG berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (Palandt/Heinrichs,
BGB 64. Aufl. § 242 Rdn. 38 m.w.N.). Welche Anforderungen sich daraus
im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine erworbene
Rechtsposition rechtsmißbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit
Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden. Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen,
ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen
Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht
(vgl. dazu BGHZ 122, 308, 314; 146, 217, 223; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1988 - XI ZR 19/88 - NJW-RR 1989, 818 unter 3; vom 13. März
1996 - VIII ZR 99/94 - NJW-RR 1996, 949 unter II 3; vom 8. Mai 2003
- VII ZR 216/02 - NJW 2003, 2448 unter III 2).
b) Solche Rechtsfehler deckt die Revision nicht auf.
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Daß eine Berufung auf die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG dem
Versicherer im Einzelfall nach § 242 BGB versagt sein kann, ist in der
Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni
1966 - II ZR 66/64 - VersR 1966, 723 unter V; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rdn. 52 und
59, ferner bei Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 87).
Dem Zusammenhang der Urteilsgründe des Berufungsurteils kann
sicher entnommen werden, daß das Berufungsgericht es dem Beklagten
zu 2) nicht allein deshalb verwehrt hat, sich auf den Ablauf der Frist des
§ 12 Abs. 3 VVG zu berufen, weil die Leistungsablehnung hier zu einem
Zeitpunkt erfolgte, in welchem die Beklagte zu 2) bereits zurechenbare
Kenntnis davon hatte, daß der Kläger irrtümlich Klage gegen die Beklagte zu 1) eingereicht hatte, obwohl diese nicht Versicherer war. Vielmehr
hat der Tatrichter auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung des
§ 12 Abs. 3 VVG erkennbar nicht nur auf den zeitlichen Ablauf, sondern
auch auf die Gestaltung des Versicherungsscheins, den Inhalt der Versicherungsbedingungen, die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1), die
im Rahmen der Schadensregulierung geführte Korrespondenz und das
Prozeßverhalten der Beteiligten abgestellt. Daß daneben wesentliche
Gesichtspunkte übersehen oder von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen worden wäre, wird von der Revision nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
c) Die Revision bemüht sich unter Hinweis auf mehrere tatrichterliche Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte lediglich darum, eine
ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie kei-
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nen Erfolg haben. Das Berufungsurteil steht insbesondere nicht in Divergenz
zur
Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom
10. Januar 1996 (VersR 1997, 435). Zwar hatte das Oberlandesgericht
es dort abgelehnt, dem Versicherer die Geltendmachung der Leistungsfreiheit nach § 12 Abs. 3 VVG zu versagen und zur Begründung ausgeführt, es reiche zur Wahrung der Frist nicht aus, wenn der Versicherer irgendwie davon Kenntnis erhalte, daß der Versicherungsnehmer einen
anderen Versicherer verklagt habe. Den Entscheidungsgründen ist jedoch zu entnehmen, daß es sich auch dort um eine von den besonderen
Umständen des Falles getragene Einzelfallentscheidung handelt, die einer Verallgemeinerung nicht fähig ist.
d) So liegt der Fall auch hier. Soweit sich das Berufungsgericht mit
der Zulassung der Revision eine allgemeine Klärung der Frage erwartet
hat, ob den Versicherer nach bereits erfolgter Klage des Versicherungsnehmers gegen einen falschen Versicherer im Rahmen des § 12 Abs. 3
VVG stets eine gesonderte Hinweispflicht treffe, verkennt diese Fragestellung die revisionsrechtlichen Grenzen der Überprüfung einer nach
§ 242 BGB getroffenen Einzelfallentscheidung. Ein Zulassungsgrund im
Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO war deshalb hier nicht gegeben.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2) habe den ihm im Rahmen des
§ 61 VVG obliegenden Nachweis dafür, daß die an Bord befindlichen
Schlüssel für die Motoren und das elektrische Bordnetz mitursächlich für
den Diebstahl geworden sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Juli 1986
- IVa ZR 22/85 - VersR 1986, 962 unter II), nicht geführt. Die Gegenrüge,
mit welcher der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Un-
- 13 -
recht angenommen, er selbst - und nicht das mit der Verlegung der
Yacht beauftragte Hafenpersonal (das keine Repräsentantenstellung
eingenommen habe) - sei dafür verantwortlich, daß Schlüssel an Bord
geblieben seien, kann deshalb auf sich beruhen.
Soweit die Revision geltend macht, es sei hier schon nach den
Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, daß das Belassen der genannten Schlüssel an Bord mitursächlich für den Diebstahl
geworden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Voraussetzung für jede
Anwendung eines Anscheinsbeweises ist, daß ein typischer Geschehensablauf vorliegt, und keine Umstände gegeben sind, welche es als
ernsthaft möglich erscheinen lassen, daß das Geschehen im konkreten
Fall anders abgelaufen ist als von einer Anscheinsregel als typisch vorausgesetzt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 239/89 - NJW
1991, 230 unter II 2 und 3). An beidem fehlt es hier. Der Diebstahl einer
großen Motoryacht zählt nicht zu denjenigen Lebensvorgängen, die nach
einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster
abzulaufen pflegen (vgl. dazu Greger in Zöller, ZPO 25. Aufl. vor § 284
Rdn. 29). Hinzu kommt, daß vorliegend gewichtige Umstände dafür sprechen, daß das Boot des Klägers zumindest nicht mit eigener Motorkraft
das im Winter versandete Hafenbecken verlassen konnte und stattdessen aus dem Hafen geschleppt werden mußte, weil es im Motorbetrieb
zu großen Tiefgang hatte. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger
habe diesen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten, trifft
das nicht zu. Dazu, ob die Yacht später auf See mit eigener Motorkraft
Fahrt aufnahm oder weiterhin geschleppt wurde, ist nichts bekannt. Auch
hierzu scheidet ein Anscheinsbeweis wegen der Besonderheiten des
Einzelfalles aus.
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4. Auch eine Leistungsfreiheit der Beklagten zu 2) wegen Gefahrerhöhung (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG) hat das Berufungsgericht mit
rechtlich zutreffender Begründung abgelehnt. Soweit die Revision geltend macht, die vom Berufungsgericht vermißte Dauerhaftigkeit des Zustandes erhöhter Gefahrverwirklichung ergebe sich daraus, daß die Motor- und Netzschlüssel ständig, das heißt nicht nur am Tage vor dem
Diebstahl, sondern auch während der Winterliegezeit der Yacht an Land
und auch bereits davor an Bord verwahrt worden seien, findet dies in den
Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze. Eine Verfahrensrüge
ist insoweit nicht erhoben.
Terno
Dr. Schlichting
Felsch
Wendt
Dr. Franke