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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 120/08
Verkündet am:
6. November 2008
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Herrmann, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Wiesbaden vom 29. Februar 2008 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Wiesbaden vom 26. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger beteiligte sich im Jahre 2003 an einer sogenannten "Schenkbörse", die ähnlich wie im Senatsurteil vom 13. März 2008 (III ZR 282/07 = NJW
2008, 1942) beschrieben organisiert war. Am 27. Juni 2003 übergab er - auf der
Geberposition stehend - an den Beklagten, der in der "Chartliste" auf der Empfängerposition eingetragen war, einen Betrag von 5.000 €. Mit der vorliegenden
Klage verlangt er die Rückerstattung dieser Zuwendung.
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Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass nicht er, sondern seine Mutter
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Empfängerin der Leistung gewesen sei. Seine Eintragung in die Chartliste sei
ohne sein Wissen vorgenommen worden. Das Geld habe er auf Bitten seiner
Mutter entgegengenommen, die wegen eines gegen sie geführten Insolvenzverfahrens nicht habe in Erscheinung treten wollen.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung an den
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Kläger verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage
abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seine Forderung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des amtsge-
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richtlichen Urteils.
Der Beklagte ist aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1
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Satz 1 Alt. 1 BGB - Leistungskondiktion) zur Rückgewähr der geleisteten
"Schenkung" an den Kläger verpflichtet.
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1.
Der Beklagte selbst - und nicht etwa seine Mutter - war hier Empfänger
der vom Kläger erbrachten Leistung gewesen.
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a) Für die Ermittlung des Leistungsempfängers kommt es in erster Linie
auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also zunächst darauf an,
welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen
verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein, ist
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nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten. Es kommt
darauf an, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen
musste und durfte (Senatsurteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 38/04 = NJW
2005, 60 f m.w.N.).
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b) Beide Vorinstanzen haben unter Beachtung dieser Grundsätze in revisionsrechtlich nicht angreifbarer tatrichterlicher Würdigung hier eine Empfängereigenschaft des Beklagten bejaht. Diesem war - wie er selbst einräumt - zumindest bekannt, dass seine Mutter bei der Veranstaltung vom 27. Juni 2003
nach außen nicht als Empfängerin in Erscheinung treten wollte. Die jeweiligen
Geber, darunter auch der Kläger, haben den Beklagten als denjenigen angesehen, den sie "beschenken" wollten. Dies ergab sich objektiv auch aus der
"Chartliste", unabhängig davon, ob diese dem Beklagten bekannt war. Bei objektiver Betrachtungsweise musste daher dem Beklagten nach den vorstehend
wiedergegebenen Grundsätzen klar sein, dass die Geldbeträge nach ihrer
Zweckbestimmung zunächst ihm selbst zufließen sollten, wobei unerheblich ist,
wie er selbst sie später verwendete, insbesondere, dass er sie an seine Mutter
weiterleitete.
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c) Auf die von der Revisionserwiderung angesprochenen insolvenzrechtlichen Fragen kommt es angesichts dieser objektiven Sachlage nicht an. Die
weiteren von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang erhobenen
Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von
einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
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2.
Diese Zuwendung war wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig. Bei
den Schenkkreisen handelt es sich um ein Schneeballsystem, welches darauf
angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen (meist) sicheren Gewinn erzielen,
während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren
muss, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in absehbarer Zeit keine
neuen Mitglieder mehr geworben werden können. Dies verstößt - wie in der
Rechtsprechung allgemein anerkannt ist - gegen die guten Sitten (vgl. insbesondere Senatsurteile vom 10. November 2005 - III ZR 72/05 = NJW 2006, 45,
46 Rn. 9, und vom 13. März 2008 - III ZR 282/07 = NJW 2008, 1942 Rn. 6;
jeweils m.w.N.). Dieser Verstoß gegen die guten Sitten fällt sowohl dem Kläger
als dem Leistenden als auch dem Beklagten als dem Empfänger zur Last.
11
3.
Dies verkennt vom rechtlichen Ansatzpunkt her auch das Berufungsge-
richt nicht. Es meint jedoch, der hierauf gestützte Bereicherungsanspruch scheitere an § 817 Satz 2 BGB. Darin vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Der Senat hat vielmehr - nach Erlass des hier in Rede stehenden Berufungsurteils entschieden, dass die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht nur bei
Bereicherungsansprüchen entfällt, die sich gegen die Initiatoren eines "Schenkkreises" richten, sondern allgemein bei allen Zuwendungen im Rahmen derartiger Kreise, ohne dass es auf eine einzelfallbezogene Prüfung der Geschäftsgewandtheit und Erfahrenheit des betroffenen Gebers oder Empfängers ankommt (Senatsurteil vom 13. März 2008 aaO Rn. 10). An diesem Grundsatz ist
- auch bei voller Würdigung der gegenteiligen Argumentation des Landgerichts
und der Revisionserwiderung - festzuhalten. Die generelle Rückforderbarkeit
der geleisteten Zuwendungen hat nach Einschätzung des Senats eine "generalpräventive" Funktion, die geeignet ist, diesem sozialschädlichen Treiben entgegenzuwirken.
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4.
Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Bereicherung bei
ihm weggefallen sei, weil er die empfangenen Zuwendungen an seine Mutter
weitergeleitet habe. Vielmehr gilt insoweit § 819 Abs. 2 BGB, wonach der Empfänger bereits vom Empfang der Leistung an verschärft haftet, wenn er durch
die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten
verstößt. Die Haftungsverschärfung gemäß § 819 Abs. 2 BGB setzt das Bewusstsein des Empfängers von der Rechts- oder Sittenwidrigkeit voraus
(MünchKommBGB/Lieb, 4. Aufl. 2004 § 819 Rn. 14 m.w.N. in Fn. 32). Dieses
Bewusstsein haben beide Vorinstanzen bei dem Beklagten in rechtsfehlerfreier
tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Dem Beklagten war entweder positiv bekannt, dass es sich bei dem "Schenkkreis" um ein sittenwidriges Schneeballsystem gehandelt hat, oder er hat sich dieser Erkenntnis in einer Weise verschlossen, die es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, sich nunmehr auf ein fehlendes Bewusstsein zu berufen. Auch die in diesem Zusammenhang erhobenen
Verfahrensrügen des Beklagten hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
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5.
Der Beklagte ist nach alledem mit Recht zur Rückzahlung an den Kläger
verurteilt worden; das verurteilende Erkenntnis des Amtsgerichts war unter Aufhebung des klageabweisenden Berufungsurteils wiederherzustellen.
Schlick
Wurm
Wöstmann
Herrmann
Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 26.07.2007 - 92 C 1506/07-12- LG Wiesbaden, Entscheidung vom 29.02.2008 - 3 S 66/07 -