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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 44/13
Verkündet am:
15. April 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 611
Vereinbart der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der einen Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat und nur im Verhältnis zur
GmbH von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreit ist, mit sich selbst eine Gehaltserhöhung ohne vorheriges Einverständnis der Gesellschafterversammlung der
GmbH, ist die Vertragsänderung nach § 181 BGB schwebend unwirksam. Wird die
Änderung nicht genehmigt, hat er nach den Grundsätzen des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage einen Anspruch auf die erhöhte Vergütung,
wenn er seine Tätigkeit mit Kenntnis des für den Vertragsschluss zuständigen Organs oder zumindest eines Organmitglieds von der Erhöhungsvereinbarung fortgesetzt hat.
BGH, Urteil vom 15. April 2014 - II ZR 44/13 - KG
LG Berlin
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. April 2014 durch den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Caliebe
sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer
weitergehenden Revision wird das Schlussurteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Dezember 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 11.318,94 € brutto nebst Zinsen abzüglich im
Oktober 2008 gezahlter 2.000 € verurteilt und die Widerklage
über den anerkannten Betrag von 644,23 € nebst Zinsen hinaus
über einen Betrag von mehr als 104.303,54 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger war seit 1996 Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der
beklagten Kommanditgesellschaft. Einziger Kommanditist und einziger Gesellschafter der GmbH - zeitweise vermittelt durch ein Treuhandverhältnis - war
-3-
E.
S.
. Als Geschäftsführer der Komplementärin war der Kläger
von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
2
Unter dem Datum 1. Januar 1997 unterschrieb er sowohl für sich als
auch für die beklagte Kommanditgesellschaft einen Geschäftsführerdienstvertrag, der eine Jahresvergütung von 72.000 DM (36.813,02 €) vorsah. Im eigenen und im Namen der Beklagten erhöhte sich der Kläger seine Geschäftsführerbezüge seither mehrfach, seit 2002 auf 122.760 €, später auf 132.104,44 €
pro Jahr. Die Beklagte wies seit 1996 außer im Jahr 1998 jeweils Jahresfehlbeträge auf. Ihr Finanzbedarf wurde von ihrem einzigen Kommanditisten gedeckt,
der der Geschäftsführung der Beklagten für die Jahre 2002 bis 2008 Entlastung
erteilte.
3
Am 19. Februar 2009 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Komplementärin abberufen, am 7. April 2009 kündigte die Beklagte den Dienstvertrag aus wichtigem Grund.
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Der Kläger hat mit der Klage sein monatliches Gehalt von 11.008,62 € für
November 2008 bis Mai 2009, insgesamt 77.060,34 € brutto, nebst Zinsen abzüglich im Oktober 2008 gezahlter 2.000 € netto verlangt. Mit der Widerklage
hat die Beklagte Rückzahlung der geleisteten Gehaltszahlungen von 2006 bis
Oktober 2008 einschließlich Steuerzahlungen bis Februar 2009 in Höhe von
385.331,21 €, Schadensersatz in Höhe von 49.544,41 € wegen überhöhter
Vergütungszahlungen an die Ehefrau des Klägers und Hotelübernachtungskosten für eine Reise in China von 644,23 €, zusammen 435.519,85 €, geltend
gemacht.
5
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Beklagte
unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 40.889,16 € brutto
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nebst Zinsen abzüglich 2.000 € netto und den Kläger auf die Widerklage aufgrund seines Anerkenntnisses unter Abweisung der weitergehenden Widerklage zur Zahlung von 644,23 € verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie den Antrag auf
Abweisung der Klage und auf Verurteilung entsprechend der Widerklage, soweit der Kläger nicht anerkannt hat, weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg und führt insoweit zur
Aufhebung und Zurückverweisung.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stünden Gehaltsansprüche nur für den Zeitraum von November 2008 bis zu seiner Abberufung am
20. Februar 2009 (für drei Monate jeweils 11.008,62 € zzgl. 20/29 von
11.008,62 €) nach den Grundsätzen des fehlerhaften Anstellungsvertrags zu.
Der Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 1. Januar 1997 und die späteren
Gehaltserhöhungen seien schwebend unwirksam, weil der Kläger für sich selbst
und für die Kommanditgesellschaft gehandelt habe und insoweit nicht von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei. Der alleinige Gesellschafter der Komplementärin und alleinige Kommanditist habe den Anstellungsvertrag und die Erhöhungen auch nicht konkludent genehmigt. Insbesondere könnten die Beschlüsse über die Entlastung der Geschäftsführung nicht dahin verstanden werden. Einer Teilgenehmigung, weil das Jahresgehalt von 72.000 DM
nach der Aussage des alleinigen Gesellschafters vor dem Landgericht seinen
Vorstellungen entsprochen habe, stehe entgegen, dass nicht angenommen
werden könne, dass eine solche Teilwirksamkeit dem hypothetischen Parteiwillen entsprochen habe. Dem Kläger stehe aber bis zu seiner Abberufung ein
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Anspruch nach den Grundsätzen des fehlerhaften Anstellungsvertrages zu, die
auch Anwendung fänden, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH
den Anstellungsvertrag für die Kommanditgesellschaft mit sich selbst abschließe, ohne insoweit von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit zu sein. Dafür genüge es, dass dem alleinigen Gesellschafter bekannt gewesen sei, dass
der Kläger als Geschäftsführer tätig war und als solcher Gehalt bezog. Dieselben Grundsätze müssten für spätere In-Sich-Vereinbarungen über eine Gehaltserhöhung gelten. Die Gesellschaft sei hinreichend dadurch geschützt, dass
ihr der Geschäftsführer im Fall einer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG
auf Schadensersatz haften könne.
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Ein Schadensersatzanspruch wegen des Abschlusses der Vereinbarungen stehe der Beklagten wegen der Beschlüsse über die Entlastung der Geschäftsführung in den Jahren 2002 bis 2007 nicht zu, da die letzte Gehaltserhöhung in diesen Zeitraum falle. Die Gehaltserhöhungen hätten von dem alleinigen Gesellschafter der Komplementärin bei sorgfältiger Prüfung erkannt werden
müssen. Er hätte die Gehaltshöhe jederzeit leicht in Erfahrung bringen können,
wenn er nur danach gefragt hätte.
9
Die Widerklage sei, soweit der Kläger die Widerklageforderung in Höhe
von 644,23 € nicht anerkannt habe, unbegründet. Hinsichtlich der Gehaltszahlungen an den Kläger stehe der Beklagten kein Anspruch zu, da der Kläger
nach den Grundsätzen des fehlerhaften Anstellungsvertrags die Leistungen
nicht ohne rechtlichen Grund erlangt habe. Schadensersatzansprüche sowohl
wegen der Gehaltszahlungen an den Kläger als auch der Zahlungen an die
Ehefrau des Klägers seien wegen der Entlastungsbeschlüsse ausgeschlossen.
Auch die Höhe der Gehaltszahlungen an die Ehefrau des Klägers und die zugrunde liegenden Vereinbarungen seien bei sorgfältiger Prüfung erkennbar ge-
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wesen. Die Auszahlung des Gehalts an die Ehefrau sei keine Pflichtverletzung,
da die Beklagte aufgrund der Vereinbarungen hierzu verpflichtet gewesen sei.
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II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem
Umfang stand.
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1. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass zwischen den
Parteien ein nach den Grundsätzen des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage als wirksam zu behandelndes Vertragsverhältnis zustande gekommen ist, aufgrund dessen dem Kläger ein Anspruch auf das ursprünglich vereinbarte Gehalt zusteht. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch nicht seine Entscheidung, dass der Kläger auch einen Anspruch auf
die erhöhten Bezüge hat.
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a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dann,
wenn ein Geschäftsführer der Komplementär-GmbH - wie hier - einen Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft abschließt, er aber nur im Verhältnis zur GmbH von dem Verbot des § 181 BGB befreit ist, der Vertragsschluss
nach § 181 BGB grundsätzlich schwebend unwirksam ist und auf den nicht genehmigten Anstellungsvertrag die Grundsätze des Anstellungsverhältnisses auf
fehlerhafter Vertragsgrundlage anwendbar sind (BGH, Urteil vom 16. Januar
1995 - II ZR 290/93, ZIP 1995, 377). Voraussetzung dafür ist, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage des Anstellungsvertrags aufgenommen hat und dies mit Wissen des für den Vertragsschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder jedenfalls eines Organmitglieds geschah (BGH, Urteil
vom 16. Januar 1995 - II ZR 290/93, ZIP 1995, 377; Urteil vom 8. März 1973
- II ZR 134/71, WM 1973, 506; Urteil vom 6. April 1964 - II ZR 75/62, BGHZ 41,
282, 287 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Juli 2000 - II ZR 282/98, ZIP 2000,
1442, 1443). Die Vereinbarung ist dann für die Dauer der Geschäftsführertätig-
-7-
keit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1995 - II ZR 290/93, ZIP 1995,
377 m.w.N.).
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Eine Kenntnis des zuständigen Organs hat das Berufungsgericht für den
Abschluss des Anstellungsvertrags rechtsfehlerfrei festgestellt. Zuständiges
Organ für den Abschluss eines Anstellungsvertrags zwischen dem Geschäftsführer und der Kommanditgesellschaft ist die GmbH als die geschäftsführende
Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft, handelnd durch ihren Geschäftsführer oder - wenn es wie hier um den Anstellungsvertrag des einzigen Geschäftsführers geht - durch die Gesellschafterversammlung (BGH, Urteil vom
1. Dezember 1969 - II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251), hier also durch den Alleingesellschafter der GmbH, E.
S.
. Das Berufungsgericht hat
festgestellt, dass diesem, obwohl er keinem Anstellungsvertrag zugestimmt hatte, bekannt war, dass der Kläger als Geschäftsführer tätig war und Gehalt bezog. Auch die Höhe des unwirksam vereinbarten Jahresgehalts entsprach mit
72.000 DM den Vorstellungen des Alleingesellschafters.
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b) Vereinbart der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der einen
Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat und nur
im Verhältnis zur GmbH von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreit ist,
mit sich selbst eine Gehaltserhöhung, ist die Vertragsänderung ebenfalls nach
§ 181 BGB schwebend unwirksam. Wird die Änderung nicht genehmigt, hat er
nach den Grundsätzen des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage einen Anspruch auf die erhöhte Vergütung, wenn er seine Tätigkeit
mit Kenntnis des für den Vertragsschluss zuständigen Organs oder zumindest
eines Organmitglieds von der Erhöhungsvereinbarung fortgesetzt hat.
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Für eine Änderung des Anstellungsvertrags gilt im Grundsatz nichts anderes als für das fehlerhaft begründete Anstellungsverhältnis (vgl. auch BAG,
Urteil vom 5. September 1973 - 4 AZR 549/72, juris Rn. 22 f.). Die Schwierigkeiten einer Rückabwicklung ähneln denen bei fehlerhaft begründeten Anstellungsverhältnissen, insbesondere bietet eine Rückabwicklung über §§ 812 ff.
BGB keine sachgerechte Lösung. Der Geschäftsführer, der seine Dienste im
Vertrauen auf eine wirksame Erhöhung der Bezüge weiter erbracht hat, ist gegenüber einer insbesondere bei langer Beschäftigungsdauer möglicherweise
bestehenden Rückzahlungspflicht ebenso schutzwürdig wie beim erstmaligen
Abschluss eines Anstellungsvertrags. Ohne Anwendung der Grundsätze des
Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage käme es auch zu
dem widersprüchlichen Ergebnis, dass eine in einem ersten, unwirksamen Vertrag vereinbarte Prüfungsklausel zu einer Vergütungsanpassung führen kann
(vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. März 1973 - II ZR 134/71, WM 1973, 506), nicht
jedoch eine aus den gleichen Gründen unwirksame spätere Vertragsänderung.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt die Anwendung
der Grundsätze über das Anstellungsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage auf eine wegen § 181 BGB unwirksame Vereinbarung über die Erhöhung
der Bezüge aber voraus, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit mit Kenntnis
des für den Vertragsschluss zuständigen Organs oder mindestens eines Organmitglieds von der Erhöhung fortgesetzt hat, ohne dass es auf die Kenntnis
der genauen Höhe ankommt. Die Kenntnis des zuständigen Organs nur von der
Tätigkeit als Geschäftsführer und ihrer Fortsetzung rechtfertigt es noch nicht,
unwirksame Erhöhungen der Bezüge als wirksam zu behandeln. Anders als bei
der Begründung eines Anstellungsverhältnisses, bei der die zuständigen Organe davon ausgehen können, dass der Geschäftsführer nicht unentgeltlich tätig
wird, lässt die Fortsetzung der Tätigkeit allein nicht erkennen, dass der Geschäftsführer sie nur gegen erhöhte Bezüge fortsetzt. Der Verzicht auf die
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Kenntnis des Organs oder eines Organmitglieds würde dazu führen, dass der
Geschäftsführer sich beliebig Gehaltserhöhungen und andere Leistungen verschaffen könnte. Er ist aber nur schutzwürdig, wenn eine unwirksame Vereinbarung redlicherweise getroffen ist. Auch wenn eine Befreiung von § 181 BGB
wirksam wäre, stellte eine Vereinbarung unter Missachtung des Interesses oder
des Willens des zuständigen Organs regelmäßig einen Vollmachtsmissbrauch
dar, der zur Nichtigkeit des Geschäfts wegen sittenwidriger Kollusion führen
würde (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 - II ZR 371/12, ZIP 2014, 615
Rn. 10). Auf einer fehlerhaften Vertragsgrundlage kann der Geschäftsführer
nicht besser stehen. Um derartigen Missbräuchen vorzubeugen, ist es zumindest erforderlich, dass ein Organmitglied Kenntnis von der Gehaltserhöhung
hat.
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Die Gesellschaft ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht ausreichend durch eine Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers
nach § 43 Abs. 2 GmbHG geschützt, so dass auf die Kenntnis des Organs oder
jedenfalls eines Organmitglieds verzichtet werden könnte. Zwar erstreckt sich
der Schutzbereich der durch die Bestellung begründeten organschaftlichen
Sonderrechtsbeziehung zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle
einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft, jedenfalls wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH in
der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft besteht (BGH, Urteil
vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 15 m.w.N.). Im Abschluss
eines (unerkannt) wegen eines Verstoßes gegen § 181 BGB unwirksamen Vertrags liegt aber nicht stets eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers, die zur
Haftung führt.
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Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Alleingesellschafter
auch von den Erhöhungsvereinbarungen Kenntnis hatte oder sich aufdrängenden Möglichkeiten der Kenntnisnahme in einer Art und Weise bewusst verschlossen hat, dass dies nach Treu und Glauben der Kenntnis gleichsteht. Damit ist die Klage im Umfang der ursprünglichen Gehaltsvereinbarung begründet,
im Übrigen bedarf es noch weiterer Feststellungen.
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2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch die Widerklage abgewiesen, soweit der Kläger nicht ein Anerkenntnis erklärt hat und soweit ihm das
ausbezahlte Gehalt in Höhe der im ersten Anstellungsvertrag vereinbarten
36.813,02 € Jahresgehalt zustand.
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a) Die Verneinung von Bereicherungs- und Schadensersatzansprüchen
wegen der erhöhten Bezüge ist rechtsfehlerhaft, weil hinsichtlich der Erhöhungen der Bezüge eine nach den Grundsätzen der fehlerhaften Vertragsgrundlage
zu behandelnde Änderungsvereinbarung nicht festgestellt ist. Dagegen standen
dem Kläger jedenfalls die ursprünglich vereinbarten 36.813,02 € Jahresgehalt
nach den Grundsätzen des Anstellungsvertrags auf fehlerhafter Vertragsgrundlage zu.
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Soweit das Berufungsgericht die Abweisung der Widerklage hilfsweise
auf die Verzichtswirkung der Entlastungsbeschlüsse stützt, ist seine Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern. Eine GmbH oder Kommanditgesellschaft ist
nach einer Entlastung der Geschäftsführer mit Ersatzansprüchen auch aus Bereicherungsrecht ausgeschlossen, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung der Vorlagen und Berichte erkennbar waren, oder von denen
alle Gesellschafter privat Kenntnis hatten (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985
- II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326; BGH, Urteil vom 21. April 1986
- II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 384; Urteil vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, ZIP
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2012, 1197 Rn. 31, jeweils für die GmbH). Dass dem Alleingesellschafter die
Zahlung von mehr als 72.000 DM Jahresgehalt aus Vorlagen und Berichten
erkennbar oder privat bekannt war, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Die Erkennbarkeit von Gehaltserhöhungen, weil die Zahlungen die Lohnbuchhaltung durchlaufen haben und er die jeweils aktuelle Gehaltshöhe leicht hätte
in Erfahrung bringen können, genügt nicht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, welche Unterlagen dem Gesellschafter vorlagen. Dass die Zahlungen
die Lohnbuchhaltung durchlaufen haben, besagt nichts dazu, dass sie aus den
dem Alleingesellschafter vorgelegten Unterlagen erkennbar waren; auf eine
Verschleierung kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht
an.
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b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Abweisung von Schadensersatzansprüchen wegen der Gehaltszahlungen an die Ehefrau des Klägers. Zu
einer Verzichtswirkung der Entlastungsentscheidung fehlen wiederum Feststellungen, dass die Vereinbarungen über ihre Anstellung und die Gehaltszahlungen aus Vorlagen und Berichten zu entnehmen waren.
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Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Schadenersatzanspruch
für ausgeschlossen erachtet, weil der Kläger zur Auszahlung aufgrund des
wirksam mit seiner Ehefrau abgeschlossenen Arbeitsvertrages verpflichtet gewesen sei. Pflichtwidriges, zum Schadensersatz führendes Ereignis im Sinn von
§ 43 Abs. 2 GmbHG war nach dem Vortrag der Beklagten der Abschluss des
Vertrags mit der Ehefrau und die Erhöhung der Vergütung. Für den darauf gestützten Schadensersatzanspruch ist es ohne Bedeutung, ob der Vertrag mit
der Ehefrau wirksam war.
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3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
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a) Der Kläger hat zwar unter Beweisantritt vorgetragen, dass er die Erhöhungen jeweils mit dem Alleingesellschafter abgestimmt hat und dieser davon Kenntnis hatte, so dass über die Anwendung der Grundsätze des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage hinaus auch eine Einwilligung oder eine Genehmigung in Frage kommt. Dazu hat das Berufungsgericht
aber keine Feststellungen getroffen.
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Entgegen der Revisionserwiderung ist nicht jedenfalls für die Widerklage
davon auszugehen, dass eine Genehmigung vorlag, weil die Beklagte ihr Fehlen nicht bewiesen hat. Die Beweislast dafür, dass eine von dem Geschäftsführer an sich veranlasste Auszahlung berechtigt war, liegt beim Geschäftsführer.
In der Auszahlung einer nicht geschuldeten Vergütung liegt eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtwidrigkeit im Sinn des § 43 Abs. 2 GmbHG.
Nach den allgemeinen Grundsätzen hat die Gesellschaft nur die Auszahlung
ohne vertragliche Vereinbarung darzulegen, während der Geschäftsführer darlegen und beweisen muss, dass ihm die ausgezahlte Vergütung zustand (BGH,
Beschluss vom 26. November 2007 - II ZR 161/06, ZIP 2008, 117 Rn. 3 und 4).
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b) Auch zur Entlastung verweist die Revisionserwiderung zwar zutreffend
darauf, dass der Gesellschafter bei seiner Anhörung vor dem Landgericht ausweislich des vorliegenden Sitzungsprotokolls nicht ausgeschlossen hat, Gehaltsüberblickslisten angesehen zu haben. Feststellungen dazu haben aber
weder das Landgericht noch das Berufungsgericht getroffen.
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III. Das Schlussurteil des Berufungsgerichts ist aufzuheben, soweit die
Beklagte zur Zahlung von mehr als 11.318,94 € brutto nebst Zinsen abzüglich
gezahlter 2.000 € netto verurteilt ist und die Widerklage, abgesehen von dem
anerkannten Teil, über mehr als 104.303,54 € abgewiesen ist. Dem Kläger stehen jedenfalls 11.318,94 € zu (für November 2008 bis Januar 2009 jeweils
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3.067,75 € [36.813,02 € Jahresgehalt geteilt durch 12] zzgl. für Februar 2009
2.115,69 € [20/29 von 3.067,75 €]). Die Widerklage ist jedenfalls hinsichtlich der
im Anstellungsvertrag vereinbarten Jahresgehälter 2006 und 2007 (jeweils
36.813,02 €) sowie der Bezüge für Januar bis Oktober 2008 (10 mal
3.067,75 €), zusammen 104.303,54 €, unbegründet. Im Übrigen ist die Sache
noch nicht zur Endentscheidung reif.
Strohn
Caliebe
Born
Drescher
Sunder
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 29.02.2012 - 8 O 373/09 KG, Entscheidung vom 20.12.2012 - 23 U 53/12 -