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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 329/04
Verkündet am:
6. Februar 2006
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 276 Fa, 249 Fb in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung
a) Ein rechtlich relevanter Prospektmangel liegt vor, wenn "weiche" Kosten bei
einem Anlagemodell in nicht unerheblicher Höhe anfallen und ein Anleger
dem Prospekt nicht ohne weiteres entnehmen kann, in welchem Umfang die
von ihm eingezahlten Einlagemittel nicht in das Anlageobjekt fließen, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet werden.
b) Wenn der Anlageinteressent in dem Prospekt nicht darauf hingewiesen wird,
dass für geplante Stellplätze noch ein dem Gesellschaftsgrundstück benachbartes Flurstück erworben werden muss, handelt es sich ebenfalls um einen
Prospektmangel; das gilt auch, wenn feststeht, dass die Gesellschaft durch
den Kauf des Flurstücks nicht mit zusätzlichen Kosten belastet wird.
c) Für die Frage, ob der Anleger sich auf seinen Schadensersatzanspruch aus
Prospekthaftung steuerliche Vorteile anrechnen lassen muss, kommt es auf
die Prüfung im Einzelfall nach dem konkreten Parteivorbringen an, wie sich
die Vermögenslage des Geschädigten bei Abstandnahme von der Beteiligung entwickelt hätte. Allein die generelle Annahme, im Regelfall hätte der
Geschädigte eine andere steuerbegünstigte Anlage getätigt, kann die Nichtanrechnung der Vorteile nicht rechtfertigen (Anschluss an BGH, Urt. v.
17. November 2005 - III ZR 350/04, WM 2006, 174).
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04 - Kammergericht
LG Berlin
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung
vom
6. Februar
2006
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Caliebe und Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Mai 2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger, ein Fliesenlegermeister, beteiligte sich im Sommer 1999 an
dem vom Beklagten initiierten Immobilienfonds "D. KG K. GmbH & Co.". Das
Projekt scheiterte, weil sich nicht genügend Anleger fanden. Nachdem der Kläger hiervon durch Schreiben vom 4. August 1999 erfahren hatte, zeichnete er
am 8. August 1999 Kommanditanteile in Höhe von 250.000,00 DM und
200.000,00 DM an der "R. Straße 20 KG K. GmbH & Co.", einem ebenfalls von
dem Beklagten initiierten Immobilienfonds. Der Beklagte ist geschäftsführender
Kommanditist und Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin,
der K. Geschäftsführungs-GmbH. Gesellschaftszweck ist die - inzwischen erfolgte - Errichtung eines aus Gewerbeflächen, einer Wohnung sowie 55 PkwStellplätzen bestehenden "Shopping-Eck" auf dem gesellschaftseigenen
-3-
Grundstück
R. Straße 20
und
die
anschließende
Bewirtschaftung
des
Objekts.
2
Der Kläger ist der Auffassung, der von der Fondsgesellschaft herausgegebene Prospekt sei insbesondere hinsichtlich der Angaben über die sogenannten weichen Kosten und die Errichtung der Stellplätze fehlerhaft und irreführend, weshalb er von dem Beklagten Schadensersatz verlangen könne. Mit
der Klage nimmt er den Beklagten auf Zahlung von 227.780,53 € Zug um Zug
gegen Abtretung der von ihm gehaltenen Kommanditanteile in Anspruch. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
Oberlandesgericht der Klage in Höhe von 210.556,38 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf den in zweiter Instanz zusätzlich erhobenen Antrag des Klägers hat es
festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Annahme der Kommanditanteile in
Verzug befinde. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
3
Da der Kläger im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Entscheidung beruht inhaltlich jedoch nicht
auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).
4
Die Revision ist nicht begründet.
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I. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte schulde als Initiator und
Gründer des Fonds dem Kläger nach den Grundsätzen der Prospekthaftung
Schadensersatz. Der Prospekt sei inhaltlich unvollständig und unklar. Er lasse
nicht eindeutig erkennen, welche Aufwendungen dem Anlageobjekt unmittelbar
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zufließen sollten und wie hoch die "weichen" Kosten sind, die für Dritte bestimmt, aber kein Teil der eigentlichen Investition sind. Der Prospekt kläre den
Anlageinteressenten zudem in Bezug auf die Stellplätze nicht hinreichend auf.
Er mache nicht deutlich, dass die Realisierung des Gesamtprojekts den Erwerb
weiterer Grundflächen erfordert habe und die von der Fondsgesellschaft bereits
erworbene Fläche nicht identisch mit dem Projektgrundstück sei. Bei einer Gesamtwürdigung sei davon auszugehen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer
Information sich an der Gesellschaft nicht beteiligt hätte, so dass der Beklagte
ihm die geleistete Einlage nebst Agio (472.500,00 DM) zurückzuzahlen habe.
Im Wege des Vorteilsausgleichs müsse der Kläger sich die erhaltenen Ausschüttungen (54.000,00 DM) und die Vorabverzinsung (6.687,51 DM) anrechnen lassen. Erlangte Steuervorteile dagegen brauche er sich nicht anrechnen
zu lassen, weil der mit dem Rückerhalt des Anlagebetrages verbundene Werbungskostenrückfluss von ihm nachversteuert werden müsse.
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II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
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1. Zutreffend hält das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer Prospekthaftung für gegeben. Danach hat ein Prospekt den Beteiligungsinteressenten ein zutreffendes Bild von dem Anlageobjekt zu vermitteln. Dazu gehört,
dass sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind
oder sein können, richtig und vollständig dargestellt werden. Entspricht der
Prospekt diesen Anforderungen nicht, so hat der auf seiner Grundlage geworbene Anleger, wenn er bei richtiger und vollständiger Information von einer Beteiligung Abstand genommen hätte, gegen die schuldhaft handelnden Prospektverantwortlichen Anspruch auf Rückzahlung seiner Aufwendungen für den
Erwerb Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung (st.Rspr., vgl. Senat,
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BGHZ 71, 284, 286 ff.; 79, 337, 340 ff.; 123, 106, 109 f.; Urt. v. 1. März 2004
- II ZR 88/02, WM 2004, 928, 929 f.).
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a) Mit Recht ist das Berufungsgericht der Ansicht, dass der Prospekt den
Anleger in zweifacher Hinsicht unzureichend informiert.
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aa) Wie das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, kann der Anleger dem Prospekt den für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstand, in welchem Umfang seine Beteiligung nicht
in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird, nicht ohne weiteres entnehmen.
Unter der Überschrift Investitions- und Finanzierungsplan wird der Anteil der
Werbungskosten am Gesamtaufwand im Prospekt mit 17,91 % angegeben.
Tatsächlich macht er 25,3 % aus. Das ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus
den Erläuterungen zu dem Investitions- und Finanzierungsplan, sondern erfordert zunächst den Abgleich verschiedener Prospektangaben über die Anschaffungs- und Herstellungskosten und anschließend eine Reihe von Rechengängen. Das ist mit den Anforderungen an einen wahrheitsgemäßen, vollständigen
und verständlichen Prospekt nicht zu vereinbaren.
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bb) Ein weiterer Prospektfehler liegt in dem fehlenden Hinweis darauf,
dass es für die geplanten Stellplätze noch des Erwerbs eines dem Fondsgrundstück benachbarten Flurstücks bedurfte. Selbst wenn feststand, dass dieser
Erwerb die Fondsgesellschaft im Ergebnis nicht mit zusätzlichen Kosten belasten würde, war der Hinweis mit Rücksicht auf die notwendige wahrheitsgemäße und vollständige Information des Anlegers nicht entbehrlich. Denn der
Erwerb einer weiteren Fläche erforderte auf jeden Fall Verhandlungen, so dass
deshalb zeitliche Verzögerungen bei der Fertigstellung des Anlageobjekts nicht
auszuschließen waren.
-6-
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b) Ebenfalls zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die
Prospektfehler ursächlich für die Anlageentscheidung des Klägers waren. Nach
der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht es der Lebenserfahrung,
dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist
(BGHZ 79, 337, 346; 84, 141, 148; Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 280/98, ZIP
2000, 1296, 1298). Diese Vermutung kann zwar widerlegt werden, jedoch reicht
hierfür entgegen der Ansicht der Revision nicht aus, dass es dem Kläger nach
dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten auf die Erzielung der kurzfristig nutzbaren Steuervorteile in der Investitionsphase "- auch - maßgeblich"
ankam. Danach beruhte der Beteiligungsentschluss des Klägers nämlich nicht
allein auf steuerlichen Überlegungen.
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c) Der Beklagte als Initiator und Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft, Geschäftsführer der Komplementärin der KG und geschäftsführender
Kommanditist ist Prospektverantwortlicher im Sinne der Senatsrechtsprechung
(BGHZ 71, 284, 286 ff.; 79, 337, 340).
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d) Den Beklagten trifft ein Verschulden.
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Nach der Senatsrechtsprechung ist im Falle eines Prospektmangels von
einem Verschulden der Prospektverantwortlichen auszugehen. Umstände, die
ein Verschulden hier ausschließen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich.
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2. Mit Recht geht das Berufungsgericht danach davon aus, dass der Kläger Zug um Zug gegen Abtretung seiner Beteiligung von dem Beklagten Rückzahlung des aufgewendeten Anlagebetrages nebst Agio verlangen kann. Soweit die Revision dies unter Hinweis darauf in Frage stellt, dass Ausschüttungen nach dem Prospekt nicht garantiert seien, verkennt sie, dass der schuldhaf-
-7-
te Verstoß gegen die Pflicht des Prospektverantwortlichen zur wahrheitsgemäßen vollständigen und richtigen Aufklärung des Anlageinteressenten als solche
die Prospekthaftung auslöst, weil die unbeeinflusste Willensbildung des Anlegers Schutz genießen muss; deswegen kommt es nicht darauf an, ob die die
Ausschüttungen betreffenden Prospektangaben eingehalten worden sind oder
nicht.
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3. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des dem Kläger
zustehenden Schadensersatzanspruchs erweisen sich zwar nicht in allen Teilen
der Begründung, aber doch im Ergebnis als zutreffend.
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a) Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, sind im Rahmen der Schadensberechnung vorteilhafte Umstände, die mit dem schädigenden Ereignis in
einem qualifizierten Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen, soweit ihre
Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder
den Geschädigten unzumutbar belastet noch den Schädiger unbillig entlastet
(Sen.Urt. v. 14. Januar 2002 - II ZR 40/00, WM 2002, 813 m.w.Nachw.). Zu solchen auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden
Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschädigte infolge der
Schädigung erspart hat (BGHZ 53, 132, 134; 74, 103, 114), wobei im Gegenzug
mögliche steuerliche Nachteile, insbesondere eine Besteuerung der Schadensersatzleistung, zu berücksichtigen sind.
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b) Danach hat das Berufungsgericht mit Recht die an den Kläger geflossenen Ausschüttungen des Fonds (54.000,00 DM) ebenso wie die Vorabverzinsung (6.687,51 DM) bei der Berechnung des ihm zustehenden Ersatzanspruchs
berücksichtigt.
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c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch seine Auffassung, der Kläger
müsse sich im Zusammenhang mit der Beteiligung erlangte Steuervorteile nicht
anrechnen lassen, weil er den mit der Aufgabe seiner Gesellschafterstellung
verbundenen Werbungskostenrückfluss nachzuversteuern habe. Anders als in
dem vom Berufungsgericht herangezogenen Vergleichsfall (BGH, Urt. v.
25. Februar 1988 - VII ZR 152/87, NJW-RR 1988, 788, 789) geht es hier nicht
darum, dass der Kläger Aufwendungen als Werbungskosten steuerlich geltend
gemacht hätte und diese Aufwendungen durch nachträgliche Ersatzleistung
weggefallen wären mit der Folge, dass wirtschaftlich gesehen ein - zu versteuernder - Werbungskostenrückfluss vorläge. Die Beträge, die der Kläger für den
Erwerb der Beteiligungen aufgewendet hat, sind steuerlich Anschaffungskosten,
nicht abzugsfähige Werbungskosten (BFHE 147, 176 = BStBl. II 1986, 747;
Blümich/Thürmer, EStG § 9 Rdn. 135 ff.; Claßen in Lademann, EStG § 9
Rdn. 9; Schmidt/Drenseck, EStG 24. Aufl. § 9 Rdn. 24; Wüllenkemper, Rückfluss von Aufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 17 f.). Zurückgeflossene
Anschaffungskosten können daher nicht als "negative Werbungskosten" der
Einkommensteuer unterworfen sein (BFHE 198, 425 = BStBl. II 2002, 796).
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d) Eine Anrechnung der Steuervorteile scheidet hier jedoch aus einem
anderen Grund aus. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, gibt es zwar keinen Erfahrungssatz, dass der Geschädigte seine Geldmittel in einer anderen steuerbegünstigten Form angelegt hätte
(Urt. v. 17. November 2005 - III ZR 350/04, WM 2006, 174). Vielmehr kommt es
auf die Prüfung im Einzelfall nach dem konkreten Parteivorbringen an, wie sich
die Vermögenslage des Geschädigten bei Abstandnahme von der Vermögensanlage entwickelt hätte.
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Hier ist nach dem unstreitigen Sachverhalt anzunehmen, dass sich der
Kläger an einem anderen steuerbegünstigten Projekt beteiligt hätte, wenn er
ordnungsgemäß von dem Beklagten unterrichtet worden wäre. Nach den vom
Berufungsgericht in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des
Landgerichts hatte sich der Kläger zunächst an dem ebenfalls von dem Beklagten initiierten Immobilienfonds "D. KG K. GmbH & Co." beteiligt. Als er mit
Schreiben vom 4. August 1999 erfahren hatte, dass dieser Fonds mangels ausreichender Interessenten nicht geschlossen werden konnte, trat er unmittelbar
anschließend, nämlich am 8. August 1999 der "R. Straße 20 KG" bei. Dieses
Verhalten zwingt zu dem Schluss, dass der Kläger in Kenntnis der Prospektfehler eine andere Beteiligung gezeichnet hätte, die ihm dieselben Steuervorteile
verschafft hätte.
Goette
Kurzwelly
Caliebe
Münke
Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 27.03.2003 - 14 O 570/02 KG Berlin, Entscheidung vom 10.05.2004 - 26 U 112/03 -