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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
II ZR 222/99
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Verkündet am:
17. Dezember 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom
Dr. h.c. Röhricht
3. Dezember
und
die
2001
Richter
durch
Prof.
den
Vorsitzenden
Dr. Henze,
Prof.
Richter
Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des
12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
18. Februar 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
das Berufungsgericht festgestellt hat, daß die Versorgungszusage zu Gunsten des Beklagten zu 1 über die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 13. Juli 1989 von der Klägerin
mit Schreiben vom 22. April 1996 wirksam widerrufen wurde. Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin der ersten und zweiten Instanz haben zu 80 % die Beklagten zu 1 - 6 als Gesamtschuldner, zu 20 % die Klägerin zu tragen. Die Klägerin hat ferner
20 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 der ersten und zweiten Instanz zu tragen, während die in diesen beiden Instanzen im übrigen angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten diesen selbst zur Last fallen.
Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin
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zu 53 %, 12 % tragen die Beklagten zu 1 - 6 als Gesamtschuldner und zu weiteren 35 % die Beklagten zu 1 - 3 und 6 ebenfalls
als Gesamtschuldner. Von den außergerichtlichen Kosten des
Revisionsverfahrens - soweit über sie nicht zu Lasten der Beklagten zu 2, 3 und 6 bereits durch den Beschluß des Senats
vom 12. Februar 2001 entschieden worden ist - tragen: Die Klägerin jeweils 47 % ihrer eigenen und derjenigen des Beklagten
zu 1, der Beklagte zu 1 53 % seiner eigenen, die Beklagten zu 1
- 6 als Gesamtschuldner 53 % derjenigen der Klägerin, während
die Beklagten zu 4 und zu 5 ihre außergerichtlichen Kosten des
Revisionsverfahrens selbst zu tragen haben.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagter) stand bis Ende 1990 in den
Diensten der V.
GmbH. Mit ihr schloß er am 13. Juli 1989 einen als
"Versorgungszusage" bezeichneten Alters- und Hinterbliebenenversorgungsvertrag. Mit Wirkung ab 1. Januar 1991 hat die Klägerin, ein Tochterunternehmen des schwedischen LKW-Herstellers V.
V.
T.
C.
, den Vertrieb der
Nutzfahrzeuge in Deutschland übernommen. Der Beklagte war ihr Ge-
schäftsführer. Ihm gegenüber übernahm unter dem 25. März 1991 die Klägerin
die von der früheren Arbeitgeberin des Beklagten erteilte "Versorgungszusage"
als "vertraglich unverfallbar".
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Der Beklagte hatte als Geschäftsführer der Klägerin u.a. für die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes der Klägerin zu sorgen und hat - gemeinschaftlich mit dem früheren Beklagten zu 2 und Herrn R. , dem Erblasser
der Beklagten zu 3 und zu 6, handelnd - einen überteuerten Auftrag für die
Planung und die Errichtung des Gebäudes an den früheren Beklagten zu 4 und
die Beklagte zu 5 erteilt. Der Beklagte und seine beiden Mittäter haben im Zusammenhang mit der Erteilung dieses Auftrages von den Beklagten zu 4 und
zu 5 insgesamt 1.987.715,28 DM als "Provisionen" erhalten. Es war geplant,
alle V.
Nutzfahrzeughändler in Deutschland dazu zu veranlassen, die Neuge-
staltung ihrer Einrichtungen, die einem einheitlichen Muster folgen sollte, den
früheren Beklagten zu 4 und zu 5 zu übertragen. Hierzu ist es indessen nur in
dem Fall des Händlers K. gekommen. Einer von ihr gegebenen Zusage folgend hat die Klägerin das Firmengebäude dieses zwischenzeitlich in Konkurs
gefallenen Händlers zum Preis von 6,75 Mio. DM kaufen und die dort entstandenen Architektenkosten von 120.000,00 DM übernehmen müssen.
Sie hat den Beklagten nicht nur auf Ersatz des ihr durch die "Provisionszahlung" entstandenen Schadens in Anspruch genommen, sondern mit Schreiben vom 22. April 1996 auch die ihm erteilte Versorgungszusage widerrufen.
Daß dieser "Widerruf" rechtswirksam ist, ist - neben dem Schadenersatzverlangen - Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens. Das Berufungsgericht hat
in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils alle Beklagten zur Leistung von
Schadenersatz verurteilt und zu Lasten des Beklagten die angetragene Feststellung getroffen. Durch Nichtannahme der Revisionen bzw. Revisionsrücknahme nach Verweigerung der nachgesuchten Prozeßkostenhilfe ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Verurteilung zum Schadenersatz rechtskräftig geworden. Angenommen hat der Senat allein das Rechtsmittel des Beklagten,
soweit er sich gegen den Feststellungsausspruch des Berufungsurteils wendet.
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-6-
Entscheidungsgründe:
Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet und führt zur Abweisung des Feststellungsantrags. Der von der Klägerin ausgesprochene "Widerruf" der Versorgungszusage entfaltet zu Lasten des Beklagten keine Rechtswirkungen.
Das Berufungsgericht hat - revisionsrechtlich einwandfrei und auch von
der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellt - aus der Erklärung der Klägerin, sie übernehme die dem Beklagten früher erteilte Versorgungszusage als
"vertraglich unverfallbar", hergeleitet, sie wolle den Beklagten versorgungsrechtlich so behandeln, als fänden die zwingenden (§ 17 Abs. 3 Satz 3
BetrAVG) Vorschriften des BetrAVG auf diese Versorgungszusage Anwendung. Eine solche aus freien Stücken, oftmals mit dem Ziel, eine bestimmte
Person für die Gesellschaft als Leitungsorgan zu gewinnen, gewährte Besserstellung eines Versorgungsberechtigten, der - wie der Beklagte - die gesetzlichen Voraussetzungen für einen unverfallbaren Versorgungsanspruch nicht
erfüllt, ist, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ohne weiteres zulässig (Sen.Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, WM 1998, 1535; Sen.Urt. v.
3. Juli
2000
- II ZR 381/98, ZIP 2000, 1452). Da sich die Klägerin freiwillig der Geltung des
BetrAVG zugunsten des Beklagten unterworfen und damit jedenfalls auch zum
Ausdruck gebracht hat, daß sie seine - zuvor gegenüber ihrer Schwestergesellschaft bewiesene - Betriebstreue honorieren wolle, genoß er von Anfang an
den Schutz von dessen Regeln, ohne daß die Klägerin hernach damit gehört
werden könnte, der Beklagte habe nur kurze Zeit in ihren Diensten gestanden,
sei deswegen nicht in gleicher Weise schutzwürdig wie bei Eintritt der gesetzli-
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chen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen und müsse dies deswegen bei der
Durchsetzung seines Versorgungsanspruchs gegen sich gelten lassen. Nicht
durchdringen kann die Klägerin aus dem gleichen Grund mit ihrem Einwand,
der Beklagte habe den Eintritt der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen erschlichen; wie sie selbst geltend gemacht hat, liegt das pflichtwidrige, zur Entlassung des Beklagten und zu seiner Verurteilung zur Schadenersatzleistung führende Verhalten mehr als zwei Jahre nach der Berufung des Beklagten in das
Geschäftsführeramt und nach der Übernahme des von der Schwestergesellschaft erteilten Versorgungsversprechens als "vertraglich unverfallbar".
Ist danach aber das dem Beklagten erteilte Versorgungsversprechen
hinsichtlich der Unverfallbarkeitsfolgen genauso zu behandeln, als seien die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit bereits erfüllt gewesen,
kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall aus den eingegangenen Bindungen
nicht unter Hinweis auf den Rechtsmißbrauchseinwand lösen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung sind Versorgungszusagen nur
dann dem durchgreifenden Rechtsmißbrauchseinwand ausgesetzt, wenn der
Pensionsberechtigte seine Pflichten in so grober Weise verletzt hat, daß sich
die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue nachträglich als wertlos
oder zumindest erheblich entwertet herausstellt (Sen.Urt. v. 13. Dezember
1999
- II ZR 152/98, ZIP 2000, 380; Sen.Urt. v. 3. Juli 2000 - II ZR 381/98, ZIP 2000,
1452). Diese mit der Judikatur des Bundesarbeitsgerichts übereinstimmende
Rechtsprechung (vgl. Sen.Urt. v. 13. Dezember 1999 aaO m.w.N.) beruht auf
der Erwägung, daß das Versorgungsversprechen Teil des von dem Dienstberechtigten geschuldeten Entgelts ist. Ebenso, wie durch eine fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses die Vergütungspflicht des Dienstherrn nicht
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rückwirkend beseitigt werden kann, kann sich der die Versorgung Zusagende
durch eine entsprechende Erklärung nicht von der Verpflichtung befreien, im
Versorgungsfall diesen Teil der geschuldeten und versprochenen Vergütung zu
leisten. Insofern bewendet es vielmehr dabei, daß das Dienstverhältnis fristlos
beendet und ggfs. Schadenersatz gefordert werden kann. Erst dann, wenn das
pflichtwidrige Verhalten des Dienstverpflichteten sich als eine besonders grobe
Verletzung der Treuepflicht des Leitungsorgans darstellt, kann die Gesellschaft
den Rechtsmißbrauchseinwand erheben. Dazu reicht es nach der gefestigten
Rechtsprechung des Senats nicht aus, daß ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Anstellungsverhältnisses besteht oder daß das Leitungsorgan gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen hat; vielmehr hat der Senat
die entsprechende Voraussetzung bisher nur dann bejaht, wenn der Versorgungsberechtigte den Versprechenden in eine seine Existenz bedrohende Lage gebracht hat, weil jedenfalls dann die Grenze überschritten ist, bis zu der
auch der pflichtwidrig Handelnde, ohne sich dem Einwand auszusetzen,
rechtsmißbräuchlich zu handeln, das ihm gegebene Versprechen einfordern
kann. Diese engen Voraussetzungen liegen, wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, hier offensichtlich nicht vor. Ob auch ohne eine solche Existenzgefährdung der versorgungspflichtigen Gesellschaft sich der Versorgungsberechtigte im Einzelfall wegen der besonderen Umstände seines Verhaltens und der
extremen Höhe des von ihm angerichteten, wenngleich nicht zur Existenzgefährdung
führenden
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Schadens ausnahmsweise den Rechtsmißbrauchseinwand entgegenhalten
lassen muß, bedarf hier keiner Entscheidung, weil solche außerordentlichen
Verhältnisse, die einer Durchsetzung des Versorgungsversprechens ausnahmsweise entgegenstehen können, weder vorgetragen noch festgestellt
sind.
Röhricht
Henze
Kurzwelly
Goette
Frau RinBGH Münke ist wegen
Erkrankung an der Unterschrift
gehindert.
Röhricht