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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 203/08
Verkündet am:
22. März 2010
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Reichart und Bender
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des
Klägers wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts
vom 30. Juli 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger beteiligte sich im Jahr 1995 mit 30.000,00 DM an der Grundstücksgesellschaft Go.
noch firmierend unter G.
nannt in G.
GbR (G.
-Fonds 15). Die Beklagte - damals
G.
-AG, dann umbe-
AG und schließlich umgewandelt in die G.
GmbH - ist
Gründungsgesellschafterin dieses und noch weiterer gleichartiger Fonds. Ihre
Anteile wurden mehrheitlich vom Land Berlin gehalten.
2
Die Fonds waren gegründet worden, um Wohnanlagen - größtenteils im
sozialen Wohnungsbau - zu errichten und zu vermieten. Die Differenz zwischen
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der Kostenmiete und der niedrigeren Sozialmiete wurde teilweise durch Aufwendungshilfen des Landes Berlin ausgeglichen (sog. 1. Förderungsweg). Diese Hilfen wurden in einer ersten Förderungsphase für 15 Jahre ab Bezugsfertigkeit bewilligt. Üblicherweise schloss sich daran eine ebenfalls 15-jährige "Anschlussförderung" an.
3
Abweichend von dieser Verwaltungsübung beschloss der Berliner Senat
am 4. Februar 2003 den Verzicht auf die Anschlussförderung für solche Bauvorhaben, bei denen die Grundförderung nach dem 30. Dezember 2002 endete.
Darunter fiel auch der G.
-Fonds 15. Seither ist der Fonds sanierungsbe-
dürftig.
4
Der Kläger hat wegen Prospektmängeln Ersatz seiner Einlage und Freistellung von allen Verbindlichkeiten, insbesondere der quotalen Haftung für das
von der Gesellschaft aufgenommene Bankdarlehen, verlangt. Außerdem hat er
die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zum Ersatz etwaiger weiterer Schäden verpflichtet sei. Nach Klageabweisung im ersten Rechtszug hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Freistellung unter Anrechnung der erzielten Steuervorteile und erhaltenen Ausschüttungen verurteilt, soweit diese den Zeichnungsbetrag übersteigen, Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung des
Klägers. Ferner hat es die Ersatzpflicht für zukünftige Schäden festgestellt. Im
Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dagegen richten sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des
Klägers.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision und die Anschlussrevision haben Erfolg und führen unter
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
6
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
7
Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen
des Verschuldens bei Vertragsschluss zu. Der Prospekt stelle die Anschlussförderung unzutreffend als sicher dar, während tatsächlich kein Rechtsanspruch
darauf bestanden habe. Anders als bei der Vielzahl der übrigen Anleger werde
hier die Kausalität des Fehlers für die Beitrittsentscheidung ausnahmsweise
vermutet. Dem Kläger sei es in erster Linie um die Zeichnung einer langfristigen, sicheren und wertstabilen Anlage gegangen. Wegen der Einkommensverhältnisse des Klägers hätte er nicht in kürzester Zeit Steuervorteile erzielen
können, die faktisch zum Rückfluss seiner Investition hätten führen und ihm
einen erheblichen Liquiditätsgewinn hätten verschaffen können.
Dennoch sei die Zahlungsklage abzuweisen, weil der Kläger nicht darge-
8
legt habe, wie hoch seine Steuervorteile und die erhaltenen Ausschüttungen
gewesen seien. Auch der Freistellungsanspruch sei entsprechend einzuschränken.
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II. Das Berufungsurteil ist schon deshalb hinsichtlich des Freistellungsanspruchs aufzuheben, weil es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler leidet (vgl. BGHZ 45, 287 f.).
-5-
Der tenorierte Freistellungsanspruch ist nicht vollstreckbar. Das Beru-
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fungsgericht hat zwar die Steuervorteile und die erhaltenen Ausschüttungen
- soweit sie die Einlage des Klägers übersteigen - für anrechenbar gehalten. Es
hat sie aber nicht betragsmäßig bestimmt. Ein Freistellungsanspruch muss jedoch - wie ein Zahlungsanspruch - nach Grund und Höhe bestimmt sein. Kann
der Gläubiger keine genauen Zahlen angeben, ist der Freistellungsantrag unzulässig. Stattdessen kann auf Feststellung der Freistellungspflicht geklagt werden (vgl. BGH, Urt. v. 18. März 1980 - VI ZR 105/78, NJW 1980, 1450 =
BGHZ 76, 249, insoweit dort nicht abgedruckt; BGHZ 79, 76, 77 f.; v. 4. Juni
1996
- VI ZR 123/95,
ZIP 1996,
1395,
1396;
v.
23. September
2004
- IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 497 a.E.).
11
III. Auch im Übrigen hält das angefochtene Urteil den Angriffen der Revision der Beklagten nicht in allen Punkten stand.
12
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass der
Kläger von der Beklagten beim Vertragsschluss nicht zutreffend über die Risiken der Anlage unterrichtet worden ist.
13
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss einem Anleger für
seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt
vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere
über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen
Nachteile und Risiken, zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGHZ 79, 337, 344; BGH, Sen.Urt. v. 7. April 2003 - II ZR 160/02,
WM 2003, 1086, 1088; v. 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, ZIP 2010, 176
Tz. 8). Das ist hier - wie das Berufungsgericht in fehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt hat - durch den verwendeten Prospekt nicht geschehen.
-6-
a) Ein Prospektfehler liegt danach noch nicht in der Angabe, die Gesell-
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schafter würden für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft entsprechend ihrer
Beteiligungsquote haften. Damit wird nicht der Eindruck erweckt, der Umfang
dieser quotalen Haftung werde durch Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen zwingend gemindert (vgl. BGH, Sen.Beschl. v. 30. März 2009 - II ZR 67/08,
juris).
15
Ob die Angabe von Höchstbeträgen hinsichtlich der einzelnen Gesellschafter in den abgeschlossenen Darlehensverträgen - anstelle der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Haftungsquoten - zu einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss führen würde, kann dahinstehen. Der Kläger
zeigt schon nicht auf, dass tatsächlich eine Haftung nach Höchstbeträgen vereinbart worden ist. Im Übrigen hat er nicht geltend gemacht, dass von vornherein geplant gewesen sei, die Haftung der Gesellschafter nicht auf ihre jeweilige
Quote, sondern auf den dieser Quote entsprechenden absoluten Betrag von der
jeweiligen Anfangsschuld zu begrenzen.
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b) Der Prospekt ist - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat - insoweit fehlerhaft, als darin der Eindruck erweckt wird, auf die
Anschlussförderung bestehe ein Rechtsanspruch (vgl. BGH, Sen.Beschl. v.
30. März 2009 - II ZR 49/08, juris).
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Der Prospekthinweis
Nach Ablauf des ersten Förderungszeitraumes von 15 Jahren ist eine Anschlussförderung gesichert. … Im Amtsblatt … sind die Richtlinien … veröffentlicht. Damit wird eine Anschlussförderung fortgeführt … Die Richtlinie entspricht dem Beschluss des Senats …, der die Anschlussförderung
… grundsätzlich bestätigt.
-7-
Schlussfolgerung: Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die Mieten
im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau für breite Schichten der
Bevölkerung auf Dauer sozial tragbar bleiben. Der Bauherr soll wie bisher
Einnahmen erzielen, die ihm erlauben, die Bewirtschaftungskosten, Zinsen und Tilgung zu decken und die ihm darüber hinaus eine Verzinsung
des eingesetzten Eigenkapitals ermöglichen.
kann - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - so verstanden werden, als sei die Anschlussförderung dem Grunde nach schon bewilligt
und es müsse nur noch über das Wie der Förderung entschieden werden.
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Dieser Eindruck wird durch die Angabe auf S. 19 des Prospekts
2011 endet der 1. Förderungszeitraum. Gemäß den Richtlinien über die
Anschlussförderung von Sozialwohnungen wird eine Anschlussförderung
gewährt. Diese gewährleistet dauerhaft vertretbare Belastungen ... .
noch verstärkt.
19
Das ist unzutreffend und wird durch den Hinweis auf S. 22 des Prospekts
Ein Wegfall der Mittel wäre bei Verletzung der Förderungsbestimmungen
denkbar bzw. bei Zahlungsunfähigkeit des Staates (vgl. Anschlussförderung).
ebenso wenig richtig gestellt wie durch den allgemeinen Hinweis auf S. 35 des
Prospekts:
Auch können prospektierte Ergebnisse, z.B. [richtig: durch] Änderungen
von Gesetzgebungs-, Rechtsprechungs- oder Verwaltungspraxis, beeinflusst werden.
-8-
20
Die Anschlussförderung war ein für die Rentabilität des Fonds wesentlicher Umstand. Alle 80 Wohnungen sollten im sog. 1. Förderungsweg errichtet
werden. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass ohne Anschlussförderung
"kein Investor dieser Welt" auch nur eine einzige Wohnung in Berlin in diesem
Marktsegment gebaut hätte, weil nach Ablauf der 15-jährigen Grundförderung
die dann noch verbleibende Kostenmiete für Wohnungen dieses Marktsegments nicht zu erzielen gewesen wäre.
21
2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Kausalität des Prospektfehlers für die Beitrittsentscheidung des
Klägers vermutet wird.
22
a) Eine fehlerhafte Aufklärung ist schon nach der Lebenserfahrung ursächlich für die Anlageentscheidung (st. Rspr., BGHZ 79, 337, 346; 84, 141,
148; 177, 25 Tz. 19; BGH, Sen.Urt. v. 1. März 2004 - II ZR 88/02, ZIP 2004,
1104, 1106; v. 7. Dezember 2009 aaO Tz. 23). Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sichert das Recht des Anlegers, in eigener Entscheidung
und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes
Projekt investieren will oder nicht (Senat, BGHZ 123, 106, 112 ff.).
23
Bei Immobilien, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit,
Rentabilität und Inflationsschutz geht, ist das Bestehen von Handlungsvarianten
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht geeignet, die
auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit
fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung zu entkräften.
Von einem Immobilienfonds erwartet der durchschnittliche Anleger Werthaltigkeit. Deshalb verbietet sich bei einer derartigen Anlageform im Regelfall die Annahme, eine gehörige Aufklärung über wichtige, für eine werthaltige Anlage abträgliche Umstände hätte bei dem Anlageinteressenten allein schon deshalb,
-9-
weil er mit erheblichen Steuervorteilen geworben wurde, vernünftigerweise
mehrere Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet, also nur einen "Entscheidungskonflikt" begründet (BGH, Sen.Urt. v. 2. März 2009 - II ZR 266/07, ZIP 2009,
764 Tz. 6; Urt. v. 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, ZIP 2006, 568 Tz. 24). Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Anleger bei richtiger Aufklärung dem Fonds nicht beigetreten wäre. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz
kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht (BGHZ 160, 58,
66 f. s. aber BGH, Urt. v. 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, ZIP 2009, 1264 Tz. 22
zur grundsätzlich geltenden Kausalitätsvermutung), zu denen die Investition in
einen Immobilienfonds jedoch in aller Regel nicht gehört (BGH, Urt. v.
9. Februar 2006 aaO Tz. 24).
24
b) Danach wird hier die Kausalität des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung vermutet. Bei einem zutreffenden Hinweis auf die rechtliche Ungewissheit der Anschlussförderung wäre es für einen durchschnittlichen Anlageinteressenten durchaus vernünftig gewesen, nicht in dieses Vorhaben zu investieren. Unabhängig von der Anschlussförderung konnte der Anleger mit der Anlage zwar Steuern sparen. Er riskierte aber, dass der Fonds bei Ausbleiben der
Anschlussförderung nach 15 Jahren insolvent würde und damit das investierte
Kapital verloren wäre. Dem standen keine adäquaten Gewinnchancen gegenüber. Nach der "Liquiditäts- und Prognoserechnung" des Prospektes konnte der
Anleger bei normaler Förderung jährlich mit einer Ausschüttung i.H.v. 1,1 % des
eingesetzten Kapitals rechnen. Er hätte zwar unter Hinzurechnung der Steuervorteile möglicherweise mehr als seine Einlage verdient gehabt. Von außergewöhnlich hohen Gewinnchancen (vgl. BGHZ 160, 58, 66 f.) kann indes keine
Rede sein.
25
Ob das Risiko, die Anschlussförderung werde nicht bewilligt, im Zeitpunkt
der Anlageentscheidung als gering einzustufen war, wie das Berufungsgericht
- 10 -
angenommen hat, ist entgegen der Ansicht der Revision ohne Bedeutung. Der
Umstand, dass auf die Anschlussförderung kein Rechtsanspruch bestand, stellte die Überlebensfähigkeit des Fonds grundsätzlich in Frage. Das Recht des
Anlegers, das Für und Wider selbst abzuwägen und seine Anlageentscheidung
in eigener Verantwortung zu treffen, wird in diesen Fällen auch durch unzutreffende Informationen über Umstände, für deren Eintritt eine nur geringe Wahrscheinlichkeit besteht, beeinträchtigt.
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Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Absicht des Klägers,
sein Geld langfristig, sicher und wertstabil anzulegen und nicht nur kurzfristig
Steuervorteile zu erzielen, kommt es danach nicht an. Die Kausalitätsvermutung gilt auch dann, wenn der Anleger maßgeblich Steuervorteile nutzen möchte (BGH, Sen.Urt. v. 6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Tz. 11;
BGH, Beschl. v. 9. April 2009 - III ZR 89/08, juris Tz. 8).
27
3. Das angefochtene Urteil ist aber deshalb fehlerhaft, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Frage, ob die genannte Vermutung widerlegt ist,
seine Aufklärungspflicht verletzt hat.
28
Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht dem Beweisantritt
der Beklagten für ihre Behauptung, der Prospektmangel sei nicht ursächlich für
die Anlageentscheidung des Klägers gewesen, nicht nachgegangen ist. Die
Beklagte hat dazu die Vernehmung des Klägers als Partei beantragt. Da sie
keine anderen Beweismittel vorgebracht hat, hätte das Berufungsgericht den
Kläger nach § 445 Abs. 1 ZPO vernehmen müssen. Das angefochtene Urteil
beruht auf diesem Fehler. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Beklagte
den ihr obliegenden Beweis durch die Parteivernehmung des Klägers hätte führen können.
29
IV. Die Anschlussrevision des Klägers hat ebenfalls Erfolg.
- 11 -
1. Zu Unrecht rügt die Anschlussrevision allerdings, dass das Berufungs-
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gericht dem Kläger die Darlegung der erzielten Steuervorteile aufgegeben hat.
31
Der Einwand der Anschlussrevision, die Darlegungs- und Beweislast für
die anzurechnenden Steuervorteile treffe die Beklagte, ist zwar grundsätzlich
richtig, verkennt aber, dass den Kläger eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl.
Senat, BGHZ 140, 156, 158; BGH, Sen.Urt. v. 3. Dezember 2008 - II ZR 21/06,
ZIP 2008, 412 Tz. 27). Nur er verfügt über die insoweit erforderlichen Kenntnisse. Deshalb ist er gehalten, die für die Berechnung der etwaigen Steuervorteile
nötigen Daten mitzuteilen.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass sowohl die Steuervorteile
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als auch die Ausschüttungen grundsätzlich auf den Schadensersatzanspruch
des Klägers im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sind, ist aber nicht
frei von Rechtsfehlern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Be-
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rücksichtigung von Steuervorteilen auf eine Prüfung im Einzelfall an. Es gibt
keinen Erfahrungssatz, dass der Geschädigte seine Geldmittel in einer anderen
steuerbegünstigten Form angelegt hätte. Das kann aber aufgrund des Vortrags
im
Einzelfall
anzunehmen
sein
(BGH,
Sen.Urt.
v.
6. Februar
2006
- II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Tz. 20).
34
Die Anschlussrevision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht entsprechenden Vortrag des Klägers übergangen hat. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, dass er auch in der Vergangenheit Kapitalanlagen gewählt habe, die
ihm Steuervorteile gebracht hätten. Wenn das Berufungsgericht diesen Vortrag
nicht als ausreichend angesehen hat, ist das nicht zu beanstanden.
- 12 -
35
Das Berufungsgericht hätte den Kläger aber - wie die Anschlussrevision
zu Recht geltend macht - nach § 139 Abs. 1 ZPO darauf hinweisen müssen,
dass es seinen Vortrag insoweit nicht für ausreichend hält. Zwar hat das Berufungsgericht den Kläger mit Hinweisbeschluss vom 11. Februar 2008 zur Darlegung seiner Steuervorteile aufgefordert. Es hat damit aber noch nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Steuervorteile - und Ausschüttungen - nur dann anzurechnen sind, wenn der Kläger sie nicht auch anderweitig erzielt hätte.
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V. Die angefochtene Entscheidung ist auch nicht aus anderen Gründen
im Ergebnis richtig (§ 561 ZPO).
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1. Nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt trifft die Beklagte an der unrichtigen Darstellung in dem Prospekt ein
Verschulden.
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Das Verschulden wird in den Fällen der Haftung aus Verschulden bei
Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Zu der Frage, ob diese Vermutung widerlegt ist, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt
aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
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Dazu würde ein Rechtsirrtum der Geschäftsführer der Beklagten über die
Verbindlichkeit der Anschlussförderung nicht ausreichen. Denn ein Rechtsirrtum
entschuldigt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur
dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte
(BGH, Urt. v. 25. Oktober 2006 - VIII ZR 102/06, NJW 2007, 46 Tz. 25
m.w.Nachw.). Insoweit kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass das
Oberverwaltungsgericht Berlin in einem Beschluss vom 24. Juli 2003
(DVBl. 2003, 1333) dem Land Berlin im Wege der einstweiligen Anordnung auf-
- 13 -
gegeben hat, der Beklagten bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens
über die Anschlussförderung eine entsprechende finanzielle Hilfe zu gewähren.
Denn diese Entscheidung beruhte auf einer bloß summarischen Prüfung der
Rechtslage. Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil
vom 11. Mai 2006 zu der streitigen Anschlussförderung ausgeführt, ein Subventionsempfänger müsse grundsätzlich damit rechnen, dass bei Eintritt grundlegender Änderungen der allgemeinen Rahmenbedingungen die Subventionen
gekürzt würden oder ganz wegfielen (NVwZ 2008, 1184 Tz. 57 f.).
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2. Der Anspruch ist auch nicht verjährt.
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Die durch die Neufassung der §§ 195, 199 BGB zum 1. Januar 2002 auf
drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Berechtigte Kenntnis von den
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt hätte, längstens auf zehn Jahre verkürzte Verjährungsfrist (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB) war bei Klageerhebung im Jahr 2005 nicht abgelaufen. Denn die Entscheidung des Berliner Senats, die Anschlussförderung einzustellen, datiert von Februar 2003. Anhaltspunkte für eine frühere Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers
von dem Prospektfehler hat die Beklagte nicht dargetan.
- 14 -
42
VI. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die
noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Strohn
Vorsitzender Richter am BGH
Prof. Dr. Goette ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
verhindert
Strohn
Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.01.2007 - 4a O 315/05 KG, Entscheidung vom 30.07.2008 - 26 U 46/07 -
Caliebe
Bender