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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 201/13
Verkündet am:
6. Mai 2014
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem
bis zum 15. April 2014 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden und die
Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats
des Kammergerichts vom 23. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sowie Darlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten „E.
KG
(GmbH & Co.)“ (im Folgenden: KG),
einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erworbenen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditist beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditis-
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ten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsverbindlichkeiten der KG in Anspruch.
2
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgende Regelung:
„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der
Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich
Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation.
Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die
gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten
gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB unberührt.“
3
Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik
„Rechtsform und Haftung“ folgende Hinweise:
„…Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nachschusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.
Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4
HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen.“
4
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für
den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da
die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise
vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das
Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung
der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Höhe von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darle-
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hen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin
immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommanditisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin
erhaltenen Auszahlungen.
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Nach der Behauptung der Klägerin bestand eine Verbindlichkeit der KG
in Höhe von 500.000 €. Hierbei handele es sich um von den Stundungsvereinbarungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2. Juli 2010 bis
30. August 2011.
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Die auf Zahlung von 17.767,39 € gerichtete Klage war in erster Instanz
erfolgreich. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil
des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung
des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
7
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
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Es könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie ihre Forderung schlüssig dargelegt habe und die Voraussetzungen, wonach eine Haftung
des Kommanditisten gegenüber einem Dritten besteht bzw. wieder auflebt,
grundsätzlich vorliegen. Einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten stehe aber die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen.
Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch An-
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sprüche von Gesellschaftern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen
die Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172
Abs. 4 HGB umfasse. Der potenzielle Anleger habe durch ein überschaubares
Haftungsrisiko zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.
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II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB ist nicht
durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlossen. Die Vertragsklausel
ist (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3
HGB, § 707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht getroffen
wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht
ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB
bestehen würden (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013
- II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 19 ff.).
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III. Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3
ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus
folgerichtig - lediglich pauschal unterstellt hat, dass der Klägerin eine fällige
Forderung gegen die KG zusteht, für die der Beklagte ungeachtet des angenommenen vertraglichen Haftungsausschlusses in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen müsste, aber keine konkreten Feststellungen zu den
vom Beklagten bestrittenen Umständen getroffen hat. Ferner fehlen Feststellungen zu dem vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch auf
Schadensersatz aus Prospekthaftung. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat
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weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem am 8. Oktober 2013 ergangenen Urteil (II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305) hin.
Strohn
Reichart
Born
Drescher
Sunder
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 14.11.2011 - 38 O 247/11 KG, Entscheidung vom 23.05.2013 - 12 U 148/11 -