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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 15/00
vom
12. März 2001
in dem Verfahren, an dem beteiligt sind:
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
GG Art. 14 Abs. 1 Ca; AktG §§ 304, 305
a) Das Recht der außenstehenden Aktionäre auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs bzw. einer angemessenen Abfindung gemäß §§ 304, 305 AktG
bleibt auch dann bestehen, wenn die abhängige AG während des Spruchstellenverfahrens in die herrschende AG eingegliedert wird (Ergänzung zu BGHZ
135, 374 - Guano).
b) Der außenstehende Aktionär der beherrschten AG ist grundsätzlich unter Berücksichtigung des an der Börse gebildeten Verkehrswertes der Aktie abzufinden. Ihm ist jedoch der Betrag des quotal auf die Aktie bezogenen Unternehmenswertes (Schätzwertes) zuzubilligen, wenn dieser höher ist als der Börsenwert.
Dieser Grundsatz ist auch für die Bemessung des variablen Ausgleichs maßgebend.
c) Der Festsetzung der angemessenen Barabfindung bzw. der Ermittlung der
Verschmelzungswertrelation (Abfindung) und des angemessenen Umtauschverhältnisses (variabler Ausgleich) ist ein Referenzkurs zugrunde zu legen, der - unter Ausschluß außergewöhnlicher Tagesausschläge oder kurzfri-
-2stiger sich nicht verfestigender sprunghafter Entwicklungen - aus dem Mittel
der Börsenkurse der letzten drei Monate vor dem Stichtag gebildet wird.
d) Der Bewertung der Aktien sowohl der beherrschten als auch der herrschenden
AG ist grundsätzlich der Börsenkurs zugrunde zu legen, damit möglichst gleiche Ausgangsvoraussetzungen für die Bestimmung der Wertrelation vorliegen. Auf den Schätzwert kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen ausgewichen werden.
BGH, Beschluß vom 12. März 2001 - II ZB 15/00 - OLG Düsseldorf
LG Köln
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. März 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 wird der
Beschluß der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln vom 16. Dezember 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I. Die Deutsch-Atlantische Telegraphen-Gesellschaft (Beteiligte zu 4;
künftig: DAT) und die Beteiligte zu 5 (künftig: Altana) schlossen am 16. Mai
1988 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der nach Zustimmung ihrer Hauptversammlungen am 5. bzw. 14. Juli 1988 am 29. Juli 1988 in
das Handelsregister eingetragen worden ist. In dem Vertrag garantiert Altana
den außenstehenden Aktionären der DAT für jede Aktie im Nennwert von
50,-- DM einen jährlichen Ausgleich in Höhe des 1,3-fachen der auf eine ihrer
Aktien im Nennwert von 50,-- DM entfallenden Dividende. Als Abfindung sollen
für zehn Aktien der DAT 13 Aktien der Altana gewährt werden. Wahlweise
bietet Altana den DAT-Aktionären den Kauf ihrer Aktien für 550,-- DM pro Stück
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an. Entsprechende Rechte der DAT-Aktionäre sind für Aktien mit höheren
Nennbeträgen vereinbart.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 halten Ausgleich und Abfindung für unangemessen. Sie verlangen die gerichtliche Festsetzung höherer Leistungen, die
sie aus dem Börsenkurs herleiten, zu dem die DAT-Aktie bis zum Beschluß der
Hauptversammlung der DAT über die Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag im amtlichen Handel an der Börse gehandelt worden ist.
Nachdem Altana die bis Ende 1987 an DAT erlangte Beteiligung von ca.
91,31 % auf 95,006 % aufgestockt hatte, vollzogen die Gesellschaften die Eingliederung der DAT in Altana, die am 27. August 1990 in das Handelsregister
eingetragen worden ist. Als Abfindung hat Altana den außenstehenden Aktionären von DAT 14 Altana-Aktien für zehn DAT-Aktien bzw. - wahlweise - die
Übernahme einer DAT-Aktie für 600,-- DM angeboten. Das mit dem Ziel einer
Erhöhung der Abfindung anhängig gemachte Spruchstellenverfahren ist durch
Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Mai 2000 (19 W 5/93)
abgeschlossen worden, das den DAT-Aktionären eine Zuzahlung von
43,45 DM für je 0,1 Altana-Aktien zugesprochen hat.
Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die Anträge nach Einholung eines Gutachtens zur Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung
mit Beschluß vom 16. Dezember 1992 zurückgewiesen. Die Berücksichtigung
des Börsenkurses hat es abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige
Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 mit Beschluß vom 2. August 1994 mit
der Maßgabe einer Zuzahlung von 35,60 DM je 0,1 Altana-Aktie zurückgewiesen. Eine Berücksichtigung des Börsenkurses hat es ebenfalls abgelehnt. Auf
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die Verfassungsbeschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 27. April 1999 (1 BvR 1613/94, ZIP 1999, 1436) die
Entscheidung des Beschwerdegerichts mit der Begründung aufgehoben, sie
verletze die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, weil der
Börsenkurs der DAT-Aktie bei der Bemessung von Ausgleich und Abfindung
nicht berücksichtigt worden sei.
Das Beschwerdegericht hat nunmehr die sofortigen Beschwerden dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es meint, Barabfindung und
Umtauschverhältnis müßten unter Berücksichtigung des für den Tag der Beschlußfassung der Hauptversammlung der DAT maßgebenden Börsenkurses
der DAT-Aktie festgesetzt werden. Daran sieht es sich jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Februar 2000 (DB 2000, 709)
gehindert, das als Referenzkurs das Mittel der Börsenkurse zugrunde gelegt
hat, die in dem vor dem Beschluß der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft liegenden Zeitraum von etwa acht Monaten festgesetzt worden sind.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie die Beteiligten zu 4 und 5 lehnen übereinstimmend die Zugrundelegung eines Stichtagskurses ab. Die Beteiligte zu 1
und die Beteiligten zu 4 und 5 sehen in einem Wertverhältnis von 20,2 AltanaAktien zu zehn DAT-Aktien eine tragfähige Basis für eine Abfindung, wobei die
Beteiligte zu 1 die Kurse der Jahre 1986 bis 1988 zugrunde legt, die Beteiligten
zu 4 und 5 die Kurse des Jahres 1988 ausklammern möchten. Der Beteiligte
zu 2 möchte für die Ermittlung der Durchschnittswerte nur eine relativ kurze
Zeitspanne berücksichtigen.
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II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG sind aus
den vom Beschwerdegericht in seinem Vorlagebeschluß angeführten Gründen
gegeben.
Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 4 und 5 fehlt es an diesen Voraussetzungen nicht deswegen, weil durch die im Jahre 1990 vorgenommene
Eingliederung während des Spruchstellenverfahrens der Unternehmensvertrag
beendet worden ist und die Aktien der Beteiligten zu 1 bis 3 auf die Beteiligte
zu 5 als Hauptgesellschaft übergegangen sind (§ 320 a Satz 1 AktG).
1. Die Eingliederung hat den Unternehmensvertrag nur mit Wirkung für
die Zukunft beendet. Für die Zeit vom 29. Juli 1988 bis zum 27. August 1990
bleibt er hingegen bestehen. Für diesen Zeitraum steht den außenstehenden
Aktionären der DAT ein angemessener Ausgleich zu. Stellt das Gericht fest,
daß der nach dem Vertrag zu gewährende Ausgleich den Anforderungen der
Angemessenheit nicht entspricht, hat es den Unternehmensvertrag für den
Zeitraum
seines
Bestehens
umzugestalten
und
einen
angemessenen
- höheren - Ausgleich festzusetzen. Die Eingliederung hat auf diesen Verfahrensablauf und sein Ergebnis keinen Einfluß. Hat der andere Vertragsteil den
vertraglich vereinbarten Ausgleichsanspruch bereits erfüllt, muß er die Differenz zu dem durch das Gericht festgesetzten Ausgleich nachentrichten (allgemeine Meinung, vgl. Koppensteiner in: KK z. AktG, 2. Aufl. § 304 Rdn. 66).
Wie der Senat bereits entschieden hat, bleibt auch der Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre bestehen, wenn der Unternehmensvertrag während des Spruchstellenverfahrens beendet wird (BGHZ 135, 374
- Guano).
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2. Anders als die Beteiligten zu 4 und 5 offenbar meinen, entfällt mit der
Eingliederung auch nicht die Sachbefugnis der Beteiligten zu 1 bis 3. Allerdings verlieren die außenstehenden Aktionäre mit dem vom Gesetz (§ 320 a
Satz 1 AktG) angeordneten Übergang der Aktien auf die Hauptgesellschaft ihre
Mitgliedschaftsrechte. Aktienurkunden verbriefen nach § 320 a Satz 2 AktG bis
zu ihrer Aushändigung an die Hauptgesellschaft nur einen - auf den für die
Eingliederung maßgebenden Zeitpunkt bezogenen - Anspruch auf Abfindung.
Wäre diese Regelung so zu verstehen, daß die außenstehenden Aktionäre mit
der Eingliederung ihren Anspruch auf den angemessenen Ausgleich und die
angemessene Abfindung, die ihnen aus Anlaß des abgeschlossenen Unternehmensvertrages zustehen und die vom Gericht im bereits rechtshängigen
Spruchstellenverfahren noch festgesetzt werden müßten, verlieren, würde sie
gegen das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen (vgl. für die Abfindung
Hüffer, AktG 4. Aufl. § 305 Rdn. 4 b). Dieses Verständnis wäre mit dem Zweck
der gesetzlichen Regelung von Ausgleich und Abfindung nicht in Einklang zu
bringen. Das Ziel des Ausgleichs, den von den außenstehenden Aktionären
erlittenen Verlust ihrer mitgliedschaftlichen Vermögensrechte zu kompensieren,
würde verfehlt, wenn diese Leistung ersatzlos entfallen würde. Der Abfindungsanspruch, der den Verlust der mit der Mitgliedschaft verbundenen Herrschafts- und vom Ausgleich nicht erfaßten Vermögensrechte ausgleichen soll,
würde entwertet, wenn er den außenstehenden Aktionären nicht in den vom
Gesetz (§ 305 AktG) festgelegten Grenzen zustünde. Dazu gehört nicht nur die
Art des Anspruchs (Abs. 2), sondern auch der zeitliche Rahmen, in dem er
geltend gemacht werden kann (Abs. 4), und der Zeitpunkt, der für seine Bemessung maßgebend ist (Abs. 3 Satz 2; vgl. dazu BGHZ 135, 374, 378 ff.
- Guano). Fällt beispielsweise die Bewertung der Abfindung für den Zeitpunkt,
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der für den Unternehmensvertrag maßgebend ist, günstiger aus als für den der
Eingliederung und würde eine Abfindung nur aus Anlaß der Eingliederung gewährt, obwohl die Frist für die Geltendmachung des aus dem Unternehmensvertrag folgenden Abfindungsanspruchs (§ 304 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 305
Abs. 5 Satz 4 AktG) noch nicht abgelaufen ist, würden die außenstehenden
Aktionäre in ihren Eigentumsrechten verletzt. Die Regelung der §§ 304 f.,
320 a AktG ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß das Recht
der außenstehenden Aktionäre auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs bzw. einer angemessenen Abfindung auch dann bestehen bleibt, wenn
die abhängige AG während des Spruchstellenverfahrens in die herrschende
AG eingegliedert wird (i.E. ebenso OLG Düsseldorf, AG 1995, 85, 86; OLG
Celle, AG 1973, 405, 406; Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 304 Rdn. 64;
Hüffer, AktG aaO § 305 Rdn. 4 b; Geßler in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff,
AktG § 304 Rdn. 134; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre
1979,
S. 48;
a.A.
Hengeler, FS Möhring 1975, S. 197, 200).
Soweit die Beteiligten zu 4 und 5 den Beteiligten zu 1 bis 3 infolge der
Eingliederung bereits eine Abfindung geleistet haben und sich herausstellen
sollte, daß die aus dem Unternehmensvertrag zu leistende Abfindung für die
außenstehenden Aktionäre günstiger ist, ist die frühere Leistung anzurechnen.
III. Die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 sind zulässig
(§§ 306 Abs. 2, 99 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 99 Abs. 1 AktG, 28 Abs. 2 FGG). Sie
sind auch begründet.
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1. Das Landgericht ist auf der Grundlage von zwei gutachterlichen Unternehmensbewertungen, die zu einem Umtauschverhältnis von 1:1,28 bzw.
1:1,12 gekommen sind, zu dem Ergebnis gelangt, daß das im Unternehmensvertrag für den variablen Ausgleich und die Abfindung zugrunde gelegte Umtauschverhältnis von 1 (DAT-Aktie) zu 1,3 (Altana-Aktien) angemessen ist. Aus
diesem Grunde hat es die Anträge der Beteiligten zu 1 bis 3 zurückgewiesen.
Eine Berücksichtigung des Börsenkurses als Ermessensgrundlage hat es in
Übereinstimmung mit der im Zeitpunkt seiner Entscheidung in Rechtsprechung
und Lehre vertretenen allgemeinen Ansicht ausdrücklich abgelehnt. Das steht
nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1999
- 1 BvR 1613/94 (ZIP 1999, 1436) und vom 8. September 1999 - 1 BvR 301/89
(ZIP 1999, 1804) in Widerspruch zu der Eigentumsgarantie des Art. 14
Abs. 1 GG. Die Entscheidung des Landgerichts ist daher mit dem Grundgesetz
nicht vereinbar.
2. Wie bereits das Oberlandesgericht in seinem vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Beschluß ausgeführt hat, kann dem Vortrag der
Beteiligten nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, ob es sich
bei Altana um eine von einem anderen Unternehmen abhängige AG handelt
oder ob sie unabhängig ist. Da das in Betracht kommende herrschende Unternehmen - die Erben nach Dr. H.
Q.
- keine AG oder KGaA ist, können als
Abfindungsregelungen nur diejenigen der Nr. 1 oder Nr. 3 des § 305
Abs. 2 AktG angewandt werden. Beide Regelungen sind in dem Unternehmensvertrag vom 16. Mai 1988 mit verpflichtender Wirkung getroffen (§§ 4, 5
des Vertrages). Wie das Oberlandesgericht seinerzeit zu Recht ausgeführt hat,
kann die Frage der Unabhängigkeit oder Abhängigkeit der Altana daher offenbleiben.
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3. Maßgebend für den im Unternehmensvertrag festgelegten variablen
Ausgleich ist die Angemessenheit des Umrechnungsverhältnisses im Sinne des
§ 304 Abs. 2 Satz 3 AktG. Es ist unter Berücksichtigung des Börsenkurses der
Aktien festzustellen (BVerfG, Beschl. v. 8. September 1999 - 1 BvR 301/89,
ZIP 1999, 1804, 1805 - Hartmann & Braun). Für die Bestimmung der Abfindung
in Aktien ist die Verschmelzungswertrelation im Sinne des § 305 Abs. 3 Satz 1
und 2 AktG, für die Angemessenheit der Barabfindung die Regelung des § 305
Abs. 3 Satz 2 AktG zugrunde zu legen. Bei der Bestimmung dieser Abfindung
ist ebenfalls der Börsenwert der Aktien zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v.
27. April 1999 - 1 BvR 1613/94, ZIP 1999, 1436, 1440 ff. - DAT-Altana).
a) Die Barabfindung im Sinne des § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nur dann
angemessen, wenn dem außenstehenden Aktionär eine volle Entschädigung
gewährt wird. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
27. April 1999 (aaO S. 1441) ist der Verkehrswert der Aktie die untere Grenze
des dem Aktionär zu zahlenden Entschädigungsbetrages. Er wird als ein Wert
verstanden, der durch die Verkehrsfähigkeit der Aktie geprägt wird und dem
Betrag entspricht, den der Aktionär aufgrund der Möglichkeit, sie frei zu veräußern, auf dem dafür relevanten Markt zu erzielen vermag. Der Verkehrswert
der Aktie ist, wie das Bundesverfassungsgericht weiter ausgeführt hat, in der
Regel mit dem Börsenwert identisch. Da er stets die untere Grenze der wirtschaftlich vollen Entschädigung bildet, muß dem außenstehenden Aktionär
grundsätzlich mindestens der Börsenwert als Barabfindung gezahlt werden.
Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (aaO S. 1442) gibt weiter
vor, daß bei der Abfindung in Aktien der herrschenden Gesellschaft der für die
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Bestimmung der Verschmelzungswertrelation erforderlichen Unternehmensbewertung der - börsennotierten - abhängigen Gesellschaft der Börsenwert
grundsätzlich als Untergrenze der Bewertung zugrunde zu legen ist. Aus dieser
Vorgabe folgt, daß bei der Verschmelzungswertrelation (vgl. § 305 Abs. 3
Satz 1 AktG) die Summe der Verkehrswerte der Aktien der abhängigen Gesellschaft als untere Grenze des Unternehmenswertes maßgebend ist. Da der
Verkehrswert in der Regel mit dem Börsenwert identisch ist, ergibt sich daraus,
daß Ausgangspunkt für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation auf
seiten der beherrschten Gesellschaft grundsätzlich die Summe der Börsenwerte der Aktien dieser Gesellschaft ist.
Die Gleichstellung von Börsen- und Verkehrswert beruht auf der Annahme, daß die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Gesellschaftsunternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewertet, der Erwerber
von Aktien sich an dieser Einschätzung durch den Markt orientiert und sich daher Angebot und Nachfrage danach regulieren, so daß sich die Marktbewertung in dem Börsenkurs der Aktien niederschlägt (vgl. dazu Fleischer, ZGR
2001, 1, 27 f.). Beabsichtigt ein anderes - herrschendes - Unternehmen, sich
dieses Gesellschaftsunternehmen mit seiner Ertragskraft im Rahmen eines
Unternehmensvertrages zunutze zu machen, muß es bei der Verwirklichung
seiner Intentionen diese Wertschätzung des Marktes akzeptieren und daran
die Abfindung der außenstehenden Aktionäre ausrichten, die sich zum Ausscheiden aus der sich in die Abhängigkeit begebenden Gesellschaft entschließen.
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Der Börsenwert kommt als Untergrenze der Barabfindung bzw. der Bewertung bei der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation nicht in Betracht,
wenn er den Verkehrswert der Aktien nicht widerspiegelt. Das kommt sowohl
bei der Barabfindung als auch bei der Abfindung in Aktien grundsätzlich nur
dann in Betracht, wenn über einen längeren Zeitraum mit Aktien der Gesellschaft praktisch kein Handel stattgefunden hat, aufgrund einer Marktenge der
einzelne außenstehende Aktionär nicht in der Lage ist, seine Aktien zum Börsenpreis zu veräußern oder der Börsenpreis manipuliert worden
ist
(BVerfG aaO, S. 1442). In diesen Fällen muß der Verkehrswert des Gesellschaftsunternehmens im Wege der Schätzung (§§ 287 Abs. 2 ZPO, 738
Abs. 2 BGB) nach einer der anerkannten betriebswirtschaftlichen Methoden
ermittelt werden.
Der Börsenwert der Aktie sowie der daraus gebildete Börsenunternehmenswert können mit dem nach § 287 Abs. 2 ZPO ermittelten Unternehmenswert sowie der quotal darauf bezogenen Aktie übereinstimmen. Mit Rücksicht
auf die unterschiedlichen Ansätze, die der Bewertung durch den Markt und der
Preisbemessung bei der Unternehmensveräußerung (vgl. dazu BGH, Urt. v.
20. September 1971 - II ZR 157/68, WM 1971, 1450; v. 24. September 1984
- II ZR 256/83, WM 1984, 1506) sowie der Wertermittlung durch sachverständige Begutachtung (vgl. dazu IDW Standard, Wpg 2000, 825, 827) zugrunde
liegen, können diese Werte differieren (vgl. zur Unterschiedlichkeit der Wertvorstellungen Piltz, ZGR 2001, 185, 192 ff.). Da nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Abfindung dem an der Börse gebildeten Verkehrswert aufgrund der Verkehrsfähigkeit der Aktie und der daran zu
messenden Entschädigung des Aktionärs der Vorrang gebührt, ist der Minderheitsaktionär unter Berücksichtigung des Verkehrswertes der Aktie abzufinden,
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wenn dieser Wert höher ist als der Schätzwert. Ist jedoch der Schätzwert höher
als der Börsenwert, steht dem Aktionär der höhere Betrag des quotal auf die
Aktie bezogenen Schätzwertes zu.
Diese Grundsätze sind auch für die Bemessung des variablen Ausgleichs im Sinne des § 304 Abs. 2 Satz 2 AktG maßgebend (BVerfG, Beschl. v.
8. September 1999 - 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804 - Hartmann & Braun). Zwar
stellt diese Vorschrift anders als § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht auf die dem
Umwandlungsgesetz entlehnte Verschmelzungswertrelation, sondern auf ein
"angemessenes Umrechnungsverhältnis" ab. Die Grundlagen für diese Bemessung stimmen jedoch mit denen der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation
überein (vgl. Kropff, AktG 1965, S. 395).
b) Nach den bereits zitierten Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts verlangt Art. 14 Abs. 1 GG nicht, daß als Untergrenze der Barabfindung
sowie der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen
Umtauschverhältnisses auf seiten der beherrschten Gesellschaft der Börsenkurs zum Bewertungsstichtag gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG maßgebend
sein muß. Das entscheidende Gericht könne auch auf einen Durchschnittskurs
im Vorfeld der Bekanntgabe des Unternehmensvertrages zurückgreifen. Zwar
schreibe das Gesetz vor, die angemessene Barabfindung müsse die Verhältnisse der AG "im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung"
über den Vertrag - das gleiche gilt für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation und des angemessenen Umtauschverhältnisses - berücksichtigen. Zu
den im Berücksichtigungszeitpunkt maßgeblichen Verhältnissen gehöre jedoch
nicht nur der Tageskurs, sondern auch ein auf diesen Tag bezogener Durchschnittswert.
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Nach diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben kommen für die Festsetzung der angemessenen Barabfindung bzw. die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation und des angemessenen Umtauschverhältnisses sowohl der
Börsenkurs zum Stichtag der Hauptversammlung als auch ein auf den Stichtag
bezogener Durchschnittskurs in Betracht, der aus den für einen bestimmten
Zeitraum festgestellten Kursen gebildet wird (zu dem Diskussionsstand vgl.
Piltz, ZGR 2001, 185, 200 f.). Der Senat sieht sich aus Gründen der Rechtssicherheit veranlaßt, auf einen auf den Stichtag im Sinne des § 305 Abs. 3
Satz 2 AktG bezogenen Durchschnittskurs abzustellen. Die Befürchtung des
Bundesverfassungsgerichts, bei Zugrundelegung des Stichtagsprinzips könnten Marktteilnehmer den Börsenkurs in ihrem Interesse beeinflussen, ist nicht
von der Hand zu weisen. Solche Manipulationen werden erheblich erschwert,
mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar ausgeschlossen, wenn ein durchschnittlicher Referenzkurs gewählt wird. Da dieser Referenzkurs auf den Tag zu beziehen ist, an dem die Hauptversammlung der beherrschten AG dem Abschluß
des Unternehmensvertrages zugestimmt hat, muß er aus den in einem Zeitraum festgestellten und berücksichtigungsfähigen Kursen gebildet werden, der
in größtmöglicher Nähe zu diesem Stichtag liegt. Das Erfordernis dieser Nähe
läßt es ferner geboten erscheinen, einen relativ kurzen Zeitraum zu wählen.
Der Senat hält einen solchen von drei Monaten, der unmittelbar vor der Hauptversammlung der beherrschten AG liegt, für erforderlich, aber auch ausreichend, um den aufgezeigten Gefahren wirksam begegnen zu können. Um einen Referenzkurs zu erlangen, der eine kontinuierliche Entwicklung des Börsenkurses in dem maßgebenden Zeitraum repräsentiert, müssen außergewöhnliche Tagesausschläge oder sprunghafte Entwicklungen binnen weniger
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Tage, die sich nicht verfestigen - gleichgültig, ob es sich um steigende oder
fallende Kurse handelt - unberücksichtigt bleiben.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Börsenkurs insbesondere dann die Erwartung von (positiven) Synergieeffekten einschließt, wenn er
sich in zeitlicher Nähe des Abschlusses des Unternehmensvertrages, der dazu
beschlossenen Zustimmung der Hauptversammlung der daran beteiligten AG
oder dazu ergangener ad hoc-Mitteilungen (§ 15 WphG) gebildet hat. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts schließt die Berücksichtigung derartiger Effekte nicht aus, sondern schreibt die Entschädigung zum Börsenkurs als
Untergrenze ohne eine derartige Einschränkung vor. Bestätigt wird das durch
die Erwägung in den Beschlußgründen, die Minderheitsaktionäre dürften nicht
weniger erhalten als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages erlangt hätten (Beschl. v. 27. April 1999
aaO S. 1440).
Gegen die Berücksichtigung dieser Effekte können keine Einwände erhoben werden. Sog. unechte Verbundvorteile (vgl. dazu Werner in: FS Steindorff 1990, S. 301, 315; auch IDW Standard, Wpg 2000, 825, 830) fließen ohnehin nach allgemeiner Meinung in den Ertragswert der abhängigen AG ein.
Die Berücksichtigung sog. echter Verbundvorteile - also solcher, die das beherrschte Unternehmen nicht allein, sondern nur durch den Hinzutritt des herrschenden Unternehmens erzielen kann - ist zwar in Rechtsprechung und
Schrifttum umstritten (vgl. dazu die Übersichten bei Hüffer aaO § 305 Rdn. 22;
Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 305 Rdn. 33, 34; Fleischer, ZGR 2001, 1,
27; ablehnend BGHZ 138, 136, 140). Allerdings wird auch nachdrücklich die
Meinung vertreten, die Vorschrift des § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG schließe sie
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keineswegs aus (Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht 3. Aufl. M I 7 c - S. 118). Ein Teil des Schrifttums ist ferner der Ansicht, für die Barabfindung sei nicht der die Berücksichtigung der Verbundeffekte ausschließende Grenzpreis, sondern der sie beinhaltende Schiedswert
des Unternehmens maßgebend (vgl. die Nachw. bei Koppensteiner in: KK z.
AktG aaO § 305 Rdn. 33, 34). Gegen ihre Berücksichtigung wird angeführt,
letztlich könne im voraus nicht erkannt werden, bei welcher Gesellschaft die
Synergieeffekte auftreten. Das liege schließlich in der Hand des Vorstandes
der herrschenden Gesellschaft (Koppensteiner in: KK z. AktG aaO § 305
Rdn. 33, 34).
Gegen die Berücksichtigung dieser Effekte beim Aktienumtausch wird
angeführt, die Gleichstellung der Umtauschrelation mit der Wertrelation im
Verschmelzungsrecht schließe die echten Verbundeffekte aus. Sie kämen dem
einheitlichen Unternehmen zugute, ohne daß festgestellt werden könne, welches der dazu verschmolzenen Unternehmen zu der Entstehung der Synergieeffekte beigetragen habe (Werner in: FS Steindorff aaO S. 316).
Es mag auch im Rahmen eines Unternehmensvertrages Schwierigkeiten
bereiten, im einzelnen festzustellen, welche Verbundeffekte bei der beherrschten Gesellschaft eintreten und welche - zusätzlich - dem herrschenden
Unternehmen zugute kommen. Es trifft sicher auch zu, daß bei dem Abschluß
eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages Verbundeffekte, die bei
der beherrschten Gesellschaft eintreten, dem herrschenden Unternehmen und
damit auch den außenstehenden Aktionären der beherrschten Gesellschaft
zugute kommen, die durch Tausch seine Aktien erwerben. Sind die Effekte jedoch, was im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen werden kann, bei der
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Preisbildung vom Markt berücksichtigt worden, müssen sie sowohl bei der Barabfindung als auch bei der Herstellung der Verschmelzungswertrelation bzw.
des angemessenen Umtauschverhältnisses im Börsenpreis belassen werden.
Denn es kann nicht festgestellt werden, welche Bedeutung ihnen der Markt im
einzelnen beigemessen hat und in welchem Umfange sie sich auf den Preis
ausgewirkt haben. Da der Markt insoweit eine Bewertung sowohl beim beherrschten als auch beim herrschenden Unternehmen vorgenommen hat, ist
die Wertrelation gewahrt. Nachteile erleidet keiner der Aktionäre der beiden
Gesellschaften.
Im Schrifttum wird weiter die Ansicht vertreten, "Abfindungsspekulationen" müßten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unberücksichtigt bleiben (Wilm, NZG 1999, 234, 239). Das trifft nur insoweit zu, als
sie auf Börsenkursmanipulationen beruhen. Entwickeln sich jedoch höhere
Börsenpreise aufgrund der Erwartung der Marktteilnehmer, infolge des Abschlusses des Unternehmensvertrages eine günstige Abfindung erreichen zu
können, beruht das einmal auf dem Marktgesetz, daß Angebot und Nachfrage
die Preise bestimmen, zum anderen darauf, daß darin die Einschätzung des
Marktes über die zu erwartenden unechten und echten Synergieeffekte zum
Ausdruck kommt. In den Beschlußgründen des Bundesverfassungsgerichts
wird das mit der Aussage berücksichtigt, die Minderheitsaktionäre dürften nicht
weniger erhalten als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Unternehmensvertrages erlangt hätten
(Beschl. v. 27. April 1999 aaO S. 1440).
c) Das Bundesverfassungsgericht hat weiter ausgeführt, von Verfassungs wegen sei es nicht geboten, zur Feststellung der Verschmelzungswer-
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trelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses einen Börsenwert
der herrschenden Gesellschaft als Obergrenze der Bewertung dieser Gesellschaft heranzuziehen, weil der abfindungsberechtigte Minderheitsaktionär keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf habe, daß die Aktien
der herrschenden Gesellschaft höchstens mit ihrem Börsenkurs bei der Ermittlung der Relation berücksichtigt würden. Das entscheidende Gericht sei daher
verfassungsrechtlich nicht gehindert, dem herrschenden Unternehmen einen
höheren Wert beizumessen als den Börsenwert (Beschl. v. 27. April 1999 aaO
S. 1442).
Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts schließen jedoch
nicht aus, daß auch der Börsenwert des herrschenden Unternehmens grundsätzlich seinem Verkehrswert entspricht. Er bildet sich unter den gleichen
Marktverhältnissen wie derjenige der beherrschten Gesellschaft. Für seine Berücksichtigung im Rahmen der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses gelten die gleichen Überlegungen, die oben
für den Börsenwert der beherrschten Gesellschaft zu dem Referenzzeitraum
(ein dreimonatiger an den Termin über die Beschlußfassung der Hauptversammlung der AG über den Vertrag heranreichender Zeitraum) und die Verbundeffekte dargelegt worden sind. Die Berücksichtigung dieses Referenzzeitraumes ist grundsätzlich geboten, um möglichst gleiche Ausgangsvoraussetzungen für die Bestimmung der Wertrelation zu schaffen (vgl. dazu Piltz, ZGR
2001, 185, 203 f.).
Auch der Börsenwert des herrschenden Unternehmens kann von seinem
Verkehrswert abweichen. Zum Nachweis dieser Voraussetzungen genügt jedoch grundsätzlich nicht allein die Einholung eines Sachverständigengutach-
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tens über den Unternehmenswert; vielmehr bedarf es der Darlegung und des
Beweises von Umständen, aus denen auf die Abweichung des Börsenkurses
vom Verkehrswert zu schließen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat als Beispiel die schlechte Verfassung der Kapitalmärkte angeführt. Ein solcher Umstand muß sich nicht nur im Börsenkurs des herrschenden Unternehmens,
sondern auch in den Kursen der Indizes (z.B. DAX 30, DAX 100, NEMAX,
EUROSTOXY 50) niedergeschlagen haben.
d) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommen eine Abfindung
der außenstehenden Aktionäre der DAT in Form der Bar- oder Aktienabfindung
und ein variabler Ausgleich nur unter Berücksichtigung des Börsenkurses der
Aktie dieser Gesellschaft in Betracht, der sich als Mittelwert der Kurse ergibt,
die in der Zeit vom 6. April bis zum 5. Juli 1988 gebildet worden sind.
Der quotal auf eine Aktie im Nennwert von 50,-- DM entfallende Unternehmenswert errechnet sich für den Tag der Hauptversammlung der DAT auf
397,84 DM (40,5 Mio. DM Unternehmenswert dividiert durch 101.800 auf einen
Nennwert von 50,-- DM umgerechnete Aktien). Nach den von den Beteiligten
zu 4 und 5 zu den Akten gereichten Schaubildern hat sich der Börsenkurs der
Aktie in der Zeit von April bis Juli 1988 etwa zwischen 1.000,-- DM und
1.200,-- DM bewegt. Er war somit deutlich höher als der anteilige Unternehmenswert und die von der Beteiligten zu 5 den außenstehenden Aktionären im
Unternehmensvertrag
(550,-- DM)
und
aus
Anlaß
der
Eingliederung
(600,-- DM) unterbreiteten Barabfindungsgebote. Die Aktien der Altana haben
sich in dem fraglichen Zeitraum in einer Größenordnung von etwa 330,-- DM
bis 360,-- DM bewegt. Legt man hier für beide Börsenkurse einen Durch-
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schnittswert zugrunde, ergibt sich ein wesentlich höheres Umtauschverhältnis
als in den Sachverständigengutachten festgestellt worden ist.
Die Beteiligten zu 4 und 5 haben nicht dargelegt, daß in der fraglichen
Zeit beim Börsenhandel mit DAT eine Marktenge bestanden hat, die lediglich
einen marginalen Handel mit diesen Aktien ermöglicht hätte, so daß der aufgrund derartiger Marktumstände gebildete Börsenpreis den Verkehrswert der
Aktie nicht widerspiegeln könne. Der Handel mit DAT-Werten hat nach ihrem
Vorbringen in dem Bezugszeitraum zu keinem Zeitpunkt über längere Zeit geruht. Er hat im Jahre 1988 im April an 15, im Juni an neun und im Mai und Juli
an jeweils acht Tagen stattgefunden. Es ist nicht erkennbar, daß das für den
Handel verfügbare Volumen geringer als 5 % gewesen wäre. Die Beteiligte
zu 5 hatte Ende 1987 erst eine Beteiligung von 91,31 % erreicht, so daß noch
8,69 % der Aktien der DAT im freien Handel verfügbar waren. Daß sich die
Umsätze im Jahre 1988 nur zwischen 2,5 % und 3,7 % des Aktienbestandes
der DAT bewegt haben, wie die Beteiligten zu 4 und 5 vorgetragen haben, ist
für sich genommen nicht erheblich. Schematisierende Betrachtungen, die ein
Mindesthandelsvolumen von 3 % bis 5 % und einen Handel an mindestens jedem zweiten Tage im Monat fordern (so Wilm, NZG 1999, 234, 238 f.), erscheinen dem Senat nicht gerechtfertigt (ablehnend auch Piltz, ZGR 2001,
185, 202 f.). Grundsätzlich kommt ebensowenig ein Referenzzeitraum von
mehr als drei Monaten, insbesondere von mehr als sechs Monaten (so Wilm
aaO S. 239 und Luttermann, ZIP 1999, 45, 51), mit Rücksicht auf die oben angestellten Überlegungen in Betracht. Auch das Bundesverfassungsgericht hat
darauf hingewiesen (Beschl. v. 27. April 1999 aaO S. 1443), es sei nicht ersichtlich, daß es der Beteiligten zu 1 unmöglich gewesen sei, ihre Aktien zu
Börsenpreisen zu veräußern. Das gilt insbesondere auch für den Zeitraum von
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April bis Juli 1988, und zwar nicht nur für die Beteiligte zu 1, sondern auch für
die Beteiligten zu 2 und 3 sowie die übrigen außenstehenden Aktionäre.
4. Die Beteiligten zu 4 und 5 nehmen für sich einen Vertrauensschutz in
Anspruch. Sie sind der Ansicht, sie hätten auf die bisherige Rechtsprechung
zur Abfindung und zum variablen Ausgleich, die den Börsenkurs nicht berücksichtigt habe, vertrauen dürfen. Die geänderte Rechtsprechung, die sich zu
ihrem Nachteil auswirke, könne im vorliegenden Fall nicht angewandt werden,
weil sie nicht vorhersehbar gewesen sei und ihnen auch nicht zugemutet werden könne.
Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht die Gewährung eines
solchen Vertrauensschutzes abgelehnt. Allerdings ist es richtig, daß die Beteiligten zu 4 und 5 aufgrund der bisherigen Rechtsprechung davon ausgehen
konnten, daß der Börsenpreis weder bei der Barabfindung noch bei der Ermittlung der Verschmelzungswertrelation bzw. des angemessenen Umtauschverhältnisses berücksichtigt würde (vgl. die Übersicht bei Hüffer aaO
§ 305 Rdn. 20 a). Die kritischen Stimmen, die sich dagegen im Schrifttum erhoben haben, reichen in die Zeit des Vertragsschlusses sowie des Beginns der
Rechtshängigkeit des Spruchstellenverfahrens nicht zurück, sondern sind
sämtlich jüngeren Datums (Emmerich/Habersack, KonzernR 1998, § 305
Rdn. 35 m.w.N. in Fn. 55; Nachw. bei Hüffer aaO § 305 Rdn. 20 a). Die neuere
Rechtsprechung hat darauf zurückhaltend reagiert und den Börsenkurs allenfalls für Ausnahmefälle anerkannt (vgl. BayObLGZ 1998, 231, 237 ff.).
Die Hinnahme dieser Rechtsprechungsänderung kann den Beteiligten
zu 4 und 5 jedoch zugemutet werden. In der Rechtsprechung ist es anerkannt,
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daß die sog. unechte Rückwirkung infolge einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Privatrecht nur in sehr engen Grenzen, und zwar nur
dann eingeschränkt wird, wenn sie zur Beendigung eines - in der Regel Versorgungscharakter tragenden - Dauerschuldverhältnisses führen würde oder
für den davon Betroffenen existenzbedrohende Auswirkungen hätte (vgl.
BVerfGE 74, 129; BAGE 66, 228, 236 ff.; BGHZ 65, 190, 194 f.; 114, 127,
136 f.; 132, 119, 131 f.). Vergleichbare Auswirkungen sind bei den Beteiligten
zu 4 und 5 nicht gegeben.
5. Der sofortigen Beschwerde ist somit stattzugeben. Der Senat sieht
sich jedoch nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen.
Vielmehr bedarf es noch der Feststellung der Börsenwerte für die Aktien der
Beteiligten zu 4 und 5 für den maßgebenden Referenzzeitraum, damit die
Durchschnittswerte unter Eliminierung positiver oder negativer Kurssprünge
ermittelt werden können. Nach dem Vortrag der Parteien sind die Aktien der
DAT sowohl an der Börse in Frankfurt als auch in Düsseldorf gehandelt worden. Um zu erreichen, daß ein möglichst ausgeglichenes Durchschnittsergebnis
für
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den Referenzzeitraum festgestellt wird, sind die Kurse beider Börsen zu ermitteln und ein Durchschnittskurs aus den Kursfestsetzungen beider Börsen zu
errechnen.
Röhricht
Henze
Kurzwelly
Goette
Münke