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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 79/00
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
Verkündet am:
6. Juni 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
ja
nein
ja
Titelexklusivität
UrhG § 78 i.d.F. des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965;
UWG § 1
a) Unter der Geltung des § 78 UrhG a.F. konnte eine sog. nachvertragliche Titelexklusivität in einem Künstlervertrag nur mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart
werden. Ein zur nachvertraglichen Titelexklusivität verpflichteter Künstler konnte
sich wegen positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig machen, wenn er
es unterließ, vor der Auswertung der Neuaufnahme seiner Darbietung eines unter
die Ausschließlichkeitsbindung fallenden Musiktitels die Zustimmung des begünstigten Tonträgerherstellers einzuholen. Dies galt auch dann, wenn der Tonträgerhersteller seine Zustimmung zur Auswertung verweigert hat.
b) Zur Frage der Schadensersatzpflicht eines anderen Tonträgerherstellers, der eine
derartige Vertragsverletzung eines ausübenden Künstlers ausgenutzt hat.
BGH, Urt. v. 6. Juni 2002 - I ZR 79/00 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter
Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Büscher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Teil-Urteil des 11. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2000 (in der
Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. März 2000) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und - den
Vernichtungsausspruch ausgenommen - insoweit aufgehoben, als das
Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.
Die Berufung der Beklagten zu 1 bis 4 gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - vom 4. Februar 1999 wird hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Ausspruch 2) und hinsichtlich der Feststellung der Schadensersatzpflicht
(Ausspruch 3) zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das genannte landgerichtliche Urteil in den Aussprüchen 2 und 3 dahingehend ergänzt, daß sich
die dort ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zu 1 bis 4 zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht auch auf Tonträger mit dem Titel "Ach' sie suchen
Streit" bezieht.
-3-
Im übrigen Umfang der Aufhebung (Ansprüche gegenüber der Beklagten
zu 5) wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten zu 1 bis 4 bilden die Musikgruppe
O.
. Sie schlossen mit
der Klägerin unter dem 27. April/10. Mai 1990 einen Künstlervertrag, der unter anderem folgende Regelungen enthielt:
" Par. 3 Rechtsübertragung
(1) Der Künstler überträgt B.
und ihren Lizenznehmern ohne Einschränkung und für die ganze Welt das ausschließliche und übertragbare Recht, seine sämtlichen schutzfähigen Darbietungen während der Dauer dieses Vertrages auf Tonträger und/oder Bildtonträger aller Art aufzunehmen und diese aufgenommenen Darbietungen
in der ganzen Welt, in jeder beliebigen Weise unbefristet zu verwerten und verwerten zu lassen.
...
Par. 4 Ausschließlichkeit
(1) Der Künstler wird vorbehaltlich des Par. 4 (3) während der Vertragsdauer niemanden, außer B.
, gestatten, seine Darbietungen auf
Tonträger aufzunehmen und auszuwerten (persönliche Exklusivität).
Er wird keine Bindungen eingehen - auch nicht unter anderem Namen oder ohne Nennung seines Namens/Pseudonyms - welche die
Erfüllung dieses Vertrages beeinträchtigen. Zur Sicherung dieser
persönlichen Exklusivität überträgt der Künstler B.
seine sämtli-
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chen Leistungsschutzrechte und daraus folgende Ansprüche, die ihm
an etwaigen Aufnahmen oder Mitschnitten seiner Darbietungen entstehen, die möglicherweise - dieser Exklusivitätsverpflichtung zuwider - von Dritten vorgenommen und/oder ausgewertet werden.
(2) ...
(3) Der Künstler bleibt berechtigt, seine Darbietungen ausschließlich zu
Film-, Funk- und Fernsehzwecken aufzunehmen oder aufnehmen zu
lassen. Er verpflichtet sich aber, während der Vertragsdauer und
während der in Par. 4 (4) bestimmten Zeit stets zu verbieten, daß
seine Vorträge bei einer Rundfunk- oder Fernsehübertragung von
dem Rundfunk- oder Fernsehsender oder von Dritten zwecks Weiterverbreitung auf Filmen, Schallplatten oder sonstigen Wiedergabemitteln irgendwie festgehalten werden. ...
(4) Bei Beendigung der persönlichen Ausschließlichkeit beschränken
sich die B.
vom Künstler eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte
auf die unter diesem Vertrag aufgenommenen Titel und Teile davon
(Titelexklusivität). Diese wird der Künstler auf die Dauer von zehn
(10) Jahren nach Vertragsende nicht durch Dritte auf Tonträger aufnehmen lassen, es sei denn, daß ihm die Aufnahme nach Par. 4 (3)
ohnehin vorbehalten ist."
Durch Vereinbarungen vom 21. September 1993 und 19. Oktober 1994 beendeten die Parteien ihr Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1993.
Am 23. November 1996 gaben die Beklagten zu 1 bis 4 ein Live-Konzert in der
Dortmunder Westfalenhalle, das sie auf ihre Kosten mitschneiden ließen. Die Beklagte zu 5, mit der die Beklagten zu 1 bis 4 am 30. März 1995 einen "Bandübernahme- und Labelvertrag" geschlossen hatten, vertrieb ab Mitte 1997 den LiveMitschnitt mit Zustimmung der Beklagten zu 1 bis 4 auf der CD "
O.
Live in
Dortmund". Neun der 27 Musiktitel dieser CD waren von den Beklagten zu 1 bis 4
schon während ihres Vertragsverhältnisses mit der Klägerin als Studioversionen eingespielt und von der Klägerin auf Tonträgern veröffentlicht worden.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagten zu 1 bis 4 hätten durch die Aufnahme und Verwertung ihrer Live-Darbietungen der Musiktitel, die bereits während
der Vertragsdauer aufgenommen worden seien, ihre Ausschließlichkeitsbindung aus
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§ 4 Abs. 4 des Künstlervertrages (Titelexklusivität) verletzt. Sie seien deshalb ihr gegenüber zur Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzleistung verpflichtet. Auch die Beklagte zu 5 habe rechtswidrig gehandelt, da sie von dem Künstlervertrag gewußt habe und gleichwohl zum Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4
beigetragen und diesen ausgenutzt habe.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,
1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
Tonträger mit den Titeln
Lieber stehend sterben
Heilige Lieder
Wieder mal 'nen Tag verschenkt
Gehasst, verdammt, vergöttert
Nur die Besten sterben jung
Ich bin in Dir
Scheißegal
Wir ham' noch lange nicht genug
zu bewerben, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen;
2. die Beklagten zu verurteilen, ihr über den Umfang der vorstehend zu
Ziffer 1 beschriebenen Handlungen Auskunft zu erteilen bzw. Rechnung zu legen
a) die Beklagten zu 1 bis 4 durch Offenlegung der mit der Beklagten
zu 5 vereinbarten Lizenzgebühren und der nach dem Vertrag abgerechneten Einheiten,
b) die Beklagte zu 5 durch Vorlage eines Verzeichnisses der Herstellungs- und Lieferzahlen unter Angabe der Lieferpreise und Benennung
aa) der Namen und Anschriften der Abnehmer,
bb) der Gestehungskosten unter Auflistung der einzelnen Kostenfaktoren,
cc) des erzielten Gewinns;
3. festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet
sind, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden
ist und künftig noch entstehen wird;
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4. die Beklagte zu 5 zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke des Tonträgers
"Live in Dortmund" mit den zu Ziffer 1 genannten Titeln zu vernichten.
Die Beklagten zu 1 bis 4 haben demgegenüber die Ansicht vertreten, aus der
in § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages geregelten Titelexklusivität ergebe sich lediglich
ein schuldrechtliches Wiederaufnahmeverbot, das auch nur Aufnahmen durch Dritte,
nicht aber eine von ihnen selbst hergestellte Aufzeichnung untersage. Der Klägerin
sei durch den Vertrieb des Live-Albums kein Schaden entstanden.
Die Beklagte zu 5 hat weiterhin vorgebracht, sie habe den Künstlervertrag
nicht gekannt, sondern nur gewußt, daß ein schuldrechtliches Wiederaufnahmeve rbot bestehe.
Im übrigen haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Die Klägerin hat
beantragt, die Rechtsmittel mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Unterla ssungszeit auf zehn Jahre beschränkt werde. Sie hat zugleich ihre Klageanträge auf
den Titel "Ach' sie suchen Streit" erweitert. Die Beklagten haben auch insoweit Kl
ageabweisung beantragt.
Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsantrags der Klägerin gegen die Beklagten zu 1 bis 4 ausgesetzt, weil insoweit der zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1 bis 4 geführte Rechtsstreit vor dem
Oberlandesgericht Frankfurt am Main (11 U
) vorgreiflich sei. Im übrigen hat das
Berufungsgericht die Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 5 unter Abänderung des
landgerichtlichen Urteils durch Teil-Urteil abgewiesen.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, deren
Zurückweisung die Beklagten zu 1 bis 5 beantragen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 bis 4 auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung über die Verwertung der Aufnahmen bei dem
Live-Konzert in Dortmund unbegründet seien. Derartige Ansprüche könnten nur gegeben sein, wenn die Beklagten zu 1 bis 4 durch die Aufnahme ihrer Darbietungen
dingliche Nutzungsrechte der Klägerin verletzt hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Die Beklagten zu 1 bis 4 hätten durch die Aufzeichnung ihrer Darbietungen lediglich
gegen ihre Vertragspflichten aus § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages verstoßen. Die der
Klägerin eingeräumten dinglichen Nutzungsrechte seien auf Darbietungen während
der Vertragslaufzeit beschränkt gewesen. Durch § 4 Abs. 4 Satz 2 des Künstlervertrages hätten sich die Beklagten zu 1 bis 4 lediglich schuldrechtlich verpflichtet, nicht
in die Aufzeichnung von Darbietungen einzuwilligen, die von der vereinbarten Titelexklusivität erfaßt würden. Ein Auskunftsanspruch zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung des Künstlervertrages könne sich nicht auf
die mit der Beklagten zu 5 vereinbarten Lizenzgebühren beziehen, da deren Höhe
nur für die Schadensberechnung wegen Verletzung dinglicher Rechte bedeutsam
sein könne.
Der Klageantrag zu 3 auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sei unzulässig, weil der Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse fehle.
Der Feststellungsantrag sei aber jedenfalls unbegründet, da die Wahrscheinlichkeit
einer Vermögenseinbuße keineswegs offensichtlich sei. Es sei nicht zwingend, daß
der Absatz der Tonträger der Klägerin durch die CD mit den Live-Aufnahmen beeinträchtigt werde. Die Klägerin könne auch nicht geltend machen, daß sie ihren Ver-
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zicht auf ihr schuldrechtliches Verbietungsrecht von einer Vergütung abhängig gemacht hätte. Sie könne eine solche Vergütung nicht als entgangenen Gewinn fordern, weil sie ihr Einverständnis mit der Aufzeichnung der unter die Titelexklusivität
fallenden Darbietungen mit Schreiben vom 7. November 1996 schlechthin verweigert
habe.
Die Klägerin könne von der Beklagten zu 5 nicht verlangen, den Vertrieb von
Vervielfältigungsstücken der CD "Live in Dortmund" mit den streitgegenständlichen
Darbietungen zu unterlassen. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch
wegen Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs sei nicht gegeben. Die Beklagte
zu 5 habe auf die Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 bis 4 nicht hingewirkt. Besondere Umstände, die ihr Vorgehen unlauter machten, lägen nicht vor. Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagte zu 5 habe den Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4
gekannt, genüge dazu nicht. Auf eine dingliche Rechtsposition könne die Klägerin
den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht stützen.
Da die Klägerin keinen Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch gegen
die Beklagte zu 5 habe, könne sie auch nicht Auskunft und Rechnungslegung verlangen.
Der mit dem Klageantrag zu 4 verfolgte Vernichtungsanspruch sei ebenfalls
mangels Verletzung eines ausschließlichen Nutzungsrechts unbegründet.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat überwiegend Erfolg.
I. Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 4
1. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1
bis 4 ist zulässig und begründet.
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a) Der Feststellungsantrag kann - anders als das Berufungsgericht gemeint
hat - nicht mit der Begründung als unzulässig behandelt werden, der Klägerin fehle
das Feststellungsinteresse, weil sie bereits Leistungsklage auf Zahlung von Schadensersatz erheben könne.
Das prozessuale Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten
Feststellung ist lediglich die besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung
erforderlichen
Rechtsschutzinteresses
(vgl.
BGH,
Urt.
v.
19.11.1971
- I ZR 72/70, GRUR 1972, 180, 183 = WRP 1972, 309 - Cheri; MünchKommZPO/
Lüke, 2. Aufl., § 256 Rdn. 35). Es ist regelmäßig gegeben, wenn eine tatsächliche
Unsicherheit das behauptete Rechtsverhältnis gefährdet. Dagegen gehört die Frage,
ob das behauptete Rechtsverhältnis besteht, zur sachlichen Begründetheit der Klage.
Die Zulässigkeit der Klageerhebung ist auch bei der Feststellungsklage nicht davon
abhängig, ob die begehrte Feststellung materiell-rechtlich getroffen werden kann, die
Klage also sachlich begründet ist (BGH GRUR 1972, 180, 183 - Cheri). Dementsprechend ist bei der Beurteilung des Feststellungsinteresses von dem Vorbringen der
Klägerin auszugehen. Diese verlangt Schadensersatz, weil die Beklagten ihr zustehende dingliche Nutzungsrechte verletzt hätten oder zumindest eine ihr durch Vertrag und Wettbewerbsrecht ausschließlich zugewiesene Rechtsposition. Sie sei deshalb befugt zu wählen, nach welcher der drei Schadensberechnungsarten, die bei
Eingriffen in Immaterialgüterrechte und bei wettbewerbswidriger Leistungsübernahme zulässig seien, ihr Schadensersatzanspruch bemessen werden solle (konkrete
Schadensberechnung, Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr
und Herausgabe des Verletzergewinns, vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1999 - I ZR 48/97,
GRUR 2000, 226, 227 = WRP 2000, 101 - Planungsmappe). Wird von diesem - jedenfalls nicht unvertretbaren - Vorbringen der Klägerin ausgegangen, kann ihr Feststellungsinteresse nicht verneint werden, weil sie bei Begründetheit ihres Vorbringens ihr Wahlrecht sinnvoll erst nach Erfüllung des Anspruchs auf Auskunftserteilung
ausüben könnte (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 17.5.2001 - I ZR 189/99, GRUR 2001,
1177, 1178 = WRP 2001, 1164 - Feststellungsinteresse II).
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Der Umstand, daß das Berufungsgericht den Feststellungsantrag zu Unrecht
wegen Fehlens des Feststellungsinteresses als unzulässig beurteilt hat, ist aber
letztlich unschädlich, weil es rechtsfehlerfrei auch über die Begründetheit des Antrags entschieden hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1997 - III ZR 117/95, ZIP 1997, 453,
455 = WM 1997, 375, insoweit in BGHZ 134, 268 nicht abgedruckt).
b) Der Feststellungsantrag ist - abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts - auch begründet.
(1) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht entschieden, daß die Klägerin wegen der Neuaufnahme der streitgegenständlichen neun Musiktitel von den Beklagten zu 1 bis 4 nicht Schadensersatz nach § 97 Abs. 1 UrhG beanspruchen kann.
aa) Die Klägerin ist nicht Inhaberin dinglicher Rechte an den streitgegenständlichen Darbietungen.
Die Beklagten zu 1 bis 4 haben sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages vom 27. April/10. Mai 1990 nur schuldrechtlich gegenüber der Klägerin verpflichtet, in einer Zeit von zehn Jahren nach
Vertragsende Titel, die während der Vertragsdauer bereits in ihrer Darbietung auf
Tonträger aufgenommen worden sind, grundsätzlich nicht erneut in ihrer Darbietung
durch Dritte auf Tonträger aufnehmen zu lassen (Titelexklusivität). Für die Annahme
der Revision, die Beklagten zu 1 bis 4 hätten darüber hinaus den Willen gehabt, der
Klägerin entsprechende dinglich wirkende Rechte einzuräumen, fehlen hinreichende
Anhaltspunkte.
Gegen eine solche Auslegung des Künstlervertrages spricht bereits, daß es
den Beklagten zu 1 bis 4 nach der zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden
Rechtslage gar nicht möglich gewesen wäre, der Klägerin solche Rechte einzuräumen. Nach § 75 UrhG in der damals geltenden Fassung des Urheberrechtsgesetzes
vom 9. September 1965 war ein ausübender Künstler bei der Aufnahme und Ver-
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vielfältigung seiner Darbietung auf Einwilligungsrechte beschränkt. Er konnte diese
Rechte gemäß § 78 UrhG a.F. an Dritte abtreten, behielt jedoch nach § 78 Halbs. 2
UrhG a.F. stets die Befugnis, die Einwilligung in Aufnahmen seiner Darbietung und
die Vervielfältigung der so hergestellten Bild- oder Tonträger auch selbst zu erteilen.
Erst durch die Neufassung der §§ 75 und 78 UrhG durch Art. 1 Nr. 8 und 9 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995 (BGBl. I
S. 842, 843) wurde den ausübenden Künstlern das ausschließliche Recht zuerkannt,
Bild- oder Tonträger, auf denen ihre Darbietung mit ihrer Einwilligung aufgenommen
worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Die Verpflichtung eines ausübenden
Künstlers, Vervielfältigungen von Aufnahmen seiner Darbietungen zu unterlassen,
konnte vor dieser Gesetzesänderung nur eine schuldrechtliche Wirkung haben (vgl.
Begründung zu § 88 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über Urheberrecht und
verwandte Schutzrechte, BT-Drucks. IV/270 S. 93 = UFITA 45 [1965], S. 240, 311;
v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 78 Rdn. 7). Da es somit bereits an einer Verfügung der Beklagten zu 1 bis 4 fehlt, stellt sich die von der Revision aufgeworfene
Frage nicht, ob die Klägerin infolge der Änderung der Rechtslage gemäß § 185
Abs. 2 BGB Inhaberin dinglicher Rechte zum Schutz der vereinbarten nachvertraglichen Titelexklusivität werden konnte.
bb) Auf ausschließliche Nutzungsrechte an der Vervielfältigung der Musiktitel
auf Tonträgern beruft sich die Klägerin nicht. Derartige Nutzungsrechte konnte die
Beklagte zu 5 unstreitig von der GEMA erwerben.
(2) Der Klägerin steht jedoch ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu 1 bis 4 aus positiver Vertragsverletzung des Künstlervertrages zu.
aa) Das Berufungsgericht hat § 4 Abs. 4 des Künstlervertrages dahin ausgelegt, daß er den Beklagten zu 1 bis 4 untersagte, Musiktitel, die sie bereits während
der Laufzeit des Vertrages mit der Klägerin aufgenommen hatten, binnen zehn Jahren nach Vertragsende erneut zum Zweck der Vervielfältigung und Verbreitung auf
Tonträgern aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen. Das Berufungsgericht hat dies
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- unter Bezugnahme auf seinen Aussetzungsbeschluß - mit dem Zweck der Vertragsbestimmung begründet, der Klägerin den wirtschaftlichen Wert der Exklusivrechte,
die ihr durch § 4 Abs. 1 des Künstlervertrages für die Vertragsdauer zugestanden
worden seien, und der Tonträger und Bildtonträger, die in Auswertung dieser Rechte
geschaffen werden sollten, für die Dauer von zehn Jahren nach Vertragsende zu sichern. Dementsprechend sei für diese Zeit ein Wettbewerb mit Neuaufnahmen der
während der Vertragsdauer aufgenommenen Titel in der Darbietung der Beklagten
zu 1 bis 4 ausgeschlossen worden. Mit diesem Vertragszweck sei es unvereinbar,
§ 4 Abs. 4 des Vertrages dahin auszulegen, daß das Verbot von Neuaufnahmen von
Darbietungen der Musiktitel nur für Aufnahmen Dritter, nicht aber für eigene Aufnahmen der Beklagten zu 1 bis 4 gelten sollte. Andernfalls hätte es in ihrem freien Ermessen gestanden, ihrer Unterlassungsverpflichtung durch eigene Aufnahmen von
Live-Konzerten und Studiodarbietungen zu entgehen.
Diese tatrichterliche Auslegung der Vereinbarung der nachvertraglichen Titelexklusivität wird von der Revisionserwiderung ohne Erfolg angegriffen.
Die Revisionserwiderung kann sich für ihre abweichende Auslegung allerdings
auf den Wortlaut des Vertrages berufen, der für die Auslegung in erster Linie maßgebend ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 304/99, GRUR 2002, 532, 533 = WRP
2002, 552 - Unikatrahmen, für BGHZ vorgesehen; Urt. v. 13.2.2002 - VIII ZR 124/00,
Umdruck S. 8, jeweils m.w.N.). Danach sollte das nachvertragliche Aufnahmeverbot
für Aufnahmen Dritter gelten. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei dargelegt, daß es nicht dem Vertragszweck entsprochen hätte, den Umfang der Möglichkeiten der Klägerin, von ihr während der Vertragsdauer hergestellte Tonträger zu
vermarkten, durch Zulassung einer eigenen Produzententätigkeit der Beklagten zu 1
bis 4 - auch in Form von Studioaufnahmen - deren Belieben zu überlassen.
Das Vorbringen der Revisionserwiderung, es sei branchenüblich, bei der Vereinbarung einer Titelexklusivität zwischen eigenen Aufnahmen und Aufnahmen durch
Dritte zu unterscheiden, ist nicht auf entsprechenden Sachvortrag in den Vorinstan-
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zen gestützt. Eine solche Branchenübung kann nicht schon dem Umstand entnommen werden, daß der Senatsentscheidung "Künstlerverträge" (Urt. v. 1.12.1988
- I ZR 190/87, GRUR 1989, 198) ein Vertrag zugrunde lag, der bereits nach seinem
Wortlaut ausdrücklich auch eigene Aufnahmen des Künstlers von seinen Darbietungen untersagte.
bb) Die Beklagten zu 1 bis 4 haben - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei
festgestellt hat - gegen ihre nachvertragliche Pflicht, die Titelexklusivität zu wahren,
dadurch verstoßen, daß sie die streitgegenständlichen neun Titel bei ihrem LiveKonzert in Dortmund aufnahmen und den Mitschnitt der Beklagten zu 5 zur Verbreitung auf Tonträgern überließen. Diese Vertragsverletzung begründet ihre Schadensersatzpflicht.
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Klägerin durch die
Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 bis 4 wahrscheinlich ein Schaden entstanden.
Die Höhe des Schadensersatzanspruchs kann allerdings - entgegen der Ansicht der Revision - nicht nach den Grundsätzen der dreifachen Schadensberechnung ermittelt werden. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch nicht auf die
Verletzung ihr zustehender absoluter Rechte stützen. Sie kann sich auch nicht auf
eine den Immaterialgüterrechten vergleichbare Rechtsposition berufen, wie sie in den
Fällen der wettbewerbswidrigen Leistungsübernahme zur dreifachen Schadensberechnung berechtigt (vgl. BGHZ 122, 262, 267 - Kollektion Holiday). Der Schutz, den
ein Unternehmen gemäß § 1 UWG gegen die wettbewerbswidrige Übernahme seiner
Leistung geltend machen kann, gewährt ihm in bezug auf das Leistungsergebnis eine
gegen Dritte geschützte Rechtsposition. Die schuldrechtliche Vereinbarung der
nachvertraglichen Titelexklusivität gab der Klägerin demgegenüber schon deshalb
keine vergleichbare Rechtsposition, weil sie - ungeachtet der ihr möglicherweise zustehenden wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen Dritte (vgl. dazu unter II. 1.) lediglich das Recht hatte, bei den unter die Ausschließlichkeitsbindung fallenden Titeln Neuaufnahmen von Darbietungen der Beklagten zu 1 bis 4 zu untersagen, nicht
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aber auch befugt war, solche Neuaufnahmen unter Ausschluß jedes Dritten selbst
auszuwerten.
Die Klägerin hat jedoch durch die Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 bis 4
jedenfalls deshalb einen Schaden erlitten, weil sie ihre - nach dem Vertrag erforderliche - Zustimmung zur Vervielfältigung und Verbreitung der Mitschnitte der unter die
Titelexklusivität fallenden neun Musiktitel nicht von einem Entgelt abhängig machen
konnte.
Ersatz dieses Schadens kann die Klägerin allerdings nicht nach § 252 BGB
als Schadensersatz für entgangenen Gewinn verlangen, weil es nicht in ihrer Absicht
lag, durch Zustimmung zur Neuaufnahme und Verwertung von Darbietungen der Beklagten zu 1 bis 4, die unter die Titelexklusivität fallen, ein Entgelt zu erzielen.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin richtet sich jedoch nach § 249 BGB
auf vollen Schadensausgleich; die Vorschrift des § 252 BGB schränkt diesen Grundsatz nicht ein (vgl. BGHZ - GrSZ - 98, 212, 219; MünchKommBGB/Oetker, 4. Aufl.,
§ 252 Rdn. 1). Aufgrund ihrer vertraglichen Rechtsposition hätte die Klägerin ihre
Zustimmung zur Aufzeichnung und Auswertung von Darbietungen, die von der Titelexklusivität erfaßt werden, von der Zahlung einer Vergütung abhängig machen können. Die Beklagten zu 1 bis 4 haben sie durch ihre Vertragsverletzung um diese Verdienstmöglichkeit gebracht. Ihre dadurch begründete Pflicht zum Schadensersatz
wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin von sich aus nicht bereit gewesen wäre, ihre Zustimmung zu Neuaufnahmen zu erteilen. Es würde vielmehr Sinn
und Zweck des Schadensersatzes widersprechen, wenn die Beklagten zu 1 bis 4
infolge der Mißachtung der vertraglichen Rechtsposition der Klägerin besser stünden,
als wenn sie rechtzeitig die Zustimmung der Klägerin eingeholt hätten. Nachdem die
Vertragsverletzung nun einmal geschehen ist, kann die Klägerin deshalb als Schadensersatz wenigstens den Betrag verlangen, den sie bei einer Zustimmung als angemessene Vergütung erhalten hätte (vgl. dazu auch - zum Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie nach einem Eingriff in ein Immaterialgüterrecht - BGHZ 44,
- 15 -
372, 378 f. - Meßmer-Tee II). Der Umstand, daß der Wert der Zustimmung der Kläg erin nicht als Marktwert bestimmt werden kann, schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Feststellung, daß ihr durch die Vertragsverletzung ein Schaden
entstanden ist, nicht aus (vgl. dazu MünchKommBGB/Oetker aaO § 249 Rdn. 48).
Auf die Frage, ob der Klägerin durch die Vertragsverletzung der Beklagten
zu 1 bis 4 auch ein Schaden bei der Auswertung der während der Vertragsdauer
hergestellten Tonträger entstanden ist, kommt es danach für die Entscheidung über
den Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht mehr an.
2. Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1 bis 4 der geltend gemachte
Anspruch auf Auskunftserteilung zu. Ein Auskunftsanspruch ist auch zur Vorbereitung der Durchsetzung eines Anspruchs aus positiver Vertragsverletzung aus dem
Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, daß der Anspruchsberechtigte in
entschuldbarer Weise über den Umfang dieses Anspruchs im Ungewissen ist und
wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewißheit
erforderliche
Auskunft zu
erteilen
(vgl.
BGH,
Urt.
v.
22.11.2000
- VIII ZR 40/00, WRP 2001, 168, 169). Der Inhalt des zuzubilligenden Auskunftsanspruchs ist, da dessen Grundlage der Grundsatz von Treu und Glauben ist, abhängig
von den Erfordernissen der möglichen Schadensberechnung sowie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit des verlangten Mittels zu dem angestrebten Erfolg zu bestimmen.
Die begehrte Auskunft über die mit der Beklagten zu 5 vereinbarte Höhe der
Lizenzgebühren und die nach dem Vertrag abgerechneten Einheiten ist geeignet,
wesentliche Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu geben.
Diese Auskunft kann von den Beklagten zu 1 bis 4 ohne Schwierigkeiten erteilt werden und ist ihnen ohne weiteres zumutbar.
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II. Klage gegen die Beklagte zu 5
1. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte
zu 5 aus § 1 UWG verneint, weil nicht festgestellt werden könne, daß diese den Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4 in wettbewerbsrechtlich unlauterer Weise ausgenutzt habe. Dem Klagevorbringen lasse sich lediglich entnehmen, daß die Beklagte
zu 5 Kenntnis von einem Vertragsbruch der Beklagten zu 1 bis 4 gehabt habe. Dieser
Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß ein
Kaufmann, der den Vertragsbruch eines Vertragspartners eines Wettbewerbers nur
ausnutzt, ohne den Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, nicht wettbewerbswidrig handelt, solange nicht besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß die schuldrechtliche Bindung zwischen dem Wettbewerber und seinem Vertragspartner - auch wenn es wie
z.B. eine Vertriebsbindung eine Ausschließlichkeitsbindung ist - Dritten gegenüber im
allgemeinen keine rechtlichen Wirkungen zu entfalten vermag und daß es gewissermaßen zu einer - im Interesse des freien Austausches von Waren und Dienstleistungen unerwünschten - Verdinglichung der schuldrechtlichen Verpflichtungen führen
würde, wenn schon das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs als solches als
wettbewerbswidrig angesehen würde (vgl. BGHZ 143, 232, 240 - Außenseiteranspruch II, m.w.N.). Etwas anderes kann aber - abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts - gelten, wenn die Verletzung einer branchenüblichen Ausschließlichkeitsbindung ausgenutzt wird, die erforderlich ist, um eine wirtschaftlich sinnvolle
Auswertung der von dem Gebundenen vertraglich zugestandenen Rechte oder Befugnisse zu sichern (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16.10.1956 - I ZR 2/55, GRUR 1957, 219,
221 - Bierbezugsvertrag; Urt. v. 19.10.1966 - Ib ZR 156/64, GRUR 1967, 138, 141 =
WRP 1967, 26 - Streckenwerbung; Urt. v. 23.2.1973 - I ZR 70/71, GRUR 1973, 426,
428 [mit Anmerkung Sprick] = WRP 1973, 261 - Medizin-Duden; Urt. v. 4.5.1973
- I ZR 11/72, GRUR 1974, 97, 98 = WRP 1973, 410 - Spielautomaten II; Baumbach/
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Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 705 f.). Es ist regelmäßig
unlauter, die Verletzung einer solchen Ausschließlichkeitsbindung auszunutzen. Wird
entsprechend der Darstellung der Klägerin davon ausgegangen, daß in der maßge blichen Zeit die Vereinbarung einer nachvertraglichen Titelexklusivität üblich war, gilt
dies auch, wenn es ein Tonträgerhersteller ausgenutzt hat, daß ausübende Künstler
die mit einem anderen Tonträgerhersteller vereinbarte - unter der Geltung des § 78
UrhG a.F. nur schuldrechtlich mögliche - nachvertragliche Titelexklusivität verletzen
(vgl. dazu Schricker/Krüger, Urheberrecht, 1. Aufl. 1987, § 78 Rdn. 3; Hertin in
Fromm/ Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl. 1994, § 78 Rdn. 4; Kroitzsch in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 78 Rdn. 7; Gentz, UFITA 46 [1966]
S. 33, 40; Ruzicka, Film und Recht 1978, 512, 514 Fn. 12). Die Ansicht des Berufungsgerichts, das nachvertragliche Wiederaufnahmeverbot sei lediglich dem Randbereich der Hauptpflichten zuzuordnen und besitze keine entscheidende wettbewerbliche Bedeutung, wird der Funktion einer solchen Vertragsbestimmung nicht gerecht (zur Vereinbarung der Titelexklusivität in Künstlerverträgen vgl. auch Rossbach/Joos in Festgabe für Schricker, 1995, S. 333, 368; Hertin in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 3, 1. Halbbd., 4. Aufl., IX. 23 S. 1002, 1010 Anm. 6; Schwenzer,
Die Rechte des Musikproduzenten, 1998, S. 231 ff.; Gilbert/Scheuermann in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 4. Aufl., S. 1018, 1024 f.). Die
Ausschließlichkeitsbindung des Künstlers durch eine vereinbarte Titelexklusivität ist
typischerweise eine Gegenleistung für die Aufwendungen, die der Tonträgerhersteller
zur Erfüllung des Künstlervertrages zu tätigen hat und soll zu den wirtschaftlichen
Voraussetzungen für diese Investitionen beitragen, indem sie sicherstellt, daß der
Tonträgerhersteller die während der Vertragsdauer geschaffenen Tonträger auch
noch eine gewisse Zeit nach Vertragsende auswerten kann.
Die Annahme einer unlauteren Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG
setzt allerdings voraus, daß der Täter vorsätzlich oder mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Erforderlich ist daher bei einem Ausnutzen fremden Vertragsbruchs, daß
sich der Täter des von einem anderen begangenen Vertragsbruchs bewußt ist oder
doch damit rechnet und in Kauf nimmt, daß er fremden Vertragsbruch geschäftlich
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ausnutzt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1976 - I ZR 108/74, GRUR 1976, 372, 374 = WRP
1976, 237 - Möbelentwürfe). Der positiven Kenntnis steht es dabei gleich, wenn sich
der Handelnde der Kenntnis der vertraglichen Bindung bewußt verschließt oder en tzieht (vgl. BGH GRUR 1957, 219, 221 f. - Bierbezugsvertrag; BGH GRUR 1974, 97,
98 - Spielautomaten II; vgl. weiter BGHZ 117, 115, 117 f. - Pullovermuster; Baumbach/Hefermehl aaO Einl. Rdn. 127 sowie - zum Verleiten zum Vertragsbruch - § 1
UWG Rdn. 701; Piper in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., Einf. Rdn. 296, jeweils m.w.N.).
Dies wird im vorliegenden Fall jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn entsprechend
dem Vorbringen der Klägerin für die maßgebliche Zeit von einer Übung der Tonträgerhersteller, in Künstlerverträgen eine nachvertragliche Titelexklusivität zu vereinbaren, auszugehen ist (vgl. dazu auch Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
8. Aufl. 1994, § 78 Rdn. 4). In diesem Fall hätte die Beklagte zu 5 bei der Klägerin
rückfragen müssen, ob eine vertragliche Ausschließlichkeitsbindung besteht, oder
Einsicht in den Künstlervertrag nehmen müssen, die ihr angesichts des ihr bekannten
Zwecks der Vereinbarung einer Titelexklusivität - trotz des Vertragswortlauts - die
Kenntnis von der Vertragsbindung verschafft hätte (vgl. dazu auch v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 33 Rdn. 12). Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht noch nicht getroffen. Dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein, falls nicht jedenfalls die erhobene Verjährungseinrede durchgreift.
2. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann noch nicht
über den Antrag, die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 5 festzustellen, sowie
über den Antrag, sie zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu verurteilen,
entschieden werden. Für das erneute Berufungsverfahren wird darauf hingewiesen,
daß die Beklagte zu 5 jedenfalls nicht verpflichtet ist, die Abnehmer der von ihr vertriebenen Tonträger mit Titeln, die unter die Titelexklusivität fallen, zu benennen und
Auskunft zu geben über die Gestehungskosten dieser Tonträger, die Lieferpreise und
den erzielten Gewinn. Für die Schätzung der Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruchs der Klägerin könnten diese Umstände nichts Wesentliches beitragen (vgl.
auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 38 Rdn. 19 m.w.N.).
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3. Der Klageantrag zu 4 auf Verurteilung der Beklagten zu 5, die in ihrem Besitz befindlichen Vervielfältigungsstücke des Tonträgers "Live in Dortmund" zu vernichten, ist vom Berufungsgericht zu Recht abgewiesen worden. Für einen solchen
Anspruch fehlt es - wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat - an einer
gesetzlichen Grundlage, weil sich die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 5 nicht
auf dingliche Rechte berufen kann und deshalb § 98 UrhG nicht eingreift.
C. Auf die Revision der Klägerin war danach unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen das Berufungsurteil im Kostenpunkt und - den Vernichtungsausspruch ausgenommen - insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht zum
Nachteil der Klägerin erkannt hat. Die Berufung der Beklagten zu 1 bis 4 gegen das
landgerichtliche Urteil war hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Auskunftserteilung und
Rechnungslegung (Ausspruch 2) und hinsichtlich der Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht (Ausspruch 3) zurückzuweisen. Auf die Anschlußberufung der Klägerin
war das landgerichtliche Urteil in den Aussprüchen 2 und 3 dahingehend zu ergänzen, daß sich die dort ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zu 1 bis 4 zur
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Auskunftserteilung und Rechnungslegung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht auch auf Tonträger mit dem Titel "Ach' sie suchen Streit" bezieht. Im übr
igen Umfang der Aufhebung (Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 5) war der
Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann
v. Ungern-Sternberg
Pokrant
Starck
Büscher