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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 78/06
Verkündet am:
2. April 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
ja
nein
ja
OSTSEE-POST
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 5, § 15 Abs. 2 und 3, § 23 Nr. 2;
UWG § 5 Abs. 2
a) Das Interesse von Wettbewerbern an der Benutzung eines beschreibenden
Begriffs ist nicht bei der Bemessung der Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens, sondern bei der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG
und beim Schutz bekannter Kennzeichen im Rahmen des Merkmals "ohne
rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise" zu berücksichtigen.
b) Die Marke "POST" ist für Dienstleistungen auf dem Gebiet des Transportwesens als glatt beschreibender Begriff bei einem Durchsetzungsgrad von
über 80% nicht überdurchschnittlich kennzeichnungskräftig.
c) Zwischen der Wortmarke "POST" und einer Wort-/Bildmarke "OP OSTSEEPOST" besteht keine Zeichenähnlichkeit i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3
MarkenG.
d) Ansprüche aus §§ 14, 15 MarkenG wegen kennzeichenrechtlicher Verwechslungsgefahr und Ansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 2 UWG im Hinblick auf eine Verwechslungsgefahr mit einem Kennzeichen eines Mitbewerbers sind regelmäßig
unterschiedliche Streitgegenstände.
BGH, Urt. v. 2. April 2009 - I ZR 78/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 4. April 2006 wird auf Kosten
der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin, die Deutsche Post AG, ist eines der weltweit größten Brief-,
Paket-, Transport- und Kurierdienstleistungsunternehmen. Sie ist Inhaberin der
mit Priorität vom 22. Februar 2000 aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Wortmarke Nr. 300 12 966 "POST", die für die Dienstleistungen
Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen,
Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit
schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und
-3-
unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen,
Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften
Schutz genießt. Sie ist weiterhin Inhaberin zahlreicher Marken, die mit dem Bestandteil "Post" gebildet sind. Zugunsten der Klägerin sind die Wortmarken
Nr. 300 02 483 "DP" (Priorität 14. Januar 2000) und Nr. 301 52 474 "DP2" (Priorität 31. August 2001) unter anderem eingetragen für
Transport, Beförderung von Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern der vorgenannten Sendungen,
Briefdienst-, Frachtdienst- und Kurierdienstleistungen.
2
Die Beklagte zu 1 (nachfolgend auch Beklagte), deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist, ist ein Transport- und Logistikunternehmen. Die Beklagte ist Inhaberin der am 16. Januar 2003 angemeldeten
Wort-/Bildmarken Nr. 303 01 652 "OSTSEE-POST Der private Postdienst im
Norden" und Nr. 303 01 653 "OP OSTSEE-POST", die wie im Klageantrag
zu I 1 abgebildet, für die dort angeführten Waren und Dienstleistungen eingetragen sind.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre Wortmarken und ihr Unternehmenskennzeichen würden durch die Verwendung der Marken der Beklagten
verletzt.
4
Sie hat beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
-4-
1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Zeichen
und/oder
für die Waren und/oder Dienstleistungen
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit
in Klasse 16 enthalten; Papiererzeugnisse, nämlich Packpapier,
Papiertüten, Papierumschläge; Pappe und Papperzeugnisse,
nämlich Pappkartons, Verpackungspappe und Papp-Umschläge
für den Transport von Gütern aller Art; Druckereierzeugnisse, Zeitungen, Broschüren, Zeitschriften und Bücher; Etiketten, nicht aus
Textilstoffen; Fotografien; Schreibwaren, Klebstoffe für Schreibwaren; Schreibmaschinen; Lehr- und Unterrichtsbücher über den
Transport von Paketen und Briefsendungen; Drucklettern und
Druckstöcke; Verpackungsmaterialien aus Kunststoff, nämlich
luftgepolsterte Plastikverpackungen, Plastiktüten, -folien, -umschläge und -verpackungsbeutel; Verpackungsmaterial aus Plastik
(soweit in Klasse 16 enthalten); Werbung; Beratung in Fragen der
Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Geschäftsführung;
Büroarbeiten, computergestützte Verfolgung des Transportweges
von Paketen, Dokumenten und/oder Unterlagen; Verteilung von
Warenproben zu Werbezwecken; Unterstützung des Managements, nämlich Planungen (Hilfe) bei der Geschäftsführung; Management-Beratung in organisatorischer/betriebswirtschaftlicher
-5-
Hinsicht; Sponsoring in Form von Werbung; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Unternehmens-, Personal- und Wirtschaftsberatung; Marketing, insbesondere Direktmarketing; Telekommunikation; Übermittlung von Nachrichten,
Briefen, Dokumenten, Daten und von Informationen aller Art, auch
in Bild und Ton, per Telex, Telefax, Telefon, über elektronische
Medien (einschließlich E-Mail und Internet), mittels eines oder
mehrerer weltweiter Computernetzwerke oder anderer Medien;
Online-Dienste, nämlich Bereitstellung und Übermittlung von Informationen und Nachrichten aller Art in Bild und Ton; Sammeln,
Bereitstellen und Übermitteln von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für
die Telekommunikation; Durchführung von Telefondiensten, Teletext Services; computergestützte Übertragung von Nachrichten
und Bildern über Waren und Dienstleistungen; E-Mail-Datendienste (= elektronischer Postversand); Pagingdienste (Personenrufdienste); Bereitstellung einer Hotline; Dienstleistungen eines
Call Centers, nämlich Vermittlung und Bearbeitung von Warenoder Dienstleistungsbestellungen zur Weiterleitung über Datennetze; Servicebetreuung über Hotlines, nämlich Bestellannahme
und Auskunftserteilung über die Beförderung und Zustellung von
Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen
Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen,
Postkarten, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften
mit Fahrrädern, Kraftfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen
und Flugzeugen sowie deren Verfolgung und Ermittlung (soweit in
Klasse 38 enthalten); Bereitstellung eines elektronischen Marktplatzes auf Computernetzwerken; Einstellung von Daten in digitale
Netze, soweit in Klasse 38 enthalten; internetbezogene Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen eines Zugangs zu Texten, Grafiken,
audiovisuellen und Multimedia-Informationen, Dokumenten, Datenbanken und Computerprogrammen; Betrieb von Chatlines und
Foren; Transportwesen, Verpackung und Lagerung von Waren;
Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen; Beförderung
und Zustellung von Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Postkarten, Drucksachen, Warensendungen,
Wurfsendungen, adressierte und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften mit Fahrrädern, Kraftfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen; Einsammeln, Weiterleiten,
Lagerung, Aufbewahrung, Verpackung und Lieferung der vorgenannten Sendungen; Logistikdienstleistungen auf dem Transportsektor, nämlich Sendungsverfolgung und -ermittlung von Paketen
-6-
sowie Ermittlung und Verfolgung des Transportweges von Einzelund Sammelgutsendungen, von Paketangaben, aktuellem Auslieferungsstatus, Statusaktualisierung per E-Mail, von Abrechnungen, Paketankunftsdaten und Lieferbenachrichtungen - alle vorgenannten Dienstleistungen auch über Internet
zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.
5
Die Klägerin hat die Beklagte zudem auf Auskunftserteilung und Einwilligung in die Löschung der Marken in Anspruch genommen. Sie hat weiterhin die
Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 1 und des Beklagten zu 2 begehrt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat
die Klägerin auch den Feststellungsantrag nur noch gegen die Beklagte weiterverfolgt. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Hamburg WRP
2007, 446). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Klagebegehren gegen die Beklagte zu 1 weiter. Ihre gegen den
Beklagten zu 2 gerichtete Revision hat die Klägerin zurückgenommen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
7
A. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten
Ansprüche gegen die Beklagte aus den Marken (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3,
Abs. 5 und Abs. 6 MarkenG) und dem Unternehmenskennzeichen (§ 15 Abs. 2
bis Abs. 5 MarkenG) verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
-7-
8
Zwischen der Wortmarke "POST" der Klägerin und den Wort-/Bildmarken der Beklagten bestehe keine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG. Zwischen den Dienstleistungen der Bereiche Briefdienst,
Frachtdienst und Kurierdienst, für die die kollidierenden Zeichen geschützt seien, bestehe Dienstleistungsidentität. Im Übrigen könne eine hochgradige
Dienstleistungs- und Warenähnlichkeit unterstellt werden.
9
Die Klagemarke verfüge auch unter Berücksichtigung der vorgelegten
demoskopischen Gutachten nur über eine schwache Kennzeichnungskraft. Gegenteiliges folge auch nicht aus einer intensiven Benutzung der Marke und den
von der Klägerin behaupteten hohen Werbeaufwendungen. Zwischen der Klagemarke "POST" und den angegriffenen Marken fehle die erforderliche Zeichenähnlichkeit. Die Marken der Beklagten würden nicht durch den Wortbestandteil "POST" geprägt. Diesem komme in den Kollisionszeichen auch keine
selbständig kennzeichnende Stellung zu. Danach bestehe weder eine unmittelbare Verwechslungsgefahr noch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn.
10
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens sei
ebenfalls nicht gegeben. Der von Haus aus rein beschreibende Begriff "POST"
habe sich nicht aufgrund wiederholter Verwendung als Stammbestandteil einer
Zeichenserie durchgesetzt.
11
Im Übrigen stehe dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch aufgrund der Klagemarke "POST" die Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG entgegen. Der Begriff "POST" sei für die Waren und Dienstleistungen, für die die Kollisionszeichen geschützt seien, beschreibend oder weise stark beschreibende
Anklänge auf. Seine Verwendung in den angegriffenen Zeichen sei im Hinblick
-8-
auf die Öffnung des staatlichen Postmonopols und des gemeinschaftsrechtlich
erwünschten Wettbewerbs nicht unlauter.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergebe sich, dass sich auch aus
12
dem Unternehmenskennzeichen der Klägerin kein Unterlassungsanspruch
nach § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG herleiten lasse.
Die Unterlassungsanträge seien weiterhin nicht aufgrund des Bekannt-
13
heitsschutzes der Klagemarke "POST" und des Unternehmenskennzeichens
der Klägerin nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkenG begründet. Aus
den Ausführungen zu § 23 Nr. 2 MarkenG folge, dass eine Ausnutzung oder
Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Zeichen "POST" nicht ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise erfolge.
Der Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus den Wortzei-
14
chen "DP" und "DP2". Eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG scheide mangels Zeichenähnlichkeit aus.
B. Die Revision, die sich dagegen wendet, dass die gegen die Beklagte
15
gerichteten Klageanträge abgewiesen worden sind, hat in der Sache keinen
Erfolg.
16
I. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Unterlassungsanspruch der
Klägerin nach § 14 Abs. 5 MarkenG gegen die Beklagte aus der Klagemarke
Nr. 300 12 966 "POST" gegen die Verwendung der Zeichen "OP OSTSEEPOST" und "OSTSEE-POST Der private Postdienst im Norden" scheide aus,
hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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17
1. Im vorliegenden Verletzungsprozess ist vom Bestand der Klagemarke
"POST" auszugehen. Die Marke steht nach wie vor in Kraft. Die gegen die Marke eingeleiteten Löschungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Der Senat
hat die Beschwerdeentscheidungen aufgehoben, mit denen das Bundespatentgericht die Löschungsanträge des Deutschen Patent- und Markenamts bestätigt
hat (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - I ZB 48/07 - POST II). Solange die Löschungsanordnung nach §§ 50, 54 MarkenG nicht rechtskräftig ist, besteht im
Verletzungsverfahren keine Änderung der Schutzrechtslage und ist der Verletzungsrichter an die Eintragung der Marke gebunden (BGH, Urt. v. 5.6.2008
- I ZR 169/05, GRUR 2008, 798 Tz. 14 = WRP 2008, 1202 - POST I).
18
2. Zwischen der Klagemarke "POST" und den Kollisionszeichen besteht
jedoch keine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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a) Das Berufungsgericht hat bei seiner Prüfung zutreffend angenommen,
dass zwischen den Dienstleistungen, für die die Klagemarke geschützt ist, und
den Dienstleistungen der Bereiche Briefdienst, Frachtdienst und Kurierdienst
der angegriffenen Marken Dienstleistungsidentität besteht. Es hat für das Verhältnis sämtlicher übrigen Waren und Dienstleistungen der Kollisionszeichen
eine hochgradige Dienstleistungs- und Warenähnlichkeit angenommen. Das ist
im Hinblick auf die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 35, für die
die angegriffenen Marken ebenfalls geschützt sind, zumindest zweifelhaft. Das
Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit getroffen, sondern eine hochgradige Ähnlichkeit nur unterstellt.
Ihm obliegt jedoch die tatrichterliche Beurteilung, ob die Waren und Dienstleistungen einander ähnlich sind (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007,
1066 Tz. 23 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit). Demzufolge ist für die rechtliche
- 10 -
Beurteilung in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin von hochgradiger
Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit auszugehen, soweit das Berufungsgericht keine Dienstleistungsidentität festgestellt hat.
20
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klagemarke "POST" verfüge über allenfalls schwache Kennzeichnungskraft. Als rein beschreibende
Bezeichnung komme ihr für die eingetragenen Dienstleistungen keine originäre
Unterscheidungskraft zu. Die Marke sei nur aufgrund Verkehrsdurchsetzung
eingetragen worden. Durch die Verkehrsdurchsetzung habe die Klagemarke
keine normale oder gesteigerte Kennzeichnungskraft erlangt. Zu berücksichtigen sei, dass die Bezeichnung "POST" im Rahmen eines staatlichen Monopols
benutzt worden sei und die Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz immer noch über eine gesetzliche Exklusivlizenz verfüge. Die Zeichennutzung innerhalb staatlicher Monopole beruhe auf der andere Wettbewerber ausschließenden Gesetzeslage. Diese begründe keine wettbewerbliche
Leistung und rechtfertige nicht die Zuerkennung normaler oder gesteigerter
Kennzeichnungskraft. Zu berücksichtigen sei auch das gemeinschaftsrechtliche
Ziel einer Liberalisierung des Postmarktes. Ohne eine Beschränkung des
Schutzumfangs der Klagemarke werde es Wettbewerbern versagt, Kennzeichen auf ähnliche Weise zu bilden. Die übrigen von der Klägerin vorgetragenen
Umstände könnten eine Steigerung der Kennzeichnungskraft ebenfalls nicht
bewirken. Die behaupteten Werbeaufwendungen seien im Hinblick auf die Klagemarke "POST" nicht substantiiert. Die vorgelegten Verkehrsbefragungen seien ebenfalls nicht geeignet, eine Steigerung der Kennzeichnungskraft zu belegen. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden. Für das Revisionsverfahren ist vielmehr von normaler Kennzeichnungskraft der Klagemarke "POST"
auszugehen.
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aa) Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten
Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, die
die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die
Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der
Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der
beteiligten Verkehrskreise gehören, die die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen
(EuGH, Urt. v. 22.6.1999 - C-342/97, Slg. 1999, I-3819 = GRUR Int. 1999, 734
Tz. 23 = WRP 1999, 806 - Lloyd; Urt. v. 14.9.1999 - C-375/97, Slg. 1999, I-5421
= GRUR Int. 2000, 73 Tz. 27 = WRP 1999, 1130 - Chevy; Urt. v. 7.7.2005
- C-353/03, Slg. 2005, I-6135 = GRUR 2005, 763 Tz. 31 = WRP 2005, 1159
- Nestlé/Mars).
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bb) Das Berufungsgericht ist allerdings im Ergebnis zutreffend davon
ausgegangen, dass die Klagemarke "POST" ohne Verkehrsdurchsetzung i.S.
von § 8 Abs. 3 MarkenG nicht schutzfähig ist, weil ihrer Eintragung als beschreibende Angabe das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
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(1) Nach dieser Vorschrift sind unter anderem Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Von einem die
Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff kann auch auszugehen
sein, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat und nur eine der
möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl.
EuGH, Urt. v. 23.10.2003 - C-191/01, Slg. 2003, I-12447 = GRUR 2004, 146
Tz. 32 - DOUBLEMINT; Urt. v. 12.2.2004 - C-363/99, Slg. 2004, - I-1619,
- 12 -
GRUR 2004, 674 Tz. 97 - Postkantoor; BGH, Beschl. v. 13.3.2008 - I ZB 53/05,
GRUR 2008, 900 Tz. 15 = WRP 2008, 1338 - SPA II).
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(2) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Begriff
"POST" in der deutschen Sprache einerseits die Einrichtung, die Briefe, Pakete,
Päckchen und andere Waren befördert und zustellt, und andererseits die beförderten und zugestellten Güter selbst, z.B. Briefe, Karten, Pakete und Päckchen,
bezeichnet. In der letztgenannten Bedeutung beschreibt "POST" den Gegenstand, auf den sich die Dienstleistungen beziehen, für die die Marke eingetragen ist. Der Begriff ist deshalb eine Angabe über ein Merkmal der in Rede stehenden Dienstleistungen (zu § 23 Nr. 2 MarkenG BGH, Urt. v. 5.6.2008
- I ZR 108/05, WRP 2008, 1206 Tz. 21 - CITY POST; BGH GRUR 2008, 798
Tz. 19 - POST I; zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGH, Beschl. v. 23.10.2008
- I ZB 48/07 - POST II).
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cc) Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es nur eine allenfalls schwache Kennzeichnungskraft der aufgrund Verkehrsdurchsetzung
eingetragenen Marke angenommen hat, halten dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Für das Revisionsverfahren ist vielmehr von einer normalen Kennzeichnungskraft der Klagemarke auszugehen.
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(1) Aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marken verfügen regelmäßig über durchschnittliche Kennzeichnungskraft (vgl. BGH, Urt. v.
5.4.2001 - I ZR 168/98, GRUR 2002, 171, 173 f. = WRP 2001, 1315 - MarlboroDach; BGH GRUR 2007, 1066 Tz. 34 - Kinderzeit). Eine Kennzeichnungsschwäche kann für derartige Zeichen nur angenommen werden, wenn hierfür
besondere tatsächliche Umstände vorliegen (BGHZ 156, 112, 122 - Kinder I).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können diese besonderen Um-
- 13 -
stände nicht darin gesehen werden, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin,
die Deutsche Bundespost, als früheres Monopolunternehmen ausschließlich mit
der Postbeförderung in Deutschland betraut war und seit der teilweisen Öffnung
des Marktes für Postdienstleistungen auch für private Anbieter in den 90erJahren des vorigen Jahrhunderts ein besonderes Interesse dieser Unternehmen an der Verwendung des die fraglichen Dienstleistungen beschreibenden
Wortes "POST" zur Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen besteht. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften verbietet
sich im Rahmen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 MarkenRL, der durch § 8 Abs. 3 MarkenG umgesetzt wird, eine Differenzierung der Unterscheidungskraft nach dem
festgestellten Interesse daran, die Bezeichnung für die Benutzung durch andere
Unternehmen freizuhalten (vgl. EuGH, Urt. v. 4.5.1999 - C-108/97, Slg. 1999,
I-2779 = GRUR 1999, 723 Tz. 48 und 54 = WRP 1999, 629 - Chiemsee). Von
diesem Maßstab ist auch bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft der aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke auszugehen. Deren
Kennzeichnungskraft ist nicht aus Rechtsgründen geringer zu bemessen, um
Wettbewerbern die markenmäßige Benutzung der Klagemarke in identischer
oder ähnlicher Form zu ermöglichen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz,
2. Aufl., § 14 Rdn. 391; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher
Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 14 MarkenG Rdn. 222). Vielmehr
ist dem Bedürfnis von Wettbewerbern, abweichende, aber auf ähnliche Weise
gebildete Kennzeichen für ihre Dienstleistungen zu verwenden, bei der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG und beim Schutz bekannter Kennzeichen im
Rahmen des Merkmals "ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise"
Rechnung zu tragen (zu § 23 Nr. 2 MarkenG BGH WRP 2008, 1206 Tz. 25
- CITY POST; GRUR 2008, 798 Tz. 23 - POST I; zu § 15 Abs. 3 MarkenG
BGH, Urt. v. 1.3.2001 - I ZR 205/98, GRUR 2001, 1054, 1057 = WRP 2001,
1193 - Tagesreport; BGHZ 147, 56, 63 und 67 - Tagesschau).
- 14 -
27
Allerdings kann der Umstand, dass der Markeninhaber über eine Monopolstellung verfügt, nicht nur Einfluss auf das Vorliegen der Voraussetzungen
der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG (vgl. zu Art. 3 Abs. 3
MarkenRL EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR
2002, 804 Tz. 65 = WRP 2002, 924 - Philips/Remington), sondern auch auf die
Beurteilung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke haben. In einer derartigen Situation, in der ein Anbieter aufgrund einer Monopolstellung eine bestimmte Leistung als einziger anbietet, ist darauf zu achten, ob der Verkehr, der die
von Haus aus beschreibende Angabe der angebotenen Leistung mit dem Angebot des Monopolisten identifiziert, diese Bezeichnung nunmehr als Hinweis
auf die betriebliche Herkunft der angebotenen Leistung betrachtet. In einem
solchen Fall liegt es nahe, dass der Verkehr den Gattungsbegriff mit diesem
Inhaber in Verbindung bringt, ohne darin zugleich einen Herkunftshinweis zu
erblicken (vgl. BGHZ 30, 357, 365 - Nährbier; BGH, Beschl. v. 19.1.2006
- I ZB 11/04, GRUR 2006, 760 Tz. 18 = WRP 2006, 1130 - LOTTO). Entsprechendes gilt, wenn der Markeninhaber in der Vergangenheit über eine Monopolstellung verfügte, die die gegenwärtige Verkehrsauffassung nach wie vor
beeinflusst.
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(2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
Es hat unterstellt, dass die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin, die Deutsche
Bundespost, die Bezeichnung "POST" über viele Jahrzehnte im Zusammenhang mit der Erbringung ihrer Dienstleistungen sowie in der Werbung intensiv
benutzt haben und die Benutzung durch die Deutsche Bundespost als Rechtsvorgängerin der Klägerin zeichenrechtlich zuzuordnen ist. Das Berufungsgericht
hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die angesprochenen Verkehrskreise den beschreibenden Begriff "POST" mit der Klägerin nur aufgrund
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der früheren Monopolstellung in Verbindung bringen und das Zeichen nicht als
Herkunftshinweis auffassen. Für das Revisionsverfahren ist daher zugunsten
der Klägerin davon auszugehen, dass der Umstand, dass das Publikum die in
Rede stehenden mit der Bezeichnung "POST" gekennzeichneten Dienstleistungen als von der Klägerin stammend erkennt, auf der Benutzung der Bezeichnung "POST" als Marke durch die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin
beruht. Damit besteht aber kein Anhalt für eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen Klagemarke.
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(3) Entgegen der Ansicht der Revision besteht allerdings auch keine Veranlassung, eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Klagemarke
"POST" anzunehmen. Das Berufungsgericht hat die Werbeaufwendungen der
Klägerin im Zeitraum von 1997 bis 2003 von jährlich zwischen 60 Millionen €
und 390 Millionen € zur Begründung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft
der Klagemarke nicht herangezogen, weil die Klägerin nicht angegeben hat,
welche Anteile der Werbeaufwendungen auf die Klagemarke "POST" entfallen.
Dagegen erinnert die Revision nichts. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
Entsprechendes gilt für die von der Klägerin vorgelegten Benutzungsbeispiele
für die Verwendung der Klagemarke "POST". Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird die Klagemarke überwiegend nur gemeinsam mit der Farbe Gelb, dem Unternehmenskennzeichen "Deutsche Post AG" und teilweise
zusammen mit dem stilisierten Posthorn verwandt. Den Schluss auf eine überdurchschnittliche Steigerung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke "POST"
aufgrund der Verwendungsbeispiele hat das Berufungsgericht daher zu Recht
nicht gezogen.
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Das Berufungsgericht hat eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der
Klagemarke "POST" über das für die Verkehrsdurchsetzung erforderliche Maß
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hinaus auch nicht den von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen entnommen. Es hat hierzu ausgeführt, das I. -Gutachten von Mai 2000 weise
einen Anteil von 71% der Gesamtbevölkerung auf, die die Bezeichnung "POST"
der Markeninhaberin zuordneten. Aus den Verkehrsgutachten für November/
Dezember 2002 und dem Ergänzungsgutachten von 2004 der N.
folge ein Zuordnungsgrad von 82,4% der Gesamtbevölkerung. Von einem höheren Grad der Verkehrsdurchsetzung geht auch die Revision nicht aus. Sie
meint jedoch, aus diesem Durchsetzungsgrad folge eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke. Dem kann nicht zugestimmt werden. Aus einem Durchsetzungsgrad von 82,4% oder 84,6%, wie die Klägerin ebenfalls geltend gemacht hat, folgt keine gesteigerte Kennzeichnungskraft der nur aufgrund
Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke "POST".
31
Für die Feststellung des im Einzelfall erforderlichen Durchsetzungsgrades kann nicht von festen Prozentsätzen ausgegangen werden, auch wenn
- sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen - die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht
unterhalb von 50% angesetzt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2001
- I ZB 54/98, GRUR 2001, 1042, 1043 = WRP 2001, 1205 - REICH UND
SCHOEN; Beschl. v. 25.10.2007 - I ZB 22/04, GRUR 2008, 510 Tz. 23 = WRP
2008, 791 - Milchschnitte). Handelt es sich jedoch um einen Begriff, der die
fraglichen Dienstleistungen ihrer Gattung nach glatt beschreibt, kommen ein
Bedeutungswandel und damit eine Verkehrsdurchsetzung erst bei einem deutlich höheren Durchsetzungsgrad in Betracht (BGH GRUR 2006, 760 Tz. 20
- LOTTO). Denn ein sehr bekannter beschreibender Begriff kann nur bei einer
langen und intensiven Benutzung der Marke Unterscheidungskraft i.S. des § 8
Abs. 3 MarkenG erlangen (für eine sehr bekannte geographische Herkunftsangabe EuGH GRUR 1999, 723 Tz. 50 - Chiemsee, zu Art. 3 Abs. 3 MarkenRL;
- 17 -
Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 8 Rdn. 436d). Dementsprechend hat der Senat
auch nach Inkrafttreten des Markengesetzes im Einzelfall eine sehr hohe oder
eine nahezu einhellige Verkehrsdurchsetzung als notwendig angesehen (vgl.
BGHZ 156, 112, 125 - Kinder I; BGH GRUR 2006, 760 Tz. 24 - LOTTO; GRUR
2007, 1066 Tz. 34 - Kinderzeit; ebenso Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 331; v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 8
MarkenG Rdn. 54; wohl auch Lange, Marken- und Kennzeichenrecht Rdn. 663;
a.A. v. Schultz in v. Schultz, Markenrecht, 2. Aufl., § 8 Rdn. 187). Davon ist
auch bei dem glatt beschreibenden Begriff "POST" auszugehen, so dass ein
Durchsetzungsgrad von deutlich über 80% den Anforderungen an eine Verkehrsdurchsetzung der Bezeichnung "POST" für die in Rede stehenden Dienstleistungen nach § 8 Abs. 3 MarkenG genügt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2008
- I ZB 48/07 - POST II), jedoch nicht zu einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke führt. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem
T.
-Gutachten von Januar 2006. Dieses Gutachten hat die Klägerin
erst nach Abschluss der Tatsacheninstanzen vorgelegt. Als neuer Tatsachenvortrag kann es in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden.
32
c) Das Berufungsgericht ist von einer Zeichenunähnlichkeit zwischen der
Klagemarke "POST" und den angegriffenen Marken "OP OSTSEE-POST" und
"OSTSEE-POST Der private Postdienst im Norden" ausgegangen und hat deshalb eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verneint.
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
33
aa) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das
schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer
komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen
- 18 -
Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH,
Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Tz. 28 f.
= WRP 2005, 1505 - THOMSON LIFE; BGH, Beschl. v. 22.9.2005 - I ZB 40/03,
GRUR 2006, 60 Tz. 17 = WRP 2006, 92 - coccodrillo). Weiter ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte
Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der
zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder
prägt (EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 30 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2002,
171, 174 - Marlboro-Dach; BGH, Urt. v. 22.7.2004 - I ZR 204/01, GRUR 2004,
865, 866 = WRP 2004, 1281 - Mustang). Bei der Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder
eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen sein, weil dadurch
bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden
kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR
2005, 1042 Tz. 31 - THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Tz. 18 - Malteserkreuz).
34
bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die angegriffenen Zeichen nicht durch den Bestandteil "POST" geprägt werden, weil die weiteren Bestandteile der zusammengesetzten Zeichen nicht in den Hintergrund
treten. Der Verkehr habe keinen Anlass, die angegriffenen Zeichen zergliedernd zu betrachten und sich bei der Frage des Herkunftshinweises allein an
dem jeweiligen Bestandteil "POST" zu orientieren. Der Verkehr werde vielmehr
diesen Bestandteil als Sachangabe auffassen. Das lässt einen Rechtsfehler
nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Die Revision
wendet sich vielmehr gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klage-
- 19 -
marke "POST" behalte in den zusammengesetzten Kollisionsmarken auch keine selbständig kennzeichnende Stellung. Mit diesem Angriff hat die Revision
keinen Erfolg.
35
(1) Die Beurteilung des Gesamteindrucks zusammengesetzter Zeichen
liegt grundsätzlich auf tatrichterlichem Gebiet. Im Revisionsverfahren kann sie
nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob ihr ein unzutreffender Rechtsbegriff zugrunde liegt, sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt
oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt sind (vgl. BGH, Urt. v.
27.11.2003 - I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 516 = WRP 2004, 758 - Telekom).
36
(2) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Bestandteil
"POST" in den angegriffenen Zeichen keine eigenständige kennzeichnende
Stellung zukommt. Es hat dies zu Recht daraus gefolgert, dass der Verkehr den
Begriff "POST" in den zusammengesetzten Zeichen beschreibend auffasst. Erkennt der Verkehr in den Kollisionszeichen aber nicht die Klagemarke oder das
bekannte oder zumindest erkennbare Firmenschlagwort "POST" der Klägerin,
besteht im Streitfall kein Anhalt dafür, dass der Wortbestandteil "POST" in den
zusammengesetzten Kollisionsmarken eine selbständig kennzeichnende Stellung behält.
37
Mangels Zeichenähnlichkeit sind eine unmittelbare Verwechslungsgefahr
und eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ausgeschlossen.
38
d) Das Berufungsgericht hat eine Verwechslungsgefahr zwischen der
Klagemarke "POST" und den angegriffenen Marken auch nicht unter dem Aspekt eines Serienzeichens angenommen. Dagegen wendet sich die Revision
ohne Erfolg.
- 20 -
aa) Die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens hat
39
unter dem Begriff des gedanklichen Inverbindungbringens Eingang in die Markenrechtsrichtlinie und das Markengesetz gefunden (vgl. EuGH, Urt. v.
13.9.2007 - C-234/06, Slg. 2007, I-7333 = GRUR Int. 2007, 1009 Tz. 63 - Il
Ponte
Finanziaria/HABM
[BAINBRIDGE];
BGH,
Beschl.
v.
29.5.2008
- I ZB 54/05, GRUR 2008, 905 Tz. 33 = WRP 2008, 1349 - Pantohexal). Diese
Art der Verwechslungsgefahr, die erst zu prüfen ist, wenn die einander gegenüberstehenden Zeichen - wie im Streitfall - nicht unmittelbar miteinander verwechselbar sind, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (BGH, Urt. v.
20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 40 = WRP 2007, 1461 - Kinder II,
m.w.N.).
40
bb) Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens
scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil es an einer Erkennbarkeit des
Bestandteils "POST" als Serienzeichen der Klägerin in den angegriffenen Marken fehlt. Das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang rechtsfehlerfrei
festgestellt, dass das Publikum die Kollisionszeichen als Gesamtbegriff und
nicht zergliedernd versteht, den Bestandteil "POST" der angegriffenen Marken
nur als eine Sachangabe ansieht und eine Vielzahl von Unternehmen Marken
und Unternehmenskennzeichen mit dem Bestandteil "POST" nutzen.
41
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, einem markenrechtlichen
Unterlassungsanspruch der Klägerin stünde zudem die Schutzschranke des
§ 23 Nr. 2 MarkenG entgegen.
- 21 -
42
a) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand,
soweit identische Dienstleistungen in Rede stehen. Das ist für die Bereiche der
Briefdienst-, Frachtdienst- und Kurierdienstleistungen der angegriffenen Marken
der Fall.
43
aa) Nach der Vorschrift des § 23 Nr. 2 MarkenG, die Art. 6 Abs. 1 lit. b
MarkenRL umsetzt, gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem
Dritten zu verbieten, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als
Angabe über Merkmale der Dienstleistungen, insbesondere ihrer Art oder ihrer
Beschaffenheit, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung
nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Voraussetzungen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG sind im Streitfall erfüllt.
44
bb) Die Beklagte benutzt den mit der Klagemarke übereinstimmenden
Bestandteil "POST" der Kollisionszeichen zur Bezeichnung ihrer Dienstleistungen. Für die Dienstleistungen der Beförderung und Zustellung von Briefen und
Paketen beschreibt der Bestandteil "POST" der angegriffenen Zeichen den Gegenstand, auf den sich die Dienstleistungen der Beklagten beziehen. Er ist daher eine Angabe über ein Merkmal der Dienstleistungen der Beklagten i.S. von
§ 23 Nr. 2 MarkenG (BGH GRUR 2008, 798 Tz. 19 - POST I; WRP 2008, 1206
Tz. 21 - CITY POST).
45
cc) Der Senat hat in zwei mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fällen, in denen die Klägerin aus der Klagemarke gegen die Zeichen "CITY
POST" und "Die Neue Post" vorgegangen war, einen Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel verneint (BGH GRUR
2008, 798 - POST I; WRP 2008, 1206 - CITY POST). Er hat dabei maßgeblich
- 22 -
auf den Umstand abgestellt, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin als früheres Monopolunternehmen ausschließlich mit der Postbeförderung in Deutschland betraut war und dass seit der teilweisen Öffnung des Marktes für Postdienstleistungen auch für private Anbieter in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein besonderes Interesse dieser Unternehmen an der Verwendung
des die in Rede stehenden Dienstleistungen beschreibenden Worts "POST" zur
Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen besteht. Ohne eine entsprechende Beschränkung des Schutzumfangs der Klagemarke würden die erst später auf den
Markt eintretenden privaten Wettbewerber von vornherein von der Benutzung
des Wortes "POST" ausgeschlossen und ausschließlich auf andere (Phantasie-)Bezeichnungen verwiesen. Da Art. 6 MarkenRL und § 23 MarkenG dazu
dienen, die Interessen des Markenschutzes und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit in der Weise in Einklang zu bringen, dass das
Markenrecht seine Rolle als wesentlicher Teil eines Systems unverfälschten
Wettbewerbs spielen kann (EuGH GRUR 2004, 234 Tz. 16 - Gerolsteiner Brunnen; GRUR 2005, 509 Tz. 29 - Gillette; Urt. v. 10.4.2008 - C-102/07, Slg. 2008,
I-2439 = GRUR 2008, 503 Tz. 45 - adidas), ist Wettbewerbern, die neu auf einem bisher durch Monopolstrukturen gekennzeichneten Markt auftreten, die
Benutzung eines beschreibenden Begriffs wie "POST" auch dann zu gestatten,
wenn eine Verwechslungsgefahr mit der gleichlautenden, für die Rechtsnachfolgerin des bisherigen Monopolunternehmens eingetragenen bekannten
Wortmarke besteht. Dadurch tritt zwar eine Beschränkung des Schutzumfangs
der Klagemarke ein. Diese Beschränkung ist wegen der Schutzschranke des
§ 23 Nr. 2 MarkenG im vorliegenden Fall aber im Kern bereits dadurch angelegt, dass eine beschreibende Angabe als Marke verwendet wird. Entgegen der
Ansicht der Revision kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagte
zur Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen und ihres Unternehmens nicht zwingend auf den Begriff "POST" angewiesen ist, sondern auch andere Bezeich-
- 23 -
nungen wählen könnte. Die Beschränkung des Schutzumfangs ist allerdings auf
ein angemessenes Maß dadurch zu verringern, dass die neu hinzutretenden
Wettbewerber sich durch Zusätze von dem in Alleinstellung benutzten Markenwort abgrenzen müssen und nicht durch eine Anlehnung an weitere Kennzeichen der Markeninhaberin (Posthorn, Farbe Gelb) die Verwechslungsgefahr
erhöhen dürfen.
46
Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Zur
Begründung wird auf die Entscheidungen des Senats vom heutigen Tag verwiesen (Urt. v. 2.4.2009 - I ZR 110/06, I ZR 111/06 und I ZR 209/06 jeweils Abschnitt II 1 b). Diese Erwägungen gelten im Streitfall entsprechend, soweit eine
Dienstleistungsidentität in Rede steht.
47
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Schutzschranke
des § 23 Nr. 2 MarkenG auch hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen der
Kollisionszeichen gegeben ist, für die keine Identität mit den Dienstleistungen
besteht, für die die Klagemarke eingetragen ist. Hiergegen bestehen allerdings
Bedenken, weil vom Berufungsgericht nicht im Einzelnen festgestellt und auch
nicht ohne weiteres ersichtlich ist, dass der Begriff "POST" für die Vielzahl der
Waren und Dienstleistungen, die für die angegriffenen Marken eingetragen
sind, eine Merkmalsangabe ist. Die Frage kann im Streitfall jedoch offenbleiben.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unabhängig
vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Nr. 2 MarkenG schon mangels
Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht zu (Abschnitt B I 2).
48
4. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gegen die
Verwendung der Marken "OP OSTSEE-POST" und "OSTSEE-POST Der priva-
- 24 -
te Postdienst im Norden" für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen auch nicht aufgrund eines Bekanntheitsschutzes der Klagemarke
"POST" für begründet erachtet (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG). Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
49
Das Berufungsgericht hat im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr eine Zeichenähnlichkeit zwischen der Klagemarke "POST" und den angegriffenen Zeichen zu Recht verneint. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sind keine anderen Maßstäbe anzulegen als bei der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals im Rahmen des § 14
Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (BGH, Urt. v. 19.2.2004 - I ZR 172/01, GRUR 2004, 594,
596 = WRP 2004, 909 - Ferrari-Pferd; BGH GRUR 2007, 1071 Tz. 45
- Kinder II). Mangels Ähnlichkeit der kollidierenden Marken kommt ein auf den
Schutz einer bekannten Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 MarkenG gestützter Unterlassungsanspruch nicht in Betracht.
50
II. Die Klägerin kann den Unterlassungsanspruch nicht mit Erfolg auf das
Unternehmenskennzeichen "Deutsche Post AG" und das Firmenschlagwort
"POST" der vollständigen Firmenbezeichnung stützen. Die aus § 15 Abs. 2 und
4 MarkenG abgeleiteten Ansprüche scheiden mangels Verwechslungsgefahr
aus. Es fehlt an einer Zeichenähnlichkeit zwischen den kollidierenden Zeichen
(hierzu vorstehend B I 2 c und d). Aus demselben Grund scheidet auch ein Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 3 und 4 MarkenG aufgrund des Schutzes
des bekannten Unternehmenskennzeichens der Klägerin aus.
51
III. Der Klägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch auch nicht
aufgrund der Wortmarken Nr. 300 02 483 "DP" und Nr. 301 52 474 "DP2" gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG zu.
- 25 -
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass zwischen der
52
Klagemarke "DP" und den angegriffenen Zeichen "OP OSTSEE-POST" und
"OSTSEE-POST Der private Postdienst im Norden" eine Verwechslungsgefahr
mangels Zeichenähnlichkeit ausscheidet. Es ist davon ausgegangen, dass das
Zeichen "OP OSTSEE-POST" weder durch den Zeichenbestandteil "OP" geprägt wird noch diese Buchstabenkombination in dem zusammengesetzten
Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
53
Sie tragen die Verneinung eines Unterlassungsanspruchs aus der Klagemarke
"DP" selbständig. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klagemarke "DP" mit
dem angegriffenen Zeichen "OP OSTSEE-POST" auch dann verwechselbar
wäre, wenn das angegriffene Zeichen durch die Buchstabenkombination "OP"
geprägt würde, was das Berufungsgericht in einer zusätzlichen Begründung
verneint hat und von der Revision in diesem Zusammenhang allein angegriffen
wird.
54
2. Der Unterlassungsanspruch ist schließlich auch nicht aus der Klagemarke "DP" gegen das angegriffene Zeichen "OSTSEE-POST Der private Postdienst im Norden" und aus der Klagemarke "DP2" gegeben. Insoweit gelten die
vorstehenden Ausführungen entsprechend.
55
IV. Die Klageanträge I 2 und 3 auf Einwilligung in die Löschung der Marken Nr. 303 01 652 und Nr. 303 01 653 und auf Auskunftserteilung sowie der
Klageantrag II auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sind ebenfalls
unbegründet. Die angegriffenen Marken der Beklagten verletzen den Schutzbereich sämtlicher Klagekennzeichen nicht.
- 26 -
56
V. Ohne Erfolg stützt die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche
nunmehr auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus § 8 Abs. 1, §§ 9, 3 i.V. mit
§ 5 Abs. 1 und 2 UWG.
57
Bei Schutzrechtsverletzungen wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch
genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt,
aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 166, 253 Tz. 25
- Markenparfümverkäufe; BGH GRUR 2007, 1071 Tz. 56 - Kinder II). Durch
seinen Vortrag über die Entstehung und den Bestand des Schutzrechts als Teil
des Lebenssachverhalts bestimmt der Kläger über den Streitgegenstand. Werden neben Ansprüchen aus einem Schutzrecht wettbewerbsrechtliche Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Irreführung geltend gemacht, handelt es sich
grundsätzlich um unterschiedliche Streitgegenstände, weil der Kern des jeweiligen Sachverhalts nicht unverändert ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2000
- I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 757 = WRP 2001, 804 - Telefonkarte). Davon
ist auch auszugehen, wenn eine Irreführungsgefahr nach § 5 Abs. 2 UWG geltend gemacht wird. Nach dieser Vorschrift, die Art. 6 Abs. 2 lit. a der Richtlinie
über unlautere Geschäftspraktiken umsetzt, ist eine geschäftliche Handlung
irreführend, wenn sie eine Verwechslungsgefahr mit einer Marke oder einem
anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. Anders als bei Kennzeichenverletzungen nach dem Markengesetz setzt ein auf einen Irreführungstatbestand gestütztes Verbot voraus, dass die Fehlvorstellung geeignet ist, das
Marktverhalten der Gegenseite zu beeinflussen (BGH, Urt. v. 26.10.2006
- I ZR 33/04, GRUR 2007, 247 Tz. 34 = WRP 2007, 303 - Regenwaldprojekt I;
Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 171/04, GRUR 2008, 443 Tz. 29 = WRP 2008, 666
- Saugeinlagen). Zudem ist auch die Aktivlegitimation unterschiedlich ausge-
- 27 -
staltet. Während zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche grundsätzlich die in § 8 Abs. 3 UWG angeführten Beteiligten aktivlegitimiert sind, stehen
kennzeichenrechtliche Ansprüche dem Inhaber des Schutzrechts zu. Nach diesen Maßstäben sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen
irreführender Werbung aufgrund einer Verwechslungsgefahr mit den Klagemarken i.S. von § 5 Abs. 2 UWG ein gegenüber kennzeichenrechtlichen Ansprüchen weiterer Streitgegenstand.
58
Einen neuen Streitgegenstand kann die Klägerin im Revisionsverfahren
nicht einführen (BGH GRUR 2007, 1066 Tz. 61 - Kinderzeit; GRUR 2007, 1071
Tz. 57 - Kinder II). Dass das Berufungsgericht wettbewerbsrechtliche Ansprüche aufgrund irreführender Werbung übergangen hat, hat die Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht gerügt.
59
VI. Der von der Klägerin angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bedarf es vorliegend nicht. Die Grundsätze, nach
denen sich im Streitfall die Frage beurteilt, ob die Schutzschranke des Art. 6
Abs. 1 lit. b MarkenRL eingreift, sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften geklärt. Die Gesamtwürdigung und
Gewichtung der relevanten Umstände im konkreten Einzelfall ist Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH GRUR 2004, 234 Tz. 26 - Gerolsteiner Brunnen;
GRUR 2005, 153 Tz. 84 - Anheuser Busch). Auch im Übrigen stellen sich vorliegend keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, die eine Vorlage an den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften rechtfertigen.
- 28 -
60
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 515 Abs. 3 Satz 1,
§ 565 ZPO.
Bornkamm
Büscher
Bergmann
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 16.12.2004 - 315 O 533/04 OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.04.2006 - 3 U 10/05 -