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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOL KES
URTEIL
I ZR 74/11
Verkündet am:
16. Mai 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Zweigstellenbriefbogen
UWG § 5a Abs. 2; BORA § 10 Abs. 1
a) Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichtet grundsätzlich allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben
und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom
Unternehmer erwartet werden kann.
b) Ein Rechtsanwalt ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2
UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen oder durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er
seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.
c) Ein Rechtsanwalt ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, auf den für seine
anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendeten Briefbögen den Standort
der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO anzugeben. Er hat nach dieser Bestimmung auf solchen Briefbögen nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht
auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2012 - I ZR 74/11 - OLG Jena
LG Erfurt
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats
des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 30. März 2011 unter Zurückweisung der Revision der Klägerin im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 7. Zivilkammer des
Landgerichts Erfurt vom 23. Juni 2010 auf die Berufung des Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin
abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz. Der Beklagte ist ein bei der Klägerin zugelassener Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Mainz, der Zweigstellen in Erfurt und Karlsruhe unterhält. Für die Zweigstelle in Erfurt verwendet er Briefbögen, auf deren Vorderseite allein die Anschrift der Kanzlei in Erfurt angegeben und der Beklagte an zweiter Stelle von drei in dieser Kanzlei tätigen Rechtsanwälten genannt ist. Die
konkrete Gestaltung der Vorderseite der Briefbögen geht aus einem Schreiben
des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen
-3-
hervor (im Antrag als Anlage 1 bezeichnet). Auf der Rückseite der Briefbögen
sind sowohl die Anschrift der Kanzlei in Erfurt als auch die Anschriften der
Kanzleien in Mainz und Karlsruhe angegeben. Der Beklagte ist für die Kanzlei
in Mainz an erster Stelle von drei Rechtsanwälten und für die Kanzlei in Karlsruhe an zweiter Stelle von zwei Rechtsanwälten genannt. Die Angaben zur
Kanzlei in Erfurt sind gegenüber den Angaben zu den Kanzleien in Mainz und
Karlsruhe farblich hervorgehoben. Für seine Kanzleien in Mainz und Karlsruhe
verwendet der Beklagte in gleicher Weise gestaltete Briefbögen.
2
Die Klägerin ist der Ansicht, die Gestaltung der Briefbögen verstoße gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BORA sowie gegen § 5a
Abs. 2 UWG und sei damit wettbewerbswidrig. Auf der Vorderseite der Briefbögen fehle jeglicher Hinweis, dass der Beklagte seiner anwaltlichen Tätigkeit
auch an anderen Standorten nachgehe, wo er seine Hauptkanzlei und wo er
Zweigstellen unterhalte. Es genüge nicht, dass die übrigen Standorte auf der
Rückseite der Briefbögen angegeben seien; der Verbraucher nehme die Rückseite solcher Briefbögen nicht unbedingt zur Kenntnis.
3
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn auf
diesen kein Hinweis enthalten ist, an welchen von mehreren Standorten er seine „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine „Zweigstelle“, dies insbesondere indem der Briefbogen so gestaltet
wird, wie dies dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom
21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen entspricht.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Erfurt, BRAK-Mitt 2010,
226). Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat im Wege der Anschlussberufung
hilfsweise beantragt,
-4-
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten
vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden,
ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an
bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere
Niederlassungen unterhält, und anzugeben, an welchem Standort er seine
(Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
5
Weiter hilfsweise hat sie beantragt,
den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit unter seiner Erfurter Kanzleiadresse entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er
an bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere
Kanzleiadressen unterhält.
6
Der Beklagte hat beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
7
Das Berufungsgericht (OLG Jena, GRUR-RR 2012, 21 = WRP 2011,
784) hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten abgeändert und auf den von der Klägerin gestellten ersten Hilfsantrag dahin neu gefasst, dass es den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt
hat,
es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter
Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne anzugeben, an welchem Standort er seine Kanzlei im Sinne der
§ 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
8
Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung sowie die Anschlussberufung zurückgewiesen.
-5-
9
Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihre Schlussanträge in der Berufungsinstanz weiterverfolgen. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
10
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der im Wege der Anschlussberufung verfolgte erste Hilfsantrag sei in seiner zweiten Alternative gemäß § 8
Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BORA begründet, soweit der Beklagte nicht zusätzlich angegeben habe, an welchem Ort
er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhalte. Der Hauptantrag, der Hilfsantrag in seiner ersten Alternative und der zweite
Hilfsantrag seien dagegen unbegründet. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
11
Der Rechtsanwalt habe gemäß § 10 Abs. 1 BORA auch auf den Briefbögen einer Zweigstelle den Kanzleisitz anzugeben. Dagegen sei er nach dieser
Bestimmung nicht verpflichtet, die Zweigstelle als solche zu kennzeichnen.
12
Aus der Verpflichtung, die Anschrift der Niederlassung des Dienstleistungserbringers (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV) und den Ort der Handelsniederlassung des Kaufmanns (§ 37a Abs. 1 HGB) anzugeben, folge keine Verpflichtung,
auf das Bestehen eines Kanzleisitzes oder einer Zweigstelle hinzuweisen. Da
die Adresse der Zweigstelle eine vollwertige Zustellanschrift sei, bestehe auch
kein Grund, zusätzlich die Anschrift der Hauptkanzlei anzugeben.
13
Die Gestaltung der in Rede stehenden Briefbögen verstoße nicht gegen
§ 5a Abs. 2 UWG, weil sie keine wesentlichen Informationen vorenthalte. Zwar
gelte die Anschrift der Niederlassung eines Rechtsanwalts nach § 5a Abs. 3
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Nr. 2 UWG und nach § 5a Abs. 4 UWG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 DLInfoV als wesentliche Information. Im Streitfall gehe es aber nicht um die Angabe der Kanzleianschrift, sondern um die Kennzeichnung von Zweigstellen. Die
Präsenz eines Rechtsanwalts in seinem Büro sei zwar für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines Rechtsanwalts von Bedeutung. Der Beklagte verschweige jedoch nicht, dass er an drei Standorten tätig und seine Präsenz an den einzelnen Standorten daher eingeschränkt sei.
Dies ergebe sich aus der Rückseite der Briefbögen, die in die Betrachtung einzubeziehen sei.
14
B. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (dazu I, II 3, III). Die Revision des Beklagten ist dagegen erfolgreich (dazu II 4). Die von der Klägerin mit
der Klage und der Anschlussberufung geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind nicht begründet.
15
I. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen
wendet, dass das Berufungsgericht den Hauptantrag abgewiesen hat.
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1. Mit dem Hauptantrag verlangt die Klägerin von dem Beklagten, es zu
unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn sie
keinen Hinweis enthalten, an welchen von mehreren Standorten er seine „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine
„Zweigstelle“, und zwar insbesondere, wenn der Briefbogen so gestaltet ist, wie
dies dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen entspricht.
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2. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt voraus,
dass der Beklagte mit der Verwendung von Briefbögen, deren Gestaltung dem
für das Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Thüringen benutzten Briefbogen entspricht, gegen eine nach der derzeit geltenden Rechtslage bestehende
Verpflichtung verstößt, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten
-7-
Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen und durch
Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo
er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.
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3. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Beklagte ist weder nach § 10
Abs. 1 BORA (dazu a) noch nach § 37a Abs. 1 HGB (dazu b) oder § 5a Abs. 2
UWG (dazu c) verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten
Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen; selbst
wenn eine solche Verpflichtung bestünde, hätte der Beklagte ihr dadurch entsprochen, dass er auf der Rückseite dieser Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen angegeben hat (dazu d). Der Beklagte ist auch weder
nach § 10 Abs. 1 BORA (dazu e) noch nach § 5a Abs. 2 UWG (dazu f) verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich
zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er
Zweigstellen unterhält.
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a) Der Beklagte ist nicht nach § 10 Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den für
seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner
Niederlassungen zu nennen.
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aa) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA in der seit dem 1. März 2011 geltenden Fassung hat der Rechtsanwalt auf Briefbögen seine Kanzleianschrift
anzugeben. Werden mehrere Kanzleien, eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten, so ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA für jeden auf den Briefbögen
Genannten seine Kanzleianschrift (§ 31 BRAO) anzugeben.
21
bb) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich keine Verpflichtung zur Angabe
des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift. Die Klägerin nimmt den Beklagten jedoch nicht wegen Vorenthaltens der
Kanzleianschrift, sondern wegen Fehlens eines Hinweises auf andere Stand-
-8-
orte seiner Kanzlei auf Unterlassung in Anspruch. Ein solcher Anspruch kann
nicht auf einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 BORA gestützt werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Kanzleianschrift den Kanzleiort enthält.
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cc) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich zudem keine Verpflichtung des
Rechtsanwalts, der eine Kanzlei und eine oder mehrere Zweigstellen unterhält,
auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in den verschiedenen Niederlassungen
verwendeten Briefbögen mehr als eine Anschrift zu nennen. Ein Rechtsanwalt
muss auf den Briefbögen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA „seine Kanzleianschrift“ und damit nur eine Anschrift angeben. Entsprechendes gilt für eine Sozietät von Rechtsanwälten, die mehrere Kanzleien oder eine oder mehrere
Zweigstellen unterhalten. Für jeden Rechtsanwalt einer solchen Sozietät, der
auf den Briefbögen genannt wird, muss auf den Briefbögen nach § 10 Abs. 1
Satz 2 BORA „seine Kanzleianschrift“ und damit nur eine Anschrift angegeben
werden.
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b) Der Beklagte ist auch nach § 37a Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, auf
den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte
seiner Niederlassungen zu nennen.
24
aa) Gemäß § 37a Abs. 1 HGB muss der Kaufmann auf allen Geschäftsbriefen, die er an einen bestimmten Empfänger richtet, unter anderem den Ort
seiner Handelsniederlassung angeben.
-9-
25
bb) Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar. Sie gilt nur für Kaufleute und damit nicht für Angehörige eines freien Berufs wie den Beklagten. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht, da
im Blick auf § 10 Abs. 1 BORA keine planwidrige Regelungslücke besteht. Es
kann daher offenbleiben, ob ein deutscher Einzelkaufmann auf Geschäftsbriefen einer Zweigniederlassung auch den Ort der Hauptniederlassung oder nur
den Ort der Zweigniederlassung anzugeben hat (vgl. MünchKomm.HGB/Krebs,
3. Aufl., § 37a Rn. 7).
26
c) Der Beklagte ist auch nach § 5a Abs. 2 UWG nicht verpflichtet, auf
den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte
seiner Niederlassungen zu nennen.
27
aa) Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst,
dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.
28
bb) Das Bestehen weiterer Niederlassungen eines Rechtsanwalts an anderen Standorten ist keine wesentliche Information im Sinne dieser Bestimmung. Eine solche Information gilt weder nach § 5a Abs. 3 UWG (dazu 1) oder
§ 5a Abs. 4 UWG (dazu 2) als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, noch
ist sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich
der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich (dazu 3).
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(1) Werden Waren und Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft
abschließen kann, gelten nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 Fall 1 UWG die Identität und
- 10 -
Anschrift des Unternehmers als wesentliche Informationen im Sinne des § 5a
Abs. 2 UWG, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.
30
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein Vorenthalten der Kanzleianschrift, sondern auf das Fehlen eines Hinweises auf andere
Kanzleistandorte gestützt und kann schon deshalb nicht aus dieser Bestimmung hergeleitet werden (vgl. Rn. 21).
31
(2) Als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG gelten nach § 5a
Abs. 4 UWG auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und
Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
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Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das Fehlen von
Angaben zu anderen Niederlassungen des Rechtsanwalts nicht - was hier insoweit allein in Betracht kommt - gegen die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) verstößt, die der Umsetzung der
Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt dient.
33
Gemäß § 2 Abs. 1 DL-InfoV muss ein Dienstleistungserbringer einem
Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung in klarer und verständlicher Form unter anderem die Anschrift seiner Niederlassung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV) und, falls - wie hier - die Dienstleistung
in Ausübung eines reglementierten Berufs im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a
der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen erbracht wird und der Erbringer der Dienstleistung einer Kammer angehört, den
Namen der Kammer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV) zur Verfügung stellen. Eine
Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Angabe weiterer Niederlassungen ergibt
sich aus diesen Regelungen nicht.
- 11 -
34
(3) Die Information über das Bestehen weiterer Niederlassungen des
Rechtsanwalts ist auch nicht im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller
Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich (§ 5a Abs. 2 UWG). Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, auf den für
seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen auf sämtliche Niederlassungen hinzuweisen (aA Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 27
Rn. 24; vgl. auch - eine Verpflichtung zur Angabe der Hauptstelle auf Briefbögen von Zweigstellen bejahend, eine Verpflichtung zur Angabe von Zweigstellen auf Briefbögen der Hauptstelle dagegen verneinend - Siegmund in Gaier/
Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 88, 93, 100;
Weyland in Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., § 27 Rn. 28a und
29a; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754; vgl. weiter Kopp, BRAK-Mitt 2007,
256).
35
Die Präsenz eines Rechtsanwalts in seinem Büro mag - wie das Berufungsgericht angenommen hat - ein Umstand sein, der für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines Rechtsanwalts von Bedeutung ist (vgl. Lemke, BRAK-Mitt 2008, 146, 148 f.). Ein Durchschnittsverbraucher wählt einen Rechtsanwalt möglicherweise nicht nur nach seiner Qualifikation und Spezialisierung aus, sondern auch danach, inwieweit er für Gespräche in seinem Büro zur Verfügung steht. Für einen solchen Verbraucher
kann die Information, dass ein Rechtsanwalt weitere Niederlassungen an anderen Standorten unterhält, von Interesse sein, weil sich daraus ergibt, dass die
Präsenz des Rechtsanwalts an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist.
36
Das bedeutet allerdings nicht, dass es sich dabei um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG handelt, die dem Verbraucher nicht
vorenthalten werden darf. Eine Information ist nicht allein deshalb wesentlich im
Sinne dieser Bestimmung, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann. Für einen Durchschnittsverbraucher mö-
- 12 -
gen bei der Auswahl eines Rechtsanwalts beispielsweise auch dessen Examensnoten von Interesse sein. Dennoch besteht sicherlich keine Verpflichtung
des Rechtsanwalts, seine Examensnoten anzugeben. Desgleichen gibt es zahlreiche Gründe für eine eingeschränkte Präsenz des Rechtsanwalts in seiner
Kanzlei, die dem Verbraucher gleichfalls nicht mitgeteilt werden müssen, wie
etwa den Umstand, dass der Rechtsanwalt nur halbtags als Rechtsanwalt tätig
ist und sich im Übrigen anderen Beschäftigungen widmet. Die Bestimmung des
§ 5a Abs. 2 UWG begründet zwar Informationspflichten, die über das hinausreichen, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen zu vermeiden, die sich andernfalls einstellen würden; dass derartige unerlässliche Informationen nicht verschwiegen werden dürfen, ergibt sich bereits aus § 5a Abs. 1 UWG und damit
aus dem allgemeinen Irreführungsverbot (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm,
UWG, 30. Aufl., § 5a Rn. 10; ferner zu § 3 UWG 1909 BGH, Urteil vom 15. Juli
1999 - I ZR 44/97, GRUR 1999, 1122, 1123 = WRP 1999, 1151 - EG-Neuwagen, mwN). Doch auch die weiterreichenden Pflichten, die nach § 5a Abs. 2
UWG im Interesse des Verbraucherschutzes zu erfüllen sind, zwingen nur zur
Offenlegung von Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann
(vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5a Rn. 29b ff.). Der Umstand, dass
ein Rechtsanwalt mehrere Niederlassungen unterhält, zählt nicht dazu.
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d) Selbst wenn der Beklagte verpflichtet wäre, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen, hätte er dieser Verpflichtung dadurch entsprochen, dass er
auf der Rückseite der Briefbögen diese Angaben gemacht hat.
38
aa) Auf der Rückseite der Briefbögen für die Kanzlei in Erfurt sind sowohl
die (farblich hervorgehobene) Anschrift dieser Kanzlei als auch die Anschriften
der Kanzleien in Mainz und Karlsruhe angegeben. Der Beklagte ist für die
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Kanzlei in Erfurt an zweiter Stelle von drei Rechtsanwälten, für die Kanzlei in
Mainz an erster Stelle von drei Rechtsanwälten und für die Kanzlei in Karlsruhe
an zweiter Stelle von zwei Rechtsanwälten genannt. Die Rückseite der Briefbögen für die Kanzleien in Mainz und Karlsruhe ist entsprechend gestaltet. Dem
ist eindeutig zu entnehmen, dass der Beklagte an allen drei Standorten seiner
Kanzlei tätig ist, während die anderen Rechtsanwälte jeweils in nur einer dieser
Niederlassungen tätig sind. Der Durchschnittsverbraucher kann daraus schließen, dass die Präsenz des Beklagten an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist.
39
bb) Die Rückseite der Briefbögen ist - wie das Berufungsgericht mit
Recht angenommen hat - bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte die Information über das Bestehen weiterer Standorte seiner Kanzlei vorenthalten
hat, in die Betrachtung einzubeziehen. Im Blick auf die Beschränkungen des
Kommunikationsmittels müssen Angaben zu weiteren Niederlassungen der
Kanzlei und den dort tätigen Rechtsanwälten nicht bereits auf der Vorderseite
des ersten Briefbogens gemacht werden (vgl. zur Benennung von Sozien auf
der Rückseite von Briefbögen BGH, Beschluss vom 19. November 2001
- AnwZ (B) 75/100, NJW 2002, 1419, 1421). Der durchschnittlich informierte
und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher nimmt bei Anwaltsschriftsätzen auch die Rückseite des ersten Briefbogens zur Kenntnis. Er rechnet damit,
dass sich hier - insbesondere bei größeren Rechtsanwaltskanzleien - Informationen zu anderen Kanzleiorten und den dort tätigen Rechtsanwälten befinden.
40
Die Revision der Klägerin macht ohne Erfolg geltend, bei einer Übermittlung des anwaltlichen Schriftverkehrs per Telefax oder E-Mail werde die Rückseite des Briefkopfes häufig nicht mitübersandt. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch nicht darauf gestützt, dass der Beklagte es unterlässt, die
Rückseite des Briefkopfes bei einer Übermittlung von Schriftsätzen auf elektronischem Wege mitzuübersenden.
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41
e) Der Beklagte ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er
seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.
Aus der Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift (§ 10 Abs. 1 BORA) folgt
keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, kenntlich zu machen, ob er unter dieser
Anschrift seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle
betreibt.
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f) Ein Rechtsanwalt, der - wie der Beklagte - eine Kanzlei und eine oder
mehrere Zweigstellen unterhält, ist auch nach § 5a Abs. 2 UWG nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, an welchem von mehreren Standorten er seine Kanzlei im Sinne von § 27
Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle unterhält (Prütting in Henssler/Prütting aaO
§ 27 Rn. 24; ders., Anwaltsblatt 2011, 46, 47; aA Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 88; Huff, BRAK-Mag. 06/2007, S. 5; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754; vgl. auch Weyland in Feuerich/Weyland/
Vossebürger aaO § 27 Rn. 28 ff., wonach der Hinweis auf den Charakter als
Zweigstelle, nicht aber die Bezeichnung als „Zweigstelle“ erforderlich ist).
43
Bei der Bezeichnung der in den Briefbögen eines Rechtsanwalts genannten Niederlassungen als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder als
„Zweigstelle“ handelt es sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen
hat, nicht um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. Eine
solche Angabe ist weder eine Information, die nach § 5a Abs. 3 UWG oder § 5a
Abs. 4 UWG als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG gilt (vgl. oben
Rn. 29 bis 33), noch eine Information, die nach § 5a Abs. 2 UWG im konkreten
Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen
des Kommunikationsmittels wesentlich ist.
44
Gemäß § 27 Abs. 1 BRAO muss der Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einrichten und unterhalten.
- 15 -
„Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO ist demnach die Niederlassung, mit
der der Rechtsanwalt seiner Kanzleipflicht genügt. Alle weiteren Niederlassungen, die der Rechtsanwalt im Bezirk dieser Rechtsanwaltskammer oder anderer
Rechtsanwaltskammern errichtet, sind dagegen „Zweigstellen“ (vgl. § 27 Abs. 2
BRAO).
45
Für die Einstufung der Niederlassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“
im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO kommt es danach nicht darauf an, ob der
Rechtsanwalt in dieser Niederlassung den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit hat, auch wenn dies tatsächlich meist der Fall sein wird. Die Bezeichnung
der Niederlassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1
BRAO oder als „Zweigstelle“ lässt daher nicht darauf schließen, in welchem
Umfang der Rechtsanwalt in der jeweiligen Niederlassung präsent ist. Durch
das Fehlen dieser Angaben werden insoweit daher schon keine Informationen
vorenthalten. Darüber hinaus handelt es sich bei Angaben zur Präsenz des
Rechtsanwalts in seiner Kanzlei auch nicht um wesentliche Informationen im
Sinne des § 5a Abs. 2 UWG (vgl. oben Rn. 34 bis 36).
46
Der Bezeichnung einer Niederlassung als „Kanzlei“ im Sinne von § 27
Abs. 1 BRAO kann der Durchschnittsverbraucher auch nicht unmittelbar entnehmen, welcher Rechtsanwaltskammer der Rechtsanwalt angehört. Er weiß in
der Regel nicht, im Bezirk welcher Rechtsanwaltskammer sich die Kanzlei eines
Rechtsanwalts befindet. Er kann der Bezeichnung einer Niederlassung als
„Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO daher im Allgemeinen auch nicht
entnehmen, welche Rechtsanwaltskammer über den Rechtsanwalt die Aufsicht
führt. Auch insoweit werden ihm durch das Fehlen dieser Angabe daher keine
wesentlichen Informationen vorenthalten (aA Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken
aaO § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 93). Im Übrigen ist ein Rechtsanwalt nach § 2
Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV verpflichtet, den Namen der Kammer anzugeben (vgl.
oben unter Rn. 33).
- 16 -
47
II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen
richtet, dass das Berufungsgericht den ersten Hilfsantrag teilweise abgewiesen
hat (dazu 3). Die Revision der Beklagten, die sich dagegen wendet, dass das
Berufungsgericht dem ersten Hilfsantrag teilweise stattgegeben hat, ist dagegen begründet (dazu 4).
48
1. Mit dem ersten Hilfsantrag beantragt die Klägerin, den Beklagten zu
verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom
21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne
auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere Niederlassungen unterhält, und ohne anzugeben, an welchem Standort er seine
(Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
49
2. Dieser Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Beklagte mit der
Verwendung der für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung
benutzten Briefbögen, deren Gestaltung dem für das Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Thüringen benutzten Briefbogen entspricht, gegen eine Verpflichtung verstößt, auf der Vorderseite der Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen offenzulegen und kenntlich zu machen, an welchem dieser Standorte er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3
BRAO unterhält.
50
Der erste Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag demnach - abgesehen davon, dass er ausdrücklich auf die Gestaltung der Vorderseite der
Briefbögen abstellt - darin, dass er allein für die Erfurter Niederlassung (also eine Zweigstelle des Beklagten) verwendete Briefbögen betrifft und der Beklagte
allein das Kenntlichmachen der (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31
Abs. 3 BRAO (und nicht auch das Kenntlichmachen von Zweigstellen) aufgegeben werden soll. Der erste Hilfsantrag stimmt dagegen mit dem Hauptantrag in-
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soweit überein, als er eine Verpflichtung des Beklagten voraussetzt, auf der
Vorderseite der Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen anzugeben.
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3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, auf der Vorderseite seiner Briefbögen offenzulegen, dass er an anderen Standorten weitere Niederlassungen unterhält (vgl. oben Rn. 19 bis 40). Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin
hat keinen Erfolg.
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4. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte sei nach § 10
Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den Briefbögen einer Zweigstelle den Standort
der Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO anzugeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten ist begründet.
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a) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich bereits keine Verpflichtung zur Angabe des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift (vgl. Rn. 21). Zudem hat der Rechtsanwalt auf den Briefbögen, die
er für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, nach § 10
Abs. 1 Satz 1 BORA nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.
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aa) Der Begriff „Kanzleianschrift“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA
umfasst nicht nur die Anschrift der Kanzlei im Sinne des § 27 Abs. 1 BRAO,
sondern auch die Anschrift von Zweigstellen.
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(1) Der Begriff „Kanzleianschrift“ wird sowohl in § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA als auch in § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA verwendet. Die Vorschrift des § 10
Abs. 1 Satz 2 BORA verweist zur Bestimmung dieses Begriffs auf § 31 BRAO.
Die Regelung des § 31 Abs. 3 BRAO unterscheidet zwischen der Kanzleianschrift und der Anschrift von Zweigstellen. Damit korrespondiert § 27 BRAO, der
zwischen der Kanzlei, die der Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskam-
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mer, deren Mitglied er ist, einrichten und unterhalten muss (§ 27 Abs. 1 BRAO),
und Zweigstellen, die der Rechtsanwalt im Bezirk derselben oder einer anderen
Rechtsanwaltskammer errichtet (vgl. § 27 Abs. 2 BRAO), unterscheidet. Das
könnte dafür sprechen, dass der Begriff „Kanzleianschrift“ im Sinne von § 10
Abs. 1 BORA nur die Anschrift der Kanzlei im Sinne des § 27 Abs. 1 BRAO bezeichnet. Danach hätte der Rechtsanwalt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA auf
den Briefbögen die Anschrift der Kanzlei anzugeben, mit der er seiner Kanzleipflicht genügt. Entsprechendes gälte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA für jeden
auf den Briefbögen genannten Rechtsanwalt, wenn mehrere Kanzleien oder eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten werden.
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(2) Die Begriffe „Zweigstelle“ und „Kanzlei“ sind allerdings vom Wortsinn
her keine Gegensätze. Mit dem Begriff der „Zweigstelle“ korrespondiert nach
allgemeinem Sprachgebrauch der - im Gesetz freilich nicht verwandte - Begriff
der „Hauptstelle“. Bei der Zweigstelle und der Hauptstelle handelt es sich jeweils um Niederlassungen der „Kanzlei“, die sich danach unterscheiden, in welcher der Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit ihrem Schwerpunkt nach entfaltet (BGH, Urteil vom 13. September 2010 - AnwZ (P) 1/09, BGHZ 187, 31
Rn. 28). Die Zweigstelle ist damit der Sache nach ebenso die Kanzlei des
Rechtsanwalts wie seine (Haupt-)Kanzlei (BGHZ aaO Rn. 33). Die Anschrift der
Zweigstelle ist dementsprechend ebenso eine Kanzleianschrift wie die Anschrift
der (Haupt-)Kanzlei.
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bb) Der Rechtsanwalt hat nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA auf Briefbögen
nur eine Kanzleianschrift anzugeben (vgl. oben Rn. 21). Unterhält der Rechtsanwalt mehrere Niederlassungen, ist das nach dem Zweck der Regelung die
Anschrift der Niederlassung, für die er anwaltlich tätig ist. Die Bestimmung des
§ 10 Abs. 1 Satz 1 BORA soll gewährleisten, dass der Adressat des Briefes die
Anschrift der Niederlassung erfährt, von der aus der Rechtsanwalt tätig geworden ist und unter der er mit dem Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen kann. Wird
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der Rechtsanwalt für eine Zweigstelle seiner Kanzlei tätig, ist das die Anschrift
der Zweigstelle.
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b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auch aus § 5a Abs. 2 UWG ergibt sich
keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, auf den Briefbögen, die er für seine
anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, kenntlich zu machen, an
welchem Standort er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31
Abs. 3 BRAO unterhält (vgl. Rn. 42 bis 46).
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III. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen
wendet, dass das Berufungsgericht den zweiten Hilfsantrag abgewiesen hat.
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1. Mit dem zweiten Hilfsantrag beantragt die Klägerin, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit unter seiner Erfurter Kanzleiadresse entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich
und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere Kanzleiadressen unterhält.
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2. Der zweite Hilfsantrag unterscheidet sich vom ersten Hilfsantrag nur
darin, dass der Beklagte allein zur Offenlegung weiterer Standorte seiner Kanzlei und nicht zum Kenntlichmachen der (Haupt-)Kanzlei verpflichtet sein soll.
Der Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit
verwendeten Briefbögen weitere Standorte seiner Kanzlei offenzulegen (vgl.
oben Rn. 19 bis 36). Das Berufungsgericht hat den zweiten Hilfsantrag daher
mit Recht abgewiesen.
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C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Beklagten unter
Zurückweisung der Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufzu-
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heben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist das Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten unter
Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abzuändern und die Klage
abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm
Büscher
Kirchhoff
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 23.06.2010 - 7 O 2036/09 OLG Jena, Entscheidung vom 30.03.2011 - 2 U 569/10 -