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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 58/11
vom
12. September 2013
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2013
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter
Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler
beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 24. Januar 2013
wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Gründe:
1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge der Klägerin ist nicht begründet.
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I. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen
der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist
es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivorbringens in den Gründen
der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.). Den
von der Klägerin im Einzelnen bezeichneten und als übergangen gerügten Vortrag hat der Senat in vollem Umfang berücksichtigt.
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II. 1. Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, der Senat hätte den Rechtsstreit dazu, ob Werbung in überregionalen Medien beschränkt werden kann, an
das Berufungsgericht zurückverweisen müssen, so dass die Klägerin nach einem richterlichen Hinweis Gelegenheit gehabt hätte, zu diesem von den Vorinstanzen nicht für relevant erachteten Gesichtspunkt vorzutragen. Auf einen
entsprechenden Hinweis hätte die Klägerin geltend gemacht, bei einer Zurück-
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verweisung an das Berufungsgericht vorzutragen und unter Beweis zu stellen,
dass in überregionalen Zeitschriften eine Beschränkung der Werbung auf bestimmte Wirtschaftsräume und die Ausklammerung von bestimmten Wirtschaftsräumen bei der Beilagenwerbung und der normalen Anzeigenwerbung
technisch möglich, keineswegs unüblich und nicht mit einem nennenswerten
wirtschaftlichen Mehraufwand für den Werbenden verbunden sei.
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Zu einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um der
Klägerin nach einem richterlichen Hinweis Gelegenheit zu geben, zur Werbung
in bundesweit vertriebenen Medien und deren beschränkter Verbreitung vorzutragen, bestand kein Anlass. Zwar können der Grundsatz des Vertrauensschutzes und des fairen Verfahrens es gebieten, das Berufungsurteil aufzuheben, um
einer Partei Gelegenheit zu geben, zu einem Gesichtspunkt vorzutragen, wenn
ein nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotener Hinweis unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil
vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11 Rn. 43 - Modulgerüst II; Urteil
vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 18 = WRP 2011,
742 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Davon kann im Streitfall
aber keine Rede sein.
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Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass die Beklagte ein Interesse an der bundesweiten Präsentation ihres Unternehmens hat, weil sie in der
Wahl und Ausgestaltung ihres Marketingkonzepts in den durch das Recht gezogenen Grenzen frei ist. Diese Annahme des Berufungsgerichts, die auch der
Senat seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hat die Klägerin nicht mit einer
Gegenrüge angegriffen. Das war aber erforderlich, weil die Klägerin damit rechnen musste, dass der Senat in der Sache selbst entscheidet.
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Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin sich mit einer Gegenrüge gegen
die Annahme eines Interesses der Beklagten an einer bundesweiten Werbung
wenden musste, bestand schon deshalb kein Anlass für eine Zurückverweisung
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der Sache an das Berufungsgericht, weil die Frage, ob die Beklagte ein schützenswertes Interesse an einer bundesweiten Werbung hat, nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen zu den zentralen Fragen gehörte, zu denen
die Parteien von sich aus - und nicht erst auf einen richterlichen Hinweis - vortragen mussten. Entsprechend ist die Beklagte in den Tatsacheninstanzen auch
verfahren und hat für sich in Anspruch genommen, unter ihrem Unternehmenskennzeichen überregional werben zu dürfen. In Anbetracht dessen bedurfte es
keines Hinweises an die Klägerin, zu einem fehlenden Interesse der Beklagten
an einer bundesweiten Werbung vorzutragen.
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2. Die Klägerin rügt, sie habe zur Zumutbarkeit einer Beschränkung der
Werbung auf die Regionalteile der "Welt am Sonntag" vorgetragen. Die Aufwendungen für eine Werbung in den Regionen Bayern, Berlin und NordrheinWestfalen seien niedriger als für eine bundesweite Werbung. Der Senat hat
diesen Vortrag zur Kenntnis genommen, das Vorbringen jedoch nicht für entscheidungserheblich erachtet.
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Der Senat hat angenommen, es sei nichts dafür ersichtlich, dass eine
Beschränkung der Werbung in bundesweit vertriebenen Medien auf den Wirtschaftsraum, in dem die Beklagte tätig sei, mit vertretbarem Aufwand und ohne
Einschränkungen der Wirkung der Werbung möglich sei. Dem steht das Vorbringen der Klägerin nicht entgegen. Soweit sie auf die Möglichkeit der Werbung in den Regionalteilen Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen der "Welt
am Sonntag" verweist, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Die Beklagte
hat als großes Handelsunternehmen regelmäßig ein Interesse an einer bundesweiten Werbung. Die Beschränkung lediglich auf Regionalteile in drei Bundesländern steht dem nicht gleich.
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Da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass der Beklagten eine räumliche
Beschränkung bundesweiter Werbung zumutbar ist, kommt es nicht darauf an,
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dass die Klägerin die Berücksichtigung dieses Umstands auch in anderem Zusammenhang vermisst.
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III. 1. Die Klägerin rügt, der Senat habe den umfangreichen Vortrag der
Klägerin zu dem Gutachten der I.
GmbH von Juli 2007 nicht hinreichend
berücksichtigt und damit das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Zudem habe der Senat die Gutachten B.
und C.
unberücksichtigt gelas-
sen. Gleiches gelte für den Vortrag der Klägerin im Revisionsschriftsatz vom
1. Oktober 2012 und in den Schriftsätzen in den Instanzen, in denen die Klägerin auch die Einholung von Sachverständigengutachten beantragt habe.
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Aus diesen Rügen folgt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der
Klägerin. Sie stehen im Zusammenhang mit der Frage, ob der in der Werbung
der Beklagten angebrachte aufklärende Text den Anforderungen genügt, um
einem unzutreffenden Verkehrsverständnis in ausreichendem Maße entgegenzuwirken. Dazu reicht es nach der Senatsrechtsprechung zum Recht der
Gleichnamigen aus, dass die Verwechslungsgefahr auf ein hinnehmbares Maß
verringert wird. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch die von der Klägerin angeführten Gutachten berücksichtigt. Er hat sie nur nicht als geeignet
angesehen, um im Sinne der Klägerin zu der Schlussfolgerung zu gelangen, die
aufklärenden Hinweise der Beklagten seien nach den Grundsätzen des Rechts
der Gleichnamigen unzureichend.
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Der Senat hat das I. -Gutachten von Juli 2007 und den Vortrag der
Klägerin hierzu zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen. Er
hat allerdings das Ergebnis der Fragen P 2 bis P 5 des Gutachtens nicht als
entscheidungserheblich angesehen. Für die Beantwortung der Frage, ob der
von der Beklagten zur Aufklärung der Leser angebrachte Text mit SternchenHinweis ausreicht, kommt es auf die Antworten auf diese Fragen des Meinungsforschungsgutachtens der I.
GmbH nicht an. Für die Bedeutung des aufklä-
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renden Hinweises ist es ohne Belang, ob etwa ein im Rahmen der Erstellung
des Meinungsforschungsgutachtens Befragter nach Ansicht der Anzeige auf die
Frage P 2 "Was war in der Anzeige zu sehen oder zu lesen? Nennen Sie mir
bitte alles woran Sie sich erinnern können, auch wenn Sie meinen, es sei nicht
so wichtig" auf den aufklärenden Hinweis eingeht. Gleiches gilt für die Frage
P 3: "Haben Sie in dieser Anzeige auch eine besondere Information bemerkt,
oder ist das nicht der Fall?" und die anschließenden Zusatzfragen P 4 und P 5.
Die vorliegend zu beurteilende Anzeige betrifft eine Werbung für Hemden, die
die Beklagte vertreibt, und in der sie das Testergebnis der Stiftung Warentest
herausstellt. Entsprechend richten die Befragten ihre Antworten auf die gestellten Fragen ein. Die vorstehenden Fragen sind ungeeignet, um zu ermitteln, ob
der Verkehr durch die Anzeige über das werbende Unternehmen irregeführt
wird oder die aufklärenden Hinweise unter Berücksichtigung der Grundsätze
des Rechts der Gleichnamigen ausreichend sind. Vielmehr ist - wenn überhaupt
- von Bedeutung die Frage P 6 des Gutachtens ("Haben Sie diesen Block bemerkt und gelesen, oder ist er Ihnen nicht aufgefallen?"). Hier haben lediglich
24,9% der angesprochenen Verkehrskreise - das sind die an Mode und Bekleidung Interessierten - angegeben, dass ihnen der Textblock nicht aufgefallen ist
oder sie nicht wussten, dass dieser zur Anzeige gehört. Alle anderen haben den
Block bemerkt. Darauf, ob sie den Text ganz, halb, wenig, fast nicht oder nicht
gelesen haben, kommt es nicht entscheidend an. Erforderlich ist nur, dass der
Text leicht erkennbar, deutlich lesbar, inhaltlich zutreffend, seinem Sinn nach
ohne weiteres erfassbar und geeignet ist, dem unzutreffenden Eindruck in ausreichendem Maße zu begegnen.
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Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herausgestellten Zusammenfassung des I. -Gutachtens. Diese beruht auf den Antworten auf die für die Entscheidung nicht maßgeblichen Fragen oder stellt - zu
Unrecht - bei der Frage P 6 auf alle Befragten und darauf ab, ob diese den Text
gelesen haben. Maßgeblich ist stattdessen, dass nur 24,9% der angesproche-
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nen Verkehrskreise den Textblock übersehen oder der Anzeige nicht zugerechnet haben.
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Die dem Gutachten C.
zugrundeliegende Werbung "Mode für Mei-
len" enthält - anders als die im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehende
Werbung - keinen Hinweis darauf, dass es zwei unabhängige Unternehmen
Peek & Cloppenburg mit Hauptsitz in Düsseldorf und Hamburg gibt. Dieser Unterschied ist für das Verständnis des aufklärenden Textes von entscheidender
Bedeutung. Das Gutachten B.
verhält sich im ersten Abschnitt zur
Wirkung der Werbung mit Beiheftern in überregionalen Zeitschriften und regionalen Abonnementzeitungen. Darum geht es in diesem Zusammenhang nicht.
Soweit im zweiten Abschnitt des Gutachtens B.
die Störung von Kun-
denbeziehungen durch eine bundesweite Werbung untersucht wird, ist dem
Gutachten entweder nicht zu entnehmen, dass die dort beschriebene Werbung
mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Werbung vergleichbar ist, oder es
wird auf die im Gutachten C.
wiedergegebene Werbung Bezug genom-
men, deren Beurteilung für den vorliegenden Fall unergiebig ist.
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2. Die Klägerin rügt, der Senat habe ihren im Revisionsschriftsatz vom
1. Oktober 2012 und ihren weiteren durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag zur Verbraucherwahrnehmung unberücksichtigt gelassen.
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Das trifft nicht zu. Maßgeblich für die Frage, ob die aufklärenden Hinweise ausreichten, ist die Wahrnehmung der fraglichen Anzeigen durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - C-120/04, Slg. 2005,
I-8551 = GRUR 2005, 1042 Rn. 28 - THOMSON LIFE; BGH, Urteil vom
27. März 2013 - I ZR 100/11, GRUR 2013, 631 Rn. 64 = WRP 2013, 778
- AMARULA/Marulablu). Zur Beurteilung der Sichtweise des Durchschnittsver-
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brauchers bedarf es im Regelfall - so auch vorliegend - keiner Einholung eines
Meinungsforschungsgutachtens. Vielmehr kann grundsätzlich der mit der Sache
befasste Richter die Verkehrsauffassung der Anzeige, die sich an das allgemeine Publikum richtet, beurteilen. An Anträge zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ist das Gericht nicht gebunden. Diese Entscheidungspraxis steht
in Einklang mit den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl.
EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - C- 210/96, Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int.
1998, 795 Rn. 30 bis 35 - Gut Springenheide und Tusky; Urteil vom 8. September 2009 - C-478/07, Slg. 2009, I-7721 = GRUR 2010, 143 Rn. 89 - American
Bud II) und ist durch eine gefestigte Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl.
BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 255 - Marktführerschaft; Urteil vom 17. September 2009 - I ZR 103/07, GRUR 2010, 365
Rn. 15 = WRP 2010, 531 - Quersubventionierung von Laborgemeinschaften II;
Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 32 - Biomineralwasser). Dass vorliegend ein Ausnahmefall gegeben ist, in dem dies anders zu beurteilen ist, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
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Weiterhin ist die Frage, ob die aufklärenden Hinweise ausreichen, auch
mit rechtlichen Erwägungen nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen verknüpft. Durch die kennzeichenrechtliche Gleichgewichtslage der Parteien sind diese nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Betätigung, sondern auch in
dem Umfang, in dem sie kennzeichenrechtliche Ansprüche gegen den Namensgleichen geltend machen können, Beschränkungen unterworfen, die die
Parteien im Verhältnis zu Dritten nicht hinnehmen müssen (vgl. BGH, Urteil vom
31. März 2010 - I ZR 174/07, GRUR 2010, 738 Rn. 28 bis 33 = WRP 2010, 880
- Peek & Cloppenburg I; Urteil vom 14. April 2011 - I ZR 41/08, GRUR 2011,
623 Rn. 39 ff. = WRP 2011, 886 - Peek & Cloppenburg II).
Bornkamm
Pokrant
Koch
Büscher
Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.04.2009 - 327 O 533/08 OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.03.2011 - 3 U 69/09 -