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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 209/06
Verkündet am:
2. April 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
ja
nein
ja
POST/RegioPost
MarkenG § 23 Nr. 2
a) Die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG ist im Sinne ihres Zwecks auszulegen, allen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit zu erhalten, für ihre
Produkte beschreibende Angaben zu benutzen.
b) Die aufgrund der Verwendung eines beschreibenden Begriffs in einem Zeichen begründete Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
mit einer älteren, aus dem beschreibenden Begriff bestehenden verkehrsdurchgesetzten Marke begründet nicht zwangsläufig die Annahme eines
Verstoßes gegen die guten Sitten i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG. In die Abwägung ist auch der Umstand einzubeziehen, dass die Markeninhaberin eine Verkehrsdurchsetzung der Marke vor einer vollständigen Liberalisierung
des Postmarktes erreichen konnte.
c) Die Beschränkung des Schutzumfangs einer aus einer beschreibenden Angabe bestehenden Marke nach § 23 Nr. 2 MarkenG verletzt den Markeninhaber nicht in seinem verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht an
der Marke.
BGH, Urt. v. 2. April 2009 - I ZR 209/06 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen
Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 2. November 2006 wird auf
Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin, die Deutsche Post AG, ist eines der weltweit größten Brief-,
Paket-, Transport- und Kurierdienstleistungsunternehmen. Sie ist Inhaberin der
mit Priorität vom 22. Februar 2000 aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Wortmarke Nr. 300 12 966 "POST", die für die Dienstleistungen
Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen,
Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit
schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und
-3-
unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen,
Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften
Schutz genießt. Zugunsten der Klägerin ist auch die Wortmarke Nr. 399 28 272
"Regiopost" (Priorität 17. Mai 1999) eingetragen für
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in
Klasse 16 enthalten; Schreibwaren; Verpackungsmaterial aus Kunststoff,
soweit in Klasse 16 enthalten.
2
Die Klägerin ist zudem Inhaberin weiterer zahlreicher Marken, die mit
dem Wortbestandteil "Post" gebildet sind.
3
Die Beklagte zu 1, die Regio Post Deutschland GmbH & Co., befördert
gewerbsmäßig Briefe und Pakete im Großraum Ludwigshafen. Im Internet unterhält sie eine Homepage unter dem Domainnamen "www.regpo.de". Die Beklagte zu 2 ist Komplementärin der Beklagten zu 1 und Inhaberin dieses sowie
des weiteren Domainnamens "www.regiopostdeutschland.de". Die Beklagte
zu 3 ist Inhaberin der Wortmarke Nr. 300 65 336 "Regio Post Deutschland", die
für Transport, Lagerung und Verpackung von Waren, insbesondere von Briefen
und Paketen eingetragen ist. Der Beklagte zu 4 ist Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und 3.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre Marken und ihr Unternehmenskennzeichen würden durch die Verwendung der Zeichen und Domainnamen
der Beklagten verletzt. Die Verwendung der Bezeichnung "Deutschland" in der
Firmenbezeichnung der Beklagten sei zudem irreführend, weil die Beklagte
zu 1 nicht bundesweit tätig sei.
-4-
5
Die Klägerin hat beantragt,
I.
die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr
1. unter dem Zeichen "RegioPost Deutschland" - wie nachfolgend wiedergegeben -
die Dienstleistungen
Werbung, Verteilung von Werbematerial, insbesondere Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben; Transport, Lagerung und Verpackung
von Waren; insbesondere von Briefen, Einschreiben, Päckchen, Paketen;
Sondertransporte, Eiltransporte, Kurierdienste, Niederlegung von Schriftstücken, Botendienste
anzubieten und/oder zu erbringen und/oder anbieten zu lassen und/oder
erbringen zu lassen
2. und/oder das Zeichen "RegioPost Deutschland" - wie zuvor wiedergegeben - in Geschäftspapieren und/oder in der Werbung im Zusammenhang
mit den unter I 1 angegebenen Dienstleistungen zu benutzen und/oder
benutzen zu lassen;
II. die Beklagten zu 1 und 4 zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr
1. die Unternehmenskennzeichnung "RegioPost Deutschland GmbH & Co.
KG"
2. und/oder den Domainnamen "regiopostdeutschland.de" im Zusammenhang mit den unter I 1 angegebenen Dienstleistungen zu benutzen und/
oder benutzen zu lassen;
III. die Beklagten zu 2 und 4 zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr
1. die Unternehmenskennzeichnung "RegioPost Deutschland GmbH"
2. und/oder den Domainnamen "regiopostdeutschland.de" im Zusammenhang mit den unter I 1 angegebenen Dienstleistungen zu benutzen und/
oder benutzen zu lassen.
-5-
6
Die Klägerin hat die Beklagten zu 1 und 2 zudem auf Einwilligung in die
Löschung ihrer Firmenbezeichnungen, die Beklagte zu 2 auf Einwilligung in die
Löschung der Domainnamen und die Beklagte zu 3 auf Einwilligung in die Markenlöschung sowie sämtliche Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch
genommen. Weiterhin hat sie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung
der Beklagten begehrt.
7
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben geltend gemacht, sie grenzten sich durch die Verwendung der Farbe Blau und des stilisierten Briefumschlags von dem Kennzeichenauftritt der Klägerin ab. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.
8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Klageanträgen teilweise stattgegeben, und
zwar soweit sie sich gegen die Verwendung der Bezeichnung "Deutschland"
nach den Klageanträgen I bis III richten. Den Auskunfts- und den Schadensersatzanspruch hat das Berufungsgericht für die Zeit ab 23. November 2003 im
Umfang des ausgesprochenen Verbots zuerkannt. Im Übrigen ist die Berufung
der Klägerin erfolglos geblieben (OLG Zweibrücken GRUR-RR 2007, 89). Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
-6-
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten An-
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sprüche nur insoweit nach §§ 3, 5, 8 Abs. 1, § 9 UWG für begründet erachtet,
als die Beklagten in den Bezeichnungen den Bestandteil "Deutschland" benutzen. Im Übrigen hat es die Ansprüche verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Die Verwendung des Zusatzes "Deutschland" in Groß- und Kleinschreibung durch die Beklagten sei im Hinblick auf die nur regionale Bedeutung der
Beklagten zu 1 irreführend und deshalb unlauter. Die Beklagten seien insoweit
zur Unterlassung, Auskunftserteilung und zum Schadensersatz verpflichtet.
Auskunft und Schadensersatz schuldeten die Beklagten allerdings erst für die
Zeit ab dem 23. November 2003, weil der Schadensersatzanspruch für den vorausgegangenen Zeitraum verjährt sei und der zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs dienende Auskunftsanspruch für die Zeit vor dem 23. November 2003 nicht mehr durchgesetzt werden könne. Der Klägerin stünden allerdings keine Ansprüche auf Einwilligung in die Löschung des Bestandteils
"Deutschland" in den Firmenbezeichnungen, den Domainnamen und der Marke
gegen die Beklagten zu.
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Die weitergehenden Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Verwendung des Zeichenbestandteils "Post" stünden, seien nicht begründet. Eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG zwischen
den Klagekennzeichen und den von den Beklagten benutzten Zeichen bestehe
nicht. Der Wortmarke "POST" komme im Hinblick auf die beschreibende Bedeutung des Wortes allenfalls schwache Kennzeichnungskraft zu. Die sich ge-
-7-
genüberstehenden Zeichen wiesen deutliche Unterschiede auf. Die angegriffenen Bezeichnungen würden nicht durch den Bestandteil "Post" geprägt.
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Die Unterlassungsansprüche scheiterten zudem an der Schutzschranke
des § 23 Nr. 2 MarkenG. Die Verwendung der Kollisionszeichen durch die Beklagten verstoße nicht gegen die guten Sitten. Unterlassungsansprüche seien
auch nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG gegeben, weil es an
einer Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der
Wertschätzung des Zeichens "POST" ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise fehle.
13
II. Die zulässige Revision ist nicht begründet.
14
1. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche
nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 5 MarkenG aufgrund der Klagemarke
Nr. 300 12 966 "POST" nicht zu.
15
a) Im vorliegenden Verletzungsprozess ist vom Bestand der Klagemarke
"POST" auszugehen. Die Marke steht nach wie vor in Kraft. Die gegen die Marke eingeleiteten Löschungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Der Senat
hat die Beschwerdeentscheidungen aufgehoben, mit denen das Bundespatentgericht die Löschungsanträge des Deutschen Patent- und Markenamts bestätigt
hat (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - I ZB 48/07 - POST II). Solange die Löschungsanordnung nach §§ 50, 54 MarkenG nicht rechtskräftig ist, besteht im
Verletzungsverfahren keine Änderung der Schutzrechtslage und ist der Verletzungsrichter an die Eintragung der Marke gebunden (BGH, Urt. v. 5.6.2008
- I ZR 169/05, GRUR 2008, 798 Tz. 14 = WRP 2008, 1202 - POST I).
-8-
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b) Ob die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Wortmarke
"POST" der Klägerin und den angegriffenen Zeichen der Beklagten bestehe
keine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, im Ergebnis
den Angriffen der Revision standhält, kann offenbleiben. Demzufolge ist für die
rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin vom Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zwischen den Kollisionszeichen auszugehen.
Das verhilft der Revision jedoch nicht zum Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin die begehrten Unterlassungsansprüche nach § 23 Nr. 2 MarkenG nicht zustehen.
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aa) Nach dieser Vorschrift, die Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL umsetzt,
gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten,
ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale der Dienstleistungen, insbesondere ihrer Art oder ihrer Beschaffenheit, im
geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Nach der Rechtsprechung des Senats greift die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG im Hinblick auf die Klagemarke ein, wenn
Wettbewerber, die den beschreibenden Begriff "POST" in ihren Kennzeichen
verwenden, sich durch Zusätze von dem in Alleinstellung benutzten Markenwort
abgrenzen und nicht durch eine Anlehnung an weitere Kennzeichen der Klägerin (Farbe Gelb, Posthorn) die Verwechslungsgefahr erhöhen (vgl. BGH, Urt. v.
5.6.2008 - I ZR 108/05, WRP 2008, 1206 Tz. 18 ff. - CITY POST; BGH GRUR
2008, 798 Tz. 16 ff. - POST I). Die Voraussetzungen der Schutzschranke des
§ 23 Nr. 2 MarkenG sind im Streitfall erfüllt. Die von der Revision gegen die
Rechtsprechung des Senats erhobenen Bedenken sind nicht durchgreifend.
Entgegen der Ansicht der Revision ist auch eine Vorlage an den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG nicht veranlasst.
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18
bb) § 23 Nr. 2 MarkenG unterscheidet nicht nach den verschiedenen
Möglichkeiten der Verwendung der in der Vorschrift genannten Angaben (zu
Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL EuGH, Urt. v. 7.1.2004 - C-100/02, Slg. 2004,
I-691 = GRUR 2004, 234 Tz. 19 - Gerolsteiner Brunnen). Die Anwendung des
§ 23 Nr. 2 MarkenG ist deshalb nicht ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einschließlich einer Benutzung des angegriffenen Zeichens als Marke, also zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen, vorliegen (BGH, Urt. v. 15.1.2004 - I ZR 121/01, GRUR 2004, 600,
602 = WRP 2004, 763 - d-c-fix/CD-FIX; Urt. v. 24.6.2004 - I ZR 308/01, GRUR
2004, 949, 950 = WRP 2004, 1285 - Regiopost/Regional Post). Entscheidend
ist vielmehr, ob die angegriffenen Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften der Dienstleistungen verwendet werden und die Benutzung den
anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht (Art. 6
MarkenRL) sowie - was inhaltlich mit der Formulierung der Richtlinienvorschrift
übereinstimmt - nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 23 MarkenG).
19
cc) Die Beklagten benutzen den mit der Klagemarke im Wesentlichen
übereinstimmenden Bestandteil "Post" in Groß- und Kleinschreibung in den Kollisionszeichen zur Bezeichnung von Merkmalen ihrer Dienstleistungen. Unter
den angegriffenen Zeichen erbringen die Beklagten die Dienstleistungen der
Beförderung und Zustellung von Briefen und sonstigen Sendungen. Für ihre
Wortmarke "Regio Post Deutschland" beansprucht die Beklagte zu 3 ebenfalls
Schutz für diese und weitere damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende
Dienstleistungen.
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Der Begriff "Post" bezeichnet in der deutschen Sprache einerseits die
Einrichtung, die Briefe, Pakete, Päckchen und andere Waren befördert und zustellt und andererseits die beförderten und zugestellten Güter selbst, zum Bei-
- 10 -
spiel Briefe, Karten, Pakete und Päckchen. Im letzteren Sinn beschreibt der
Bestandteil "Post" der angegriffenen Zeichen den Gegenstand, auf den sich die
Dienstleistungen der Beklagten beziehen. Er ist daher eine Angabe über ein
Merkmal der Dienstleistungen der Beklagten i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG.
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dd) Die Benutzung der Kollisionszeichen durch die Beklagten verstößt
auch nicht gegen die guten Sitten i.S. von § 23 MarkenG.
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(1) Das Tatbestandsmerkmal des Verstoßes gegen die guten Sitten im
Sinne dieser Bestimmung ist richtlinienkonform auszulegen. Danach ist von
einer Unlauterkeit der Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen auszugehen, wenn die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder
Handel nicht entspricht (Art. 6 Abs. 1 MarkenRL). Der Sache nach verpflichtet
dies den Dritten, den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln (EuGH GRUR 2004, 234 Tz. 24 - Gerolsteiner Brunnen; Urt. v. 11.9.2007 - C-17/06, Slg. 2007, I-7041 = GRUR 2007,
971 Tz. 33 und 35 - Céline). Dies erfordert eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (EuGH, Urt. v. 16.11.2004 - C-245/02, Slg. 2004,
I-10989 = GRUR 2005, 153 Tz. 82 und 84 - Anheuser Busch; Urt. v. 1.4.2004
- I ZR 23/02, GRUR 2004, 947, 948 = WRP 2004, 1364 - Gazoz), die Sache der
nationalen Gerichte ist (EuGH, Urt. v. 17.3.2005 - C-228/03, Slg. 2005, I-2337 =
GRUR 2005, 509 Tz. 52 - Gillette). Diese gebotene umfassende Beurteilung
aller Umstände ergibt vorliegend, dass die Benutzung der angegriffenen Zeichen durch die Beklagten nicht unlauter ist.
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(2) Der Senat hat für die rechtliche Beurteilung im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung zugunsten der Klägerin vom Vorliegen einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwischen der Klagemarke
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"POST" und den angegriffenen Zeichen "RegioPost Deutschland" auszugehen.
Ein erheblicher Teil des Publikums wird danach eine Verbindung zwischen den
Dienstleistungen der Parteien herstellen, was den Beklagten hätte bewusst sein
müssen. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur Annahme eines Verstoßes
gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel, weil die
Schutzschranke des § 23 MarkenG ansonsten leerliefe (vgl. EuGH GRUR
2004, 234 Tz. 25 - Gerolsteiner Brunnen; GRUR 2005, 153 Tz. 81 - Anheuser
Busch; GRUR 2007, 971 Tz. 36 - Céline; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 34/02,
GRUR 2005, 423, 425 = WRP 2005, 496 - Staubsaugerfiltertüten; GRUR 2008,
798 Tz. 22 - POST I).
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Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, das
Tatbestandsmerkmal der anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel sei nicht erfüllt, wenn die Marke in einer Weise benutzt werde, die Glauben
machen könne, es bestehe eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und
dem Markeninhaber. Das Berufungsgericht hat schon keine Feststellungen dazu getroffen, dass das Publikum aufgrund der kollidierenden Zeichen von Handelsbeziehungen zwischen den Parteien ausgeht. Die Revision rügt insoweit
auch keinen Vortrag der Klägerin als übergangen. Aus diesem Grunde kommt
es nicht darauf an, ob dieses Kriterium aus der zu Art. 6 Abs. 1 lit. c MarkenRL
(= § 23 Nr. 3 MarkenG) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, auf die sich die Revision beruft (EuGH GRUR
2005, 509 Tz. 42 - Gillette), auf § 23 Nr. 2 MarkenG zu übertragen ist.
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Der Senat hat in zwei mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren
Fällen, in denen die Klägerin aus der Klagemarke gegen die Zeichen "CITY
POST" und "Die Neue Post" vorgegangen war, einen Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel verneint (BGH GRUR
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2008, 798 - POST I; WRP 2008, 1206 - CITY POST). Er hat dabei maßgeblich
auf den Umstand abgestellt, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin als früheres Monopolunternehmen ausschließlich mit der Postbeförderung in Deutschland betraut war und dass seit der teilweisen Öffnung des Marktes für Postdienstleistungen auch für private Anbieter in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein besonderes Interesse dieser Unternehmen an der Verwendung
des die in Rede stehenden Dienstleistungen beschreibenden Worts "Post" zur
Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen besteht. Ohne eine entsprechende Beschränkung des Schutzumfangs der Klagemarke würden die erst später auf den
Markt eintretenden privaten Wettbewerber von vornherein von der Benutzung
des Wortes "Post" ausgeschlossen und ausschließlich auf andere (Phantasie-)Bezeichnungen verwiesen. Da Art. 6 MarkenRL und § 23 MarkenG dazu
dienen, die Interessen des Markenschutzes und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit in der Weise in Einklang zu bringen, dass das
Markenrecht seine Rolle als wesentlicher Teil eines Systems unverfälschten
Wettbewerbs spielen kann (EuGH GRUR 2004, 234 Tz. 16 - Gerolsteiner Brunnen; GRUR 2005, 509 Tz. 29 - Gillette; Urt. v. 10.4.2008 - C-102/07, Slg. 2008,
I-2439 = GRUR 2008, 503 Tz. 45 - adidas), ist Wettbewerbern, die neu auf einem bisher durch Monopolstrukturen gekennzeichneten Markt auftreten, die
Benutzung eines beschreibenden Begriffs wie "Post" auch dann zu gestatten,
wenn eine Verwechslungsgefahr mit der gleichlautenden, für die Rechtsnachfolgerin des bisherigen Monopolunternehmens eingetragenen bekannten
Wortmarke besteht. Dadurch tritt zwar eine Beschränkung des Schutzumfangs
der Klagemarke ein. Diese Beschränkung ist wegen der Schutzschranke des
§ 23 Nr. 2 MarkenG im vorliegenden Fall aber im Kern bereits dadurch angelegt, dass eine beschreibende Angabe als Marke verwendet wird. Entgegen der
Ansicht der Revision kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagten zur Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen und des Unternehmens nicht
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zwingend auf den Begriff "POST" angewiesen sind, sondern auch andere Bezeichnungen wählen könnten. Die Beschränkung des Schutzumfangs ist allerdings auf ein angemessenes Maß dadurch zu verringern, dass die neu hinzutretenden Wettbewerber sich durch Zusätze von dem in Alleinstellung benutzten Markenwort abgrenzen müssen und nicht durch eine Anlehnung an weitere
Kennzeichen der Markeninhaberin (Posthorn, Farbe Gelb) die Verwechslungsgefahr erhöhen dürfen.
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Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision ohne Erfolg mit der
Begründung, eine generelle Einschränkung des Markenrechts aufgrund eines
Allgemeininteresses sei nicht vorgesehen, was der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Entscheidung "adidas" (GRUR 2008, 503) klargestellt habe. Für die Marke eines früheren Monopolunternehmens könne
nichts anderes gelten. In die Beurteilung, ob die Verwendung der angegriffenen
Bezeichnungen den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel
entspreche, dürften keine wettbewerbspolitischen Überlegungen einbezogen
werden. Die Voraussetzungen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG, die
als Ausnahmevorschrift ohnehin eng auszulegen sei, lägen im Streitfall nicht
vor. Dem kann nicht beigetreten werden.
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§ 23 Nr. 2 MarkenG ist Ausprägung des Freihaltebedürfnisses an beschreibenden Angaben. Durch die Vorschrift soll allen Wirtschaftsteilnehmern
die Möglichkeit erhalten bleiben, beschreibende Angaben zu benutzen. Durch
sie soll daher ausgeschlossen werden, dass der Markenschutz zu einem Verbot
der Verwendung beschreibender Angaben führen kann, die Wettbewerber zur
Bezeichnung von Merkmalen ihrer Waren oder Dienstleistungen verwenden
wollen (zu Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL EuGH, Urt. v. 25.1.2007 - C-48/05, Slg.
2007, I-1017 = GRUR 2007, 318 Tz. 42 = WRP 2007, 299 - Opel/Autec; EuGH
- 14 -
GRUR 2008, 503 Tz. 46 - adidas). Entgegen der Ansicht der Revision ist die
Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG nicht eng auszulegen. Es gibt keinen
allgemeinen Grundsatz, dass Schutzschranken Ausnahmetatbestände darstellen, deren Anwendungsbereich im Interesse des Schutzes von Immaterialgüterrechten eng zu bemessen ist. Die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL
und die sie umsetzende Bestimmung des § 23 Nr. 2 MarkenG sind als Ausprägung des Freihaltebedürfnisses im Sinne ihres Zieles auszulegen, allen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit zu erhalten, beschreibende Angaben zu benutzen. Bezieht sich die beschreibende Angabe auf ein Merkmal der von dem
Dritten erbrachten Dienstleistungen, ist die Schutzschranke des § 23 Nr. 2
MarkenG vorbehaltlich der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen eröffnet. Dagegen kann aus dem Freihaltebedürfnis keine selbständige Schutzschranke
abgeleitet werden, die unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen des § 23
Nr. 2 MarkenG anzuwenden wäre (EuGH GRUR 2008, 503 Tz. 47 - adidas, zu
Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL). Um eine derartige selbständige Beschränkung
des Markenschutzes geht es aber im Streitfall entgegen der Ansicht der Revision nicht, weil der Begriff "POST" gerade ein Merkmal der Dienstleistungen der
Beklagten bezeichnet und die Voraussetzungen des § 23 Nr. 2 MarkenG daher
erfüllt sind (dazu II 1 b cc).
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Die Beurteilung, ob die Verwendung der angegriffenen Zeichen den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht, hat unter Einbeziehung des Umstands zu erfolgen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin
als früheres Monopolunternehmen ausschließlich mit der Postbeförderung in
Deutschland betraut war und die Klägerin noch über eine bis 31. Dezember
2007 befristete gesetzliche Exklusivlizenz für die Beförderung bestimmter
Briefsendungen verfügte (vgl. § 51 PostG in der für den Zeitraum vom 1. Januar
1998 bis 31. Dezember 2007 jeweils gültigen Fassung). Dies ist, anders als die
- 15 -
Revision meint, im Hinblick auf Sinn und Zweck des Art. 6 MarkenRL von Bedeutung, die grundsätzlichen Interessen des Markenschutzes einerseits und
des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs andererseits derart in Einklang
zu bringen, dass das Markenrecht seine Rolle als wesentlicher Teil eines Systems unverfälschten Wettbewerbs spielen kann (EuGH GRUR 2004, 234 Tz. 16
- Gerolsteiner Brunnen; GRUR 2008, 503 Tz. 45 - adidas). Vor der Liberalisierung des Marktes für Postdienstleistungen konnten die Wettbewerber ihr Interesse an der Verwendung des Begriffs "POST" nicht oder nur schrittweise zur
Geltung bringen, während die Klägerin in dieser Zeit geschützt vor einem freien
Wettbewerb eine etwaige Verkehrsdurchsetzung ihrer Marke erreichen konnte.
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Der von der Revision angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bedarf es nicht. Die allgemeinen Rechtsfragen zum
Anwendungsbereich der Schutzschranke des Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL, die
sich im vorliegenden Verfahren stellen, sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Frage, ob der Begriff "POST" ein Merkmal der in Rede
stehenden Dienstleistungen beschreibt, und ob die Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen einen Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten in
Gewerbe oder Handel darstellt, ist eine Frage der Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Grundsätze auf den
vorliegenden Fall, die den nationalen Gerichten obliegt (vgl. EuGH, Urt. v.
30.9.2003 - C-224/01, Slg. 2003, I-10239 = NJW 2003, 3539 Tz. 100 - Köbler;
EuGH GRUR 2005, 509 Tz. 46 - Gillette).
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(3) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten mit den angegriffenen
Zeichen, die den Zusatz "Regio" und die Ortsangabe "Deutschland" aufweisen
und sich von dem Begriff "POST" deutlich abheben, einen ausreichenden Abstand zu der Klagemarke - auch unter Berücksichtigung ihrer Kennzeichnungs-
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kraft und Bekanntheit - gewahrt, um nicht gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel zu verstoßen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten sich weitergehend an die Kennzeichen der Klägerin angelehnt haben,
bestehen nicht. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass den Beklagten die Benutzung des Bestandteils "Deutschland" wegen der davon ausgehenden Gefahr
einer Irreführung über die nur regionale Bedeutung der Beklagten zu 1 verboten
worden ist. Daraus ergibt sich nicht, dass die Beklagten "RegioPost" nunmehr
in Alleinstellung verwenden. Auf den Umstand, dass die Beklagten auf andere
Zeichen mit dem Begriff "Post" ausweichen könnten - die Klägerin schlägt im
Streitfall die Bezeichnung "Regio Post-Service" vor - und ihnen deshalb der
Marktzutritt bei einem Verbot der hier in Rede stehenden Zeichen nicht verwehrt wäre, kommt es nicht an. Anders als § 23 Nr. 3 MarkenG stellt § 23 Nr. 2
MarkenG auf eine Notwendigkeit der Benutzung des der Klagemarke entsprechenden Zeichens nicht ab.
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(4) Die Revision sieht im Streitfall in der Beschränkung des Schutzes der
Klagemarke "POST" durch die Anwendung der Schrankenregelung des § 23
Nr. 2 MarkenG zu Unrecht einen Verstoß gegen ihr grundgesetzlich geschütztes Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
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Zu dem durch die Eigentumsgarantie grundgesetzlich geschützten Bereich gehört zwar auch das Recht an der Marke (vgl. BVerfGE 51, 193, 216 f.;
78, 58, 70; 95, 173, 188). In den für die Klägerin durch die Eigentumsgarantie
geschützten Bereich wird vorliegend jedoch nicht eingegriffen. Das Markenrecht
steht der Klägerin nicht schrankenlos zu. Sein Schutzumfang wird erst durch
die im Markengesetz vorgesehenen Bestimmungen konkretisiert. Dazu rechnen
auch die durch die Markenrechtsrichtlinie vorgesehenen Schrankenbestimmungen. Mit der Wahl eines die Dienstleistungen beschreibenden Begriffs als Mar-
- 17 -
ke unterliegt das Immaterialgüterrecht der Klägerin im Verhältnis zu Dritten
zwangsläufig der den Schutzumfang ihrer Marke beschränkenden Wirkung des
§ 23 Nr. 2 MarkenG. Die daraus folgende Begrenzung des Schutzumfangs des
Markenrechts ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht unverhältnismäßig. Sie ist vielmehr Rechtsfolge der Verwendung eines die Merkmale der
Dienstleistungen beschreibenden Begriffs als Marke, die damit auch keinen
unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 und 14 GG
darstellt.
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c) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht
auf den Schutz einer bekannten Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5
MarkenG stützen. In diesem Zusammenhang kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Klagemarke die Voraussetzungen einer bekannten
Marke erfüllt (hierzu näher Büscher, Festschrift Ullmann, 2006, S. 129, 140 f.).
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Die Verwendung der angegriffenen Zeichen erfolgt jedoch nicht ohne
rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
Insoweit gelten dieselben Erwägungen (II 1 b dd), die der Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen
(vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 149/96, GRUR 1999, 992, 994 = WRP 1999,
931 - BIG PACK).
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d) Die weiteren Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Einwilligung in die Löschung der Marke, der Unternehmenskennzeichen und der Domain-Namen der Beklagten (§ 14 Abs. 2, 5 und 6, § 19 MarkenG, § 242 BGB)
bestehen ebenfalls nicht, weil die Klagemarke nicht verletzt worden ist.
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2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit die Klägerin die Klage auf
das Unternehmenskennzeichen "Deutsche Post AG" und das Firmenschlagwort
"POST" der vollständigen Firmenbezeichnung gestützt hat. Den aus § 15
Abs. 2, 4 und 5 MarkenG abgeleiteten Ansprüchen steht ungeachtet einer etwaigen Verwechslungsgefahr i.S. von § 15 Abs. 2 MarkenG die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG entgegen. Auch die aus dem Schutz des bekannten
Unternehmenskennzeichens nach § 15 Abs. 3 MarkenG hergeleiteten Ansprüche sind nicht gegeben, weil die Beklagten die Kollisionszeichen nicht ohne
rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise verwendet haben. Insoweit gelten
zu den Ansprüchen aus dem vollständigen Unternehmenskennzeichen und
dem Firmenschlagwort der Klägerin die Ausführungen zur Klagemarke "POST"
entsprechend.
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3. Die Klägerin kann schließlich die von ihr geltend gemachten Ansprüche auch nicht mit Erfolg auf ihre Wortmarke Nr. 399 28 272 "Regiopost" stützen. Zugunsten der Klägerin kann auch für diese Klagemarke unterstellt werden, dass eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG mit
den kollidierenden Zeichen der Beklagten besteht. Der Unterlassungsanspruch
nach § 14 Abs. 5 MarkenG ist jedoch ebenfalls nach § 23 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen. Die angegriffenen Zeichen der Beklagten sind im Bereich der
Briefbeförderung und des Transportwesens nicht nur isoliert bezogen auf den
Wortbestandteil "POST" in Groß- und Kleinschreibung, sondern auch bezogen
auf die Zeichenkombination "RegioPost" beschreibend. Der Bestandteil "Regio"
in den angegriffenen Zeichen bezeichnet den räumlich begrenzten Tätigkeitsbereich der Beklagten. Das Berufungsgericht hat hierzu zwar keine Feststellungen
getroffen. Dies vermag der Senat anhand des Gesamteindrucks der angegriffenen Zeichen aber selbst zu beurteilen. Danach beschreibt auch die Zeichenkombination "RegioPost" ein Merkmal der Dienstleistungen der Beklagten i.S.
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von § 23 Nr. 2 MarkenG. Die angegriffenen Zeichen der Beklagten verletzen
deshalb auch die Klagemarke "Regiopost" der Klägerin nicht.
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4. Die Revision wendet sich schließlich auch ohne Erfolg dagegen, dass
das Berufungsgericht den Schadensersatz- und den Auskunftsanspruch nach
§ 9 UWG und § 242 BGB wegen irreführender Werbung im Hinblick auf die
Verwendung der Bezeichnung "Deutschland" auf den Zeitraum seit dem
23. November 2003 beschränkt hat. Für den davorliegenden Zeitraum sind die
Schadensersatzansprüche nach § 11 Abs. 1 und 2 UWG verjährt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Klägerin die Tätigkeit der Beklagten
unstreitig schon seit längerer Zeit bekannt gewesen sei und im Hinblick auf die
am 23. April 2004 bei Gericht eingereichte Klage nach § 11 UWG, § 167 ZPO,
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB Schadensersatzansprüche für den Zeitraum vor dem
23. November 2003 verjährt seien.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung zu
Recht auch auf den wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 9
UWG und nicht nur auf die aus den Kennzeichen der Klägerin hergeleiteten
Ansprüche bezogen. Dies folgt aus der Auslegung der Erklärung der Beklagten
zur Verjährung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB. Die Beklagten hatten sich darauf berufen, dass die Klägerin bereits seit Ende 2000
Kenntnis von den geschäftlichen Bezeichnungen und der Tätigkeit der Beklagten hatte, und sie hatten darauf die Einrede der Verjährung gestützt. Die Beklagten haben zwar im Zusammenhang mit der Erhebung der Verjährungseinrede nur markenrechtliche Ansprüche angeführt. Daraus folgt aber keine Beschränkung der Verjährungseinrede ausschließlich auf die kennzeichenrechtlichen Ansprüche.
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Die Verjährungsfrist für die markenrechtlichen Ansprüche betrug nach
§ 20 Satz 1 MarkenG i.V. mit §§ 195, 199 Abs. 1 BGB drei Jahre beginnend mit
dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des
Schuldners Kenntnis erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen musste. Die markenrechtliche Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche ist danach deutlich länger als diejenige des wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 11 Abs. 1 und 2 UWG von sechs Monaten. Hatten
die Beklagten aber die Ansicht vertreten, dass die längere markenrechtliche
Verjährungsfrist abgelaufen war und in diesem Zusammenhang die Verjährungseinrede erhoben, konnte das Berufungsgericht zu Recht davon ausgehen,
dass sich die Verjährungseinrede auch auf den wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch bezog.
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Davon, dass die Klägerin bereits vor dem 23. November 2003 in einer
für den Eintritt der Verjährung relevanten Weise Kenntnis von dem Verhalten
der Beklagten hatte, ist das Berufungsgericht aufgrund des unstreitigen Sachverhalts ausgegangen. Das stellt die Revision auch nicht in Abrede, wenn sie
die Feststellungen des Berufungsgerichts in diesem Zusammenhang als unpräzise rügt. Soweit sie eine Verletzung der Aufklärungspflicht geltend macht, zeigt
sie nicht auf, was sie auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts
vorgetragen hätte.
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Danach ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass
der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 9 UWG nach § 11 Abs. 1
und 2 UWG für den Zeitraum vor dem 23. November 2003 verjährt war und ein
der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs dienender Auskunftsanspruch
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nach § 242 BGB für den Zeitraum, für den der Schadensersatzanspruch verjährt ist, ebenfalls ausscheidet.
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5. Ohne Erfolg stützt die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf
Unterlassung, Auskunftserteilung, Einwilligung in die Löschung und auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nunmehr auf wettbewerbsrechtliche
Bestimmungen (§ 8 Abs. 1, §§ 9, 3, 5 UWG) im Hinblick auf eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 5 Abs. 2 UWG.
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Bei Schutzrechtsverletzungen wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch
genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt,
aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 166, 253 Tz. 25
- Markenparfümverkäufe; BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071
Tz. 56 = WRP 2007, 1461 - Kinder II). Durch seinen Vortrag über die Entstehung und den Bestand des Schutzrechts als Teil des Lebenssachverhalts bestimmt der Kläger über den Streitgegenstand. Werden neben Ansprüchen aus
einem Schutzrecht wettbewerbsrechtliche Ansprüche unter dem Gesichtspunkt
der Irreführung geltend gemacht, handelt es sich grundsätzlich um unterschiedliche Streitgegenstände, weil der Kern des jeweiligen Sachverhalts nicht unverändert ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 757 =
WRP 2001, 804 - Telefonkarte). Davon ist auch auszugehen, wenn eine Irreführungsgefahr nach § 5 Abs. 2 UWG geltend gemacht wird. Nach dieser Vorschrift, die Art. 6 Abs. 2 lit. a der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
umsetzt, ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie eine Verwechslungsgefahr mit einer Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. Anders als bei Kennzeichenverletzungen nach dem Markengesetz setzt ein auf einen Irreführungstatbestand gestütztes Verbot voraus, dass
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die Fehlvorstellung geeignet ist, das Marktverhalten der Gegenseite zu beeinflussen (BGH, Urt. v. 26.10.2006 - I ZR 33/04, GRUR 2007, 247 Tz. 34 = WRP
2007, 303 - Regenwaldprojekt I; Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 171/04, GRUR 2008,
443 Tz. 29 = WRP 2008, 666 - Saugeinlagen). Zudem ist auch die Aktivlegitimation unterschiedlich ausgestaltet. Während zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche grundsätzlich die in § 8 Abs. 3 UWG angeführten Beteiligten aktivlegitimiert sind, stehen kennzeichenrechtliche Ansprüche dem Inhaber des Schutzrechts zu. Nach diesen Maßstäben sind die von der Klägerin
geltend gemachten Ansprüche wegen irreführender Werbung aufgrund einer
Verwechslungsgefahr mit den Klagemarken i.S. von § 5 Abs. 2 UWG ein gegenüber kennzeichenrechtlichen Ansprüchen weiterer Streitgegenstand.
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Einen neuen Streitgegenstand kann die Klägerin im Revisionsverfahren
nicht einführen (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Tz. 61
= WRP 2007, 1466 - Kinderzeit; BGH GRUR 2007, 1071 Tz. 57 - Kinder II).
Dass das Berufungsgericht wettbewerbsrechtliche Ansprüche aufgrund irreführender Werbung übergangen hat, hat die Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht gerügt.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm
Büscher
Bergmann
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 13.09.2005 - 6 O 152/04 OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 02.11.2006 - 4 U 140/05 -