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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 190/04
Verkündet am:
26. April 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
ja
nein
ja
Internet-Versicherung
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni
2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt
("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") Art. 5 Abs. 1 lit. c
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von
Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der
Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs,
im Binnenmarkt (ABl. EG Nr. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) folgende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist ein Diensteanbieter nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie verpflichtet, vor
Vertragsabschluss mit einem Nutzer des Dienstes eine Telefonnummer anzugeben, um eine schnelle Kontaktaufnahme und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zu ermöglichen?
2. Falls die Frage zu 1 verneint wird:
a) Muss ein Diensteanbieter neben der Angabe der Adresse der elektronischen Post vor einem Vertragsschluss mit einem Nutzer des Dienstes nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie einen zweiten Kommunikationsweg eröffnen?
b) Bejahendenfalls: Reicht es für einen zweiten Kommunikationsweg aus,
dass der Diensteanbieter eine Anfragemaske einrichtet, mit der der Nutzer sich über das Internet an den Diensteanbieter wenden kann, und die
Beantwortung der Anfrage des Nutzers durch den Diensteanbieter mittels
E-Mail erfolgt?
BGH, Beschl. v. 26. April 2007 - I ZR 190/04 - OLG Hamm
LG Dortmund
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
beschlossen:
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden
zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000
über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. EG Nr. L 178 vom 17. Juli
2000, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist ein Diensteanbieter nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie
verpflichtet, vor Vertragsabschluss mit einem Nutzer des
Dienstes eine Telefonnummer anzugeben, um eine schnelle
Kontaktaufnahme und eine unmittelbare und effiziente
Kommunikation zu ermöglichen?
2. Falls die Frage zu 1 verneint wird:
a) Muss ein Diensteanbieter neben der Angabe der Adresse
der elektronischen Post vor einem Vertragsschluss mit
einem Nutzer des Dienstes nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der
Richtlinie einen zweiten Kommunikationsweg eröffnen?
-3-
b) Bejahendenfalls: Reicht es für einen zweiten Kommunikationsweg aus, dass der Diensteanbieter eine Anfragemaske einrichtet, mit der der Nutzer sich über das Internet an den Diensteanbieter wenden kann, und die Beantwortung der Anfrage des Nutzers durch den Diensteanbieter mittels E-Mail erfolgt?
Gründe:
1
I. Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bietet Kraftfahrzeugversicherungen an. Sie wirbt Kunden ausschließlich über das Internet. Auf ihren
Internetseiten gibt die Beklagte ihre Postanschrift und ihre E-Mail-Adresse, nicht
aber ihre Telefonnummer an. Individuelle Fragen kann ein Interessent über eine
Internet-Anfragemaske an die Beklagte richten. Die Antworten versendet die
Beklagte per E-Mail. Ihre Telefonnummer teilt sie Kunden erst nach Abschluss
eines Versicherungsvertrags mit.
2
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., hat geltend gemacht,
die Beklagte sei verpflichtet, im Rahmen ihres Internetauftritts ihre Telefonnummer anzugeben. Nur so sei die gesetzlich vorgesehene unmittelbare Kommunikation zwischen einem Interessenten und der Beklagten gewährleistet.
3
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
-4-
1. Endverbrauchern
www.d.
im
Internet
.de
unter
Angebote
der
von
Adresse
Versiche-
rungsleistungen zu unterbreiten und die Möglichkeit des Abschlusses von Versicherungsverträgen anzubieten, ohne durch
Angabe einer Telefonnummer die unmittelbare Kommunikation
des Verbrauchers mit dem Versicherer zu ermöglichen,
hilfsweise
2. auf
www.d.
der
Internetseite
.de
mit
Angebote
der
Adresse
von
Versiche-
rungsleistungen zu unterbreiten und die Möglichkeit des Abschlusses von Versicherungsverträgen anzubieten, wie in der
Anlage K 2a-K 5b wiedergegeben.
4
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
5
Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag verurteilt. Auf
die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen
(OLG Hamm NJW-RR 2004, 1045).
6
Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
des Klägers, mit der er die Verurteilung der Beklagten weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 5 Abs. 1
lit. c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Bin-
-5-
nenmarkt (ABl. EG Nr. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß
Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung zu den im Beschlusstenor gestellten Fragen einzuholen.
8
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bereitstellung einer telefonischen Kontaktaufnahme sei nicht zwingend erforderlich, um eine unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Diese sei auch über die bereitgestellte
Anfragemaske und die Beantwortung der Fragen von Interessenten durch Mitarbeiter der Beklagten per E-Mail möglich. In die Kommunikation zwischen den
Interessenten und der Beklagten seien selbständig tätige Dritte nicht zwischengeschaltet. Auch in zeitlicher Hinsicht werde eine unmittelbare Kommunikation
mit der Beklagten erreicht. Diese beantworte Anfragen nach eigenen Angaben
innerhalb von 30 bis 60 Minuten. Nach den Feststellungen des gerichtlichen
Sachverständigen sei eine von diesem gestellte Probeanfrage innerhalb weniger Minuten von der Beklagten beantwortet worden.
9
2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach
§ 2 Abs. 1 u. 2 Nr. 2 UKlaG und aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu,
wenn die Beklagte nach § 5 Satz 1 Nr. 2 TMG zur Angabe einer Telefonnummer im Rahmen ihrer Internetpräsentation verpflichtet ist.
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a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die
dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Verbraucherschutzgesetze i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
UKlaG u.a. die Bestimmungen zur Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie
2000/31/EG. Hierzu zählt die Bestimmung des § 5 TMG, die an die Stelle des
-6-
wortgleichen § 6 TDG getreten ist (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf
eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen
Geschäftsverkehr
[Elektronischer
Geschäftsverkehr
- Gesetz
EGG]
BT-
Drucks. 14/6098, S. 21; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 228/03, GRUR
2007, 159 Tz 15 = WRP 2006, 1507 - Anbieterkennzeichnung im Internet).
11
Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG müssen Diensteanbieter den Nutzern des Dienstes und den zuständigen Behörden Angaben, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, leicht erkennbar, unmittelbar
erreichbar und ständig verfügbar halten, die es ermöglichen, schnell mit dem
Diensteanbieter Kontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mit ihm zu
kommunizieren. Diese Bestimmung ist im deutschen Recht durch § 5 Abs. 1
Nr. 2 TMG (= § 6 Abs. 1 Nr. 2 TDG a.F.) umgesetzt worden. Sowohl Art. 5
Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG als auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG erfordern
nach ihrem Wortlaut keine Angabe einer Telefonnummer, unter der der
Diensteanbieter erreichbar ist.
12
b) Die Angabe einer Telefonnummer könnte jedoch nach Sinn und
Zweck des Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG erforderlich sein, um
eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zwischen dem Diensteanbieter
und dem Nutzer zu ermöglichen.
13
In der deutschen Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, ob die
Möglichkeit zu einer unmittelbaren Kommunikation zwingend voraussetzt, dass
eine telefonische Kontaktaufnahme eröffnet wird (von der Notwendigkeit der
Angabe einer Telefonnummer gehen aus: OLG Köln GRUR-RR 2005, 24;
Fezer/Mankowski, UWG, § 4-S 12 Rdn. 149; Spindler in Spindler/Schmitz/Geis,
TDG, 2004, § 6 Rdn. 25; Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet,
Rdn. 372; Wüstenberg, WRP 2002, 782, 783; Kaestner/Tews, WRP 2002,
-7-
1011, 1013; Ernst, GRUR 2003, 759; Stickelbrock, GRUR 2004, 111, 113; a.A.
Härting, DB 2001, 80, 81; Föhlisch in Hoeren/Sieber, Handbuch MultimediaRecht (Stand August 2006), Kap. 13.4 Rdn. 127 f.). Auch die Begründung zum
Regierungsentwurf des EGG (BT-Drucks. 14/6098, S. 21) sieht es als erforderlich an, dass der Diensteanbieter eine Telefonnummer angibt, um eine unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen.
14
Für diese Ansicht spricht, dass nur telefonisch und nicht per E-Mail oder
Telefax eine Kommunikation in Form von Rede und Gegenrede im Sinne eines
echten Dialogs möglich ist. Zudem erleichtert die Einrichtung eines Telefonanschlusses dem Nutzer die Kontaktaufnahme, der so nicht allein auf eine schriftliche Kommunikation mit dem Diensteanbieter verwiesen wird.
15
Andererseits könnten E-Mail, Computer- und Telefax auch den Anforderungen genügen, die an eine unmittelbare und effiziente Kommunikation zu stellen sind. Entsprechend wird in der Rechtsprechung angenommen, dass neben
der E-Mail-Adresse die Angabe einer Telefaxnummer ausreicht (österreichischer OGH, Urt. v. 18.11.2003 - 4 Ob 219/03, MMR 2004, 599, 601 = CR 2004,
684). Die Notwendigkeit, telefonische Anfragen von Interessenten zu beantworten, würde die Beklagte zwingen, ihr Geschäftskonzept einer Kundenakquisition
ausschließlich über das Internet zu ändern. Die Beklagte würde in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt, obwohl die Richtlinie 2000/31/EG nach ihren Erwägungsgründen 4 bis 6 gerade auf den Abbau von Hemmnissen, auf die Weiterentwicklung der Dienste der Informationsgesellschaft in der Gemeinschaft
und auf die Nutzung der Chancen des Binnenmarktes durch den elektronischen
Geschäftsverkehr abzielt. Zudem würde die Einrichtung eines Telefonanschlusses nicht notwendigerweise eine unmittelbare und effiziente Kommunikation
zwischen Nutzer und Diensteanbieter erlauben. Wird die Telefonnummer als
Mehrwertdienstenummer eingerichtet, könnten potentielle Nutzer durch die da-
-8-
mit verbundenen zusätzlichen Kosten von einer Kontaktaufnahme abgehalten
werden. Einschränkungen der Erreichbarkeit in zeitlicher und kapazitätsmäßiger
Hinsicht könnten die Kontaktaufnahme erschweren und weitere Reglementierungen erfordern.
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3. Ist die Beklagte zur Angabe einer Telefonnummer nach Art. 5 Abs. 1
lit. c der Richtlinie 2000/31/EG nicht verpflichtet, wäre das mit dem Hilfsantrag
zu 2 verfolgte Verbot auszusprechen, wenn die Beklagte nach dieser Bestimmung der Richtlinie verpflichtet wäre, neben der Kontaktmöglichkeit im Wege
der elektronischen Post einen weiteren Kommunikationsweg zu ihr zu eröffnen
und die von ihr eingerichtete Anfragemaske diesen Anforderungen nicht genügt.
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a) Die Notwendigkeit, einen zweiten Kommunikationsweg zu eröffnen, ist
in Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Auch der Formulierung "einschließlich seiner Adresse der elektronischen
Post" lässt sich das Erfordernis eines zweiten Kommunikationswegs neben der
Angabe der E-Mail-Adresse nicht zwingend entnehmen. Allerdings hat der österreichische Oberste Gerichtshof zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 des österreichischen
E-Commerce-Gesetzes (öECG), durch das die Richtlinie 2000/31/EG umgesetzt worden ist (§ 31 Abs. 2 öECG), angenommen, neben der Angabe der
elektronischen Postadresse sei mindestens ein anderer individueller Kommunikationsweg erforderlich (öOGH MMR 2004, 599, 601).
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b) Sollte ein zweiter Kommunikationsweg nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der
Richtlinie 2000/31/EG vom Diensteanbieter eingerichtet werden müssen,
kommt es für die Entscheidung des Streitfalls darauf an, ob neben der Angabe
der E-Mail-Adresse die Einrichtung einer Anfragemaske, mit der sich der Nutzer
über das Internet mit schriftlichen Anfragen an den Diensteanbieter wenden
kann, der diese nach seiner Ankündigung innerhalb einer Stunde per E-Mail
-9-
beantwortet, den Anforderungen an eine schnelle Kontaktaufnahme und unmittelbare und effiziente Kommunikation i.S. von Art. 5 Abs. 1 lit. c der Richtlinie
2000/31/EG genügt. Zwar hat nicht jeder Internetnutzer eine eigene E-MailAdresse. Gleichwohl spricht für eine solche Auslegung, dass von einem Internetnutzer erwartet werden kann, dass er über die für die Kommunikation im Internet üblichen Empfangseinrichtungen verfügt, wenn er sich an einen nach
seinem Geschäftsmodell vor Vertragsschluss nur im Internet präsenten
Diensteanbieter wenden will.
Bornkamm
v. Ungern-Sternberg
Büscher
Pokrant
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 09.07.2003 - 5 O 120/03 OLG Hamm, Entscheidung vom 17.03.2004 - 20 U 222/03 -