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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 177/13
Verkündet am:
17. November 2014
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
nein
ja
Möbelkatalog
UrhG § 57
a) Die Schutzschranke gemäß § 57 UrhG erfasst auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im
Sinne von § 19a UrhG.
b) Die Prüfung, ob ein Werk gemäß § 57 UrhG unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setzt zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstandes voraus. Wird ein Gemälde zusammen mit zum Verkauf stehenden
Möbeln in einer Fotografie und diese Fotografie im Verkaufskatalog des Möbelherstellers und auf seiner Internetseite abgebildet, ist der Hauptgegenstand im Regelfall nicht der gesamte Möbelkatalog oder der gesamte Internetauftritt des Anbieters, sondern die konkrete Fotografie.
c) Ein Werk ist im Verhältnis zum Hauptgegenstand unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG, wenn das
Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter
auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst
wird.
d) Darüber hinaus ist ein Werk als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, wenn ihm
nach den Umständen des Einzelfalls keine auch noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum
Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit
für diesen ohne jede Bedeutung ist. Eine derart nebensächliche Bedeutung kann dem mitverwerteten
Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend
oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in das Hauptwerk oder den eigentlichen
Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst - etwa
für eine Film- oder Theaterszene - charakteristisch ist.
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - OLG Köln
LG Köln
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 23. August 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Urheber des Gemäldes "ohne Titel 2002/08", Mischtechnik
auf Leinwand. Die Beklagte produziert und vertreibt Büromöbel. Im Jahre 2008
kamen die Parteien überein, mehrere Werke des Klägers auszustellen. Dazu
zählte auch das Gemälde "ohne Titel 2002/08", das der Kläger der Beklagten
im August 2008 zu diesem Zweck zur Verfügung stellte.
2
Nach Rückgabe des Gemäldes bemerkte der Kläger, dass im Katalog der
Beklagten wie nachfolgend wiedergegeben eine Fotografie veröffentlicht wor-
-3-
den war, auf der neben den in der Verkaufsausstellung der Beklagten präsentierten Möbeln auch sein Gemälde zu sehen war.
3
Diese Fotografie war zudem auf der Internetseite der Beklagten abrufbar.
Ein Hinweis auf den Kläger als Urheber des Gemäldes fehlte jeweils.
4
Der Kläger sieht in dem Verhalten der Beklagten eine Verletzung seines
Urheberrechts. Auf seine Abmahnung hin hat die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben, eine ebenfalls verlangte Auskunftserteilung aber verweigert. Der Kläger hat im Wege der Stufenklage zuletzt beantragt, die Beklagte zu
verurteilen,
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1. Auskunft zu erteilen über den Zeitraum, währenddessen das nachfolgend wiedergegebene Werk des Klägers ohne Titel 2002/08, Mischtechnik auf Leinwand; Archiv Nr. B_04/099; Maße 220 cm x 190 cm, auf der Website der Beklagten www.w...-bueromoebel.de öffentlich zugänglich gemacht wurde:
2. Auskunft zu erteilen, an welcher sonstigen Stelle im Internet einschließlich sozialer Netzwerke und/oder offline, etwa in Katalogen, das unter 1. näher beschriebene Werk zugänglich gemacht wurde, und zwar ganz oder teilweise,
selbst oder durch Dritte, jeweils mit dem jeweiligen Veröffentlichungszeitraum.
5
Der Kläger hat zudem angekündigt, die Beklagte nach erteilter Auskunft
auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Anspruch zu nehmen.
6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, die vom
Kläger beanstandete Nutzung des streitbefangenen Werkes sei mit seiner Zustimmung erfolgt. Außerdem stelle die Abbildung des Gemäldes des Klägers in
einer Lichtbildaufnahme der in den Verkaufsräumen ausgestellten Möbel ledig-
-5-
lich unwesentliches Beiwerk der Produktpräsentation dar und sei daher ohne
weiteres zulässig gewesen.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen (OLG Köln,
GRUR-RR 2014, 58 = WRP 2013, 1662). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der
Kläger die Auskunftsanträge weiter. Hinsichtlich des in der zweiten Stufe geltend gemachten noch unbezifferten Schadensersatzanspruchs begehrt er die
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Entscheidungsgründe:
8
A. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt als unbegründet angesehen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe weder ein Anspruch auf Schadensersatz noch auf Erteilung der zur Bezifferung desselben erforderlichen
Auskünfte zu, da es bereits an einer Verletzung eines Urheberrechts des Klägers fehle.
9
Das im Katalog und im Internetauftritt der Beklagten abgebildete Gemälde
des Klägers sei als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, so dass seine Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe in diesem Rahmen ohne weiteres zulässig gewesen sei. "Eigentlicher Gegenstand" der Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 57 UrhG, neben dem
das Gemälde des Klägers als unwesentliches Beiwerk anzusehen sei, sei nicht
die einzelne Fotografie, auf der das Werk des Klägers abgebildet sei. Abzustel-
-6-
len sei vielmehr auf den gesamten Möbelkatalog und den vollständigen Internetauftritt der Beklagten. Bei den im Katalog der Beklagten enthaltenen Abbildungen stünden die Möbel der Beklagten, deren Absatz gefördert werden solle,
eindeutig im Vordergrund. Soweit auf den Katalogabbildungen Kunstgegenstände erkennbar seien, seien diese reine Staffage und ohne weiteres austauschbar. Nichts anderes gelte hinsichtlich der - jedenfalls zu einem früheren
Zeitpunkt - in den Internetauftritt der Beklagten eingebundenen Fotografie. Diese sei dort nur als eine von insgesamt sechs Fotografien eingeblendet gewesen. Zudem sei darauf das Gemälde des Klägers nur derart klein und vergröbert wiedergegeben worden, dass Einzelheiten nicht mehr erkennbar gewesen
seien.
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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
11
I. Der vom Kläger geltend gemachte Auskunftsanspruch kann mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung, zugunsten der Beklagten greife die
Schutzschranke des § 57 UrhG ein, nicht verneint werden.
12
1. Der aus § 97 UrhG in Verbindung mit § 242 BGB abgeleitete unselbständige Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung des
Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass der Beklagte widerrechtlich und
schuldhaft ein dem Kläger nach dem Urheberrechtsgesetz zustehendes Recht
verletzt hat, dem Kläger aufgrund dieser Rechtsverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht, zu dessen Berechnung die Auskunft erforderlich ist und der
Kläger in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren
ist, während der Beklagte unschwer Auskunft erteilen kann (vgl. BGH, Urteil
-7-
vom 16. August 2012 - I ZR 96/09, ZUM 2013, 406 Rn. 15 - Einzelbild; Urteil
vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rn. 28 = WRP 2015,
347 - Hi Hotel II).
13
Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die
revisionsrechtliche Prüfung davon auszugehen, dass das vom Kläger geschaffene Gemälde "ohne Titel 2002/08" gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werk der
bildenden Kunst urheberrechtlichen Schutz genießt und die Beklagte durch die
Abbildung des Gemäldes im Katalog und auf der Internetseite - vorbehaltlich
des Eingreifens einer Bestimmung über die Schranken des Urheberrechts - widerrechtlich und schuldhaft in das ausschließliche Recht des Klägers zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG) eingegriffen hat. Für die Revisionsinstanz ist ferner aus dem gleichen Grund zu unterstellen, dass auch die
weiteren Voraussetzungen eines aus § 242 BGB abgeleiteten unselbständigen
Auskunftsanspruchs gegeben sind.
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2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Annahme des Berufungsgerichts,
dem geltend gemachten Auskunftsanspruch des Klägers stehe die Schutzschranke des § 57 UrhG entgegen.
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a) Nach § 57 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche
Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben
dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Die Bestimmung erfasst auch das Recht der
öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG (Vogel in Schricker/
Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze,
-8-
UrhG, 4. Aufl., § 57 Rn. 1; Grübler in Möhring/Nicolini, Urheberrecht, 3. Aufl.,
§ 57 UrhG Rn. 4).
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b) Die Prüfung, ob ein Werk unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setzt zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstands voraus. Davon
ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen. Die Revision rügt allerdings mit Erfolg, dass die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Beurteilung der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält.
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aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass Gegenstand der
Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG nicht die beanstandete Fotografie
ist, sondern der vollständige Katalog der Beklagten und der gesamte Inhalt ihrer
Internetseite. Auf dieser Grundlage hat es angenommen, das Gemälde des
Klägers sei auf der beanstandeten Fotografie im Gesamtzusammenhang des
Katalogs der Beklagten als unwesentliches Beiwerk im Sinne des § 57 UrhG
anzusehen. Deshalb sei es unerheblich, dass das Gemälde auf der beanstandeten Fotografie, wenn diese für sich betrachtet werde, einen deutlichen kontrastierenden Farbakzent setze. Dies führe nicht dazu, dass das Gemälde im
Gesamtzusammenhang des Katalogs besonders hervortrete. Auch auf der Internetseite der Beklagten trete das Gemälde nicht in den Vordergrund. Es handele sich nur um eines in einer Reihe von insgesamt sechs Fotos, das sogar in
einem etwas kleineren Format wiedergegeben sei als die anderen Abbildungen.
Jedenfalls in dem vom Kläger vorgelegten Ausdruck werde dabei das Gemälde
des Klägers so klein und vergröbert wiedergegeben, dass Einzelheiten nicht
mehr erkennbar seien.
-9-
18
bb) Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist im Streitfall bei der Prüfung der Frage, ob das
Gemälde des Klägers im Katalog und im Internetauftritt der Beklagten als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen ist, nicht auf den gesamten Katalog oder den gesamten Internetauftritt der Beklagten als eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 57 UrhG abzustellen.
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(1) Die vom Berufungsgericht vertretene extensive Bestimmung des eigentlichen Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen
Wiedergabe führt dazu, dass der Schutz eines urheberrechtlich geschützten
Werkes umso geringer wird, je umfangreicher der vom potentiellen Verletzer
gewählte Veröffentlichungskontext ist. Dies steht im Widerspruch zu dem
Grundsatz, dass die Bestimmung des § 57 UrhG wie alle gesetzlichen Schranken des Urheberrechts gemäß §§ 44a ff. UrhG generell in dem Sinne eng auszulegen ist, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke
tunlichst angemessen zu beteiligen ist und die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte daher nicht übermäßig beschränkt
werden dürfen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR 102/99, BGHZ 150, 6, 8
- Verhüllter Reichstag; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291
Rn. 27 - Vorschaubilder I; Urteil vom 30. November 2011 - I ZR 212/10, GRUR
2012, 819 Rn. 28 = WRP 2012, 1418 - Blühende Landschaften; Dreier in
Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 57 UrhG Rn. 1; Kirchmaier in Mestmäcker/Schulze, Urheberrecht, Stand Juni 2004, § 57 UrhG Rn. 1;
Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 57 UrhG
Rn. 2).
- 10 -
20
Das Erfordernis einer in diesem Sinne engen Auslegung ergibt sich auch
aus dem Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung. Die Reichweite der
Schrankenregelung des § 57 UrhG ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. i der
Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zu bestimmen. Danach können die Mitgliedstaaten eine Schrankenregelung für die
beiläufige Einbeziehung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands in
anderes Material vorsehen. Nach Erwägungsgrund 44 dürfen Ausnahmen und
Beschränkungen im Sinne der Richtlinie nicht auf eine Weise angewandt werden, in der die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber verletzt werden oder
die normale Verwertung ihrer Werke oder sonstiger Schutzgegenstände beeinträchtigt wird. Dementsprechend geht auch der Gerichtshof der Europäischen
Union davon aus, dass Ausnahmeregelungen, die von den dem Urheber in der
Richtlinie 2001/29/EG allgemein vorbehaltenen Verbietungsrechten abweichen,
eng auszulegen sind (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-5/08, Slg. 2009,
I-6569 = GRUR 2009, 1041 Rn. 56 - Infopaq International/Danske Dagblades
Forening).
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(2) Das Berufungsgericht berücksichtigt bei seiner Beurteilung zudem
nicht hinreichend, dass die Frage, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk
gemäß § 57 UrhG lediglich als unwesentliches Beiwerk in Bezug auf den eigentlichen Nutzungsgegenstand anzusehen ist, unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters zu beantworten ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 3; Lüft in
Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 57 UrhG Rn. 2; Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 7; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann
aaO § 57 UrhG Rn. 3; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG
- 11 -
Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8 ff.; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 57 UrhG Rn. 4; Kirchmaier in
Mestmäcker/Schulze aaO § 57 UrhG Rn. 9).
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Daraus ergibt sich, dass für die Qualifizierung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG der Äußerungszusammenhang maßgeblich ist, der vom Durchschnittsbetrachter nach den Umständen unschwer als
Ganzes wahrgenommen und beurteilt werden kann. Dabei sind die Besonderheiten des Mediums zu berücksichtigen, in dem das urheberrechtlich geschützte Werk benutzt wird (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in
Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 9; Grübler in Möhring/Nicolini aaO
§ 57 UrhG Rn. 6; Hahn/Glückstein, ZUM 2014, 380, 385; Maaßen, ZUM 2003,
830, 837 f.). Da die Bewertung als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57
UrhG die Beurteilung des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen dem Werk
und dem Hauptgegenstand voraussetzt (vgl. OLG München, ZUM-RD 2008,
554; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 6; Dreier in Dreier/
Schulze aaO § 57 Rn. 3; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG
Rn. 2; Hahn/Glückstein, ZUM 2014, 380, 385), hängt der Umfang des Gegenstands einer einheitlichen Beurteilung des Durchschnittsbetrachters außerdem
davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall inhaltliche Bezüge den Aussagegehalt
des Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe bestimmen.
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(3) Aus diesen Grundsätzen folgt, dass im Streitfall weder auf den gesamten Katalog noch den gesamten Internetauftritt der Beklagten abzustellen ist.
Prüfungsgegenstand ist vielmehr die vom Kläger beanstandete konkrete Fotografie sowie der sich aus dem Kontext der Veröffentlichung ergebende Um-
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stand, dass die Beklagte auf diesem Foto zu Werbezwecken einige von ihr vertriebene Möbelstücke in bestimmter Weise arrangiert hat, um dem Kunden so
eine mögliche Verwendungssituation und die sich daraus ergebende ästhetische Wirkung dieser Möbel vor Augen zu führen. Hierdurch wird der eigentliche
Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe auf
die konkrete Fotografie und die einzelne Abbildung der Internetseite beschränkt.
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c) Mit Erfolg macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht habe
seiner Beurteilung des Merkmals des unwesentlichen Beiwerks im Sinne von
§ 57 UrhG unzutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt.
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aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die primäre Aufgabe des Katalogs sei die Förderung des Absatzes der Möbel der Beklagten. Die Möbel
stünden in den Abbildungen des Katalogs eindeutig im Vordergrund. Soweit auf
den Katalogabbildungen Kunstgegenstände erschienen, seien diese reine Staffage. Auch bei der Verwendung des Fotos auf der Internetseite trete das Gemälde des Klägers nicht in den Vordergrund. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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(1) Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht
aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund
steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend
erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist.
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Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das
Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem
durchschnittlichen Betrachter auffiele (vgl. Nordemann-Schiffel in Fromm/
Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2;
Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Lüft in Wandtke/Bullinger
aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting, Handbuch des Urheberrechts,
2. Aufl., § 31 Rn. 229) oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird (OLG München, ZUM-RD 2008,
554; Loewenheim/Götting aaO § 31 Rn. 229; Lüft in Wandtke/Bullinger aaO
§ 57 UrhG Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2;
krit. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2). Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen
sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige
inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist,
sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Nordemann-Schiffel
in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim
aaO § 57 UrhG Rn. 8; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG
Rn. 2). Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne
von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7; Grübler in
Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6). Eine derart untergeordnete Bedeutung
kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend (Obergfell in Büscher/Dittmer/
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Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2) oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend (Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO § 57 UrhG Rn. 4) in den
eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt (Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6) oder
sonst charakteristisch ist (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG
Rn. 7 f.).
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(2) Nach diesen Maßstäben kann auf der Grundlage der im Streit getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden, das Gemälde des Klägers sei
auf der maßgeblichen Fotografie im Verhältnis zu den ebenfalls abgebildeten
Möbelstücken lediglich unwesentliches Beiwerk. Das Berufungsgericht hat festgestellt, das Gemälde des Klägers setze auf der beanstandeten Fotografie einen deutlichen kontrastierenden Farbakzent. Das deckt sich mit den Feststellungen des Landgerichts, das angenommen hat, die verwendeten Grundfarben
(Rot, Gelb und Blau) des Gemäldes des Klägers ließen es im Gegensatz zur
schlichten Dramaturgie der schwarz-weißen Büroelemente der Beklagten als
bunt und heiter erscheinen. Darauf, dass das Landgericht in diesem Zusammenhang eine Harmonie zwischen der schwarz-weißen Bürokombination und
dem bunten Bild des Klägers vermisst hat, kommt es für die Bestimmung der
Unwesentlichkeit nicht an. Daraus ergibt sich, dass dem Werk des Klägers bei
der werblichen Darstellung der Beklagten eine nicht unwesentliche ästhetische
Bedeutung zukommt, indem es einen Kontrast zu den Möbeln bietet und deren
Wirkung auf den Betrachter beeinflusst. Nichts anderes gilt für die Verwendung
der beanstandeten Fotografie im Internet. Auch auf dem vom Berufungsgericht
in Bezug genommenen "Screenshot" ist der festgestellte farbliche Kontrast hinreichend deutlich zu erkennen. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusam-
- 15 -
menhang verneinte Erkennbarkeit von Einzelheiten des Gemäldes des Klägers
ist ohne Bedeutung.
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bb) Das Berufungsgericht hat bei seiner Prüfung der Unwesentlichkeit im
Sinne des § 57 UrhG ferner den Gesichtspunkt der Austauschbarkeit des im
Rahmen des Hauptgegenstandes verwendeten Werks unzutreffend berücksichtigt.
30
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Katalog der Beklagten
abgebildeten Kunstgegenstände seien ohne weiteres austauschbare Staffage.
Für ihre Auswahl sei noch nicht einmal die Kunstrichtung maßgeblich. Dies zeige eine weitere Abbildung auf der Katalogseite vor derjenigen mit der beanstandeten Fotografie. Auf dieser würden Möbel derselben Serie zusammen mit
künstlerisch gestalteten Farbfotografien, also Kunstwerken einer völlig anderen
Stilrichtung als das Gemälde des Klägers, präsentiert. Auf einer weiteren Seite
würden diese Möbel sogar im Zusammenhang mit barock gestalteten Elementen (Spiegel und Kristallleuchter) dargestellt. Dies zeige hinreichend deutlich,
dass die auf den Bildern abgebildeten Kunstgegenstände untereinander austauschbar seien. Aus der Sicht des Möbelinteressenten, an den sich der Katalog richte, stellten die abgebildeten Kunstgenstände deshalb zufällige Gestaltungselemente dar, die für ihn ohne Bedeutung seien. Dieser Beurteilung kann
nicht zugestimmt werden.
31
(2) Das Kriterium der Austauschbarkeit ist allerdings insoweit für die Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG von Bedeutung, als es für die Annahme der Unwesentlichkeit des Werkes spricht, wenn der durchschnittliche Betrachter des Hauptgegenstandes dieses schon nicht wahrnimmt, weil es beliebig ausgetauscht oder ganz weggelassen werden kann (vgl. Dreier in Dreier/
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Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8,
Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting aaO § 31
Rn. 229; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2).
Wird das Beiwerk jedoch - wovon auch das Berufungsgericht der Sache nach
ausgegangen ist - vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen, kommt es auf den Gesichtspunkt der (ästhetischen oder stilistischen)
Austauschbarkeit eines urheberrechtlich geschützten Werkes mit einem anderen - ggf. ebenfalls urheberrechtlich geschützten - Werk nicht mehr an.
32
II. Im Streitfall ist keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst. Nach den vorstehenden Ausführungen bestehen hinsichtlich der
Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung der Richtlinie 2001/29/EG keine
vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg.
1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
33
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Dies gilt
auch, soweit das Berufungsgericht die Berufung des Klägers im Hinblick auf
den in zweiter Stufe geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 97
Abs. 2 UrhG zurückgewiesen hat. Der Senat kann in der Sache nicht selbst
entscheiden, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das
Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang
keine Feststellungen zum Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung getroffen.
- 17 -
Hierzu rechnet, ob der Kläger - wie von der Beklagten geltend gemacht worden
ist - der beanstandeten Nutzung seines Werkes ohne Namensnennung in Katalog und Internetauftritt zugestimmt hat und es deswegen an einer Widerrechtlichkeit fehlt.
Büscher
Schaffert
RiBGH Dr. Koch befindet sich
im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.
Büscher
Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 24.01.2013 - 14 O 409/12 OLG Köln, Entscheidung vom 23.08.2013 - 6 U 17/13 -