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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 147/06
Verkündet am:
2. Juli 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
nein
ja
Winteraktion
UWG §§ 3, 4 Nr. 1
Eine Werbung für die Vermittlung des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft, bei
der den als Vermittlern angesprochenen Rechtsanwälten, Steuerberatern und
Wirtschaftsprüfern für die Vermittlung die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit
einem attraktiven Gewinn (hier: Smart-Cabriolet) angeboten wird, ist unlauter
i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG.
BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - I ZR 147/06 - OLG Köln
LG Bonn
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2009 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Juli 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte, die F. AG, gründet Gesellschaften auf Vorrat und veräußert
diese. Im Zeitraum vom 15. November 2004 bis zum 28. Februar 2005 führte
sie im Internet eine als "Winteraktion" bezeichnete Werbemaßnahme durch, in
der es unter anderem hieß:
Die F.-Winter-Aktion vom 15. November 2004 bis zum 28. Februar 2005
Große F.-Vorratsgesellschaft mit kleinem Smart-Cabrio? ...
Im oben genannten Zeitpunkt verschenkt die F. AG unter allen Vermittlern (Anwaltskanzleien/Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern etc.) und allen Erwerbern einer "großen" F.-Vorratsgesellschaft ein "kleines" Smart-Cabriolet.
-3-
... Was müssen Sie dafür tun?
Bei der Vermittlung oder dem Erwerb einer F.-Vorratsgesellschaft erhalten Sie
alle Gesellschaftsunterlagen in einem F.-Ordner "Firma, fertig, los". In jedem
Gesellschaftsordner befindet sich während der F.-Winteraktion ein Faxvordruck
mit dem Namen der erworbenen Gesellschaft. Bitte schätzen Sie die Anzahl der
Ordner, die in ein Smart-Cabrio ohne Insassen mit geschlossenem Verdeck
passen, und teilen Sie uns Ihre Schätzung auf diesem Faxdokument mit. ...
2
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.,
hat diese Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet und die Beklagte auf
Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 189 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Bonn, Urt. v.
30.11.2005 - 16 O 14/05, juris). Das Oberlandesgericht (OLG Köln GRUR-RR
2007, 49) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt wird,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Werbeaktion für
die Vermittlung von eigenen Angeboten oder Produkten, bei der eine Teilnahme
an einem Gewinnspiel beworben wird, durchzuführen, die sich unter anderem
auch an Personen wendet, die die Interessen Dritter bei ihrer Entscheidung zu
beachten haben, nämlich Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer,
wenn mit wörtlich oder inhaltsgleichen nachstehenden Ankündigungen [geworben wird]: … (es folgt der oben wiedergegebene Werbetext).
4
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die Klageansprüche zu, weil die beanstandete Werbeaktion der Beklagten geeignet
sei, die Entscheidungsfreiheit sonstiger Marktteilnehmer i.S. von § 4 Nr. 1 UWG
durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.
6
Zwar genüge, wie im Umkehrschluss aus § 4 Nr. 6 UWG folge, die Koppelung des Absatzgeschäfts mit einem Gewinnspiel gegenüber anderen Marktteilnehmern als Verbrauchern für sich gesehen nicht, um eine Beeinträchtigung
durch unangemessenen unsachlichen Einfluss i.S. des § 4 Nr. 1 UWG anzunehmen. Das schließe es aber nicht aus, im Einzelfall auch eine Werbeaktion,
die ein Absatzgeschäft mit einem Gewinnspiel koppele, gegenüber sonstigen
Marktteilnehmern als unlauter i.S. des § 4 Nr. 1 UWG anzusehen, wenn diese
Werbeaktion sich aufgrund eines weiteren Umstandes als unangemessene unsachliche Beeinflussung darstelle. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, weil die
von der Werbung angesprochenen Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der Tätigkeit, für die ihnen die Teilnahme an dem Gewinnspiel
versprochen werde, nämlich der Vermittlung einer "großen" F.-Vorratsgesellschaft, die Interessen Dritter, nämlich der Erwerber, zu wahren hätten. Die Gefahr, der in diesen Fällen gemäß § 4 Nr. 1 UWG zu begegnen sei, bestehe darin, dass die umworbene Person die gebotene kritische Prüfung des Produkts
vernachlässige und den Dritten unsachlich berate, nur um in den Genuss der in
Aussicht gestellten Vergünstigung zu kommen.
7
Die Gefahr einer unsachlichen Beratung sei bei einem zur Objektivität
und Neutralität verpflichteten Berater nicht erst dann zu bejahen, wenn damit zu
rechnen sei, dass er im Ergebnis wegen der Möglichkeit der Teilnahme an dem
-5-
Gewinnspiel ein für den Dritten nachteiliges Angebot oder Produkt empfehle.
Vielmehr genüge es, dass die Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel
geeignet sei, in die von dem Berater zu treffenden Wertungen einzufließen,
welche Angebote oder Produkte er eingehender prüfen und welchen Angeboten
oder Produkten er im Falle ihrer Gleichwertigkeit den Vorzug geben solle. Dann
werde die Objektivität des Beworbenen mehr als vom verständigen Verbraucher
erwartet und mehr als geschäftlich notwendig und üblich beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall sei das unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Dritten, der Stellung des Vergünstigungsempfängers sowie des Wertes und der Art
der Vergünstigung anzunehmen.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision bleiben
ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 1 UWG von der Beklagten
Unterlassung der beanstandeten Werbemaßnahme verlangen kann.
9
1. Nach der Verkündung des Berufungsurteils ist das Gesetz gegen den
unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung
des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008
(BGBl. I S. 2949), in Kraft getreten am 30. Dezember 2008, geändert worden.
Die für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Rechtslage hat sich dadurch allerdings inhaltlich nicht verändert. Im Streitfall geht es um die Beurteilung einer
(auch) an Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gerichteten Werbemaßnahme unter dem Gesichtspunkt, ob diese dadurch als sonstige Marktteilnehmer durch unangemessene unsachliche Einflussnahme in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und
Verbrauchern ist daher nicht betroffen (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie).
-6-
10
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine
unangemessene unsachliche Einflussnahme i.S. von § 4 Nr. 1 UWG in Betracht
kommt, wenn der angesprochene Verkehr bei von ihm zu treffenden Entscheidungen auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat und er durch die
beanstandete Werbemaßnahme veranlasst werden kann, seine Entscheidung
nicht allein an dem Interesse des Dritten auszurichten, sondern sich bei ihr
auch davon leiten zu lassen, ob ihm ein versprochener Vorteil oder eine Vergünstigung zufließt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2003 - I ZR 142/00, GRUR 2003,
624, 626 = WRP 2003, 886 - Kleidersack; Urt. v. 21.4.2005 - I ZR 201/02,
GRUR 2005, 1059, 1060 = WRP 2005, 1508 - Quersubventionierung von Laborgemeinschaften; Urt. v. 8.11.2007 - I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 Tz. 14 =
WRP 2008, 777 - Nachlass bei der Selbstbeteiligung; vgl. ferner Fezer/Steinbeck, UWG, § 4-1 Rdn. 212; Stuckel in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 1
Rdn. 84, 86; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4
Rdn. 1.84; Seichter in jurisPK-UWG/Ullmann, 2. Aufl., § 4 Nr. 1 Rdn. 146). Das
Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, im Streitfall sei eine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S. von § 4 Nr. 1 UWG anzunehmen, die Erwartungshaltung derjenigen Personen berücksichtigt, die sich hinsichtlich des
Erwerbs von Vorratsgesellschaften der Beklagten von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern beraten ließen. Weiter hat es auf die Stellung
dieser Berater als mögliche Empfänger der mit dem Gewinnspiel ausgelobten
Vergünstigung sowie auf deren Wert und Art abgestellt. Diese Beurteilung begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken.
11
a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, an die sich die beanstandete Werbung
als Vermittler von Vorratsgesellschaften der Beklagten richtet, als unabhängige
Berater und Vertreter ihrer Auftraggeber in Rechtssachen sowie in steuerlichen
und wirtschaftlichen Angelegenheiten (vgl. §§ 1, 3, 43a Abs. 1 BRAO; § 33
-7-
Satz 1, § 57 Abs. 1 StBerG; §§ 2, 43 Abs. 1 WPO) grundsätzlich zu einer objektiven und neutralen Entscheidung verpflichtet sind, die die Interessen ihrer Auftraggeber wahrt. Aus dieser Stellung als unabhängige, nur den Interessen der
Mandanten verpflichtete Berater folgt - unabhängig von der Frage, ob im Einzelfall ein Verstoß gegen bestimmte berufsrechtliche Vorschriften wie etwa § 43a
Abs. 1 BRAO gegeben ist -, dass Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sich bei der Beratung von Mandanten, die den Kauf einer Vorratsgesellschaft erwägen, allein von dem Interesse des potentiellen Erwerbers leiten und sich nicht dadurch beeinflussen lassen sollen, ob ihnen bei der Empfehlung eines bestimmten Angebots möglicherweise persönlich eine Vergünstigung
zufließt.
12
b) Eine nach den vorstehend angeführten Grundsätzen unzulässige Einflussnahme auf Personen, die die Interessen Dritter zu beachten haben, kann
auch in dem Angebot der Teilnahme an einem Gewinnspiel für die Vermittlung
des beworbenen Produkts bestehen, wenn die Teilnahmebedingungen und insbesondere der ausgelobte Gewinn geeignet sind, die Entscheidung des Vermittlers zu beeinflussen. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die
im Streitfall eröffnete Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel könne in
die von dem Berater zu treffenden Wertungen einfließen, welche Angebote oder
Produkte er eingehender prüfen und welchen Angeboten oder Produkten er bei
Gleichwertigkeit den Vorzug geben soll, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei dem ausgelobten SmartCabrio handele es sich zumindest seinem Wert nach auch für die hier angesprochenen Berufskreise um einen interessanten Gewinn, begegnet keinen
rechtlichen Bedenken.
13
c) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung, im Streitfall liege eine unangemessene unsachliche Einfluss-
-8-
nahme i.S. des § 4 Nr. 1 UWG vor, nicht die sich aus der Wertung des § 4 Nr. 6
UWG ergebenden Folgen verkannt. Wie auch die Revision sieht, ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass (jedenfalls) gegenüber sonstigen Marktteilnehmern nicht jedwede Kopplung des Absatzgeschäfts mit einem
Gewinnspiel als nach § 4 Nr. 1 UWG unlauter anzusehen ist. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, ob das mit dem
Absatzgeschäft verknüpfte Angebot der Teilnahme an dem Gewinnspiel geeignet ist, die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer vollständig in den Hintergrund treten zu lassen, und ob im Blick
auf die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG bei sonstigen Marktteilnehmern insoweit
ein anderer Maßstab anzulegen ist als bei Verbrauchern. Die Unlauterkeit der
beanstandeten Werbemaßnahme der Beklagten folgt nicht daraus, dass mit
dem Angebot der Teilnahme an dem Gewinnspiel für die Vermittlung einer großen F.-Vorratsgesellschaft deshalb eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die als Vermittler angesprochenen Berater ausgeübt wird, weil etwa
wegen der Höhe oder der Art des ausgelobten Gewinns die Gefahr besteht,
dass die Rationalität der Entscheidung der Berater vollständig in den Hintergrund tritt.
14
Die beworbene Teilnahme an dem Gewinnspiel ist vielmehr als unlautere
unangemessene unsachliche Einflussnahme zu beanstanden, weil sich die angesprochenen Berater bei ihrer Empfehlung für ein bestimmtes Angebot ausschließlich von dem Interesse ihres Mandanten und nicht (auch) von einer ihnen zufließenden möglichen persönlichen Vergünstigung leiten lassen sollen.
Die Gefahr einer solchen unangemessenen unsachlichen Beeinflussung entfällt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, auch nicht deshalb,
weil die Mandanten der angesprochenen Berater nach ihrer Entscheidung über
den Erwerb einer Vorratsgesellschaft möglicherweise infolge der Aushändigung
des Ordners mit den Gesellschaftsunterlagen von dem Gewinnspiel und den
-9-
Teilnahmebedingungen Kenntnis erlangen und eventuell gemäß § 667 BGB
Herausgabe eines etwaigen Gewinns verlangen können (vgl. BGH, Urt. v.
2.4.2001 - II ZR 217/99, NJW 2001, 2476, 2477 m.w.N.).
15
d) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass
es im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG nicht darauf ankommt, ob das betreffende
Verhalten auch gegen berufsrechtliche Regelungen verstößt, die die Wahrung
der beruflichen Unabhängigkeit des Beraters zum Gegenstand haben. Insbesondere kann eine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S. von § 4
Nr. 1 UWG schon dann zu bejahen sein, wenn die beanstandete Werbemaßnahme geeignet ist, die angesprochenen Berater auch ohne Eingehen einer
Bindung i.S. von § 43a Abs. 1 BRAO im Hinblick auf die angebotene Teilnahme
an dem Gewinnspiel zu einer Vermittlung des beworbenen Produkts zu veranlassen (vgl. - zum Verhältnis des § 4 Nr. 1 UWG zu Verbotstatbeständen der
ärztlichen Berufsordnung - BGH GRUR 2005, 1059, 1060 f. - Quersubventionierung von Laborleistungen).
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3. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1
Satz 2 UWG.
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III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bergmann
Pokrant
Kirchhoff
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 30.11.2005 - 16 O 14/05 OLG Köln, Entscheidung vom 07.07.2006 - 6 U 239/05 -