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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 95/10
vom
2. Februar 2012
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 890 Abs. 2
Die der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO vorausgehende Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO kann nicht wirksam in einen Prozessvergleich aufgenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs nach § 278 Abs. 6
Satz 2 ZPO feststellt.
BGH, Beschluss vom 2. Februar 2012 - I ZB 95/10 - OLG Schleswig
LG Kiel
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats
des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig
vom 10. November 2010 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
50.000 € festgesetzt.
Gründe:
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I. Die Parteien schlossen am 7. September 2004 vor dem Oberlandesgericht Schleswig einen Prozessvergleich. In diesem verpflichtete sich die Schuldnerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise
Ordnungshaft, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, mit der Unterzeichnung eines Pre-Selection-Vertrags gehe die Kundin keine Vertragsbindung ein.
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Mit Beschluss vom 24. November 2009 hat das Landgericht gegen die
Schuldnerin wegen Zuwiderhandlungen gegen das im Vergleich vereinbarte
Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 €, ersatzweise für je 200 € einen
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Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin
hat das Beschwerdegericht den Ordnungsmittelbeschluss aufgehoben (OLG
Schleswig, SchlHA 2011, 244). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
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II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig
(§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Ordnungsmittel habe
nicht festgesetzt werden dürfen, weil die vorausgehende Androhung im Sinne
des § 890 Abs. 2 ZPO gefehlt habe. Diese könne in einen Prozessvergleich
nicht wirksam aufgenommen werden. Vielmehr müsse das Gericht das Ordnungsmittel androhen.
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2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Nach der Vorschrift des § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO eine entsprechende Androhung
vorausgehen, die, wenn sie nicht in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten ist, auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen wird. Die Androhung soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn
dadurch anhalten, die Unterlassungspflicht zu befolgen (vgl. BGH, Beschluss
vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 340 f. - Euro-Einführungsrabatt; KG, JurBüro 1983, 781, 783).
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b) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine
entsprechende Androhung nicht wirksam in einem Prozessvergleich erfolgen
kann (ebenso RGZ 40, 413, 415; OLG Karlsruhe, GRUR 1957, 447; OLG Stuttgart, WRP 1976, 119; KG, JurBüro 1983, 781, 783 und NJW-RR 1987, 507;
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OLG Frankfurt, NJW-RR 2006, 1441; OLG Köln, OLG-Rep. 2007, 707; MünchKomm.ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 890 Rn. 25; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl.,
§ 890 Rn. 7; Saenger/Pukall, ZPO, 4. Aufl., § 890 Rn. 11; Schuschke/
Walker/Sturhahn, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890
Rn. 16; Wiezcorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 890 Rn. 93; Köhler in Köhler/
Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 6.3; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12
Rn. 383; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl.,
Kap. 57 Rn. 25; aA LG Berlin, MDR 1967, 134; Blomeyer, Zivilprozessrecht
- Vollstreckungsverfahren, 1975, § 95 I 2; Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn. 112; Hasse, NJW 1969, 23, 24; Schlosser, JZ 1972, 639).
8
aa) Die Bestimmung des § 890 Abs. 2 ZPO sieht die Androhung der
Ordnungsmittel ausschließlich durch den Richter vor. Davon macht das Gesetz
für die in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Prozessvergleiche keine Ausnahme. Sie ist auch nicht aus prozessökonomischen Gründen geboten. Dem
steht der Zweck der Ordnungsmittelandrohung nach § 890 Abs. 2 ZPO entgegen, von Seiten des Gerichts auf den Schuldner einzuwirken, das Unterlassungsgebot zu beachten.
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Der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes rechtfertigt ebenfalls kein
Absehen vom Erfordernis einer richterlichen Ordnungsmittelandrohung. Allerdings kann das Gericht auf Antrag des Gläubigers die Ordnungsmittelandrohung bereits im Urteil aussprechen, während bei der Androhung von Ordnungsmitteln durch besonderen Beschluss die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 750 Abs. 1 ZPO vorliegen müssen (vgl. BGH, Urteil vom
29. September 1978 - I ZR 107/77, GRUR 1979, 121, 122 = WRP 1978, 883
- Verjährungsunterbrechung; Beschluss vom 22. Januar 2009 - I ZB 115/07,
BGHZ 180, 72 Rn. 14). Dadurch entsteht für die Zeit bis zur Zustellung des Beschlusses mit der Ordnungsmittelandrohung aber keine Rechtsschutzlücke. Die
Parteien können im Prozessvergleich eine Vertragsstrafe vereinbaren, so dass
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der Schuldner das Unterlassungsgebot bereits mit Abschluss des Prozessvergleichs beachten muss, wenn er die Vertragsstrafe nicht verwirken will.
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Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist im vorliegenden Fall auch
nicht deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil dem Prozessvergleich in
anderen Verfahren ergangene Unterlassungsurteile mit Ordnungsmittelandrohungen vorausgegangen sind, deren Verbote in den Prozessvergleich aufgenommen worden sind. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung ausschließlich aus dem Prozessvergleich. Für die Frage, ob die Voraussetzungen
für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 ZPO vorliegen, ist
danach nur auf diesen Vollstreckungstitel abzustellen.
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Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, das Beschwerdegericht habe die Frage nicht offenlassen dürfen, ob auch bei einem nach § 278
Abs. 6 ZPO vom Gericht festgestellten Vergleich, der mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen sei, eine gesonderte Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO
erforderlich sei.
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Nach der Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO können seit dem 1. September 2004 Prozessvergleiche auch dadurch zustande kommen, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen
schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen und das Gericht das
Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss feststellt. Die
durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I
S. 1887) eingeführte und mit Wirkung ab 1. September 2004 neu gefasste Bestimmung des § 278 Abs. 6 ZPO sieht für gerichtliche Vergleiche die Möglichkeit einer erleichterten Protokollierung vor, die den Beteiligten den Abschluss
eines Prozessvergleichs in einem Gerichtstermin erspart (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 30. Juni 2004, BTDrucks. 15/3482, S. 16). Ein auf diese Weise abgeschlossener Vergleich entspricht in seinen Wirkungen einem in einer mündlichen Verhandlung abge-
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schlossenen Prozessvergleich (vgl. auch BAG, Urteil vom 23. November 2006
- 6 AZR 394/06, NJW 2007, 1831 Rn. 32 bis 36). Weitergehende Wirkungen hat
ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich nicht. Der Beschluss nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO ersetzt daher nicht die Ordnungsmittelandrohung. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass bei der Androhung von Ordnungsmitteln durch besonderen Beschluss die Voraussetzungen
der Zwangsvollstreckung vorliegen müssen, was zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht der Fall ist.
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bb) Mit dem Abschluss des Prozessvergleichs hat die Schuldnerin auch
nicht wirksam auf die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO
verzichtet. Die Bestimmungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens sind grundsätzlich zwingendes Recht. Das schließt zwar nicht aus, dass die Parteien vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen können (vgl. BGH, Urteil vom
2. April 1991 - VI ZR 241/90, NJW 1991, 2295, 2296). Die Vollstreckung erweiternde Vereinbarungen zu Lasten des Schuldners oder ein Verzicht auf den
Schuldner schützende Zwangsvollstreckungsvorschriften sind aber - jedenfalls
im Voraus - regelmäßig unzulässig (vgl. RGZ 72, 181, 183; KG, NJW 1960,
682; OLG Stuttgart, NJW 1971, 50; Musielak/Lackmann aaO Vorbem. § 704
Rn. 17; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., Vor § 704 Rn. 26; Philipp, Rpfleger 2010,
456, 463). Dies gilt auch für einen im Voraus erklärten Verzicht auf die Androhung von Ordnungsmitteln im Sinne des § 890 Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift ist
zwingendes Recht zum Schutz des Schuldners.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm
Pokrant
Schaffert
Büscher
Koch
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 24.11.2009 - 16 O 72/03 OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.11.2010 - 6 W 8/10 -