|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|
BESCHLUSS
|
|
I ZB 90/15
|
|
vom
|
|
29. Juni 2017
|
|
in der Rechtsbeschwerdesache
|
|
|
|
ECLI:DE:BGH:2017:290617BIZB90.15.0
|
|
|
|
-2-
|
|
|
|
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2017 durch den
|
|
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
|
|
Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
|
|
|
|
beschlossen:
|
|
Die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen die Festsetzung
|
|
des Streitwerts im Beschluss des Senats vom 7. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
|
|
|
|
Gründe:
|
|
1
|
|
|
|
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin mit Beschluss
|
|
vom 7. Juli 2016 als unzulässig verworfen und dabei den Streitwert für das Verfahren der Rechtsbeschwerde auf 30 Mio. € festgesetzt.
|
|
|
|
2
|
|
|
|
Die gegen diese Streitwertfestsetzung gerichtete Gegenvorstellung der
|
|
Antragstellerin ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
|
|
|
|
3
|
|
|
|
I. Die Gegenvorstellung ist statthaft und auch sonst zulässig.
|
|
|
|
4
|
|
|
|
1. Im Hinblick auf den Ausschluss der Streitwertbeschwerde an einen
|
|
obersten Gerichtshof des Bundes ist die Gegenvorstellung statthaft (BGH, Beschluss vom 30. April 2015 - I ZR 82/13, juris Rn. 3; Beschluss vom 8. August
|
|
2014 - IX ZR 189/10, juris Rn. 3).
|
|
|
|
5
|
|
|
|
2. Die Gegenvorstellung ist auch im Übrigen zulässig.
|
|
|
|
6
|
|
|
|
a) Die für die Einlegung der Gegenvorstellung in entsprechender Anwendung der § 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG geltende Frist von sechs
|
|
Monaten ist gewahrt. Das gilt auch dann, wenn der Beschluss des Senats vom
|
|
|
|
-3-
|
|
|
|
7. Juli 2016 der Antragstellerin entsprechend dem Stempel auf dem von ihr unterzeichneten Empfangsbekenntnis bereits am 4. November 2016 zugegangen
|
|
wäre und nicht erst, wie handschriftlich auf dem Empfangsbekenntnis eingetragen, am 10. November 2016. Die Gegenvorstellung der Antragstellerin ist am
|
|
4. Mai 2017 und damit in jedem Fall innerhalb der Frist von sechs Monaten
|
|
beim Bundesgerichtshof eingegangen.
|
|
7
|
|
|
|
b) Die Gegenvorstellung ist auch nicht wegen unrichtiger Parteibezeichnung des Rechtsbehelfsgegners unzulässig. Die Antragstellerin hat in der Gegenvorstellung die Antragsgegnerin als "S.
|
|
|
|
GmbH & Co. KG" bezeichnet.
|
|
|
|
Das entspricht der Parteibezeichnung der Antragsgegnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren. Über das Vermögen der S.
|
|
|
|
GmbH & Co. KG wurde
|
|
|
|
durch Beschluss des Amtsgerichts Wolfsburg vom 1. Januar 2017 das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung angeordnet und A.
|
|
G.
|
|
|
|
zum Sachwalter bestellt. Bei angeordneter Eigenverwaltung bleibt der
|
|
|
|
Schuldner passivlegitimiert (vgl. MünchKomm.InsO/Tetzlaff, 3. Aufl., § 270
|
|
Rn. 191). Das Rubrum ist lediglich um den Zusatz "in Eigenverwaltung" zu ergänzen.
|
|
8
|
|
|
|
c) Die Vorschrift des § 240 ZPO steht einer Entscheidung über die Gegenvorstellung der Antragstellerin nicht entgegen.
|
|
|
|
9
|
|
|
|
Nach § 240 Satz 1 ZPO wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es
|
|
nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder
|
|
das Insolvenzverfahren beendet wird. Dies gilt auch bei einer Eröffnung des
|
|
Insolvenzverfahrens
|
|
|
|
in
|
|
|
|
Eigenverwaltung
|
|
|
|
(vgl.
|
|
|
|
BGH,
|
|
|
|
Beschluss
|
|
|
|
vom
|
|
|
|
7. Dezember 2006 - V ZB 93/06, NJW-RR 2007, 629 Rn. 6). Die Vorschrift des
|
|
§ 240 ZPO betrifft jedoch nur Verfahren, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des
|
|
Insolvenzverfahrens bereits rechtshängig sind (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - IX ZB 232/08, NJW-RR 2009, 566 Rn. 9; Beschluss vom
|
|
|
|
-4-
|
|
|
|
27. April 2010 - VIII ZB 81/09, WuM 2010, 385; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl.,
|
|
§ 240 Rn. 1). Danach wird etwa ein nach Eintritt der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung, aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitetes
|
|
Kostenfestsetzungsverfahren durch Insolvenzeröffnung gemäß § 240 Satz 1
|
|
ZPO unterbrochen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - VIII ZB 79/11,
|
|
MDR 2012, 990). Anders liegt es bei einer erst nach Insolvenzeröffnung erhobenen Streitwertbeschwerde zu einem bereits vor Insolvenzeröffnung rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. Für die Gegenvorstellung, die im Fall der
|
|
Streitwertfestsetzung durch ein oberstes Bundesgericht an die Stelle der Streitwertbeschwerde tritt, gilt nichts anderes.
|
|
10
|
|
|
|
Dieses Ergebnis steht in Einklang mit Sinn und Zweck der Unterbrechung nach § 240 Satz 1 ZPO. Sie soll dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit
|
|
geben, sich auf die durch Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der
|
|
Sachlage
|
|
|
|
einzustellen
|
|
|
|
(vgl. nur BGH,
|
|
|
|
Beschluss
|
|
|
|
vom
|
|
|
|
29. Juni 2005
|
|
|
|
- XII ZB 195/04, MDR 2006, 55 Rn. 16; BGH, MDR 2012, 990 Rn. 7). Bei einer
|
|
Eigenverwaltung soll dem Insolvenzschuldner diese Möglichkeit eingeräumt
|
|
werden (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 629 Rn. 8). Eine gesonderte Überlegungsfrist benötigt der Insolvenzschuldner bei einer erst nach Insolvenzeröffnung erhobenen Gegenvorstellung zu einer Streitwertfestsetzung nicht.
|
|
11
|
|
|
|
Im Streitfall wurde das Insolvenzverfahren am 1. Januar 2017 eröffnet.
|
|
Die erst danach erhobene Gegenvorstellung wird von der Unterbrechungswirkung des § 240 Satz 1 ZPO nicht erfasst. Dahinstehen kann im Streitfall, ob
|
|
Verfahren über Streitwertbeschwerden überhaupt nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen werden können (vgl. dazu OLG Neustadt, NJW 1965, 591; OLG
|
|
Frankfurt, Beschluss vom 5. Juli 2006 - 2 W 30/06, juris; Jaspersen in Vorwerk/
|
|
Wolf, BeckOK ZPO, 24. Edition, Stand 1. März 2017, § 240 Rn. 2.15; MünchKomm.ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 240 Rn. 3).
|
|
|
|
12
|
|
|
|
II. Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.
|
|
|
|
-5-
|
|
|
|
13
|
|
|
|
Entgegen den Ausführungen der Gegenvorstellung war Gegenstand des
|
|
Rechtsbeschwerdeverfahrens neben Sicherungsmaßnahmen für die in Ziffer II
|
|
des Antrags der Antragstellerin genannten Auskunfts-, Herausgabe- und Unterlassungsansprüche auch die Sicherung der der Antragstellerin im Schiedsspruch zugesprochenen und unter Ziffer I ihres Antrags aufgeführten Zahlungsansprüche.
|
|
|
|
14
|
|
|
|
Die Antragstellerin hat in der Rechtsbeschwerdebegründung vom 29. Januar 2016 beantragt, nach den Anträgen aus ihren Schriftsätzen vom 18. und
|
|
26. August 2015 zu erkennen. Der Schriftsatz vom 26. August 2015 (GA IV 69
|
|
bis 72) enthielt keine Anträge. Der Schriftsatz vom 18. August 2015 gab auf den
|
|
Seiten 2 bis 9 unter I. die Ansprüche aus dem Schiedsspruch wieder, deren
|
|
Vollstreckung durch die unter II. des Antrags aufgeführten Maßnahmen gesichert werden soll. Unter I.1. werden zunächst sechs Zahlungsansprüche für
|
|
rückständige Lizenzgebühren im Gesamtwert von mehr als 115 Mio. € aufgeführt. Danach folgen unter II.2. die Herausgabe-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüche, die ebenfalls gesichert werden sollen. Das Oberlandesgericht
|
|
hat diese Anträge auf den Seiten 5 bis 20 seines Beschlusses im Einzelnen
|
|
wiedergegeben. Die Antragstellerin hat im Rechtsbeschwerdeverfahren keine
|
|
Beschränkung ihres Begehrens auf die Ansprüche gemäß Ziffer II der Anträge
|
|
vom 18. August 2015 vorgenommen. Damit ist der gesamte Streitstoff aus dem
|
|
Beschluss des Oberlandesgerichts in die Rechtsbeschwerdeinstanz gelangt.
|
|
|
|
15
|
|
|
|
Die Antragstellerin hatte in ihrem Antrag auf Vollstreckbarerklärung den
|
|
Wert der vom Schiedsgericht zugesprochenen und gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO
|
|
zu sichernden Ansprüche mit insgesamt 125 Mio. € bewertet. Sie macht nicht
|
|
geltend, diese Wertangabe im weiteren Verfahren korrigiert zu haben.
|
|
|
|
16
|
|
|
|
Damit war Ausgangspunkt der Streitwertbemessung durch den Senat als
|
|
Wert der Hauptsache der durch den Schiedsspruch zugesprochene Betrag von
|
|
125 Mio. €. Bei dem Antrag auf Sicherungsmaßnahmen handelt es sich um ei-
|
|
|
|
-6-
|
|
|
|
ne Maßnahme vorläufigen Rechtsschutzes, so dass dafür ein Wert von einem
|
|
Drittel der Hauptsache angemessen erscheint. Im Hinblick auf die Streitwertbegrenzung nach § 22 Abs. 2 RVG, § 39 Abs. 2 GKG war jedoch der Höchstwert
|
|
von 30 Mio. € anzusetzen.
|
|
|
|
Büscher
|
|
|
|
Schaffert
|
|
Löffler
|
|
|
|
Kirchhoff
|
|
Schwonke
|
|
|
|
Vorinstanz:
|
|
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 27.08.2015 - 7 Sch 3/15 -
|
|
|
|
|