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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 35/09
vom
1. Juli 2010
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 306 58 472.1
Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
nein
ja
Die Vision
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Längere Wortfolgen entbehren in der Regel jeglicher Unterscheidungskraft i.S.
von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - I ZB 35/09 - Bundespatentgericht
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, und Dr. Koch
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss des
33. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts
vom 31. März 2009 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 €
festgesetzt.
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Gründe:
1
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung der Wortfolge
Die Vision: EINZIGARTIGES ENGAGEMENT IN TRÜFFELPRALINEN
Der Sinn: Jeder weiß WAS wann zu tun ist und was NICHT zu tun ist
Der Nutzen: Alle tun das RICHTIGE zur richtigen Zeit
als Marke für - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - folgende Waren und Dienstleistungen beantragt:
Klasse 30
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioca, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
Klasse 35
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Klasse 42
Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und
-vertretung.
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Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung
wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
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Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG GRUR
2009, 1060).
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Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.
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II. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin für unbegründet erachtet, weil die angemeldete Wortfolge wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung als Marke für die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen sei. Es hat hierzu
ausgeführt:
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Zwar lasse sich ein Waren und Dienstleistungen beschreibender Zusammenhang nicht in Bezug auf alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Slogans herstellen. Gleichwohl werde die angemeldete Wortfolge nur als solche und
nicht als Unterscheidungsmittel verstanden. Gegen die Unterscheidungskraft
sprächen bereits die Länge des angemeldeten Zeichens und der Umstand, dass
die verschiedenen Slogans im Verbund verwendet würden. Da bei dem angemeldeten Zeichen mehrere Slogans nacheinander aufgeführt seien, fehle es an Kürze, Originalität und Prägnanz und damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten. Allein zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge benötige der Verkehr eine erhebliche Zeit, was für sich genommen
schon dagegen spreche, dass die Wortfolge als ein Zeichen bzw. ein betrieblicher
Herkunftshinweis erfasst werde. Der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an Mehrfachslogans als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen, sondern nur die Wortfolge als
solche erkennen.
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III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bejaht.
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1. Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von
einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder
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Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn
die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen
jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschl. v.
4.12.2008 - I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Tz. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen
im Leben; Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 34/08, GRUR 2009, 949 Tz. 10 = WRP
2009, 963 - My World, m.w.N.).
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Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen
auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt sind. Vielmehr
ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe
Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge bei
beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner
Art auszugehen (BGH GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR
2009, 949 Tz. 12 - My World, m.w.N.).
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2. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts beschreiben zwar
nicht alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Werbesprüche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Das angemeldete Zeichen enthält zudem,
wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, keine gebräuchliche Wortfolge, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden wird. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt daraus jedoch
nicht, dass dem angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft zukommt.
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Kann einem Wortzeichen kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen
im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und
handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht
als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es zwar im Allgemeinen keinen
tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die vorerwähnte Unterscheidungseignung
und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2009, 778 Tz. 11
- Willkommen im Leben, m.w.N.). Einem Zeichen kann die Unterscheidungskraft
jedoch auch fehlen, wenn es keinen beschreibenden Begriffsinhalt hat und kein
gebräuchliches Wort ist. So sind insbesondere längere Wortfolgen, wie der Senat
bereits mehrfach ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig
(st. Rspr.; vgl. Beschl. v. 13.6.2002 - I ZB 1/00, GRUR 2002, 1070, 1071 = WRP
2002, 1281 - Bar jeder Vernunft; GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben;
GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World). Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, dass
an Wortfolgen keine anderen rechtlichen Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige
Arten von Zeichen. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind
zwar für alle Arten von Zeichen dieselben; bei der Anwendung dieser Kriterien kann
sich aber zeigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht jede Art von Zeichen
notwendig in gleicher Weise wahrnehmen (EuGH, Urt. v. 21.10.2004 - C-64/02,
Slg. 2004, I-10031 = GRUR 2004, 1027, 1029 Tz. 34 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip
der Bequemlichkeit] Urt. v. 21.1.2010 - C-389/08, GRUR 2010, 228 Tz. 37 - Audi [Vorsprung durch Technik]). Eine längere Wortfolge vermittelt dem angesprochenen Verkehr in der Regel nicht den Eindruck eines betrieblichen Herkunftshinweises (Ströbele
in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 144 m.w.N. zur Rechtsprechung des
BPatG).
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3. Danach hat das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass
der angemeldeten Wortfolge jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
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Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts sehen die angesprochenen Verkehrskreise in dem angemeldeten Zeichen wegen der Länge der Wortfolge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und
Dienstleistungen. Dem Zeichen fehlt es an Kürze, Originalität und Prägnanz und
damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten.
Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. BGH GRUR 2009, 778
Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World).
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Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den
Umstand, dass der Verkehr zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge erhebliche Zeit benötigt, zu Unrecht zur Begründung der fehlenden Unterscheidungskraft herangezogen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Bundespatentgericht nicht verkannt, dass es für die Unterscheidungskraft unerheblich
ist, ob die angesprochenen Verkehrskreise sich das angemeldete Zeichen merken
können (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 f. =
WRP 2000, 520 - St. Pauli Girl, m.w.N.). Das Bundespatentgericht hat das Fehlen
der Unterscheidungskraft vielmehr allein daraus hergeleitet, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Wortfolge keinen Herkunftshinweis
sehen.
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Gleichfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde die Annahme des
Bundespatentgerichts, der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an
Mehrfachslogans als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, sondern nur die Wortfolge als solche erkennen. Da der Verkehr nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht daran gewöhnt ist, in Mehrfachslogans eine Kennzeichnung zu sehen, kommt es
nicht darauf an, ob der Verkehr, wenn er an Mehrfachslogans als Kennzeichnung
gewöhnt wäre, in der angemeldeten Wortfolge einen betrieblichen Herkunftshinweis sähe.
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Es kann dahinstehen, welche Folgen eine Zurückweisung des angemeldeten
Mehrfachslogans im Hinblick darauf hat, dass die in dem Mehrfachslogan enthaltenen Einzelslogans jeweils für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen als Marke der Anmelderin eingetragen sind (vgl. BPatG, Beschl. v.
21.10.2008, 33 W (pat) 22/07, 33 W (pat) 33/07 und 33 W (pat) 37/07, jeweils
juris). Die Rechtsbeschwerde macht geltend, bei einer Zurückweisung des Mehrfachslogans könnte die Anmelderin die Einzelslogans nicht durch Verwendung des
Mehrfachslogans im Geschäftsverkehr rechtserhaltend nutzen und würden Dritte
die Einzelslogans durch eine Verwendung des Mehrfachslogans nicht verletzen.
Es kommt nicht darauf an, ob die Befürchtungen der Anmelderin berechtigt sind.
Sie können jedenfalls nicht die Eintragung eines Zeichens rechtfertigen, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Bornkamm
Pokrant
Schaffert
Büscher
Koch
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.03.2009 - 33 W(pat) 21/07 -