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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 59/15
vom
4. Februar 2016
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
ECLI:DE:BGH:2016:040216BANWZBRFG59.15.0
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie den
Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas und die Rechtsanwältin Schäfer
am 4. Februar 2016
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
am 21. August 2015 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Der Kläger ist seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 29. Mai 2015 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur
Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) unter
gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung der Widerrufsverfügung.
Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof - unter
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klageerhebung - abgewie-
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sen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Anwaltsgerichtshofs.
II.
2
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach
§ 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5
Satz 2 VwGO).
3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine
erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt
wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg)
30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.
4
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung
zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses
des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene
Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom
29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März
2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 mwN).
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5
a) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 29. Mai 2015 in Vermögensverfall befunden. Er war zu diesem
Zeitpunkt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b
ZPO) eingetragen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls hat der Kläger nicht widerlegt. Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und
Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und
Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse
vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 5 und vom 6. Februar
2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 5; jeweils mwN).
6
Dies hat der Kläger nicht getan. Insbesondere hat er nicht hinreichend
dargelegt, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse - vom maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 29. Mai 2015 aus gesehen zumindest in absehbarer Zeit nachhaltig geordnet sein würden (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 5. November 2015 - AnwZ (Brfg) 28/15, juris Rn. 3 mwN).
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 20. Mai 2015 hat er einen geschäftlichen Neuanfang im Wege der Begründung einer Bürogemeinschaft, die
Vorlage der Einnahmen-Überschuss-Rechnungen für das erste und zweite
Quartal 2015, die Vorlage von einzelnen Erledigungsnachweisen, Zahlungsbelegen, Ratenzahlungsvereinbarungen und einer Forderungsaufstellung einschließlich entsprechender Abtretungserklärungen angekündigt sowie vorgetragen, dass er aller Voraussicht nach Privatdarlehen seiner Eltern und seiner Lebensgefährtin erhalten werde, mit denen er die dringlichsten Tilgungen vornehmen könne. Hieraus war eine nachhaltige Ordnung seiner Vermögens- und
Einkommensverhältnisse in absehbarer Zeit nicht ausreichend zu erkennen.
-5-
Insbesondere fehlten nähere Angaben zu den Einzelheiten des geplanten geschäftlichen Neuanfangs, zum konkreten Inhalt der vorzulegenden Dokumente
sowie dazu, dass die Privatdarlehen mit Sicherheit zu erwarten waren und welche der gegenüber dem Kläger bestehenden Forderungen hierdurch erfüllt
werden konnten.
7
b) Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend einen Verstoß der Beklagten
gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verneint.
Der Widerrufsbescheid der Beklagten ist, wie der Anwaltsgerichtshof im Einzelnen ausgeführt hat, nicht ergangen, ohne dass der Kläger zuvor hinreichend
Gelegenheit gehabt hatte, Stellung zu nehmen. Er war, wie er in seinem an die
Beklagte gerichteten Schreiben vom 20. Mai 2015 eingeräumt hat, seit Ende
März/Anfang April 2015 wieder voll einsatzfähig. Bis zum Widerrufsbescheid
vom 29. Mai 2015 hatte er mithin ausreichend Gelegenheit, eine etwaige Änderung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse hinreichend darzulegen.
8
Der Kläger trägt in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der
Berufung vor, er hätte, wenn ihm ausreichend Zeit gegeben worden wäre, verbindliche Ratenzahlungsvereinbarungen und Abreden über die Ruhendstellung
oder Rücknahmen von Vollstreckungsmaßnahmen geltend machen und im
Hinblick auf seine Finanzlage einen Konsolidierungsplan vorlegen können. Er
habe sich im Mai 2015 in Verhandlungen über ein Angestelltenverhältnis mit
einem Rechtsanwalt befunden, das entsprechend den Anforderungen des Bundesgerichtshofs habe gestaltet werden sollen. Auf dieser Grundlage habe er
nachvollziehbar seine Konsolidierung betreiben können. Er habe nach seinem
krankheitsbedingten Ausfall und nach Wiederaufnahme des Kanzleibetriebs im
April 2015 realisierbare Angebote für die Gläubiger ausarbeiten müssen. Hierfür
habe er zunächst seine Einkommenslage zu überprüfen gehabt. Nach Zustel-
-6-
lung des Widerrufsbescheides seien indes Verhandlungen mit Gläubigern ausgeschlossen gewesen, da er als Anwalt kein Einkommen mehr habe erzielen
können.
9
Damit macht der Kläger - wie auch bereits in seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 20. Mai 2015 - geltend, er habe, wenn ihm weitere Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden wäre, innerhalb der entsprechenden Frist seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse ordnen können. Abgesehen davon, dass auch dieser Vortrag die nachhaltige Ordnung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers in absehbarer Zeit nicht hinreichend konkret erkennen lässt, dient die im Rahmen eines Widerrufsverfahrens
einzuräumende Anhörungsfrist (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 28 Abs. 1
VwVfG), worauf der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat, nicht der
Ermöglichung der Ordnung der Vermögensverhältnisse des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts. Liegen - wie vorliegend - nach erfolgter Anhörung
die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vor, weil der Kläger in das
Schuldnerverzeichnis eingetragen ist und er die daraus folgende Vermutung
des Vermögensverfalls nicht durch die Darlegung zumindest in absehbarer Zeit
nachhaltig geordneter Vermögens- und Einkommensverhältnisse widerlegt hat,
ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen. Die Beurteilung danach
eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.
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2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e
Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben,
wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und
klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von
Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an
einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur
-7-
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25 mwN).
Diese Voraussetzungen werden vom Kläger nicht dargelegt und sind auch
sonst nicht ersichtlich. Die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.
11
3. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die
Entscheidung beruhen kann (§ 112e BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
III.
12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser
Bünger
Quaas
Remmert
Schäfer
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 21.08.2015 - 1 AGH 26/15 -