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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 36/13
vom
5. November 2013
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterinnen Roggenbuck und Lohmann sowie die
Rechtsanwälte Prof. Dr. Quaas und Dr. Braeuer
am 5. November 2013
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2013 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Der Kläger ist seit 1974 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen. Am 14. Februar 2012 gab er die eidesstattliche Versicherung ab.
Auf Eigenantrag vom 3. August 2012 hin wurde am 11. Oktober 2012 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet.
Mit Bescheid vom 24. August
2012 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage gegen den Widerrufsbescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr
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beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
2
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4
VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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a) Der Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011
- AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9) im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Damit wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7
Halbsatz 2 BRAO). Weiterer Feststellungen bedurfte es nicht. Tatsachen, welche geeignet sind, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, trägt der Kläger auch in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht
vor.
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b) Wie dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO zu entnehmen ist, geht die Bundesrechtsanwaltsordnung im Grundsatz von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in
Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick
auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007
- AnwZ (B) 101/05, ZVI 2007, 618 Rn. 8; vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 8). Der
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Kläger wendet ein, dass er sich in fast 40 Jahren anwaltlicher Tätigkeit trotz
seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die zum Verlust seines Eigenheims und
seiner Altersvorsorge geführt hätten, nie an Fremdgeld vergriffen habe. Er habe
mit Wirkung zum 1. Februar 2013 eine Außensozietät gegründet; diese unterhalte ein Sammelanderkonto, auf welches er, der Kläger, nicht zugreifen könne.
Mittlerweile sei er als angestellter Anwalt tätig.
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Wie der Senat vielfach entschieden hat, reicht eine auch langjährige beanstandungsfreie Anwaltstätigkeit allein nicht aus, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen. Die vertraglichen Bindungen, welche der Kläger
nach Erlass des Widerrufsbescheides eingegangen ist, haben keinen Einfluss
auf die Rechtmäßigkeit des Widerrufs (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011,
aaO Rn. 9). Der Anwaltsgerichtshof könnte allerdings, wie der Kläger rügt, insoweit den für die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung maßgeblichen Zeitpunkt falsch bestimmt haben. Dieser Fehler hat sich auf die Entscheidung jedoch nicht ausgewirkt.
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2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2
BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob es
mit der Berufsfreiheit eines in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts aus
Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, dass ihm nach der Widerrufsverfügung
keine Möglichkeit gegeben wird, die vertragliche Gestaltung seiner beruflichen
Tätigkeit an die in der Rechtsprechung des Senats regelmäßig verlangten Voraussetzungen anzupassen, andererseits nach einem bestandskräftigen Widerruf im Hinblick auf § 7 Nr. 9 BRAO und die diesbezügliche Rechtsprechung des
erkennenden Senats allein schon der Vermögensverfall wegen der abstrakten
Gefährdung der Rechtspflege eine Wiederzulassung des betroffenen Anwalts
so lange ausschließt, bis dieser seine Verhältnisse geordnet hat. Diese Frage
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ist durch den Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 (AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ
190, 187 ff.) dahingehend beantwortet worden, dass für die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit des Widerrufs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des
behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen ist. Dass der Rechtsanwalt bei
nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen
wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen oder gar unzumutbaren Ergebnissen
und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit
der Berufswahl (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 17).
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Die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ist eine Widerrufsvoraussetzung, für die insoweit keine Besonderheiten gelten. Das vom Kläger
aufgezeigte Problem stellt sich nicht in dieser Schärfe. Ein Rechtsanwalt, der in
wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, hat die Möglichkeit, eine den Anforderungen der Senatsrechtsprechung zum Ausschluss einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2004
- AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 f.; vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11,
Rn. 3) entsprechende abhängige Tätigkeit aufzunehmen, bevor es zu einem
Widerruf der Zulassung kommt.
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III.
9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser
Roggenbuck
Quaas
Lohmann
Braeuer
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 18.01.2013 - 1 AGH 36/12 -