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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 93/06
vom
24. April 2007
in dem Verfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 180
Eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO kann auch erfolgen, wenn die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO daran scheitert, dass das Geschäft nicht mehr geöffnet hat.
BGH, Beschl. v. 24. April 2007 - AnwZ (B) 93/06 - AGH Stuttgart
wegen Widerrufs der Zulassung
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richterin Dr. Otten, die Richter
Dr. Ernemann und Dr. Schmidt-Räntsch und die Rechtsanwälte Dr. Wosgien,
Prof. Dr. Quaas und Dr. Martini ohne mündliche Verhandlung
am 24. April 2007
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung gegen die
Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
28. August 2006 wird verworfen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
tragen und der Antragsgegnerin die dadurch entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der
Gegenstandswert
50.000 € festgesetzt.
des
Beschwerdeverfahrens
wird
auf
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Gründe
I.
1
Der 1955 geborene Antragsteller wurde im August 1986 als Rechtsanwalt zugelassen und übt seither den Anwaltsberuf in S.
aus. Im Jahre
2001 veruntreute er Mandantengelder und wurde deshalb zu einer Geldstrafe
verurteilt. Seit 2003 geriet er verstärkt in finanzielle Bedrängnis, die zu anhaltend hohen Schulden und laufend zu Vollstreckungsaufträgen auch wegen geringfügiger Einzelforderungen führte.
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Mit Rücksicht hierauf hat die Antragsgegnerin am 20. Januar 2006 die
Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen. Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 28. August 2006 zurückgewiesen. Dieser ist dem
Antragsteller am 7. September 2006 zugestellt worden. Mit am 22. September
2006 bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt und mit einem am 14. Dezember
2006 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.
II.
3
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, weil der Antragsteller die Beschwerdefrist versäumt hat und ihm Wiedereinsetzung nicht zu gewähren ist.
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1. Die sofortige Beschwerde ist verspätet.
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a) Sie war nach § 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO innerhalb von zwei Wochen
bei dem Anwaltsgerichtshof einzulegen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung
des Beschlusses (Senat, BGHZ 38, 6, 8 f.). Diese erfolgte hier am 7. September 2006 durch Einlegung in den Briefkasten des Antragstellers. Auf dem Umschlag der Sendung hat der Zusteller zwar als Datum vermerkt „09.07.06“. Er
hat dabei aber lediglich zuerst den Monat und dann den Tag angegeben. Dies
ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde, in der die Reihenfolge der Datumsangaben mit Tag, Monat und Jahr vorgegeben und von dem Zusteller als
„07.09.06“ angeben ist. Etwas anderes kann auch deshalb nicht sein, weil der
Beschluss vom 28. August 2006 datiert und dies auch so auf dem Umschlag
der Zustellung vermerkt ist.
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b) Unschädlich ist auch, dass die Zustellung um 19.35 Uhr und damit
außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten erfolgt ist. Das steht einer Ersatzzustellung nach § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 16 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGG,
§ 180 ZPO und dem Eintritt der Zustellungsfiktion nach § 180 Satz 2 ZPO nicht
entgegen (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Erg. Bd., § 180 Rdn. 1). In den
Gesetzesmaterialien zur Neufassung des Zustellungsrechts zum 1. Juli 2002
wird zwar nur der Fall angesprochen, dass die Zustellung vor den üblichen Öffnungszeiten erfolgt (Begründung des Entwurfs eines Zustellreformgesetzes in
BT-Drucks. 14/4554 S. 21; ähnlich Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 180 Rdn. 1).
Für den hier vorliegenden Fall, dass die Zustellung nach Geschäftsschluss erfolgt, gilt nichts anderes. Ziel der Änderung war es, den hohen Anteil an Niederlegungen zu reduzieren und dazu den Zustelldiensten eine einfachere Möglichkeit der Ersatzzustellung für den Fall zu eröffnen, dass eine Zustellung in den
Geschäftsräumen daran scheitert, dass sie nicht geöffnet haben (Entwurfsbegründung aaO). Dafür spielt es auch unter Berücksichtigung der liberalisierten
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Öffnungs- und Arbeitszeiten sowohl der Zustelldienste als auch der Zustellungsempfänger keine Rolle, ob das Geschäft noch oder schon geschlossen ist.
7
c) Die sofortige Beschwerde hätte deshalb nach § 42 Abs. 6 Satz 2
BRAO, § 17 Abs. 1 FGG, §§ 187 Abs. 1, 188 BGB spätestens am 21. September 2006 bei dem Anwaltsgerichtshof eingehen müssen. Der Antragsteller hat
sie aber erst am 22. September 2006 verfasst und eingereicht. Das war zu spät.
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2. Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der
Beschwerdefrist nicht zu gewähren.
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a) Zweifelhaft ist schon, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung rechtzeitig
gestellt worden ist. Er ist zwar nach § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO i. V. m. § 22
Abs. 2 Satz 1 FGG zulässig. Er hätte danach aber innerhalb von zwei Wochen
nach der Beseitigung des Hindernisses gestellt werden müssen. Das Hindernis
bestand hier darin, dass der Antragsteller nicht wusste, dass er die Beschwerdefrist versäumt hatte. Dieses Hindernis war mit dem Hinweis des Senats im
Schreiben vom 10. Oktober 2006 beseitigt. Dazu kommt es auch nicht darauf
an, ob der Antragsteller dies erkannt hat. Maßgeblich ist allein, ob er dies hätte
erkennen können (BGH, Beschl. v. 13. Mai 1992, VIII ZB 3/92, NJW 1992,
2098, 2099; Beschl. v. 12. November 1997, XII ZB 66/97, NJW-RR 1998, 1218,
1219; Senat, Beschl. v. 15. August 2000, AnwZ (B) 40/00, BRAK-Mitt. 2000,
305, 306; Senat, Beschl. v. 25. September 2006, AnwZ (B) 73/05, unveröff.). Es
spricht viel dafür, dass dies bei Zugang des Hinweises des Senats vom
10. Oktober 2006 auf die Verspätung der Fall war und der Antrag deshalb
schon in dem Schreiben des Antragstellers vom 23. November 2006 hätte gestellt werden müssen. Dies kann aber offen bleiben.
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10
b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedenfalls nicht begründet, weil die
Versäumung der Beschwerdefrist nicht unverschuldet war.
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aa) Unverschuldet ist eine Fristversäumung nur, wenn der Beschwerdeführer sie bei Anwendung der Sorgfalt, die unter Berücksichtigung der konkreten Sachlage im Verkehr erforderlich war und ihm, hier als Rechtsanwalt (dazu:
BGH, Urt. v. 10. Januar 2002, III ZR 62/01, NJW 2002, 1115, 1116), vernünftigerweise zugemutet werden konnte, nicht zu vermeiden war (BGH, Beschl. v. 7.
Dezember 1954, V BLw 69/54, JR 1955, 101; Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler,
FGG, 15. Aufl., § 22 Rdn. 54; Briesemeister in von Schuckmann/Sonnenfeld,
FGG, 3. Aufl., § 22 Rdn. 32). An dieser Sorgfalt hat es der Antragsteller fehlen
lassen. Um die Frist ordnungsgemäß im Fristenkalender einzutragen und zu
überwachen, war zunächst festzustellen, wann sie zu laufen begonnen hatte.
Wenn sich hierbei Unsicherheiten ergeben können, genügt die Eintragung einer
vorläufigen Frist nicht. Vielmehr muss der genaue Fristbeginn, notfalls durch
Rückfragen bei dem Gericht, sicher festgestellt werden (BGH, Beschl. v. 6. Oktober 1993, XII ZB 122/93, FamRZ 1994, 437; Beschl. v. 15. Oktober 1996, XII
ZB 126/96, FamRZ 1997, 415).
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bb) Eine solche klärungsbedürftige Unsicherheit lag hier vor. Der Antragsteller will die Sendung erst am Montag, dem 11. September 2006, in seinem Briefkasten vorgefunden haben. Auf dem Umschlag der Sendung war indes ein anderes Datum eingetragen. In dieser Angabe will der Antragsteller
zwar das Datum „9. September 2006“ erkannt haben. Das entlastet ihn aber
nicht, weil sich Zweifel an der Richtigkeit einer Interpretation der Datumsangabe
in diesem Sinne und die Notwendigkeit einer Nachfrage bei dem Anwaltsgerichtshof geradezu aufdrängten. Der Zusteller hätte dann bei einer kurzen Datumsangabe für die Zahl 9 zwei unterschiedliche Schreibweisen verwandt. Zu-
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dem hätte er die Sendung an einem Samstagabend um 19.35 Uhr in den Briefkasten gelegt. Beides ist ungewöhnlich. Deshalb konnte sich der Antragsteller
nicht darauf verlassen, dass er die Datumsangabe richtig gelesen hatte. Die
Ungewöhnlichkeit der Zustellung ist ihm und seiner Mitarbeiterin nach eigenem
Bekunden auch sofort aufgefallen. Sie gebot eine Nachfrage beim Anwaltsgerichtshof, die der Antragsteller schuldhaft unterlassen hat.
3. Hierüber kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden
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(BGHZ 44, 25).
Hirsch
Otten
Wosgien
Ernemann
Quaas
Schmidt-Räntsch
Martini
Vorinstanz:
AGH Stuttgart, Entscheidung vom 28.08.2006 - AGH 6/06 (II) -