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5 StR 15/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. August 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Roggenbuck,
Richterin Dr. Schneider
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin S.
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
-3-
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom
12. Juni 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten G.
betrifft. Jedoch bleiben
die bisher getroffenen Mindestfeststellungen zur Anwesenheit des Angeklagten G.
K.
bei dem ersten Überfall auf
(am 15. Dezember 2005) und zu seiner Mitwirkung
hieran aufrechterhalten. Insoweit wird die weitergehende Revision der Nebenklägerin verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten G.
perverletzung (erster Überfall auf K.
wegen gefährlicher Kör-
am 15. Dezember 2005) unter Ein-
beziehung einer anderweitig verhängten rechtskräftigen Jugendstrafe (zwei
Jahre und sechs Monate) zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn vom Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge
(zweiter Überfall auf K.
) und der versuchten schweren räuberischen Er-
pressung (zum Nachteil des Zeugen Sch.
) freigesprochen. Gegen den
-4-
freisprechenden Teil des Urteils wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer
auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg und führt wegen des Zusammenhangs mit dem
Verurteilungsfall zur Aufhebung des gesamten Urteils gegen G.
mit Aus-
nahme der Mindestfeststellungen zu seiner Tatbeteiligung im Verurteilungsfall. Im gleichen Umfang hat auch das zulässige Rechtsmittel der Nebenklägerin Erfolg, das lediglich jene Mindestfeststellungen betreffend unbegründet
ist. Der Angeklagte G.
hat seine Revision zurückgenommen.
2
1. a) Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte traf sich am Nachmittag des 15. Dezember 2005 mit
den Mitangeklagten Schr.
K.
. Sie kamen überein,
in seiner Wohnung aufzusuchen. Dieser hatte vier Tage zuvor die
Jacke des Schr.
Z.
und Z.
mit 150 Euro entwendet. Nachdem Schr.
und
sie ihm gewaltsam wieder abgenommen hatten, fehlten 20 Euro aus
der Jacke. Dieses Geld wollten die Angeklagten nun „eintreiben“. Gewaltsam
verschafften sie sich Einlass in die Wohnung K.
dem Geld. K.
s und verlangten nach
beteuerte, kein Geld zu haben. Daraufhin schlug ihm jeder
der Angeklagten mehrmals wuchtig mit Händen und Fäusten gegen Kopf und
Oberkörper. Als K.
am Boden lag, peitschte Schr.
mit einem Ast
dessen Gesicht, stach ihm damit ins Ohr und würgte ihn. Sodann versetzten
die Angeklagten ihm weitere Schläge und Tritte. Auf Aufforderung des
Schr.
durchsuchten die Angeklagten G.
und Z.
fanden jedoch kein Geld. Sodann brachten beide Schr.
auf K.
die Wohnung,
davon ab, weiter
einzuschlagen. Gegen 20.15 Uhr verließen die Angeklagten ge-
meinsam die Wohnung (erster Überfall auf K.
K.
4
seinen Bekannten
).
blutete stark, konnte aber stehen und sich mit
Sch.
und
O.
unterhalten, die sich
ebenfalls in der Wohnung aufhielten. Ärztliche Hilfe lehnte er ab.
O.
verließ aus Angst vor weiteren Übergriffen die Wohnung und ließ
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dabei ihre Reisetasche in der Wohnung zurück.
Sch.
sah weiter
fern.
5
Zwischen 20.30 Uhr und 0.15 Uhr verschaffte sich mindestens eine
Person – möglicherweise einer der Angeklagten – abermals Zutritt zur Wohnung des
K.
erneut und brachte K.
. Der Eindringling durchsuchte die Wohnung
erhebliche Verletzungen bei, u. a. versetzte er
ihm einen Messerstich in den Oberschenkel. Aufgrund dieser Verletzungen
verstarb K.
6
zwischen 3.00 und 5.00 Uhr.
b) Der Angeklagte G.
K.
stellt, K.
hat eingeräumt, bei dem ersten Überfall auf
dabei gewesen zu sein. Er hat jedoch in Abrede ge-
selber geschlagen zu haben. Vielmehr habe er versucht, ihn vor
den Schlägen Schr.
s zu schützen. Von dem festgestellten Umfang der
Tatbeteiligung des Angeklagten G.
hat sich das Landgericht im Wesentli-
chen aufgrund der den Angeklagten in diesem Sinne belastenden Angaben
des Mitangeklagten Schr.
7
und der Zeugin O.
überzeugt.
c) Hinsichtlich des zweiten Überfalls, bei dem nach Anklage im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Zeuge Sch.
Opfer einer versuch-
ten räuberischen Erpressung geworden sein soll, hat der Angeklagte G.
jede Tatbeteiligung bestritten. Dies hat das Landgericht als nicht zu widerlegen angesehen. Zwar habe der Zeuge Sch.
den Angeklagten G.
als
den Täter des zweiten Überfalls identifiziert, die Angaben des Zeugen seien
allerdings wegen zahlreicher Widersprüche und des darin zum Ausdruck gekommenen Belastungseifers des Zeugen nicht zuverlässig genug, um die
Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten G.
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hierauf zu stützen.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält in Bezug auf den Freispruch des Angeklagten G.
– insoweit liegt eine Tat im Sinne des § 264
StPO vor – revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
-6-
9
Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist das durch das Revisionsgericht
in der Regel hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die
revisionsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter
Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung
widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, namentlich wesentliche Gesichtspunkte nicht erörtert werden, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen, ob der Tatrichter von einem rechtlich unzutreffenden Maßstab
ausgegangen ist oder überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (BGH, Urteil vom 28. August 2007
– 5 StR 31/07; BGH NJW 2005, 1727). Aus den Urteilsgründen muss sich
auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH,
Urteil vom 8. Mai 2008 – 3 StR 53/08; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 24).
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Die dem Freispruch des Angeklagten G.
zugrunde liegende Be-
weiswürdigung weist Rechtsfehler in diesem Sinne auf, da die Strafkammer
sich mit möglicherweise beweisrelevanten belastenden Umständen nicht hinreichend auseinandersetzt und eine nachvollziehbar umfassende Gesamtwürdigung der einzelnen Beweisergebnisse nicht anstellt. So begegnet es
durchgreifenden Bedenken, dass die Strafkammer nur isoliert die für und wider die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Sch.
sprechenden Um-
stände abwägt, eine Erörterung der diese belastenden Angaben stützenden
Beweisanzeichen, die mit nicht geringem Gewicht für eine Tatbeteiligung des
Angeklagten G.
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sprechen könnten, aber vermissen lässt.
Zwar stellt das Landgericht zutreffend auf zahlreiche Widersprüche
und Fragwürdigkeiten im Aussageverhalten des bei den Vernehmungen
deutlich alkoholisierten Zeugen Sch.
ab. Losgelöst von maßgeblichen
-7-
weiteren Beweisergebnissen kommt es auf dieser Grundlage zu dem
Schluss, dass hierauf eine Überzeugung nicht gestützt werden könne. Damit
wird es aber der Beweissituation nicht gerecht, die gerade nicht dadurch gekennzeichnet ist, dass der Angeklagte allein durch die Angaben des Zeugen
belastet wird.
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a) So nimmt das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht in den
Blick, dass der Angeklagte um 0.30 Uhr des 16. Dezember 2005 – also kurze
Zeit nach dem zweiten Überfall – mit der Reisetasche der Frau O.
, in
der sich das Fernsehgerät des Getöteten befand, nach Hause gefahren ist
und diese Gegenstände später bei ihm in der Wohnung sichergestellt werden
konnten. Da sich sowohl das Fernsehgerät als auch die Reisetasche nach
dem ersten Überfall noch in der Wohnung befanden – belegt durch die für
uneingeschränkt glaubhaft erachteten Angaben der Frau O.
–, kann
diesem Umstand maßgeblich belastende Wirkung im Hinblick auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten G.
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zukommen.
Soweit das Landgericht dem Besitz der Beutestücke kurze Zeit nach
der Tat für die Überzeugungsbildung kein weiteres Gewicht zugemessen hat,
da es eine anderweitige, im Einzelnen jedoch ungeklärte Besitzerlangung der
Gegenstände aus der Wohnung des Getöteten zugrunde gelegt hat, weckt
dies durchgreifende Bedenken. Denn Grundlage für diese Feststellung ist
allein die Einlassung des Angeklagten, die jedoch – wie das Landgericht umfassend erörtert – durch die Beweisaufnahme im Übrigen keine Bestätigung
gefunden hat. So hat der Angeklagte G.
angegeben, die Tasche mit dem
Fernsehgerät aus einer Pizzeria, die er gemeinsam mit den Mitangeklagten
besucht haben will, mitgenommen zu haben. Die Anwesenheit des G.
in
der Pizzeria ist jedoch von den Mitangeklagten und von Zeugen entweder
nicht bestätigt oder bestritten worden. Allein auf dieser dürftigen Beweisgrundlage durfte der Umstand, dass der Angeklagte kurze Zeit nach der Tat
im Besitz der Beute war, bei einer zusammenfassenden Würdigung der für
die Tatbeteiligung sprechenden Indizien nicht unerörtert bleiben.
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b) Darüber hinaus erwägt die Strafkammer im Rahmen der Beweis-
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würdigung nicht hinreichend, dass sich an dem Messer des Angeklagten G.
– welches nach sachverständiger Wertung als Tatwaffe für den tödlichen
Messerstich, wenngleich nicht zwingend (vgl. UA S. 104 f., 109), in Betracht
kommt – DNA-Spuren des Getöteten befunden haben. Diesen Umstand durfte es nicht schon deswegen unbeachtet lassen, weil der Angeklagte G.
erstmals in der Hauptverhandlung und entgegen früheren Vernehmungen
diese Spuren damit erklärt hat, er habe bei dem ersten Überfall dem Angeklagten Schr.
K.
das Messer gegeben und dieser habe damit
eine Schnittwunde am Ohr beigebracht. Denn der Einsatz eines Mes-
sers bei dem ersten Überfall ist weder von den Mitangeklagten noch von der
Zeugin O.
bestätigt und deswegen vom Landgericht auch nicht den
Feststellungen zugrunde gelegt worden. Zwar ist bei dem Getöteten eine
Rissverletzung am Ohr festgestellt worden, die mit der stumpfen Seite des
Messers des Angeklagten G.
verursacht worden sein kann, jedoch belegt
dies nicht, dass diese Verletzung im Rahmen des ersten Überfalls gesetzt
worden ist. Eine Auseinandersetzung mit der Motivation des Angeklagten
G.
für die Änderung seines Aussageverhaltens lassen die Urteilsgründe
ebenso vermissen wie die Untersuchung der Bedeutung der Spurenlage an
dem Messer – an dem sich keine DNA-Spuren des Mitangeklagten Schr.
befunden haben, was für sich freilich keine tragfähige überführende Beweiskraft hätte – für die Überzeugungsbildung von der Schuld des Angeklagten in
zusammenfassender Würdigung mit den anderen Beweisanzeichen.
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c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei der
gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung der Indizien sich hinsichtlich des
zweiten Überfalls von einer Tatbegehung oder jedenfalls -beteiligung des
Angeklagten G.
hätte überzeugen können. Sollte das neue Tatgericht
abermals nicht sicher feststellen können, dass der Angeklagte G.
bei dem
zweiten Überfall in der Wohnung des Getöteten war, wird es den Sachverhalt
schließlich unter dem Gesichtspunkt der Hehlerei zu prüfen haben.
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3. Soweit sich die Nebenklägerin gegen den Freispruch des Angeklag-
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ten G.
wendet, hat ihr Rechtsmittel aus denselben Gründen Erfolg, es ist
im Übrigen aber unbegründet. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht hinsichtlich des ersten Überfalls von einer Verurteilung wegen einer durch den Todeserfolg qualifizierten Straftat abgesehen, da es – sachverständig beraten –
nicht feststellen konnte, dass bei dem ersten Überfall dem Geschädigten
Verletzungen zugefügt worden sind, die zum Tode geführt oder den Todeseintritt beschleunigt haben.
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Da diese Feststellungen – freilich rechtsfehlerfrei – lediglich aufgrund
des Zweifelsgrundsatzes erfolgt sind, muss wegen des engen Zusammenhangs des Verurteilungs- und des Freispruchsfalls durch den kurz nach zwei
Verletzungsvorgängen eingetretenen Tod des Opfers (§ 264 StPO) der erstgenannte ungeachtet materiell-rechtlicher Tateinheit ebenfalls aufgehoben
werden, um dem neuen Tatgericht eine uneingeschränkte Möglichkeit zur
Feststellung der Kausalität für den Fall zu lassen, dass es sich von einer
Mitwirkung des Angeklagten G.
an dem zweiten Überfall überzeugen soll-
te. Es kann dann für diesen Angeklagten sogar günstiger sein, wenn sich
eine Todesverursachung (auch) durch den ersten Überfall nicht ausschließen
lassen sollte. Aufrechterhalten bleiben indes die rechtsfehlerfrei getroffenen
Mindestfeststellungen zur Mitwirkung des Angeklagten G.
an dem ersten
Überfall; gegen diesen wird der gleiche Schuldspruch wegen gefährlicher
Körperverletzung wie bisher auszusprechen sein, wenn sich seine Verantwortlichkeit für den zweiten Überfall auch nach erneuter Prüfung nicht nachweisen lassen sollte.
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4. In jedem Fall wird das neue Tatgericht die uneingeschränkte
Schuldfähigkeit des Angeklagten G.
neu zu prüfen haben. Die im Gegen-
satz zur Beurteilung durch den psychiatrischen Sachverständigen stehende
bisherige gerichtliche Überzeugung von einer voll erhaltenen Steuerungsfähigkeit dieses Angeklagten ist im angefochtenen Urteil nicht überzeugend
begründet, wenngleich sich dieser Mangel bei der bislang verhängten, bei
- 10 -
dem festgestellten Tatbild eher milden Jugendstrafe im Ergebnis nicht zum
Nachteil dieses Angeklagten ausgewirkt hat. Sollte das neue Tatgericht von
einer auch alkoholbedingten erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des
Angeklagten ausgehen, wird es indes auch zu prüfen haben, ob dieser Umstand durch schulderhöhende Umstände ausgeglichen wird (vgl. BGHSt 49,
239, 245 f.).
Basdorf
Raum
Roggenbuck
Schaal
Schneider