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5 StR 508/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 13. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Februar 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt S.
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
-3-
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin
und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. März 2006 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenklägerin tragen jeweils die
Kosten des eigenen Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die
Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils mit
der Sachrüge geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten. Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.
I.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war mit
S.
–M.
, seinem späteren Op-
fer, zunächst glücklich in zweiter Ehe verheiratet. Es kam jedoch zum Streit,
als sich die Geschädigte – auch durch die Aufnahme einer Tätigkeit als Kellnerin – von dem häufiger durch Montagearbeiten abwesenden Angeklagten
mehr und mehr distanzierte. Im Zusammenhang mit einem bei seiner Frau
-4-
gefundenen „Joint“, den ihr ein Arbeitskollege überlassen hatte, reagierte der
Angeklagte erstmals aggressiv und handgreiflich. Hierbei war er von dem
Gedanken geleitet, seine von ihm geliebte Frau vor schädlichen Einflüssen
schützen zu müssen, aber wohl auch von der – begründeten – Sorge, sie
alsbald zu verlieren. Die Geschädigte ging anschließend vordergründig
zwecks Versöhnung auf den Vorschlag des Angeklagten ein, ihre alte Arbeit
aufzugeben und eine neue zu suchen. Als der Angeklagte ein Telefonat des
Gaststättenwirts mit der Geschädigten bemerkte und sie daraufhin zur Rede
stellte, verbat diese sich eine Kontrolle durch den Angeklagten. Er verwies
darauf, dass sie es nicht nötig habe, in der Gaststätte zu arbeiten, da er doch
genug Geld verdient habe. Sie holte das bezeichnete Geld aus einem
Schrank und gab es ihm mit dem Bemerken, er könne es behalten. Anschließend verschüttete sie Kaffee über den Tisch und wies den Angeklagten
mit den Worten „Raus hier, das ist meine Wohnung!“ aus der ehelichen
Wohnung. Der Angeklagte – von diesem Sinneswandel völlig überrascht und
erschüttert – trat spontan an die Geschädigte heran, fasste mit beiden Händen von vorne um ihren Hals und würgte die Geschädigte, bis der Tod eintrat. In dieser heftigen Gefühlsaufwallung bewegten ihn Wut, Verzweiflung,
Verlustängste und möglicherweise auch ein vermeintliches Besitzrecht. Über
die Vorstellungen der Geschädigten machte er sich keine Gedanken und realisierte auch nicht, dass der lebensbedrohliche Angriff für die ihm körperlich
unterlegene Geschädigte, die keine Möglichkeit zur Abwehr hatte, völlig
überraschend kam. Kurze Zeit später stellte sich der Angeklagte der Polizei.
4
Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet und die Annahme
von Mordmerkmalen abgelehnt. Es hat ausgeschlossen, dass der Angeklagte eine mögliche Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausgenutzt
hat, weil ihm insbesondere – wie der Sachverständige näher ausgeführt hat –
jeglicher Zugang zur eigenen Aggressivität verschlossen sei. Ein Handeln
aus niedrigen Beweggründen hat die Strafkammer verneint, weil sie nicht
festzustellen vermochte, dass ein übersteigertes Besitzdenken Hauptmotiv
des Angeklagten gewesen sei.
-5-
II.
5
Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.
6
1. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke beanstandet wird, ist unbegründet.
Die Annahme eines Heimtückemordes setzt Feststellungen des
Landgerichts voraus, die tragfähig belegen, dass der Angeklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt hat, sich also bei Beginn des tödlichen Angriffs bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff
schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535; BGH,
Beschluss vom 11. Dezember 2006 – 5 StR 468/06). Eben solche Feststellungen hat das Landgericht allerdings nicht getroffen. Im Gegenteil hat es
festgestellt, dass dem Angeklagten die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers
gerade nicht bewusst war. Der Umstand, dass eine gewisse affektive Erschütterung bei vorsätzlichen Tötungsdelikten der Normalfall ist, stellt diese
Feststellung hier nicht in Frage. Zur Begründung hat das Landgericht auf die
Ausführungen des Sachverständigen abgestellt, wonach dem Angeklagten
jeglicher Zugang zu seiner eigenen feindseligen Haltung fehle und ihm deshalb auch die Bewertung seines aggressiven Verhaltens im Verhältnis zur
Geschädigten nicht möglich gewesen sei. Diese Feststellungen beruhen angesichts der Gesamtumstände des Geschehens auf tragfähiger Grundlage.
7
2. Die Revision der Nebenklägerin, die sich gegen die Ablehnung der
Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe richtet, bleibt ebenfalls
ohne Erfolg. Denn auch die Ablehnung des Mordmerkmals der niedrigen
Beweggründe begegnet auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts keinen Bedenken.
-6-
8
a) Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn
sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb
besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe
zur Tat „niedrig“ sind und – in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem
Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters
maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47,
128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt
es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2006, 286, 287 m.w.N.).
9
Bei dieser Würdigung steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum
zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann.
Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt
vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden,
wenn ein anderes Ergebnis möglich oder gar näher liegend gewesen wäre
(vgl. BGH NStZ 2006, 284, 285; NStZ-RR 2006, 340; BGH, Urteil vom
14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06).
10
b) Nach diesen Kriterien ist die Ablehnung niedriger Beweggründe aus
revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden: Das Landgericht hat die
sicher festzustellenden Tatmotive hinreichend gesehen und gewürdigt. Seine
Wertung, keines der dominierenden Motive sei in deutlich weiter reichendem
Maße als bei einem Totschlag verachtenswert, ist nachvollziehbar begründet
und gut vertretbar.
11
3. Die Revision des Angeklagten deckt keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf. Die mit der Dauer und Massivität des Würgevorgangs belegte besondere Tatintensität und die objektiv gegebene Argund Wehrlosigkeit des Opfers durften dem Angeklagten, dessen Steuerungsfähigkeit rechtsfehlerfrei als nicht erheblich vermindert angesehen wurde,
-7-
ebenso angelastet werden wie die überaus egozentrische, damit schon an
der Grenze zu niedrigen Beweggründen stehende Tatmotivation. Aufgrund
der noch verwertbaren Vorstrafen war er nicht wie ein gänzlich unbestrafter
Täter zu beurteilen. Die – eher hoch bemessene – Strafe ist auch sonst aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Basdorf
Raum
Schaal
Brause
Jäger