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5 StR 371/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u. a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2007, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt
als Vorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
-3-
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten P.
wird das Urteil
des Landgerichts Mühlhausen vom 16. März 2007, soweit
es diesen Angeklagten betrifft,
a) im Fall II. 2. 1. der Urteilsgründe aufgehoben; insoweit
wird der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freigesprochen; dieser werden die ihm hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt,
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
P.
in vier Fällen der gewerbsmäßigen Steuerhehle-
rei sowie in drei Fällen der versuchten gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig ist,
c) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 2. 3.,
II. 2. 4. und II. 2. 6. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
– Von Rechts wegen –
-4-
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten P.
wegen gewerbsmäßiger
Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Die zuletzt nur noch auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Seine weitergehende Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte P.
wollte sich im Zeitraum von Ende August 2004
bis Dezember 2004 von einem polnischen und weiteren unbekannt gebliebenen Lieferanten in acht Fällen große Mengen unverzollter und unversteuerter
Zigaretten verschaffen. Hierbei handelte es sich um Zigaretten, die zuvor
ohne Gestellung und Anmeldung von der Ukraine nach Polen in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft verbracht worden waren. Die Zigaretten, je Lieferung zwischen 180.000 und 250.000 Stück, wollte der Angeklagte
gewinnbringend an eigene Abnehmer weiterveräußern. Auf den Zigaretten
lasteten Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer in Höhe von insgesamt
rund 307.000 Euro.
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1. Nur in vier Fällen (Fälle II. 2. 5. sowie II. 2. 7. bis 2. 9. der Urteilsgründe) konnte der Angeklagte die auf seine Weisung auf den Hof eines
Asia-Imbisses in der H.
–J.
–A.
in Magdeburg gelieferten Zigaret-
tenladungen übernehmen. In den übrigen Fällen kam es zu keiner Übergabe:
5
a) Im Fall II. 2. 1. der Urteilsgründe scheiterten bereits die Kaufverhandlungen des Angeklagten mit seinem polnischen Lieferanten T.
. Die-
ser hatte zur Bedingung der Lieferung gemacht, dass die Abnehmer des An-
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geklagten feststünden. Dem Angeklagten gelang es allerdings nicht, dem
Lieferanten einen Abnehmer zu nennen, weil der ihm aus früheren Zigarettengeschäften bekannte Geschäftspartner L. ihm wahrheitswidrig mitteilte, er
könne die Zigarettenladung nicht abnehmen. L. wollte indes die Zigaretten
ohne Zwischenschaltung des Angeklagten erwerben und wandte sich daher
unmittelbar an T.
. Dieser lieferte ohne Wissen des Angeklagten die Ziga-
retten von Polen nach Deutschland direkt zum Abnehmer L..
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b) Im Fall II. 2. 3. der Urteilsgründe einigte sich der Angeklagte mit T.
über die Lieferung von 250.000 Zigaretten, die wie in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch in die H.
–J.
–A.
an den vom An-
geklagten regelmäßig benutzten Lieferort erfolgen sollte. Bevor sie jedoch
dorthin geliefert werden konnten, wurden sie nach dem Verbringen nach
Deutschland von unbekannt gebliebenen Dritten gestohlen.
7
c) Im Fall II. 2. 4. der Urteilsgründe wurden die Zigaretten, über deren
Transport an seine übliche Lieferadresse sich der Angeklagte wiederum erfolgreich mit seinem polnischen Lieferanten geeinigt hatte, nach dem
Verbringen von Polen nach Deutschland in Seelow von der Polizei beschlagnahmt.
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d) Im Fall II. 2. 6. der Urteilsgründe sollten die Zigaretten auf Weisung
des Angeklagten von einem unbekannt gebliebenen Lieferanten direkt an
zwei Abnehmer des Angeklagten in eine Scheune nahe Schwanebeck geliefert werden. Die beiden Abnehmer begaben sich zwar zu dem vereinbarten
Übergabeplatz; jedoch wurden die Zigaretten vor der geplanten Übergabe
von Mitarbeitern des Zollfahndungsamts beschlagnahmt.
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2. Das Landgericht hat die Fälle, in denen der Angeklagte die Zigaretten erhielt, als gewerbsmäßige Steuerhehlerei in der Tatbestandsvariante
des Ankaufens (§ 374 AO) gewertet. Auch soweit die Lieferungen gescheitert
waren, hat das Landgericht den Angeklagten wegen vollendeter gewerbs-
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mäßiger Steuerhehlerei verurteilt: Zwar liege insoweit kein Ankaufen vor, weil
die Ware den Angeklagten bzw. im Fall II. 2. 6. der Urteilsgründe seine Abnehmer nicht erreicht habe. Der Angeklagte habe sich aber auch in diesen
Fällen jeweils nach Abnehmern umgesehen und deshalb das Tatbestandsmerkmal der Absatzhilfe erfüllt. Absatzhilfe sei jede unterstützende Tätigkeit
zum Zwecke des Absatzes, ohne dass es darauf ankomme, ob der Absatz
letztlich erfolgreich sei.
II.
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Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
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1. Die Urteilsfeststellungen tragen in den Fällen II. 2. 1., 2. 3., 2. 4. und
2. 6. der Urteilsgründe, in denen eine Übergabe an den Angeklagten nicht
erfolgte, eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei nicht.
12
a) Im Fall II. 2. 1. der Urteilsgründe ist der Angeklagte aus rechtlichen
Gründen freizusprechen.
13
aa) Die gescheiterten Vertragsverhandlungen des Angeklagten mit
seinem polnischen Lieferanten T.
erfüllen den Tatbestand der Steuerheh-
lerei (§ 374 AO) nicht.
14
(1) Der Angeklagte hat für seinen Lieferanten keine Absatzhilfe geleistet. Vielmehr handelte er als sogenannter Zwischenhehler auf eigene Rechnung und nicht im Interesse seines Lieferanten. Das Merkmal der Absatzhilfe
erfasst indes nur diejenigen Handlungen, mit denen der Hehler sich an den
Absatzbemühungen des Vortäters oder eines Zwischenhehlers in dessen
Interesse und auf dessen Weisung unselbständig beteiligt (Kohlmann, Steuerstrafrecht 29. Lfg. September 2001 § 374 AO Rdn. 53; Voß in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 374 AO Rdn. 21; Senge in
-7-
Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 153. Ergänzungslieferung AO
§ 374 Rdn. 20).
(2) Der Angeklagte hat sich die Zigaretten auch nicht „verschafft“.
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Zwar sind sie in den Besitz seines Geschäftspartners L. gelangt, an den der
Angeklagte die Zigaretten hätte weiterverkaufen wollen, wenn sie an ihn geliefert worden wären. Ein „Sichverschaffen“ im Sinne des § 374 Abs. 1 AO
setzt jedoch das Erlangen eigener Verfügungsgewalt voraus (Senge aaO
Rdn. 14; Kohlmann aaO Rdn. 44; Voß aaO Rdn. 18). Daran fehlt es hier. Der
Angeklagte erlangte zu keinem Zeitpunkt Verfügungsgewalt über die Zigaretten.
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bb) Die Urteilsfeststellungen bilden auch keine tragfähige Grundlage
für eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Steuerhehlerei gemäß §§ 374, 370 Abs. 2 AO. Mit Aufnahme der (letztendlich gescheiterten)
Kaufvertragsverhandlungen hat der Angeklagte hier zur Verwirklichung des
Tatbestandes noch nicht unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB).
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(1) Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser
Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares
Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen
oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang
stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle
zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht
mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes
übergeht. Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGHR AO § 373 Versuch 1 m.w.N.).
-8-
18
(2) Danach gilt für das Delikt der Steuerhehlerei, dass auch der Eintritt
in Kaufverhandlungen ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des
Tatbestandsmerkmals des Ankaufens darstellen kann. Dies ist aber nur dann
der Fall, wenn sich die Übergabe der Waren oder Erzeugnisse an den Käufer
sofort anschließen kann und soll, sobald eine Einigung über den Kaufpreis
zustandegekommen ist, und die Verhandlung so der Verschaffung der Verfügungsgewalt unmittelbar vorgelagert ist (vgl. Kohlmann aaO Rdn. 64; Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO, 131. Lfg. Oktober 1990 Rdn. 71; zu
§ 259 StGB; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 259 Rdn. 51; Ruß
in LK 11. Aufl. § 259 Rdn. 40; vgl. auch BGHSt 21, 267, 268; BGHR StGB
§ 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4 und BGH, Urteil vom 10. November 1970
– 1 StR 366/70 bei Dallinger MDR 1971, 546). Wenn aber – wie hier – bei
telefonischen Vertragsverhandlungen die Ware nicht unmittelbar an den Käufer übergeben werden kann, scheidet eine unmittelbare Einleitung des Übertragungsaktes jedenfalls solange aus, wie noch keine Einigung über Zeit und
Ort der Lieferung erfolgt ist. Im vorliegenden Fall waren die Verhandlungen
bereits gescheitert, bevor ein Empfänger und ein Lieferort bestimmt werden
konnten.
19
cc) Der Angeklagte ist in diesem Fall auch nicht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig.
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(1) Die hier in einer Steuerhinterziehung bestehende Vortat, bei der
jedenfalls Zoll und polnische Einfuhrumsatzsteuer als von § 374 Abs. 2 AO
erfasste Einfuhrabgaben verkürzt wurden (§ 370 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1,
Abs. 7 AO), war bereits vor dem Tätigwerden des Angeklagten abgeschlossen. Die Zigaretten, hinsichtlich deren diese Abgaben schon bei der Einfuhr
aus einem nicht der Europäischen Union angehörenden Staat nach Polen
hinterzogen worden waren, wurden zunächst in Polen gelagert. Damit waren
sie dort „zur Ruhe gekommen“, bevor die Verkaufsverhandlungen mit den in
Deutschland ansässigen Abnehmern aufgenommen wurden (vgl. BGH
-9-
wistra 2007, 224, 225 f.). Eine Beihilfe nach Beendigung der Tat ist nicht
möglich.
21
(2) Auch eine Beihilfe zur Hinterziehung der deutschen Tabaksteuer,
die beim Verbringen der Zigaretten von Polen nach Deutschland entstanden
ist (§ 19 TabStG, vgl. dazu BGH aaO S. 227 m.w.N.), liegt nicht vor. Der Angeklagte handelte nicht mit Teilnahmevorsatz hinsichtlich der tatsächlich
durchgeführten Haupttat; er wollte mit seinem Telefonanruf bei seinem Geschäftspartner L. kein Zigarettengeschäft fördern, an dem er selbst nicht beteiligt war. Eine strafbare Beihilfe kommt aber nur in Betracht, wenn der Hilfeleistende die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und weiß, dass
er durch sein Verhalten das Vorhaben der Haupttäter fördert (BGHR StGB
§ 27 Abs. 1 Vorsatz 2, 9; Cramer/Heine in Schönke/Schröder aaO § 27
Rdn. 19; Joecks in MünchKomm-StGB § 27 Rdn. 75 ff.; jeweils m.w.N.).
Zwar genügt auch bei der Beihilfe für eine Strafbarkeit bedingter Vorsatz.
Dieser liegt – in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit – dann vor, wenn
der Gehilfe bei seiner Unterstützungshandlung nach dem ihm bekannten
Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts nicht mehr auf dessen Ausbleiben vertrauen kann (BGH StV 1985, 100 m.w.N.). So verhält es sich hier
indes nicht. Vielmehr ging der Angeklagte davon aus, dass die Verhandlungen mit dem Lieferanten endgültig gescheitert waren und der Lieferant sich
andere, von den Geschäftsbeziehungen des Angeklagten unabhängige Absatzwege suchen würde. In dem im Ergebnis erfolglosen Angebot des Angeklagten, dem Lieferanten Zigaretten abzukaufen, liegt damit lediglich der
straflose fehlgeschlagene Versuch einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
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b) In den Fällen II. 2. 3. und 2. 4. der Urteilsgründe hält die Annahme
einer vollendeten Absatzhilfe aus den bereits genannten Gründen der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Der Angeklagte hat sich jedoch in
diesen Fällen jeweils wegen versuchter gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in
Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar gemacht. Der Senat
ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO
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steht dem auch bezüglich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht entgegen. Der Senat schließt aus, dass sich der Angeklagte gegen die Änderung
des rechtlichen Gesichtspunktes wirksamer als geschehen hätte verteidigen
können.
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aa) Der Angeklagte ist in diesen Fällen – entgegen der Auffassung
des Generalbundesanwalts und der Verteidigung – der versuchten gewerbsmäßigen Steuerhehlerei schuldig.
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Die Urteilsfeststellungen belegen, dass sich der Angeklagte mit seinem polnischen Lieferanten über den Ankauf und die Abnahme der Zigaretten einigte und der Lieferant die Zigaretten absprachegemäß auf den Weg zu
dem vom Angeklagten bestimmten und als Übergabeort regelmäßig benutzten Hof brachte. Hierin liegt ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung und damit ein Versuch des Ankaufens als Unterfall des Sichverschaffens. Nach dem Tatplan des Angeklagten sollte der Übertragungsakt
durch Beginn der Lieferung unmittelbar nach Einigung mit dem Lieferanten
eingeleitet werden (vgl. zu § 259 StGB OLG Koblenz VRS 64, 22, 24; zu § 29
Abs. 1 BtMG vgl. auch BayObLG NStZ 1984, 320). Mit der Ausführung der
Lieferung an die Lieferadresse des Angeklagten begann die Verschiebung
der Waren. Mit dem Eintreffen der Zigaretten dort wären sie für den Angeklagten verfügbar gewesen. Darin liegt der Unterschied zur bloßen Einigung
über die Abnahme bestimmter Waren (vgl. BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4). Bereits der Beginn der Lieferung konnte die Aufdeckung der
Vortat und damit die Erhebung der verkürzten Einfuhrabgaben erschweren.
Die Lieferung an den Angeklagten diente folglich auch der Aufrechterhaltung
eines vom Vortäter geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustands, der nach
der Vorstellung des Gesetzgebers mit der Strafnorm des § 374 AO bekämpft
werden soll (vgl. BGHSt 29, 239, 242 m.w.N.; Kohlmann aaO Rdn. 9; Voß
aaO Rdn. 2).
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Der Umstand, dass die Zigaretten erst über eine lange Distanz transportiert werden mussten und dieser Transport einige Zeit in Anspruch nahm,
steht der Annahme der Unmittelbarkeit des Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne von § 22 StGB nicht entgegen. Der Übergabe der Zigaretten an den Angeklagten standen am Liefertag bei ungestörtem Fortgang
keine Hindernisse im Wege. Der Transport der Zigaretten durch Unterstützer
der Lieferanten war organisiert, die Gefahr einer Kontrolle der Fahrzeuge an
der polnisch-deutschen Grenze durch Einschaltung bestochener Bundesgrenzschutzbeamter minimiert. Der Umstand, dass sich der Angeklagte zum
vereinbarten Zeitpunkt an den Übergabeort – den regelmäßig von ihm als
Abladeort vorgegebenen Hof des Asia-Imbisses – begeben musste, stellt vor
diesem Hintergrund keinen wesentlichen Zwischenschritt dar, welcher der
Annahme eines unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung hier
entgegenstehen würde (vgl. OLG Koblenz aaO).
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bb) Zugleich hat sich der Angeklagte in diesen Fällen der Beihilfe zur
Hinterziehung der Tabaksteuer (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 27 StGB) schuldig
gemacht. Indem er seine Abnahmebereitschaft signalisierte, förderte er das
Verbringen der Zigaretten von Polen nach Deutschland und die Hinterziehung der hierbei entstandenen Tabaksteuer. Diese Steuer wurde dadurch
verkürzt, dass für die entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr
eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften nach
Deutschland verbrachten Zigaretten nicht sofort nach dem Verbringen eine
Steuererklärung abgegeben wurde (§ 19 Sätze 1 bis 3 TabStG, vgl. zum
Ganzen BGH wistra 2007, 224, 227).
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c) Auch im Fall II. 2. 6. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte der
versuchten gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zur
Steuerhinterziehung strafbar gemacht.
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Zwar wurden in diesem Fall die Zigaretten nicht zur Übergabe an den
Angeklagten auf den Weg gebracht. Es genügt jedoch, dass die Übergabe
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an die Abnehmer des Angeklagten erfolgen sollte und die Abnehmer zur
Übernahme der Zigaretten vom Lieferanten bereit waren. Es handelte sich
um eine sogenannte abgekürzte Lieferung: Die Übergabe im Verhältnis zwischen dem Angeklagten als Zwischenhehler und seinen Abnehmern sollte
dadurch erfolgen, dass der Lieferant, dem Geheiß des Angeklagten folgend,
bereit war, an die Abnehmer des Angeklagten zu liefern. In dieser Übergabe
sollte zugleich die Übergabe des Lieferanten an den Angeklagten als Zwischenhehler liegen, indem die Abnehmer des Angeklagten auf dessen Geheiß die Ware übernehmen sollten („doppelter Geheißerwerb“). Die Schwelle
zum Versuch der Übertragung der Verfügungsgewalt an den Zigaretten auf
den Angeklagten als Zwischenhehler und damit zum Versuch des Sichverschaffens im Sinne von § 374 AO wurde dadurch überschritten, dass der
Vortäter mit der Lieferung begann und die Abnehmer des Angeklagten in Erwartung der Zigarettenlieferung zur vereinbarten Zeit am verabredeten Übergabeort schon eingetroffen waren (vgl. auch OLG Koblenz aaO; Stree aaO).
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2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht in den Fällen II. 2. 3., 2. 4.
und 2. 6. der Urteilsgründe die Aufhebung der Einzelstrafen und damit (einschließlich des Teilfreispruchs) die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Die übrigen Einzelstrafen sind von dem Wertungsfehler des Landgerichts
nicht betroffen und haben deshalb Bestand.
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III.
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Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet. Zu den
Fällen II. 2. 5. sowie II. 2. 7. bis 2. 9. der Urteilsgründe enthält das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.
Gerhardt
Schaal
Raum
Brause
Jäger