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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 53/00
vom
14. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom12. Juli 2000 in der Sitzung am 14. Juli 2000, an denen teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
von Lienen
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 22. Mai 1998 (5 KLs 8/98)
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte im
Fall 7 der Urteilsgründe (S.
) wegen Beihilfe zum
versuchten Betrug verurteilt wird;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 3 (K. ), 6
(G.
) und 7 (S.
) der Urteilsgründe und im Aus-
spruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht Oldenburg hat den Angeklagten B.
(unter dem
Aktenzeichen: 5 KLs 8/98) wegen Beihilfe zum Betrug in neun Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihm für
-4-
die Dauer von drei Jahren untersagt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit einer Reihe von
Verfahrensrügen und einzelnen sachlichrechtlichen Beanstandungen.
Durch Urteil vom gleichen Tag hat das Landgericht Oldenburg den gesondert Verfolgten M.
(unter dem Aktenzeichen: V gr.1/96) wegen Beihilfe
zum Betrug in neun Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihm für die Dauer von fünf
Jahren untersagt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Das Verfahren
auf die Revision des M.
gegen dieses Urteil ist beim Senat zum Aktenzei-
chen 3 StR 454/99 anhängig. Der Senat hat beide Verfahren zum Zweck gemeinsamer Verhandlung vor dem Revisionsgericht miteinander verbunden.
II.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte im Jahr
1980 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in der Sozietät N.
und M.
in Oldenburg aufgenommen. M.
, E.
war dort bereits tätig, seit 1979
zum (Anwalts)Notar bestellt und nach der Amtsniederlegung des (Anwalts)Notars E.
im März 1986 verstärkt als Notar mit der Beurkundung
von Kaufverträgen befaßt. Nachdem M.
im Juli 1989 vorläufig seines
Notaramtes enthoben worden war, wurde der Angeklagte zum Notarvertreter
M.
s bestellt und nahm fortan die Notargeschäfte wahr. M.
bereitete die
Vorgänge wie ein Bürovorsteher vor und kümmerte sich insbesondere um den
Mandanten
P.
. Dieser beschäftigte von 1988 bis Anfang 1992
das Notariat mit ca. 600 Urkundsgeschäften, bezogen auf über 125 Grund-
-5-
stücksobjekte. Gegenstand des Verfahrens sind neun Grundstücksobjekte, bei
denen P.
und weitere Personen verschiedene Kreditinstitute jeweils
durch Täuschung über den Wert eines Grundstücks und die Werthaltigkeit von
Sicherheiten zur Gewährung von Darlehen veranlaßten und die durch die
”Überfinanzierung” erlangten Beträge für sich vereinnahmten. In der Mehrzahl
der Fälle wurden die Kredite alsbald nicht mehr bedient, so daß die Kreditinstitute die Verwertung der Sicherheiten betreiben und teilweise ganz erhebliche, in die Millionen DM gehenden Verluste realisieren mußten. In einem Fall
war der Ausfall des Kredits Ursache dafür, daß das Kreditinstitut seine Geschäftstätigkeit einstellen mußte. P.
ist bereits 1993 für vier dieser
Fälle wegen Betruges rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht
Jahren verurteilt worden. Der Angeklagte und M.
haben nach den Feststel-
lungen des Landgerichts zu diesen Taten dadurch Beihilfe geleistet, daß sie in
der Vermutung oder in Kenntnis, daß die kreditgewährenden Banken jeweils
getäuscht worden waren, die auf dem Notaranderkonto eingegangenen Darlehensbeträge jeweils auch zugunsten der Täter auskehrten, die Täter somit bei
der Vollendung ihres Betrugs unterstützten, und dabei die Schädigung der
Banken in Kauf nahmen oder diese sogar wollten, um sich weiterhin die Mandate P.
s zu sichern, die wegen der hohen Geschäftswerte ein erhebli-
ches Gebührenaufkommen versprachen.
III.
Die Revision des Angeklagten hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
-6-
1. Die Verfahrensrügen versagen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf
die Darlegungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift vom
13. Dezember 1999, die er in der Revisionshauptverhandlung wiederholt hat.
Ergänzender Erörterung bedürfen nur die folgenden Beanstandungen:
a) Die Rüge, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt
gewesen, ist zulässig erhoben. Die Darlegung, die Angeklagten ”erklärten sich
erstmals in der Hauptverhandlung am 24. Mai 1996 zu ihrem Lebenslauf,
nachdem sämtliche Besetzungseinwände erhoben waren”, ist für einen rechtzeitigen Besetzungseinwand (§ 338 Nr. 1 b, § 222 b Abs. 1 StPO) ausreichend;
sie enthält konkludent den Vortrag, daß die Vernehmung der Angeklagten zur
Sache erst nach Erhebung der Besetzungseinwände erfolgt ist.
Die Rüge ist aber unbegründet. Das Präsidium hat hier keine allgemeine
Umschreibung ”erfunden”, um eine bestimmte Sache aus dem Bestand der
1. Großen Strafkammer herauszunehmen. Dieser waren vielmehr in der Vergangenheit die ”Anwaltssachen” als generell-abstrakt beschriebene Sonderzuständigkeit zugewiesen. Das Präsidium hat der 1. Großen Strafkammer nun
genau diese Sonderzuständigkeit weggenommen und mit derselben Formulierung der 5. Großen Strafkammer zugeschlagen. Unter diesem Gesichtspunkt
wurde die 1. Große Strafkammer nicht primär um eine Sache sondern um einen
bereits zuvor nach allgemeinen Merkmalen beschriebenen Tätigkeitsbereich
entlastet. Dies war wegen der auch von der Revision nicht bestrittenen Verringerung der Strafkammern und der deshalb notwendigen Halbierung der
1. Großen Strafkammer zulässig, auch wenn im konkreten Fall nur ein einziges
Verfahren betroffen war. Auch bei besonders kritischer Überprüfung der Sach-
-7-
gerechtigkeit der Auswahlkriterien (BGHSt 44, 161, 170) bestehen deshalb gegen diese Verfahrensweise hier keine Bedenken.
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Einwand, die Zuweisung verstoße
auch gegen die aufgrund von § 21 e Abs. 4 GVG getroffene Regelung des Geschäftsverteilungsplans, rechtzeitig erhoben ist.
b) Die Rüge, die Strafkammer habe zu Unrecht ihre Zuständigkeit angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO), weil sie keine Wirtschaftsstrafkammer sei, die Sache aber als Wirtschaftsstrafsache gemäß § 74 c Abs. 1 Nr. 6 GVG vor eine
solche Kammer gehöre, ist zulässig erhoben, aber aus den vom Generalbundesanwalt genannten Erwägungen unbegründet.
c) Unbegründet ist auch die Rüge, dem Angeklagten sei nicht das letzte
Wort gewährt worden. Ihr liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Wegen
Erkrankung seines Verteidigers war das Verfahren gegen den Angeklagten am
94. Verhandlungstag abgetrennt und gesondert fortgeführt worden. Nachdem
der Angeklagte bereits am 102. Verhandlungstag das letzte Wort gehabt hatte,
wurde am 103. Verhandlungstag erneut in die Beweisaufnahme eingetreten.
Nach Verkündung von Beschlüssen wurde den Beteiligten Gelegenheit zur
Stellungnahme dazu gegeben, ob das Verfahren gegen den Angeklagten und
das ebenfalls noch nicht beendete Verfahren gegen M.
”wieder zur gemein-
samen Verkündung einer Entscheidung verbunden werden könnten” (Protokollband X, Blatt 31). Dazu gaben die Verfahrensbeteiligten keine Stellungnahme ab. Sodann wurde die Beweisaufnahme geschlossen, die Schlußanträge wurden wiederholt und der Angeklagte hatte das letzte Wort und erklärte
sich. Sodann wurde ein Beschluß verkündet, wonach die Verhandlung 40 Mi-
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nuten später mit der Urteilsverkündung fortgesetzt werden sollte und das Verfahren mit dem Verfahren gegen M.
”gem. § 237 StPO zur gemeinsamen
Verkündung einer Entscheidung verbunden” wurde. Um 10 Uhr wurde sodann
in beiden Strafsachen jeweils das Urteil verkündet und gemeinsam begründet,
ohne daß dem Angeklagten zuvor nochmals Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden war.
Bei dieser Verfahrensweise ist § 258 Abs. 2 StPO nicht verletzt. Die
Verkündung des Beschlusses war kein Wiedereintritt in die Verhandlung. Bereits der Prozeßverlauf belegt eindeutig, daß das Tatgericht keine Verbindung
der zuvor getrennten Sachen zum Zwecke weiterer gemeinsamer Verhandlung
herbeiführen wollte. In beiden Verfahren stand lediglich noch die Urteilsverkündung aus. Da die Urteilsgründe für beide Angeklagten weitestgehend dekkungsgleich sind, hat die Strafkammer die Verfahren ersichtlich aus nachvollziehbaren Gesichtspunkten der Prozeßökonomie ausschließlich zu diesem
Anlaß wieder zusammengelegt. Dies belegt auch - von der unzutreffenden Bezugnahme auf § 237 StPO abgesehen - der Wortlaut des Beschlusses. Dort
heißt es, daß die Verbindung ”zur gemeinsamen Verkündung einer Entscheidung” erfolgen solle. Demgegenüber formuliert § 237 StPO, daß das Gericht
die Verbindung mehrerer Strafsachen ”zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung” anordnen kann. Als Maßnahme, mit der aus billigenswerten Gründen der
Prozeßökonomie die gemeinsame Verkündung mehrerer überwiegend gleichlautender Urteile angeordnet wurde, hat dieser Beschluß weder auf die Form
noch auf den Inhalt der von der Strafkammer zu treffenden Entscheidungen
Einfluß genommen. Insbesondere änderte sich auch die prozessuale Stellung
des Angeklagten zu dem Beschwerdeführer M.
nicht. Es liegt deshalb kein
Wiedereintritt in die Verhandlung vor (vgl. BGHR StPO § 258 III Wiedereintritt
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2, 4; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 258 Rdn. 25). Dem Beschwerdeführer mußte
somit nicht erneut das letzte Wort gewährt werden.
d) Die Rüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung (§ 338
Nr. 8 StPO) greift nicht durch. Nachdem die Verteidigung auf die Einführung
zahlreicher Notariatsakten in die Hauptverhandlung gedrängt und das Landgericht dem mangels Substantiierung der Anträge nur unter Aufklärungsgesichtspunkten stattgegeben hatte, lag in der Entscheidung, diese Akten sofort, ohne
Akteneinsicht zu gewähren, in das Verfahren nach § 249 Abs. 2 StPO einzuführen, keine Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt: Die
Verteidiger hatten schon vor der Antragstellung sowie nach der Verlesung Gelegenheit zur Akteneinsicht; sie hatten damit Gelegenheit, die Einführung zusätzlicher Teile in die Hauptverhandlung zu beantragen und in den folgenden
mehr als sechs Monaten der Hauptverhandlung erläuternde Erklärungen abzugeben.
2. Die sachlichrechtliche Überprüfung führt zur Änderung des Schuldspruchs im Fall 7 (S.
) der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der
Einzelstrafen in diesem Fall und in den Fällen 3 (K.
) und 6 (G.
) sowie
der Gesamtstrafe. Im übrigen haben die Beanstandungen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgezeigt.
a) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug ist im
Grundsatz nicht zu beanstanden. Der Haupttäter hat die kreditgewährenden
Banken jeweils über die Werthaltigkeit der zur Sicherung von Krediten dienenden Grundstücke getäuscht und sie zur Bewilligung und Auszahlung von unzureichend gesicherten Krediten veranlaßt (zum Vermögensschaden bei durch
- 10 -
Grundschulden abgesicherten Krediten vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 6. Juni
2000 – 1 StR 161/00 m.w.Nachw.), um die durch die Überfinanzierung freien
Geldbeträge für sich zu verwenden. Der Angeklagte hat an dem Betrug dadurch mitgewirkt, daß er und M.
, nachdem die Kreditinstitute täuschungs-
bedingt die Darlehensvaluta auf sein Notaranderkonto überwiesen hatten, das
Geld von dort auszahlten und dabei u.a. dem Haupttäter die betrügerisch erlangte Überfinanzierung zugute brachten. Er hat damit auch in den Fällen, in
denen er die Kreditinstitute nicht selbst noch über die Erfüllung von Treuhandauflagen täuschte, den Erfolg der Haupttat gefördert. Er hat – ohne Einzelheiten der Betrugshandlungen zu kennen - von Anfang an gewußt, daß der
Haupttäter diese Grundstücksgeschäfte zur Überfinanzierung nutzen wollte
(UA S. 69), daß diese Geschäfte, an denen er mitwirkte, ausschließlich darauf
abzielten, im Wege des Betruges Finanzmittel zu schöpfen (vgl. BGHR StGB
§ 27 I Hilfeleisten 3). Er hat wegen der dabei für ihn anfallenden Notariatsgebühren an der Abwicklung der Geschäfte mitgewirkt in Kenntnis (Fälle 3, 6, 9
und 10 der Urteilsgründe) oder Annahme der Vermögensschädigung der Kreditinstitute. Damit hat er sich mit dem Haupttäter solidarisiert. Sein Tatbeitrag
ist nicht als berufstypische, neutrale Handlung anzusehen (BGHR StGB § 266 I
Beihilfe 3; BGH NStZ 2000, 34).
b) Die umfangreichen Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung
zeigen keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat erkannt, daß nicht jeder
der festgestellten Einzelumstände (so z.B. die extreme Steigerung des Grundstückskaufpreises binnen kurzer Zeit, die Bewilligung von Grundschulden in
einer den Kaufpreis wesentlich übersteigenden Höhe, die Abgabe von Schuldanerkenntnissen für unspezifizierte Leistungen) für sich allein zur Überzeugungsbildung ausgereicht hätte. Es hat sich nur aufgrund einer Vielzahl solcher
- 11 -
Indizien nachvollziehbar die Überzeugung von der Einbindung des Angeklagten und M.
s in die Betrugstaten verschafft. Dabei konnte es auch auf die in
Einzelfällen festgestellten massiven Verstöße gegen die Treuhandauflagen (so
z.B. die Entgegennahme von Verrechnungsschecks zum Nachweis des von
den Banken vorausgesetzten Eigenkapitals bei zeitgleicher Rückführung der
”Eigenkapitalsumme” aus der auf dem Notaranderkonto eingegangenen Darlehensvaluta) abstellen und aus der regelmäßig durch den Angeklagten und
M.
gemeinschaftlich getroffenen Verfügung über das Notaranderkonto, zu
der M.
nach seiner vorläufigen Amtsenthebung nicht mehr befugt war, auf
den bei beiden vorliegenden Beihilfevorsatz schließen. Aus der im wesentlichen auf einer Wahrunterstellung beruhenden Feststellung, es habe 148 Notariatsvorgänge betreffend den Haupttäter P.
gegeben, bei denen Auffäl-
ligkeiten nicht festzustellen oder zumindest für den Angeklagten und M.
nachvollziehbar erklärt worden waren, mußte das Landgericht nicht den Schluß
auf die Gutgläubigkeit auch in den hier abgeurteilten Fällen ziehen. Das Landgericht hat sich intensiv mit diesen Vorgängen auseinandergesetzt (UA S. 43
bis 68).
c) Im Fall 7 (Objekt S.
) tragen allerdings die Feststellungen
die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum vollendeten Betrug nicht.
Danach hatten sich der Angeklagte und M.
vorgestellt, der Wert des
Grundstücks mit Lagerhalle betrage nur 4,5 Mio. DM, so daß das Vermögen
der Bank nach Auszahlung des Darlehens von 5,275 Mio. DM in Höhe der Differenz (775.000 DM) konkret gefährdet, weil nicht ausreichend durch die bestellte Grundschuld gesichert sei. Diese Vorstellung beruhte auf der Kenntnis,
daß in dem vom Angeklagten für dieses Objekt beurkundeten Kaufvertrag ein
Kaufpreis von 5,5 Mio. DM vereinbart war, der aber alsbald um 1 Mio. DM re-
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duziert worden war, ohne daß dies der kreditgewährenden Bank mitgeteilt wurde. Wie in den anderen Fällen auch wollte sich P.
als Käufer des Ob-
jekts durch diese Überfinanzierung frei verfügbare Geldmittel verschaffen. Der
Annahme einer entsprechenden Vermögensgefährdung steht hier allerdings
die Feststellung entgegen, daß der kreditgewährenden Bank ein Wertgutachten vorlag, wonach das Objekt eineinhalb Jahre vor der Darlehensgewährung
einen Verkehrswert von 6,5 Mio. DM hatte. Danach liegt es nicht fern, daß das
Darlehen im Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Darlehensauszahlung (vgl. BGH, Beschl. vom 6. Juni 2000 – 1 StR 161/00 m.w.Nachw.), durch
die Grundschuld über 5,5 Mio. DM ausreichend gesichert gewesen ist. Zwar
wurde das Darlehen alsbald nicht mehr bedient, so daß die Bank das Zwangsversteigerungsverfahren einleitete, doch hat das Landgericht die weitere Entwicklung nicht geklärt und lediglich vermutet, die Bank sei aus dem Kreditengagement ”ohne großen Schaden” davongekommen.
Damit belegen die Feststellungen keinen Vermögensschaden in Form
einer Vermögensgefährdung bei der Bank zum Tatzeitpunkt und nur eine Beihilfe des Angeklagten und M.
s zum versuchten Betrug. Der Senat hat den
Schuldspruch geändert. Die Einzelstrafe kann deshalb nicht bestehen bleiben.
Das Landgericht hat aus dem Strafrahmen bis zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe eine Strafe von neun Monaten verhängt und dabei ausdrücklich gewürdigt, daß die kreditgewährende Bank so gut wie ohne Schaden
aus dem Engagement herausgekommen ist. Der Senat kann gleichwohl nicht
ausschließen, daß der Tatrichter, hätte er die Möglichkeit einer weiteren
Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und damit einer
Strafrahmenobergrenze von nur zwei Jahren und neun Monaten bedacht, eine
noch niedrigere Strafe verhängt hätte.
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d) In zwei weiteren Fällen bestehen gegen die Darlegungen zum Schadensumfang durchgreifende rechtliche Bedenken.
Das Landgericht hat im Fall 3 der Urteilsgründe (Objekt K. ) auf einen
”erkennbaren Überfinanzierungsbetrag” von 1,57 Mio. DM (die Differenz des
beurkundeten Kaufpreises von 3 Mio. DM zu dem tatsächlich vereinbarten
Kaufpreis von 1,43 Mio. DM) sowie auf den tatsächlich eingetretenen Schaden
abgestellt, den es aus der Differenz zwischen dem von der geschädigten Bank
zur teilweisen Finanzierung des Objekts ausgereichten Darlehen (2,5 Mio. DM)
und dem Erlös aus der Zwangsversteigerung (906.000 DM), also mit 1,594 Mio.
DM errechnet hat. Geht man, wie es das Landgericht in den anderen Fällen
getan hat, vom Verkehrswert in Höhe des tatsächlich vereinbarten Kaufpreises
aus, so ist zu besorgen, daß das Landgericht verkannt hat, daß bei dem Verkehrswert des Grundstücks von 1,43 Mio. DM der ungesicherte Teil des Darlehens und damit die konkrete Vermögensgefährdung der Bank nur 1,07 Mio. DM
betragen hat. Zwar ist es möglich, den Verlust, den die Bank zuletzt erlitten hat,
als verschuldete Tatauswirkung (§ 46 Abs. 2 StGB) bei der Strafzumessung zu
berücksichtigen, doch kann der Senat nicht ausschließen, daß der Tatrichter
eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn er sich der tatsächlichen konkreten
Vermögensgefährdung bewußt gewesen wäre. Er hat deshalb die Einzelstrafe
von neun Monaten aufgehoben. Der neue Tatrichter wird diese Strafe auf der
Grundlage der aufrechterhaltenen Feststellungen neu zuzumessen haben.
Auch im Fall 6 (Objekt G.
) weist die Schadensberechnung einen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht hat die konkrete Vermögensgefährdung mit 13,46 Mio. DM (Nettodarlehenssumme von 22,01 Mio. DM abzüglich eines Grundstückswertes von
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8,55 Mio. DM) errechnet. Dabei hat es aber außer acht gelassen, daß die geschädigte Bank das Darlehen nicht in dieser Höhe ausgereicht, sondern davon
ca. 15,534 Mio. DM einbehalten und damit das Kreditengagement aus dem Fall
V (Objekt Kö.
) abgerechnet hat. Nach den Feststellungen zu diesem
Fall war dort das Darlehen nur durch einen Grundstückswert von 7,98 Mio. DM
abgesichert, so daß mit dem neuen Darlehen auch eine ungesicherte Forderung der Bank von 6,19 Mio. DM (14,17 Mio. DM abzüglich 7,98 Mio. DM) erfüllt worden ist. Damit beträgt die beim Objekt G.
eingetretene weitere
Vermögensgefährdung nach den bisherigen Feststellungen lediglich 7,27 Mio.
DM (13,46 Mio. DM abzüglich 6,19 Mio. DM). Zwar hat das Landgericht strafmildernd berücksichtigt, daß mit einem erheblichen Teil des betrügerisch erlangten Darlehens der Kredit im Fall Kö.
zurückgeführt worden ist, es
hat aber die Höhe der konkreten Vermögensgefährdung bei der Strafrahmenwahl ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten gewertet, so daß der Senat
nicht auszuschließen vermag, daß das Landgericht die Strafe bei Zugrundelegung der niedrigeren Vermögensgefährdung dem nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB
gemilderten Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB entnommen und geringer bemessen hätte. Er hat deshalb die hierfür verhängte Einzelstrafe von einem Jahr
und neun Monaten aufgehoben.
Der neue Tatrichter wird die Strafzumessung neu vorzunehmen haben.
Er wäre durch die bisherigen Feststellungen, die der Senat aufrechterhalten
hat, nicht gehindert, dennoch eine den Betrag von 7,27 Mio. DM übersteigende
Vermögensgefährdung festzustellen. Anlaß dazu könnten die Feststellungen
(UA S. 150 ff.) sein, daß die Darlehensnehmerin zum Kauf desselben Objektes
zuvor bereits bei einem anderen Kreditinstitut, der F.
Sparkasse, ein
Darlehen von 19,8 Mio. DM betrügerisch erlangt und zur ”Sicherung” dieses
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Darlehens eine Grundschuld in gleicher Höhe bestellt hatte. Insoweit ist das
Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die Grundschuldbestellungsurkunde hatte M.
beim Amtsgericht Steinfurt eingereicht, noch ehe
es zu der Darlehensvereinbarung mit der hier geschädigten BNE-Bank kam.
Daraus könnte sich ergeben, daß – worauf auch die Feststellung auf UA S. 156
hindeutet – die der BNE-Bank gegebenen Sicherheiten ”nicht werthaltig” waren, so daß der Wert des Objekts nicht zur Minderung des Gefährdungsschadens herangezogen werden könnte. Den bisherigen Feststellungen auf UA
S. 156 läßt sich aber nicht entnehmen, ob das Darlehen der F.
Spar-
kasse tatsächlich zurückgezahlt worden ist oder nicht. Davon hängt es ab, ob
die für die F.
Sparkasse bestellte Grundschuld einer werthaltigen neuer-
lichen Sicherung noch entgegenstand.
e) Die Feststellungen zum Schadensumfang sind im übrigen nicht zu
beanstanden. Näherer Erörterung bedarf nur noch der Fall 5 (Objekt Kö.
). Hier hat das Landgericht festgestellt, daß die konkrete Vermögensgefährdung darin bestand, daß zur Sicherung des ausgereichten Darlehens von
14,17 Mio. DM wegen der Wertlosigkeit der sonstigen Sicherungen lediglich
das Grundstück zur Verfügung stand und dieses einen Wert von 7,98 Mio. DM
hatte. Dabei hat sich das Landgericht an dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis orientiert. Hierin liegt jedenfalls kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, nachdem die zur Erreichung von Überfinanzierungen abgeschlossenen Kaufverträge – wie der Angeklagte und der gesondert Verfolgte M.
aus den vorangegangenen Fällen wußten – Verkaufspreise enthielten, die allenfalls über dem Verkehrswert der Grundstücke lagen. Ein Widerspruch zu der
auf UA S. 225 mitgeteilten Wahrunterstellung und damit ein Beweiswürdigungsfehler liegt nicht vor. Die Kammer hatte als wahr unterstellt, daß dem
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Notariat nach durchgeführter Instandsetzung berichtet worden war, es erscheine nunmehr ein Kaufpreis von 18 Mio. DM als sachgerecht. Mangels weiterer
Anhaltspunkte zur Seriosität dieses Berichts, zur Zielrichtung und Qualität der
Sanierungen und zu einem Verwendungszweck des Objekts brauchte die
Kammer aus der Wahrunterstellung nicht den Schluß zu ziehen, der Verkehrswert habe über dem Kaufpreis gelegen, zumal die Haupttäter zur Belegung eines höheren Verkehrswerts auf Scheinmietverträge und einen bezüglich des
Kaufpreises gefälschten Kaufvertrag zurückgreifen mußten.
f) Die Aufhebung von drei Einzelstrafen (von zweimal neun Monaten sowie von einem Jahr und neun Monaten) führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die übrigen Einzelstrafen sind zur Überzeugung des Senats hiervon nicht berührt. Sie sind rechtsfehlerfrei begründet und können deshalb bestehen bleiben.
Die von der Revision erhobenen Bedenken gegen die Strafzumessung
greifen - abgesehen davon, daß der Senat drei Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufgehoben hat - nicht durch. Das Landgericht durfte zur Begründung auf den langen Tatzeitraum, den erheblichen Gesamtschaden und die
Höhe der in Rechnung gestellten Notariatsgebühren abstellen. Dem Angeklagten entscheidend zugute kommende Strafzumessungsgesichtspunkte hat
es bedacht. Daß das Landgericht die berufsrechtlichen Konsequenzen für den
Angeklagten nicht berücksichtigt haben könnte, ist nicht zu besorgen, nachdem
es durch das verhängte Berufsverbot zum Ausdruck gebracht hat, daß der Angeklagte für eine bestimmte Zeit nicht den Beruf eines Rechtsanwalts ausüben
soll. Der von der Revision gerügte Widerspruch zwischen der dem Angeklagten
als möglich zugute gehaltenen Verführungssituation durch den einschlägig er-
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fahrenen Kollegen M.
und der strafschärfend gewürdigten Hartnäckigkeit
der Tatbegehung besteht nicht. Der Tatzeitraum beträgt zweieinhalb Jahre. Der
Angeklagte, der seine Tätigkeit als Notarvertreter erst dadurch aufnehmen
konnte, daß M.
wegen einschlägiger Vorwürfe vorläufig seines Amtes ent-
hoben worden war, hat die Taten in Kenntnis von der zwischenzeitlich erfolgten
strafrechtlichen Verurteilung M.
s fortgesetzt.
Soweit die Revision einen Vergleich mit der gegen den Haupttäter P.
verhängten Strafe anzustellen versucht, übersieht sie, daß dieser - soweit dies den Urteilsgründen entnommen werden kann – die Tatvorwürfe eingeräumt hat und ihm deshalb das Geständnis als wesentlicher Strafmilderungsgrund zugute kam. Der Vergleich mit der Bewährungsstrafe, die vom Landgericht Lübeck gegen einen Notar wegen Untreue und Beihilfe zu einem von anderen Haupttätern begangenen Betrug verhängt worden ist, geht daran vorbei,
daß dieses Urteil dem Senat nur auf die Revision jenes Angeklagten vorgelegen hatte, und eine Beurteilung, ob diese Strafe noch schuldangemessen war,
nicht stattfinden konnte.
Den großen Abstand zwischen Tat und Urteil hat das Landgericht strafmildernd gewürdigt. Die Belastung, die sich aus der Dauer eines Strafverfahrens für einen Angeklagten ergeben kann, hat das Landgericht zwar nicht ausdrücklich als weiteren selbständigen Strafzumessungsgrund (vgl. BGHR StGB
§ 46 II Verfahrensverzögerung 13) genannt. Es kann jedoch ausgeschlossen
werden, daß das Landgericht diesen Umstand übersehen hat, da es die erkannten Einzelstrafen (und die jetzt aufgehobene Gesamtstrafe) im Hinblick auf
die vergangene Zeitspanne sogar jeweils um ein genau bezeichnetes Maß reduziert hat. Zu dieser Berechnung wäre das Landgericht nach der auf Vorga-
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ben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts beruhenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur
verpflichtet gewesen, wenn eine Verletzung des Beschleunigungsgebots nach
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch die Strafverfolgungsorgane vorgelegen hätte.
Für eine solche gibt das Urteil keine Anhaltspunkte. Eine entsprechende Verfahrensrüge hat der Angeklagte nicht erhoben.
g) Der Maßregelausspruch läßt keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Er kann bestehen bleiben, weil die ihn tragenden Überlegungen durch
die Änderung des Schuldspruchs und den geringeren Schadensumfang nicht
entfallen. Der Angeklagte hat die Taten unter Mißbrauch seines Berufs und
unter grober Verletzung der mit ihm verbundenen Pflichten begangen. Der Angeklagte war als Rechtsanwalt nach der vorläufigen Amtsenthebung des Anwaltsnotars M.
zu dessen Vertreter bestellt worden (§ 39 Abs. 2 Satz 1,
Abs. 3 Satz 2 BNotO). Die Vertretertätigkeit beruhte gerade auf der beruflichen
Stellung des Angeklagten als Rechtsanwalt, ohne die er nicht zum Vertreter
hätte bestellt werden können. Der Angeklagte übte damit im Sinne von § 70
StGB bei seinen strafbaren Handlungen auch das Amt eines Rechtsanwalts
aus (vgl. BGH StV 1987, 20). Hinzu kommt, daß die Tathandlungen des Angeklagten in einem inneren Zusammenhang sowohl mit der Ausübung des Anwalts- als auch des Notarberufes stehen, daß sie sich in beiden Fällen ”als ein
Ausfluß aus der Berufstätigkeit selbst oder doch wenigstens als ein mit der regelmäßigen Gestaltung der Berufsausübung in Beziehung gesetztes Verhalten
darstellen” (Hanack in LK 11. Aufl. § 70 Rdn. 18 m.w.Nachw.). Sowohl der
Rechtsanwalt (vgl. insoweit § 43 a Abs. 5 BRAO) als auch der Notar (vgl. insoweit § 23 BNotO) sind zur sorgfältigen Verwahrung von Geld zuständig und
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verpflichtet. Beiden Berufen bringt die zur Abwicklung von Vermögensgeschäften Rat und Unterstützung suchende Bevölkerung Vertrauen entgegen.
Soweit die Kammer darauf abhebt, die ”Schuldeinsicht” des die Taten
bestreitenden Angeklagten sei ”gering”, stehen dieser Erwägung zwar Bedenken entgegen (vgl. BGHR StGB § 70 I Dauer 1; StGB § 46 II Nachtatverhalten
4); diese gefährden das Berufsverbot hier aber nicht. Angesichts der Anzahl
der Taten und des Schadensumfangs hat das Landgericht, das bei tatnäherer
Aburteilung die Verhängung eines lebenslangen Berufsverbotes erwogen hätte, auf ein Berufsverbot von drei Jahren erkannt. Für eine weitere Verkürzung
sah es neben der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten und der aufschiebenden Wirkung der Strafvollstreckung keine weiteren Gründe, insbesondere
hatte es nicht die Möglichkeit, ein etwa einsichtiges Verhalten des Angeklagten
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zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Daß das Landgericht das die Tatvorwürfe bestreitende Prozeßverhalten des Angeklagten nicht zu dessen Nachteil
werten durfte, hat es erkannt (vgl. UA S. 248 – ”strafprozessual nicht zu beanstandende ... Uneinsichtigkeit”).
Rissing-van Saan
Miebach
Pfister
Winkler
von Lienen