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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 17/03
vom
14. August 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zum Mord u. a.
zu 2.: Mordes u. a.
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 14. August 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 10. Mai 2002 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen
Antragsschriften vom 19. Februar 2003 bemerkt der Senat:
1. Die Rüge des Verteidigers des Angeklagten O.
, die Strafkammer
habe entgegen § 261 StPO die Einlassung dieses Angeklagten unzureichend
gewürdigt, ist bereits nicht in zulässiger Form erhoben, wäre aber auch unbegründet.
a) Zur Entstehung der Einlassung teilt die Revision lediglich mit, daß
sich der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin am 28. Februar 2002 "wie
folgt" eingelassen habe, und gibt sodann den Wortlaut einer zehnseitigen
-3-
schriftlichen Erklärung wieder, der der Satz "Für den Angeklagten
O.
soll nachfolgende Einlassung verlesen werden:" vorangestellt ist. Die Revision
teilt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aber nicht mit, in welcher Weise sodann die Einlassung in der Hauptverhandlung Verwendung gefunden hat, insbesondere ob und durch wen das Schriftstück verlesen worden ist. Der Senat
vermag daher nicht zu prüfen, ob der Wortlaut der Einlassung zum Inbegriff der
Hauptverhandlung gemacht wurde. Denn nur wenn das Gericht die Verlesung
dieses Schriftstücks angeordnet und durchgeführt hätte, wäre die Urkunde in
ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung eingeführt worden und hätte von der
Revision als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen
werden können (vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.). Allerdings weist der Senat darauf
hin, daß ein Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die schriftliche Einlassung eines Angeklagten als Urkunde zu verlesen, da seine mündliche Vernehmung nicht durch die Verlesung einer schriftlichen Erklärung durch das Gericht
ersetzt werden kann (BGH NStZ 2000, 439). Denn nach § 243 Abs. 4 Satz 2
StPO erfolgt die Vernehmung eines Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des
§ 136 Abs. 2 StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten (vgl. KK 5. Aufl. § 243 Rdn. 44 m. w. N.).
Hätte dagegen, wie es entgegen dieser gesetzlichen Regelung zunehmend praktiziert wird, lediglich der Angeklagte selbst oder sein Verteidiger eine
entsprechende Erklärung verlesen und als Anlage zum Protokoll übergeben,
wäre nur der entsprechende mündliche Vortrag und gegebenenfalls die Erklärung des Angeklagten, daß er sich den Inhalt zu eigen mache, Gegenstand der
Hauptverhandlung geworden. Aufgabe des Tatrichters wäre es dann gewesen,
- wie auch bei anderen Beweisergebnissen - den Inhalt dieser mündlich vorgetragenen Einlassung festzustellen, in den Urteilsgründen wiederzugeben und
-4-
im erforderlichen Umfang zu würdigen (vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.). Damit ist aber
eine revisionsgerichtliche Kontrolle der Richtigkeit der Wiedergabe dieser Einlassung wegen des Verbots der Rekonstruktion der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren nicht möglich (ebenso Park StV 2001, 589, 592).
b) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfahrensrüge bestehen auch
deshalb, weil auf Seite 81 der Revisionsbegründung nur sehr pauschal dargestellt wird, inwieweit eine Würdigung der Einlassung des Angeklagten O.
vermißt wird. Es kann aber nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sein, eine
zehnseitige Einlassung mit einem 180 Seiten umfassenden und insbesondere
in der Darstellung der festgestellten Tatsachen und ihrer Würdigung außergewöhnlich gründlichem und umfangreichem Urteil daraufhin zu vergleichen, welche konkreten Punkte bei der Beweiswürdigung nicht behandelt worden sind.
Erst in der Erwiderungsschrift vom 12. März 2003 - und damit nach dem Ablauf
der Revisionsbegründungsfrist - erfolgte eine derartige Konkretisierung, was
allerdings die Zulässigkeit der Rüge nicht mehr zu begründen vermag.
c) Die Rüge wäre aber auch unbegründet. Der Generalbundesanwalt hat
in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt, daß sich die Jugendkammer mit
der Einlassung des Angeklagten eingehend befaßt hat. Es ist nicht ersichtlich,
daß für das Ergebnis wesentliche Umstände außer Betracht geblieben wären.
Denn der Grundsatz der erschöpfenden Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß
sich der Tatrichter mit allen, auch nebensächlichen Aspekten und wenig ergiebigen Argumenten ausdrücklich auseinanderzusetzen hätte (st. Rspr., vgl. BGH
NStZ 2000, 48).
-5-
2. Soweit beide Angeklagte rügen, das Landgericht habe den Beweisantrag der Rechtsanwältin H.
teils des Landgerichts B.
vom 14. Februar 2002 auf Verlesung des Urzu Unrecht abgelehnt, kann offen bleiben, ob es
sich um einen hinreichend bestimmten Beweisantrag gehandelt hatte, da die
Umstände und die Thematik der behaupteten Falschaussage nicht genannt
werden, oder ob die Auslegung der Ablehnung des Beweisantrags als bedeutungslos, wie sie der Generalbundesanwalt für möglich hält, vorgenommen
werden kann. Es hätte zwar nahe gelegen, daß das Landgericht sich auf diesen Ablehnungsgrund stützt, es ist aber nach der wenig glücklichen Formulierung seines Ablehnungsbeschlusses nicht ohne weiteres erkennbar, ob es tatsächlich diesen Grund heranziehen wollte.
Jedenfalls kann ausgeschlossen werden, daß auf der unterbliebenen
Verlesung dieses Urteils, dessen Sachverhalt mit dem hier angeklagten Geschehen nicht in Zusammenhang stand, die Beweiswürdigung zum Nachteil der
Angeklagten beruht. Denn die Jugendkammer hat sich nur am Rande auf die
Aussage des Zeugen Ba.
gestützt und ausdrücklich hervorgehoben, daß
diese für ihre Überzeugungsbildung nur von "untergeordneter Bedeutung" war
(UA S. 126). Bei der Vielzahl von weiteren Beweisen, die belegen, daß sich der
Angeklagte P.
schon vorher mit der Zerstörung des Br.
Hofes befaßt hatte, kann der Senat ausschließen, daß die Jugendkammer ohne die Aussage des Zeugen Ba.
zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Tolksdorf
Miebach
Wink-
ler
Pfister
Becker