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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 257/03
vom
16. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
zu 2. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge;
hier: Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich der Angeklagten K.
und C.
-2Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Oktober
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
Becker
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
in der Verhandlung,
Leitender Oberstaatsanwalt
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K.
,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C.
,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hannover vom 19. Februar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit es die Angeklagten K.
, C.
und Ka.
be-
trifft, in vollem Umfang,
b) soweit es den Angeklagten G.
betrifft, im Fall 45 der
Anklageschrift und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten K.
wegen "Handeltreibens
mit Kokain in nicht geringen Mengen in 3 Fällen und wegen gewerbsmäßigen
Handeltreibens mit Kokain in 4 Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und drei Monaten und den Angeklagten C.
wegen "Handeltreibens
mit Kokain in nicht geringer Menge" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Die hiergegen zum Nachteil der Angeklagten eingelegte, auf Rügen
der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft
führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es diese Angeklagten betrifft. Im Fall
der mit "Anklagevorwurf 45" bezeichneten Tat führt sie nach § 301 StPO auch
-4-
zu einer Urteilsaufhebung zu Gunsten der Angeklagten. Diese ist nach § 357
StPO auch auf die Angeklagten Ka.
und G.
zu erstrecken, die inso-
weit wegen "Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren (Ka.
und sechs Monaten (G.
) bzw. zu einer Einzelstrafe von drei Jahren
) verurteilt worden sind, aber keine Revision ein-
gelegt haben.
1. Die Staatsanwaltschaft hat das Rechtsmittel nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie wendet sich mit Einzelangriffen zwar ausschließlich gegen die Strafzumessung, hat aber den Revisionsantrag gestellt,
das angefochtene Urteil bezüglich der Angeklagten K.
und C.
insge-
samt aufzuheben, und in der Einleitung zur Revisionsbegründung darauf hingewiesen, daß mit ihr eine Beschränkung der Revision nicht gewollt sei.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft unterliegt der Schuldspruch
gegen die Angeklagten K.
und C.
der Aufhebung, da das Landgericht
die sich aufdrängende Prüfung unterlassen hat, ob sich die Angeklagten wegen
bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, darunter auch mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, strafbar gemacht haben. Nach den
Feststellungen des Landgerichts schlossen sich spätestens Anfang des Jahres
2002 die Mitangeklagten D.
und S.
fend zumeist von dem Mitangeklagten G.
ses weiterzuveräußern. G.
ten K.
klagten Ka.
zusammen, um fortlauKokain zu erwerben und die-
war seinerseits zunächst mit dem Angeklag-
und später auch mit dem Angeklagten C.
sowie dem Mitange-
übereingekommen, Kokain von Lieferanten zu beziehen, so-
dann zwischenzulagern, zu strecken und zu portionieren und an verschiedene
Abnehmer weiterzuverkaufen. In den beiden von der Tätergruppierung um den
-5-
Mitangeklagten G.
benutzten Wohnungen konnten im Juli 2002 neben
einem Rauschgiftvorrat von mehr als drei Kilogramm Kokain Drogenerlöse in
Höhe von mehr als 340.000
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sen es als naheliegend erscheinen, daß die Angeklagten bei der mit "Anklagevorwurf 45" bezeichneten Tat unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge Handel getrieben und dabei als Mitglieder einer Bande gehandelt haben, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat (§ 30 a
Abs. 1 BtMG). Sie hätten auch dazu gedrängt, den Zeitpunkt näher zu bestimmen, zu dem sich die Angeklagten zusammengeschlossen hatten, und lassen
deshalb die Möglichkeit offen, daß auch die anderen festgestellten Taten bandenmäßig begangen worden sind.
3. Auf die nach § 301 StPO veranlaßte Prüfung unterliegt das Urteil der
Aufhebung auch zugunsten der Angeklagten, soweit diese im "Anklagevorwurf
45" wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind. Die pauschale Feststellung, die Angeklagten hätten aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses einen Kokainvorrat von etwa
3.355 Gramm aufbewahrt, um das Kokain anschließend abzusetzen, reicht für
den Schuldspruch nicht aus. Sie läßt die Tatbeteiligung jedes einzelnen Angeklagten hinsichtlich eines vollendeten Handeltreibens mit der Gesamtmenge
nicht ausreichend erkennen. Die Feststellungen, wie die Angeklagten K.
und C.
sowie der Mitangeklagte Ka.
mit Bruchteilen dieser Betäu-
bungsmittelmenge umgegangen sind, ersetzen nicht die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Einzelhandlungen der Angeklagten in bezug auf die
Gesamtmenge, so z. B. zur Beteiligung jedes einzelnen Angeklagten am Einkauf und zu seinen Möglichkeiten, auf den Absatz Einfluß zu nehmen und auf
den Rauschgiftvorrat zuzugreifen.
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Die notwendigen Feststellungen können auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Die Beweiswürdigung beschränkt sich auf die Mitteilung, der Sachverhalt stehe "fest aufgrund der Geständnisse der Angeklagten sowie der übrigen ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweise".
Der Umstand, daß die Urteilsgründe zum "Anklagevorwurf 45" nur in der
nahezu wortgleichen Wiedergabe des Anklagesatzes bestehen, weckt zudem
Zweifel, ob die im Urteil nicht näher geschilderten Geständnisse der Angeklagten eine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts sein konnten, zumal sich der Eindruck aufdrängt, daß dem Urteil eine
verfahrensbeendigende Absprache zugrunde liegt, bei der der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesteckte Rahmen (BGHSt 43, 195) nicht
eingehalten worden ist.
Gemäß § 357 StPO war das Urteil auch aufzuheben, soweit die Mitangeklagten Ka.
und G.
, die selbst keine Revision eingelegt haben, we-
gen dieser Tat verurteilt worden sind.
Dies führt beim Angeklagten C.
und beim Mitangeklagten Ka.
vollständigen Aufhebung des Urteils, beim Angeklagten K.
angeklagten G.
zur
und beim Mit-
zur Aufhebung der Verurteilung wegen dieser Tat sowie
zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Senat schließt aus,
daß die Höhe der weiteren gegen diese Angeklagten verhängten Einzelstrafen
von der aufgehobenen Einsatzstrafe beeinflußt war.
-7-
Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten
K.
beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
4. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlaß zu folgenden Hinweisen:
a) Der Strafzumessung betreffend den Angeklagten C.
stehen
Rechtsbedenken entgegen, die - wenngleich sie für die Revisionsentscheidung
nicht mehr ausschlaggebend sind - auch im Fortgang des Verfahrens Bedeutung behalten. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, hat das Landgericht
dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses zugesichert, eine Strafe
von nicht mehr als drei Jahren zu verhängen. Bei dieser Zusage hatte das
Landgericht außer Acht gelassen, daß der Angeklagte (unter seinem AliasNamen) im Juni 1997 vom Amtsgericht Heilbronn wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war. Dies hatte die Staatsanwaltschaft bereits in der Anklage unter
Hinweis auf Einzelheiten der Vollstreckung mitgeteilt. Das Landgericht, das
sich dieses Umstands offensichtlich erst bewußt wurde, nachdem der Angeklagte die Verurteilung eingeräumt hatte, "fühlte sich dennoch an" seine
"Höchststrafenzusage gebunden" (UA S. 23) und hat eine Freiheitsstrafe von
drei Jahren verhängt. Dies läßt besorgen, das Landgericht habe die Strafe
nicht an der Schuld des Angeklagten und den Wirkungen der Strafe für dessen
zukünftiges Leben (§ 46 Abs. 1 StGB) bemessen, sondern sich an einer dem
Angeklagten gegebenen, den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht erschöpfenden
Zusage
orientiert.
Eine Bindung an die Höchststrafenzusage hat indes nicht bestanden, weil die
Zusage - wie sich schon aus den Urteilsgründen ergibt - im offenen Dissens mit
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der Staatsanwaltschaft erfolgt war (vgl. BGHSt 43, 195, 210; BGH StV 2003,
481). Zudem würde selbst eine bindende Zusage das Gericht von einer Zumessung der Strafe, d. h. von einer Entscheidung über die Strafhöhe, die sich
nicht in der Erfüllung eines Versprechens gegenüber dem Angeklagten erschöpft, nicht befreien können.
b) Das Landgericht hat - so jedenfalls der Anschein nach den Urteilsgründen und der Vortrag der Beschwerdeführerin - in der Hauptverhandlung
allen Angeklagten gegenüber zugesagt, eine bestimmte Strafhöhe nicht zu
überschreiten, sofern die Angeklagten ein Geständnis ablegen. Daraufhin haben die Angeklagten die Taten eingeräumt. Sollten in der neuen Hauptverhandlung Einlassungen der Angeklagten nicht mehr erfolgen, wird der neue
Tatrichter zu prüfen haben, ob diese früheren Geständnisse - unabhängig davon, ob es sich dabei etwa nur um "Formalgeständnisse" gehandelt hat, die
das Landgericht von weiterer Beweisaufnahme nicht entbanden (vgl. BGHSt
43, 195, 204) - in der neuen Hauptverhandlung zur Grundlage der Verurteilung
gemacht werden können (vgl. hierzu Kuckein in FS für Meyer-Goßner S. 63, 68
ff.).
c) Die Gesamtstrafenbildung beim Angeklagten K.
gibt zu Rechts-
bedenken Anlaß, die ihre Bedeutung auch im Fortgang des Verfahrens behalten. Der Angeklagte ist wegen des "Anklagevorwurfs 45" zu einer Einzelstrafe
von drei Jahren verurteilt worden. Nach den bisherigen Feststellungen hat er
darüberhinaus einmal mit 230 Gramm Kokain und einmal mit 100 Gramm Kokain Handel getrieben, sowie in weiteren vier Fällen mit Kokainmengen von
zweieinhalb bis zehn Gramm (Wirkstoffgehalt jeweils mindestens 40 % KHC).
Das Landgericht hat dafür weitere Einzelstrafen von zwei Jahren, einem Jahr
-9-
und sechs Monaten, einem Jahr und drei Monaten, zweimal einem Jahr und
zwei Monaten sowie von einem Jahr verhängt.
Die hieraus gebildete Gesamtstrafe war rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Einsatzstrafe von drei Jahren angesichts weiterer Einzelstrafen von
insgesamt über acht Jahren um lediglich drei Monate erhöht hat und die Gesamtstrafe damit die Mindeststrafe nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB lediglich um
zwei Monate übersteigt. Allein ein enger zeitlicher Zusammenhang der Taten
vermag eine am untersten Rand des Strafrahmens verbleibende Gesamtstrafenbildung nicht zu rechtfertigen. Eine solche Gesamtstrafenbildung kann vielmehr nur unter ganz besonderen Umständen der zusammenfassenden Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten gerecht werden. Derart außergewöhnliche Umstände sind indes nicht festgestellt und ergeben sich
vor allem nicht aus einer "besonderen Strafempfindlichkeit" des Angeklagten
als Ausländer, auf die das Urteil fehlerhaft, weil ohne individuellen Beleg für
den Angeklagten, abhebt (vgl. hierzu BGHSt 43, 233; BGHR StGB § 46 Abs. 2
Lebensumstände 17).
d) Für den Fall eines erneuten Schuldspruchs wegen gewerbsmäßigen
Handeltreibens wird dieses gesetzliche Regelbeispiel für einen besonders
schweren Fall des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29
Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) nicht in die Urteilsformel aufzunehmen sein (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 25 m. w. N.).
Tolksdorf
Miebach
Pfister
Winkler
Becker