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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 114/07
vom
11. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. April 2007 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 7. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin
hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-
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heitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Es hat sich davon überzeugt, dass der Angeklagte zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 24. März
2005, 20.50 Uhr, und den Morgenstunden des 25. März 2005 das Opfer
B.
in dessen Einfamilienhaus in Bu.
tötete. Nähere Fest-
stellungen zu Tatablauf und -motiv hat es nicht zu treffen vermocht. Aufgrund
des Verletzungsbildes und der Auffindesituation der Leiche (dieser war eine
Plastiktüte über den Kopf gezogen und mit einem Kabelbinder am Hals befestigt, ihr lag eine Kordel locker um den Hals und die Hände waren mit einem weiteren Kabelbinder auf den Rücken gefesselt) ist das Landgericht - sachverständig beraten - zu dem Schluss gelangt, dass der Tod des Opfers infolge mehrfacher stumpfer und scharfer Gewalteinwirkung nebst dadurch verursachtem
starkem Blutverlust sowie einer massiven Einatmung erbrochenen Speisebreis,
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gegebenenfalls "in Kombination mit einem Erstickungsmechanismus durch
Rückatmung in die über den Kopf gestülpte Plastiktüte", eingetreten ist. Von der
Täterschaft des Angeklagten hat es sich im Wesentlichen aufgrund von Zellmaterial überzeugt, das unter Fingernägeln und an der Kleidung des Getöteten
sowie an dem zur Fesselung benutzten Kabelbinder gesichert und durch DNAAnalyse dem Angeklagten zugeordnet werden konnte.
1. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Ver-
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fahrensrüge Erfolg. Zutreffend beanstandet er, dass das Landgericht einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat.
a) Im Schlussvortrag hat der Verteidiger des Angeklagten für den Fall,
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dass das Landgericht davon ausgehen sollte, der Angeklagte habe dem Opfer
eigenhändig die festgestellten Verletzungen zugefügt, die Einholung eines
Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, "dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Beibringung von Körperverletzungen zum Nachteil des
Opfers (Schläge, Tritte, Stiche) die zu Blutverlust geführt haben, selbst persönlich am Tatort Küchenraum des Wohnhauses des Getöteten nicht zugegen war
und dass der Angeklagte diese zu Blutverlust führenden Körperverletzungshandlungen nicht selbst vorgenommen hat". Der Sachverständige werde
-
darlegen, "dass aufgrund der in der Küche festgestellten Blutspuren
(Schleuder- und Spritzspuren, Blutstropfen und Blutflecken bei festgestellter
großer Blutmenge - das Blut lief aus der Küche in den Flur -) und unter Berücksichtigung des Umfangs und der Intensität der Verletzungshandlungen
z. N. des Opfers derjenige Täter, der diese Verletzungen durch Schläge,
Tritte sowie durch Stiche verursacht hat, zwingend Fußspuren im Blut bzw.
Fußspuren mit Blutbehaftungen am Tatort gesetzt hat";
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darlegen, "dass keine der festgestellten Fußspuren vom Angeklagten herrühren und seine diesbezügliche Urheberschaft aufgrund der abweichenden
Größenverhältnisse (Fußspuren des Angeklagten wären/sind deutlich größer
als die gesicherten Fußabdrücke im Küchenraum) ausgeschlossen werden
kann";
-
"den Geschehensablauf der Tötungshandlung anhand des Spurenbildes in
der Küche unter Berücksichtigung der Darlegungen des Gerichtsmediziners
rekonstruieren und darlegen, dass die Plastiktüte dem Getöteten nach Beibringung der den Blutverlust verursachenden Verletzungen über den Kopf
gezogen wurde, wie der den Tatort Küche sachbearbeitende Polizeibeamte
bekundete, weshalb aufgrund der fehlenden Fußspuren des Angeklagten
seine eigenhändigen Handlungen im Zusammenhang mit dem Aufsetzen
der Plastiktüte ausgeschlossen werden können";
-
rekonstruieren, "dass auch das Würgen mit der Kordel nach Beibringung
blutender Wunden erfolgte, weil blutbehaftete Fußspuren von der Küche zu
der Garderobe festgestellt wurden, wo die zum Würgen verwendete Kordel
einem Kleidungsstück entnommen wurde; weshalb auch insoweit seine eigenhändigen Handlungen ausgeschlossen werden können";
-
darlegen, "dass die die Verletzungen verursachenden Schläge Spritz- und
Schleuderspuren sowie Tropfblutspuren verursacht haben, die zwingend zu
einer Fußspurenzeichnung desjenigen geführt haben, der diese Handlungen
eigenhändig vorgenommen hat oder sich nur bei den diesbezüglichen Handlungen im Küchenraum aufgehalten hat".
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Damit sei "auch unter Beweis gestellt, dass der Angeklagte auch nach
der Tat den Küchenraum nicht mehr betreten haben kann".
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b) Diesen Antrag hat das Landgericht in den Urteilsgründen zurückgewiesen. Dem "Hilfsbeweisantrag" auf "Auswertung der am Tatort gesicherten
Blutspuren" müsse nicht nachgegangen werden, da die Tatsachen, die bewiesen werden sollten, für die Entscheidung ohne Bedeutung seien. Selbst wenn
die behaupteten Tatsachen richtig wären, lasse sich daraus nicht der zwingende Rückschluss ziehen, dass der Angeklagte nicht der Täter des Tötungsdelikts
zum Nachteil des
B.
gewesen sei. Es sei nicht zwingend, dass der
Angeklagte bei dessen Tötung Fußspuren im Blut bzw. am Tatort hinterlassen
haben müsse. Dies gelte umso mehr, da für das Tatgeschehen und den Ablauf,
wie die einzelnen Verletzungen gesetzt worden seien, keine ausreichenden
Feststellungen hätten getroffen werden können.
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c) Mit dieser Begründung durfte der Antrag nicht abgelehnt werden; sie
ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar.
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Der Antrag vermengt zwar in vielfältiger Weise Beweis- mit Anknüpfungstatsachen (den Umständen, auf denen die sachverständige Beurteilung des
Gutachters aufbauen soll) sowie mit dem Beweisziel (dem nach Ansicht des
Beweisführers aus den Beweistatsachen vom Gericht zu ziehenden, entscheidungsrelevanten Schluss); er lässt jedoch bei interessengerechter Auslegung
(s. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 244 Rdn. 39; Herdegen in KK-StPO 5. Aufl.
§ 244 Rdn. 47 m. zahlr. w. N.) die konkreten Beweisbehauptungen hinreichend
deutlich erkennen: dem Opfer sind zunächst die mit starkem Blutverlust verbundenen Verletzungen zugefügt worden, bevor ihm die Plastiktüte über den
Kopf gezogen und es mit der Kordel gewürgt worden ist; derjenige, der dem
Opfer die Verletzungen beigebracht, die Plastiktüte übergestülpt und es gewürgt hat, hat notwendig in den am Tatort gesicherten Blutspuren Schuhabdrücke hinterlassen; die am Tatort im Blut des Opfers festgestellten oder mit
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diesem gelegten Schuhspuren sind mit Schuhen einer wesentlich geringeren
Größe gesetzt worden, als sie der Angeklagte trägt.
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Es liegt auf der Hand, dass diese Indiztatsachen, wären sie durch das
beantragte Gutachten bestätigt worden, für die Entscheidung bedeutsam sein
konnten; denn es hätte zumindest nahe gelegen, hieraus den Schluss zu ziehen, dass der Angeklagte jedenfalls an den eigentlichen Tötungshandlungen
nicht eigenhändig beteiligt war. Der Hinweis des Landgerichts, dieser Schluss
sei nicht zwingend, sowie seine weiteren Erwägungen zur Ablehnung des Beweisantrages belegen demgegenüber die von ihm angenommene Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen nicht; vielmehr sind seine Ausführungen in
sich rechtsfehlerhaft, da sie gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen. Selbst
wenn - wie das Landgericht annimmt - die unter Beweis gestellten Indiztatsachen nicht zwingend belegen sollten, dass der Angeklagte die eigentlichen Tötungshandlungen nicht eigenhändig vorgenommen haben konnte, so musste es
doch im Einzelnen darlegen, warum es den auch von ihm jedenfalls für möglich
erachteten Schluss nicht ziehen wollte. Hierzu hätten die Indiztatsachen so, als
seien sie erwiesen, in das Gesamtbeweisgefüge eingestellt und die Überlegungen mitgeteilt werden müssen, warum das Landgericht trotz der gegenläufigen
Indizien von der eigenhändigen Tatausführung des Angeklagten überzeugt ist
(s. nur BGH StV 2003, 369, 370; NJW 2005, 1132, 1133). An einer derartigen
Würdigung fehlt es. Vielmehr stützt das Landgericht die Zurückweisung des
Antrages allein auf die Erwägung, es sei - namentlich wegen des Fehlens ausreichender Feststellungen zum Tatablauf - nicht zwingend, dass "der Angeklagte" Fußspuren im Blut hinterlassen habe; dies ist aber in zweifacher Hinsicht
rechtsfehlerhaft. Zum einen nimmt das Landgericht damit das Gegenteil einer
der Beweisbehauptungen als erwiesen an; hierin liegt eine - im Rahmen des
Ablehnungsgrundes der Bedeutungslosigkeit - unzulässige Beweisantizipation,
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auf die die Zurückweisung des Antrags nicht gestützt werden durfte (MeyerGoßner aaO Rdn. 45; Herdegen aaO Rdn. 76 jew. m. w. N.). Zum anderen wird
verkannt, dass mit dem Antrag gerade ein bestimmter Ablauf der Tathandlungen unter Sachverständigenbeweis gestellt worden ist. Den Ausführungen des
Landgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass es das beantragte Gutachten
insoweit etwa als völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne des § 244 Abs. 3
Satz 2 StPO erachtet hätte.
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Soweit der Generalbundesanwalt demgegenüber in seiner Antragsschrift
vom 14. März 2007 die Ansicht vertritt, den Darlegungen des Landgerichts lasse sich "noch" ausreichend entnehmen, dass dieses den Antrag tatsächlich
nicht wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen zurückgewiesen
habe, sondern weil es selbst die zu deren Beurteilung erforderliche Sachkunde
besitze (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO), kann der Senat offen lassen, ob dem Urteil
- was allerdings eher fernliegt - ein derartiges Verständnis der Ablehnungsgründe entnommen werden könnte. Denn selbst wenn das Landgericht diese Sachkunde für sich in Anspruch genommen haben sollte, wäre es notwendig gewesen, dass es diese in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren und überprüfbaren Weise in den Urteilsgründen dargestellt hätte (Herdegen aaO
Rdn. 28 m. w. N.). Dies ist nicht geschehen, so dass die notwendige Sachkunde nicht belegt ist. Deren Darlegung war hier entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht etwa entbehrlich; denn da dem Senat das Spurenbild
am Tatort nicht bekannt ist, vermag er nicht zu erkennen, dass die Beurteilung
der Beweisbehauptungen (Notwendigkeit der Spurenlegung durch den eigenhändigen Täter; Nichtverursachung der Spuren durch Schuhe in der Schuhgröße des Angeklagten) nicht mehr als Allgemeinwissen erfordert hätte.
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d) Auf dem dargestellten Rechtsfehler beruht das Urteil. Da sowohl Tathintergrund wie Tatablauf ungeklärt sind, vermag der Senat trotz des an der
Leiche gesicherten Zellmaterials des Angeklagten nicht auszuschließen, dass
das Landgericht, hätten sich die Beweisbehauptungen bestätigt, zu der Überzeugung gelangt wäre, der Angeklagte habe an der eigentlichen Tötungshandlung nicht eigenhändig mitgewirkt, und vor diesem Hintergrund auf einen abweichenden Schuldspruch erkannt hätte.
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2. Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge eines Verstoßes gegen
§ 229 Abs. 4 Satz 1 StPO: Nach dem Sachvortrag der Revision in Verbindung
mit den Urteilsgründen liegt es in der Tat nahe, dass im Hauptverhandlungstermin vom 15. September 2006 mit der Verlesung des Behördengutachtens
des LKA Niedersachsen vom 6. Juni 2006 eine Beweisaufnahme vorgenommen
wurde, deren Bedeutungslosigkeit für die Urteilsfindung von vornherein offen
lag, und daher nur eine Scheinverhandlung in Form eines Schiebetermins zur
Fristwahrung stattfand. Sollten der Verlesung des Gutachtens dagegen tatsächlich noch für die Überzeugungsbildung relevante Erwägungen zugrunde gelegen haben, wäre es angezeigt gewesen, diese in dienstlichen Stellungnahmen
aufzuzeigen und dem Senat im Rahmen einer Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1
Satz 2 StPO; Nr. 162 RiStBV), die hier auch zu den übrigen Verfahrensrügen
unterblieben ist, mitzuteilen.
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3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2
StPO Gebrauch.
Tolksdorf
RiBGH Miebach ist urlaubsbedingt
Winkler
an der Unterzeichnung gehindert.
Tolksdorf
von Lienen
Becker