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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 584/10
vom
23. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO am 23. März 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. April 2010 aufgehoben
a) im Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe
(Tötung des
N.
) mit den Feststellungen zu
den Voraussetzungen der Mordmerkmale;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen Totschlags zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Seine
auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im
-3-
Fall 2 mit einer Verfahrensrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Am Tattag begab sich der Angeklagte zur Wohnung der später getöteten
Ni.
, mit der er seit einiger Zeit eine sexuelle Beziehung hatte.
In einem Rucksack führte er eine geladene Pistole mit sich. In der Wohnung traf
er
auf
das
Ni.
N.
Tatopfer
N.
,
mit
dem
ebenfalls ein Verhältnis hatte und zusammenlebte. Der Angeklagte
forderte von
N.
weitere
Ni.
eine Entscheidung zwischen ihm und
, die sie jedoch nicht traf. Im Laufe der Diskussion verließ
die Wohnung. Zum weiteren Geschehen konnte lediglich festgestellt
werden, dass
Ni.
gegen 18.30 Uhr mit ihrem Pkw, dessen
Dach und Fenster geschlossen waren, die Tiefgarage verlassen wollte. Als sie
an dem nach draußen führenden Rolltor stand, wurde sie von dem Angeklagten
von der geöffneten Beifahrertür aus mit vier bis fünf Schüssen getötet. Ungefähr
um 18.45 Uhr erschien
N.
in der Tiefgarage und trat auf der
Fahrerseite an das Fahrzeug heran. Der Angeklagte gab mit direktem Tötungsvorsatz zwei bis drei Schüsse auf ihn ab. Dabei stand er rechts unmittelbar neben dem Fahrzeug ungefähr auf Höhe der Beifahrertür und schoss über das
Dach des Pkw hinweg.
N.
wurde von zwei der Schüsse getrof-
fen; einer durchschlug den linken Ellenbogen, ein weiterer traf ihn in den Oberbauch. Er wandte sich in Richtung Treppenhaus, um zu fliehen. Der Angeklagte
holte ihn ein und versetzte ihm mit dem Griff der Pistole von hinten einen
Schlag auf den Kopf.
N.
ging zu Boden und blieb auf dem
Bauch liegen. Der Angeklagte gab nunmehr aus einer Entfernung von 40-60 cm
mit direktem Tötungsvorsatz drei Schüsse in den Rücken von
N.
ab, an denen dieser verstarb.
-4-
Das Landgericht hat die erste Tat zum Nachteil von
4
Ni.
ohne Rechtsfehler als Totschlag gewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von
neun Jahren für tat- und schuldangemessen gehalten. Hinsichtlich der Tötung
des
N.
(Fall 2) ist die Kammer davon ausgegangen, dass sich
der Angeklagte wegen Mordes schuldig gemacht hat. Die bei der Tatausführung
für ihn bestimmenden Gefühle der Wut auf
Ansicht für die Entwicklung der Beziehung zu
N.
Ni.
, der nach seiner
mitursächlich
gewesen sei, seien niedrige Beweggründe. Heimtücke sei nicht gegeben, weil
nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Tatopfer
N.
nicht arglos gewesen sei, als er an das Fahrzeug herantrat. Dass Verdeckungsabsicht neben der Wut als Tatmotiv für den Angeklagten handlungsleitend gewesen sei, sei nicht sicher feststellbar gewesen.
2. Die Revision des Angeklagten hat im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge
5
- Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO - Erfolg.
6
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom
10. November 2009 legte dem Angeklagten im Fall 2 zur Last,
N.
heimtückisch und zur Verdeckung einer Straftat getötet zu haben. Am
9. Verhandlungstag (19. März 2010) erteilte das Landgericht folgenden rechtlichen Hinweis:
"In der Strafsache gegen
K.
werden der Angeklagte und seine
Verteidiger darauf hingewiesen, dass statt des angeklagten zweifachen
Mordes auch eine Bestrafung wegen zweifachen Totschlags, § 212
StGB, wie auch im zweiten Fall eine Bestrafung wegen einer heimtückischen Tötung zur Verdeckung einer Straftat und aus niedrigen Beweggründen in Betracht kommt."
-5-
8
Weitere Hinweise oder Erläuterungen erfolgten in der Hauptverhandlung
nicht. Am 22. März 2010 fragte einer der Verteidiger des Angeklagten telefonisch bei der Berichterstatterin und stellvertretenden Vorsitzenden an, welchen
niedrigen Beweggrund die Kammer in Betracht ziehe. Er erhielt sinngemäß die
Antwort, dass an einen Beweggrund im Zusammenhang mit der Geschichte der
Dreiecksbeziehung im Vorfeld gedacht werden könne. Auf weiteres konkretes
Nachfragen entgegnete die Richterin, dass sie nicht mehr sagen könne, sie habe sich ohnehin schon "zu weit aus dem Fenster gelehnt".
9
b) Diese Verfahrensweise ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass es eines
förmlichen rechtlichen Hinweises auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bedurfte. Ein solcher Hinweis muss nicht nur erteilt werden, wenn ein
anderes Strafgesetz als das im Eröffnungsbeschluss genannte angewandt,
sondern auch dann, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform desselben Strafgesetzes verurteilt werden soll (BGHSt 23, 95, 96).
Das Schwurgericht muss deshalb regelmäßig darauf hinweisen, wenn es abweichend vom Anklagevorwurf wegen eines anderen Mordmerkmals verurteilen
will (vgl. BGHSt 23, 95; 25, 287; Urteil vom 14. April 1953 - 1 StR 152/53). Mit
Rücksicht auf den Regelungszweck des § 265 Abs. 1 StPO ist dies jedenfalls
dann anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden Begehungsformen sich in
ihren objektiven und subjektiven Voraussetzungen so stark voneinander unterscheiden, dass eine umfassende Verteidigung des Angeklagten nur durch eine
förmliche Unterrichtung gesichert werden kann. Das ist der Fall, wenn das
Schwurgericht den Angeklagten wie hier abweichend vom Anklagevorwurf nicht
aus dem Gesichtspunkt der Heimtücke, sondern dem der niedrigen Beweggründe wegen Mordes verurteilen will; dasselbe gilt beim Übergang vom Vorwurf des Tötens in Verdeckungsabsicht zum Vorwurf des Tötens aus Wut als
niedrigem Beweggrund (BGHSt 25, 287, 289 f.).
-6-
10
Die Revision macht zu Recht geltend, dass der rechtliche Hinweis nicht
den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Der Hinweis muss - allein oder in
Verbindung mit der zugelassenen Anklage - dem Angeklagten hinreichend erkennbar machen, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (BGH NStZ 1993, 200 mwN). Das gilt auch für das
Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (Senat BGH NStZ 2005,
111). Nur so kann er seine Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm die Gelegenheit zu geben, sich
gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen.
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Der bloße, zudem als solcher wegen der kumulativen Aufzählung der in
Betracht kommenden Mordmerkmalen schon nicht unmissverständliche Hinweis war hier nicht geeignet, den Angeklagten ausreichend darüber zu informieren, welche Umstände nach Auffassung des Gerichts Grundlage der neuen
rechtlichen Bewertung sein konnten. Erläuternde Angaben waren auch nicht
entbehrlich. Weder der Anklage noch der in der Revisionsschrift wiedergegebenen und als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Erklärung
des Angeklagten lassen sich Tatsachen entnehmen, aus denen auf das Vorliegen niedriger Beweggründe, insbesondere auf die vom Landgericht im Urteil
angenommene "Wut", geschlossen werden konnte. Die von der stellvertretenden Vorsitzenden am Telefon abgegebene Erklärung war - abgesehen davon,
dass sie in formeller Hinsicht nicht die Anforderungen an einen Hinweis nach
§ 265 Abs. 1 StPO erfüllte - ersichtlich ebenfalls nicht geeignet, den Verteidiger
über die tatsächliche Grundlage des abweichenden rechtlichen Gesichtspunktes zu informieren und den Angeklagten vor einer Überraschungsentscheidung
zu bewahren.
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Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem unzureichenden Hinweis beruht. Insoweit hat die Verteidigung in der Revisionsschrift
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im Einzelnen dargelegt, was sie bei einem ordnungsgemäßen Hinweis gegen
den - im Übrigen auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
nicht nahe liegenden Vorwurf niedriger Beweggründe - noch vorgebracht hätte.
3. Der Rechtsfehler erfasst lediglich die Feststellungen zu den Voraus-
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setzungen der Mordmerkmale im Fall 2 sowie den Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich,
so weit sie dazu nicht im Widerspruch stehen.
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4. Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:
15
Der neue Tatrichter wird sich - ohne dass dem das Verschlechterungsverbot entgegensteht (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) - erneut mit dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht zu befassen haben. Die Ausführungen hierzu im
angefochtenen Urteil sind nicht frei von Widersprüchen. Das Landgericht legt
seiner rechtlichen Bewertung zugrunde, dass bei der Tötung von
N.
eine Absicht des Angeklagten, die vorangegangene Tötung von
Ni.
zu verdecken, nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen
sei (UA 28). Hiermit lassen sich jedoch die Erwägungen bei der Beweiswürdigung nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. Dort heißt es u.a., dass sich
Gründe, warum dem Angeklagten zur Zeit der Begehung der Tat nicht bewusst
gewesen sein solle, dass er mit der Tötung von
N.
einen Zeu-
gen tötete, ohne den die Ermittlung seiner Person als Täter wesentlich erschwert werden würde, "nicht ergeben" hätten (UA 110). Darüber hinaus zählt
das Urteil Umstände auf, "die darauf hindeuten, dass die Verdeckung seiner
Täterschaft eine der Haupttriebfedern für die Begehung der Tat gewesen sein
-8-
kann" (UA 110-113). Gesichtspunkte, die gegen eine Verdeckungsabsicht sprechen könnten, werden dagegen nicht erörtert.
Fischer
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Eschelbach