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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 442/12
vom
11. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. April 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 19. März 2012 im Ausspruch über die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung
an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und seine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2
Schuld- und Strafausspruch weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten auf. Die Verfahrensrügen, die sich mit den Anträgen der Verteidigung beschäftigen, das Fehlen einer (weiteren) Röntgenuntersuchung an dem
Tatopfer zu beweisen, sind jedenfalls unbegründet. Bei dem Geschehen, das
letztlich zum Tod des Geschädigten führte, handelte es sich, wie das Land-
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gericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, um eine im Rahmen des Erwartbaren
liegende, aber stets spontan auftretende Komplikation nach Intubierung älterer
Patienten. Eine prophylaktische Behandlung ist nicht möglich; eine Röntgendiagnostik könnte den Eintritt der Komplikation weder verhindern noch vorab
anzeigen. Der Tod des 89jährigen Geschädigten in der Folge der erforderlichen
Operation stellt keine erhebliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf dar und war dem Angeklagten daher zuzurechnen.
3
Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht
hat zur Prognose im Sinne von § 64 StGB ausgeführt, die Behandlung sei
"nicht völlig aussichtslos", auch der Sachverständige Dr. B.
habe darauf
hingewiesen, "dass von einer Aussichtslosigkeit nicht gesprochen werden könne".
4
Das ist rechtsfehlerhaft. Bereits im Jahr 1994 hat das Bundesverfassungsgericht die damalige Regelung des § 64 Abs. 1 aF StGB für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 91, 1). In einer großen Vielzahl von Entscheidungen haben danach alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs immer wieder
Urteile aufgehoben, die auf einer Anwendung des verfassungswidrigen Kriteriums der "Aussichtslosigkeit" beruhten. Bei der ab 20. Juli 2007 geltenden Neufassung des § 64 StGB hat der Gesetzgeber auch den Wortlaut des § 64
Satz 2 StGB angepasst und klargestellt, dass es einer "hinreichend konkreten
Erfolgsaussicht" bedarf; dies ist mit dem Fehlen von "Aussichtslosigkeit" ersichtlich nicht gleichbedeutend. Wenn Tatgerichte beinahe 20 Jahre nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und mehr als fünf Jahre nach
der Gesetzesänderung immer noch auf das vom Bundesgerichtshof vielfach
bemängelte verfassungswidrige Kriterium abstellen, mag das auch darauf beruhen, dass fehlerhafte, ihrerseits uninformierte Sachverständigengutachten
kritiklos übernommen werden. Dies zeigt zunächst - jedenfalls hier - eine die
-4-
Sachkunde in Frage stellende Unkenntnis des Sachverständigen von den normativen Grundlagen seines Gutachtensauftrags. Verantwortlich ist aber in jedem Fall das Gericht, das den Sachverständigen anzuleiten und Fehler seines
Gutachtens kritisch zu hinterfragen hat.
5
Vorliegend lässt sich auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe
nicht entnehmen, dass das Landgericht inhaltlich den richtigen Prognosemaßstab angewendet hat. Über die Maßregelanordnung ist daher neu zu entscheiden.
Becker
Fischer
Schmitt
Appl
Krehl