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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 423/15
vom
12. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120416B2STR423.15.0
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2016 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 10. Juni 2015 – mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag – mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die
Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der
Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es in der Zeit zwischen dem 15. März 2009 und dem 21. Mai 2011 zu sexuellen Übergriffen des
Angeklagten auf seine leibliche Tochter D.
. Die Strafkammer hat den von
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seinem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Tochter als überführt angesehen.
3
2. Die der Verurteilung zugrunde liegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und widersprüchlich.
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a) Die Urteilsgründe enthalten schon keine hinreichende Darstellung der
Aussage der Geschädigten mit den zugehörigen Details, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der vom Landgericht hinsichtlich des Kerngeschehens
angenommenen Aussagekonstanz ermöglichen würde. Was sie im Einzelnen in
ihrer polizeilichen Vernehmung, in den Explorationsgesprächen mit der Sachverständigen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht und in der
Hauptverhandlung ausgesagt hat, wird nicht mitgeteilt. Das wäre hier schon
deshalb vonnöten gewesen, weil – worauf das Landgericht mehrfach ausdrücklich hinweist – die Bekundungen der Zeugin "relativ detailarm" waren. Erschöpfen sich die Angaben in Bekundungen zu "gleichablaufenden Taten ohne näheren Details" (vgl. UA S. 12), verliert das Kriterium der "Aussagekonstanz" erheblich an Gewicht. Ob sich die Strafkammer dessen bewusst war, lässt sich den
Urteilsgründen nicht entnehmen.
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b) Das Landgericht erklärt die Detailarmut der Angaben der Zeugin
– sachverständig beraten – mit ihrer subdepressiven Persönlichkeit, aufgrund
derer sie weniger in der Lage sei, ein Geschehen detailreich zu schildern (UA
S. 14). Dies steht in Widerspruch zu der an anderer Stelle im Urteil mitgeteilten
Feststellung, ihre Aussage enthalte durchaus "Details zum Randgeschehen"
(UA S. 12). Abgesehen davon, dass sich ohne nähere Erläuterung schon nicht
erschließt, warum ein Mensch mit einer subdepressiven ängstlichen Grundströmung zu detailreicher Schilderung von Geschehnissen grundsätzlich weni-
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ger imstande sein soll, erhellt nicht, warum sich dies insoweit nicht auch auf
Angaben zu einem "Randgeschehen" erstrecken soll.
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c) Die Zeugin hat "wenige" widersprüchliche Angaben in verschiedenen
Vernehmungen gemacht (UA S. 11). Welche das im Einzelnen gewesen sind,
teilt die Strafkammer nicht mit. Aus den Urteilsgründen ergibt sich lediglich,
dass die Zeugin unterschiedliche Angaben zum Tatort des ersten Übergriffs
gemacht hat. In ihrer ersten polizeilichen Vernehmung bekundete sie, die erste
Tat habe im Wohnzimmer stattgefunden, während sie im Rahmen ihrer Exploration und in der Hauptverhandlung den ersten Vorfall in ihr Zimmer verlegte. Was
sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht ausgesagt
hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Insoweit ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Soweit die Strafkammer im Übrigen in den widersprüchlichen
Angaben zur ersten Tat, die gewöhnlicherweise als besonders einschneidendes
Erlebnis besonders gut in Erinnerung bleibt, kein Indiz für die Unrichtigkeit der
Aussage sehen will, beruht dies nicht auf tragfähigen Erwägungen. Dass die
Zeugin – wie die Strafkammer an mehreren Beispielen belegt – Schwierigkeiten
mit der zeitlichen Einordnung von Geschehnissen hat, erklärt nicht, warum sie
sich an den Ablauf und den Ort eines für sie unerwarteten und mit einem körperlichen Übergriff verbundenen Geschehens nicht mehr erinnern können soll.
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d) Diese Mängel der Beweiswürdigung zwingen zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei ordnungsgemäßer und umfassender Würdigung zu einer für den
Angeklagten günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
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8
3. Der Aufhebung der Entscheidung über den Adhäsionsantrag bedarf es
nicht. Darüber hat das neue Tatgericht zu entscheiden (vgl. MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 406a Rn. 8).
Fischer
Appl
Eschelbach
Krehl
Ri'nBGH Dr .Ott ist
an der Unterschrift
gehindert.
Fischer