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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 551/17
2 AR 345/17
vom
9. Januar 2018
in dem Bewährungsverfahren
gegen
Az.: BwR 1023 Ls 462 Js 184132/12 jug Amtsgericht München
Az.: NZS 3 VRJs 3/17 Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld
ECLI:DE:BGH:2018:090218B2ARS551.17.0
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 9. Januar 2018 beschlossen:
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe:
I.
1
Gegen den Verurteilten wurde durch das Amtsgericht München - Jugendschöffengericht - mit Urteil vom 6. Dezember 2012 eine Jugendstrafe von
einem Jahr und neun Monaten verhängt, wobei die Entscheidung über deren
Aussetzung zur Bewährung zunächst vorbehalten wurde. Mit Beschluss des
Amtsgerichts München vom 22. April 2014 wurde eine zwischenzeitlich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
2
Nach deren teilweiser Verbüßung in der Jugendanstalt Hameln setzte
der für diese zuständige Vollstreckungsleiter beim Amtsgericht Hameln den
verbliebenen Rest dieser sowie einer weiteren Jugendstrafe durch Beschluss
vom 21. November 2016 zur Bewährung aus. Die weitere Strafvollstreckung
und die in Folge der Entlassung zur Bewährung erforderlich werdenden Entscheidungen gab er gemäß § 85 Abs. 5 und § 88 Abs. 6 i.V.m. § 58 Abs. 3 JGG
an das Amtsgericht Goslar ab, in dessen Bezirk der Verurteilte nach der Entlassung seinen Wohnsitz genommen hatte. Nachdem das Amtsgericht Goslar mit
Beschluss vom 13. Dezember 2016 die Bewährungsaufsicht übernommen hatte, gab es nach einer neuerlichen Wohnsitzverlegung des Verurteilten die weiteren im Rahmen der Bewährungsüberwachung zu treffenden Entscheidungen
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unter Berufung auf § 462a Abs. 2 Satz 2 StPO mit Beschluss vom 7. März 2017
an das Amtsgericht München als das erkennende Gericht zur Weitergabe an
das zuständige Gericht zurück. Dieses nahm mit Beschluss vom 21. März 2017
die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Beschluss des Amtsgerichts München vom 22. April 2014
beziehen sowie die weitere Vollstreckung aus diesem Beschluss zurück und
übertrug diese unter Berufung auf § 42 Abs. 3, § 58 Abs. 3, § 85 Abs. 5 JGG
dem für den neuen Wohnsitz des Verurteilten zuständigen Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld, das die Bewährungsaufsicht mit Verfügung vom 8. Mai 2017
übernahm. Nachdem der Verurteilte zwischenzeitlich ohne festen Wohnsitz war,
ist er mittlerweile im Bezirk des Amtsgerichts Traunstein gemeldet. Aus diesem
Grund hat das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld die Rückübernahme durch das
Amtsgericht München angeregt. Das Amtsgericht München hat die Rückübernahme verweigert, da der Verurteilte am Ort des Wohnsitzgerichts derzeit unauffindbar sei und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach
§ 14 StPO dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
II.
3
Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Zuständigkeitsstreits durch den Bundesgerichtshof liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat zwar in entsprechender
Anwendung des § 42 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 3 Satz 3 JGG, hier darüber
hinaus i.V.m. § 88 Abs. 6 Satz 3 JGG, als übergeordnetes Gericht auch dann
zu entscheiden, wenn zwischen zwei Gerichten Streit darüber besteht, ob das
ursprünglich abgebende Gericht aufgrund einer Änderung der maßgebenden
Verhältnisse die Übertragung rückgängig machen, also die Sache wieder über-
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nehmen muss, um sie entweder selbst zu erledigen oder gegebenenfalls einem
anderen Gericht zu übertragen (Senat, Beschluss vom 1. Oktober 1986 - 2 ARs
239/86, NStZ 1987, 87; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 58 Rn. 9). Dies gilt
aber nur, wenn das Gericht, das die Sache abgegeben hat, dafür zuständig ist,
die Übertragungsentscheidung zu ändern.
4
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Mit der Aufnahme des Verurteilten in
den Jugendstrafvollzug in der Jugendanstalt Hameln ging gemäß § 85 Abs. 2
JGG die Zuständigkeit für alle die Vollstreckung der Jugendstrafe betreffenden
Entscheidungen auf den als Vollstreckungsleiter amtierenden Jugendrichter
beim Amtsgericht Hameln über. Dementsprechend hat dieser mit Beschluss
vom 21. November 2016 gemäß § 88 Abs. 1 JGG über die Aussetzung der
Reststrafe entschieden und gleichzeitig gemäß § 85 Abs. 5, § 88 Abs. 6 i.V.m.
§ 58 Abs. 3 Satz 2 JGG die Zuständigkeit für die Vollstreckung und die weitere
Entscheidung dem Jugendrichter beim Amtsgericht Goslar übertragen.
5
Der Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 7. März 2017, durch den
der dortige Jugendrichter die im Rahmen der Bewährungsüberwachung zu treffenden Entscheidungen „gemäß § 462a Abs. 2 Satz 2 StPO“ an das Amtsgericht München zurückgab, war jedoch nicht von seiner Zuständigkeit gedeckt
(vgl. Senat, Beschluss vom 19. April 1972 - 2 ARs 79/72, BGHSt 24, 332, 334;
Beschluss vom 19. November 1970 - 2 ARs 270/70, BGHSt 24, 26, 28). Der
zunächst übernehmende Richter kann nämlich nur beim abgebenden Gericht
eine Änderung anregen. Dagegen ist er nicht befugt, die Sache selbst an ein
drittes Gericht zu übertragen (BGH, Beschluss vom 19. November 1970 - 2 ARs
270/70, aaO; Eisenberg, JGG, 19. Aufl., § 58 Rn. 44). Insoweit ist durch die Abgabe vom 21. November 2016 die Sache nicht endgültig aus dem Verantwortungsbereich des Amtsgerichts Hameln ausgeschieden. Dieses hat deshalb die
Pflicht, seine Entscheidung bei einer Änderung der Verhältnisse zu überprüfen,
-5-
wenn erforderlich rückgängig zu machen (Senat, Beschluss vom 15. Dezember
1972 - 2 ARs 340/72, BGHSt 25, 85, 88; Beschluss vom 16. März 1979 - 2 ARs
70/79, BGHSt 28, 351, 353) und gegebenenfalls ein anderes Gericht mit den
Aufgaben zu betrauen (Brunner/Dölling, aaO, § 58 Rn. 9). Hierdurch wird dem
Grundsatz der Einheitlichkeit der erzieherischen Entscheidung entsprochen
(Eisenberg, JGG, 19. Aufl., § 58 Rn. 44).
6
Allerdings wird dadurch die Rechtswirksamkeit der Übertragung und der
auf sie gründenden weiteren Entscheidungen nicht in Frage gestellt. Jedoch
bleibt für die Änderung der Übertragungsentscheidung die gesetzliche Zuständigkeitsregelung weiterhin maßgebend (Senat, Beschluss vom 1. Oktober 1986
- 2 ARs 239/86, NStZ 1987, 87). Dies bedeutet, dass über eine Abänderung der
Zuständigkeit das Amtsgericht Hameln zu befinden hat. Dieses ist jedoch an
dem vorliegenden Zuständigkeitsstreit nicht beteiligt und kann daher auch nicht
vom übergeordneten Gericht für zuständig erklärt werden.
-6-
7
Dem Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld bleibt die Möglichkeit, bei dem
Amtsgericht Hameln eine Änderung der Übertragungsentscheidung anzuregen
(vgl. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 1986 - 2 ARs 239/86, aaO). Erst wenn
das Amtsgericht Hameln es ablehnt, einer solchen Anregung zu folgen, ist - auf
entsprechende Vorlage - Raum für eine Zuständigkeitsbestimmung durch den
Bundesgerichtshof.
Krehl
Eschelbach
Grube
Bartel
Schmidt