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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 555/14
vom
21. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anhörungsrüge
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2015 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten
N.
gegen den Beschluss des Senats vom 11. Februar 2015 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 25. Februar 2014 mit Beschluss vom 11. Februar
2015 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dieser ist seinem Verteidiger am
18. Februar 2015 zugegangen. Mit dessen Schriftsatz vom 24. Februar 2015,
der bei dem Senat am selben Tage eingegangen ist, hat der Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben. Er hat beantragt, den vorgenannten Beschluss des Senats „für gegenstandslos zu erklären“ und das Verfahren wieder
in den Stand nach Eingang der Stellungnahme des Verteidigers des Verurteilten vom 9. Dezember 2014 zurückzuversetzen.
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Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet, es liegt keine Verletzung
des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor.
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1. Der Senat hat weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder Beweismittel verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor noch nicht gehört worden wäre.
Auch wurde zu berücksichtigendes Vorbringen nicht übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt.
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a) Eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich nicht aus der Entschei-
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dung durch ohne nähere Begründung erfolgenden Beschluss des Senats gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Von Verfassungs wegen bedarf eine mit ordentlichen
Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung regelmäßig keiner Begründung (siehe nur BVerfGE 104, 1, 7 f.; BVerfGE
118, 212, 238; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom
30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564 mwN). Das gilt nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Beschlüsse gemäß § 349 Abs. 2 StPO (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR
792/11, NJW 2014, 2563, 2564).
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b) Der Umstand, dass der Senat die Rechtsansicht der Verteidigung des
Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht gefolgt ist, stellt ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist
schon grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen
und in Erwägung gezogen hat (BVerfG aaO m. zahlr. wN; siehe auch Senat,
Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 359/13 Rn. 4), zumal es nach Art. 103
Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (Senat aaO mwN). Es wurde hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten einschließlich desjenigen in dem Schriftsatz des
Verteidigers vom 9. Dezember 2014 bei der Entscheidungsfindung des Senats
berücksichtigt.
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c) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus,
dass der Senat über die Revision des Verurteilten entschieden hat, ohne Ausführungen der Verteidigung zu zwei in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. November 2014 angesprochenen ergänzenden dienstlichen
Stellungnahmen des Vorsitzenden der Strafkammer und einer beisitzenden
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Richterin (vgl. S. 4 oben der genannten Antragsschrift) abzuwarten. Die in
rechtlicher Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt erkannte Unbegründetheit der in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Verletzung
von § 275 Abs. 1 StPO – in allen drei von der Revision geltend gemachten Angriffsrichtungen – hat sich bereits aufgrund der von dem Rechtsmittelführer
selbst vorgelegten Vermerke des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 und der als
Berichterstatterin eingesetzten beisitzenden Richterin vom 12. Mai 2014 ergeben. Dem Verurteilten und seiner Verteidigung unbekannter Verfahrensstoff
oder diesen nicht bekannte Beweismittel, denen für die freibeweisliche Aufklärung des den Verfahrensrügen zugrunde liegenden Sachverhalts Bedeutung
zukam, hat der Senat nicht verwertet.
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aa) Soweit die Revision die Nichteinhaltung der Urteilsabsetzung aus
§ 275 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen des Verlustes des von allen drei Berufsrichtern unterschriebenen Originals des Urteils gerügt hatte (RB S. 2-10), ist das
Rechtsmittel erfolglos geblieben, weil dieses Urteilsoriginal aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen am letzten Tag der
am 1. April 2014 abgelaufenen Frist und damit rechtzeitig zu den Akten gelangt
ist. Ausweislich der Vermerke vom 12. und 28. Mai 2014 hatte die Berichterstatterin das von allen drei Berufsrichtern unterschriebene Urteil (§ 275 Abs. 2
Satz 1 und Satz 3 StPO) am Nachmittag des 1. April 2014 auf die Geschäftsstelle gebracht. Dieser Vorgang wird durch den Inhalt eines Vermerks einer
Geschäftsstellenmitarbeiterin vom 30. April 2014, den die Revision ebenfalls
selbst vorgetragen hat, bestätigt. Nach dem weiteren Inhalt dieses Vermerks
konnte die Justizangestellte lediglich nicht mehr sicher erinnern, ob sie den in
§ 275 Abs. 1 Satz 5 StPO vorgesehenen Vermerk auf dem Urteilsoriginal angebracht hat. Das steht der Einhaltung der Absetzungsfrist aber nicht entgegen.
Wie vom Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend aufgezeigt, kann der
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Nachweis der Fristwahrung auch auf andere Weise als durch den Vermerk
nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO erbracht werden. Dies war hier aufgrund des
Inhalts der genannten Erklärungen von zwei der Berufsrichtern und der Justizangestellten der Fall.
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Aus den von der Revision in der Rechtsmittelbegründung vorgetragenen
Vermerken vom 12. bzw. 28. Mai 2014 folgt weiterhin, dass die nach dem Abhandenkommen des Urteilsoriginals durch erneuten Ausdruck der entsprechenden elektronisch gespeicherten Datei hergestellte Version des Urteils mit
dem Original ohne jeden Zweifel vollkommen identisch ist. Der Vermerk des
Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 legt dies im Einzelnen dar. Die Berichterstatterin hat angesichts der Existenz lediglich einer gespeicherten Version der Datei
diese Identität ebenfalls zweifelsfrei belegt. Aus diesen Vermerken allein folgt
auf der Grundlage der vom Generalbundesanwalt referierten Rechtsprechung
das Fehlen einer Verletzung von § 275 Abs. 1 StPO. Die von der Revision angesprochenen „ergänzenden Vermerke“ sind vom Senat nicht herangezogen
worden.
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Im Übrigen hat sich die Revision rechtsirrig - und im Hinblick auf eine
Gehörsverletzung zudem ohne Bedeutung - auf zwei Entscheidungen des
5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs bezogen. Dem Urteil vom 18. Dezember
1979 (5 StR 697/79, NJW 1980, 1007) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem
gerade die Übereinstimmung von unterschriebenem, aber danach abhanden
gekommenem Urteilsoriginal und Zweitversion anders als vorliegend nicht feststand. In dem dem Beschluss vom 22. Mai 2012 (5 StR 229/12, BGHR StPO
§ 275 Abs. 1 Satz 1 Akten 3) zugrunde liegenden Verfahren war – wiederum
anders als vorliegend – offen geblieben, ob das unterschriebene, später verlo-
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ren gegangene Urteilsoriginal rechtzeitig im Sinne von § 275 Abs. 1 StPO zu
den Akten gelangt war.
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bb) Die Revision hatte mit der Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1
Satz 2 StPO ebenfalls bereits aufgrund der von ihr selbst vorgetragenen Verfahrenstatsachen und dem Inhalt der vorgelegten Vermerke vom 12. und
28. Mai 2014 auch insoweit keinen Erfolg, als die „Nichteinhaltung der Absetzungsfrist hinsichtlich der Originalurkunde“ (RB S. 10-18) geltend gemacht worden war. Wie sich aus den vorstehend [1.c)aa)] dargelegten Gründen ergibt, ist
die Absetzungsfrist eingehalten worden. Entgegen der von der Revision vertretenen Rechtsauffassung kann der Nachweis der Fristeinhaltung nicht ausschließlich durch den Vermerk gemäß § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO geführt werden.
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cc) Die Erfolglosigkeit der Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2
StPO „wegen Nichteinhaltung der Absetzungsfrist bei der nunmehr vorliegenden Urteilsurkunde“ (RB S. 18-26) beruht ebenfalls nicht auf der Berücksichtigung der von ihr genannten ergänzenden Stellungnahmen des Vorsitzenden
und der Berichterstatterin. Sie ergibt sich auf der Grundlage der aus den von
der Revision dargelegten Vermerken der Justizangestellten vom 30. April 2014,
der Berichterstatterin vom 12. und des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 aus
rechtlichen Gründen.
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Die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO findet auf den durch die Revision
selbst vorgetragenen Verfahrensablauf eines erneuten Ausdrucks einer nach
dem Erstausdruck inhaltlich unveränderten Datei des rechtzeitig zu den Akten
gelangten Urteils von vornherein keine Anwendung. Der Zweck der Urteilsabsetzungsfrist besteht darin, die Übereinstimmung des Beratungsergebnisses
mit den schriftlichen Urteilsgründen zu gewährleisten (siehe nur SK-
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StPO/Frister, 4. Aufl., Band V, § 275 Rn. 3 mwN). Es geht darum, der „Erfahrung nachlassender Erinnerung“ zu begegnen und eine möglichst frische Erinnerung an die Ergebnisse der Hauptverhandlung und der Beratung zu sichern
(OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2008, 117 mwN; vgl. auch KK-StPO/Greger,
7. Aufl., § 275 Rn. 38). War das Urteil wie hier fristgerecht zu den Akten gelangt, ist der Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich dann nicht betroffen, wenn
nach Verlust des rechtzeitig abgesetzten Urteils eine sicher inhaltsidentische
weitere Version auf technischem Wege hergestellt werden kann.
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Auch für die Beurteilung der sicheren Inhaltsidentität kommt es jedenfalls
unter den hier durch die der Revision bekannten Vermerke belegten tatsächlichen Bedingungen nicht auf die „frische Erinnerung“ an, sondern allein auf die
davon völlig unabhängig feststellbare Inhaltsidentität. Diese gründet sich hier
auf den Umstand, dass nach dem Ausdruck des nach Einhaltung der Absetzungsfrist verloren gegangenen Originals keine Veränderung der entsprechenden Datei mehr erfolgt war.
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Soweit sich die Revision für ihre Rechtsauffassung auf den Beschluss
des Senats vom 7. September 1982 (1 StR 249/82, NStZ 1982, 519) sowie den
Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2007 (NStZ-RR
2008, 117) beruft, geht dies fehl. Beide Entscheidungen betreffen Konstellationen, in denen die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO gerade nicht eingehalten
war.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung
von § 465 Abs. 1 StPO (Senat, Beschlüsse vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14 und
vom 29. Januar 2015 – 1 StR 359/13).
Raum
Rothfuß
Cirener
Graf
Radtke