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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 235/15
vom
11. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels u.a.
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
10. November 2015, in der Sitzung vom 11. November 2015, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Mosbacher,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G.
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M.
- in der Verhandlung vom
10. November 2015 -,
- in der Verhandlung vom
10. November 2015 ,
- in der Verhandlung vom
10. November 2015 -,
- in der Verhandlung vom
10. November 2015 ,
-3-
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom
10. November 2015 -,
- in der Verhandlung vom
10. November 2015 -
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K.
,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Bochum vom 15. September 2014 mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
-4-
Gründe:
1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des gewerbs- und
bandenmäßigen Schmuggels und der Hinterziehung von Umsatzsteuer in insgesamt 216 Fällen bzw. beim Angeklagten K.
in 181 Fällen, darunter eine
versuchte Tat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wenden
sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die gestützt auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstanden. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel
haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die von der Staatsanwaltschaft erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht mehr ankommt.
I.
2
1. In der zugelassenen Anklage werden den Angeklagten in den Jahren
2010 bis 2012 zugunsten der S. K.
S.
3
GmbH) und der G.
GmbH (im Folgenden:
GmbH begangene Steuerstraftaten zur Last gelegt.
Die S. GmbH, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der
gesondert Verurteilte
P.
gewesen sei, habe ab dem Jahr
2010 umfangreiche Importe von Metallen durchgeführt, die nahezu vollständig
an die G.
GmbH weiterverkauft worden seien. Der Angeklagte G.
Geschäftsführer und Alleingesellschafter und die Angeklagten M.
K.
4
sei
und
Angestellte dieser Gesellschaft gewesen.
Aufgrund einer gemeinsamen Besprechung Ende Juni 2010 in den Räumen der G.
GmbH hätten die Angeklagten mit P.
und den früheren
-5-
Mitangeklagten S.
der S.
und St.
vereinbart, sich durch die Zwischenschaltung
GmbH in den Warenbezug einen Wettbewerbsvorteil am Markt zu ver-
schaffen. Anders als bei der zuvor durch die G.
GmbH selbst eingeführten
Ware sollte es nun möglich sein, aufgrund generierter Vorsteuerabzüge eine
Kaufpreisminderung und damit eine Gewinnmaximierung zu erreichen. Hierzu
sollte die S.
GmbH in den Rechnungen an die G.
GmbH jeweils Umsatz-
steuer ausweisen, diese aber gegenüber den Finanzbehörden nicht erklären
und auch nicht abführen. Auf diese Weise sollte der G.
GmbH die Geltend-
machung von Vorsteuern ermöglicht werden, ohne dass diese zuvor abgeführt
worden seien.
5
Die aus Osteuropa nach Deutschland verbrachten Waren hätten im Jahr
2010 allein aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere den baltischen Staaten, gestammt. Ab Anfang 2011 seien dann von den Angeklagten
G.
St.
und M.
zusammen mit den früheren Mitangeklagten S.
und
auch Einfuhren aus Drittstaaten, namentlich aus Russland und der Ukrai-
ne, vorgenommen worden. Hierbei sei der Wert der eingeführten Waren gegenüber dem Zoll in der Regel mit weniger als einem Zehntel des tatsächlichen
Werts angegeben worden. Zudem sei für die inländischen Verkäufe der S.
GmbH an die G.
GmbH keine Umsatzsteuer erklärt worden, obwohl die Um-
satzsteuer bei den jeweiligen Rechnungen an die G.
GmbH ausgewiesen
worden sei. Hierdurch seien jeweils Abgaben verkürzt worden. Im Einzelnen:
6
a) Fälle 1 bis 184 der Anklageschrift (gewerbs- und bandenmäßiger
Schmuggel)
7
In den die Jahre 2011 und 2012 betreffenden Fällen 1 bis 184 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K.
24 bis 184 der Anklageschrift wirft die Staats-
anwaltschaft den Angeklagten vor, sie hätten gewerbs- und bandenmäßig ge-
-6-
genüber dem Zollamt E.
falsche Angaben zum Warenwert bei der Einfuhr
von Kupfererzeugnissen aus osteuropäischen Staaten in das Gebiet der Europäischen Union gemacht. Infolge der falschen Angaben seien nahezu vier Millionen Euro an Einfuhrumsatzsteuer und mehr als 300.000 Euro an Zoll nicht
festgesetzt und damit verkürzt worden.
8
b) Fälle 185 bis 199 der Anklageschrift (Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der S. GmbH)
9
In den Fällen 185 bis 199 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K.
191
bis 199 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten jeweils
die Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der S.
chend dem gemeinsamen Tatplan mit P.
GmbH vor. Entspre-
seien für die S.
GmbH für
das Jahr 2010 wahrheitswidrig ein Umsatz von null Euro angemeldet und für die
Monate Februar 2011 bis März 2012 pflichtwidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden. Hierdurch sei insgesamt Umsatzsteuer in Höhe
von mehr als 4,7 Mio. Euro verkürzt worden.
10
c) Fälle 200 bis 216 der Anklageschrift (Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der G.
11
GmbH)
In den Fällen 200 bis 216 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K.
206
bis 216 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten jeweils
die Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der G.
chend dem gemeinsamen Tatplan seien für die G.
GmbH vor. EntspreGmbH in der Umsatz-
steuerjahreserklärung 2010 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar
2011 bis März 2012 sowie Mai und November 2012 zu Unrecht Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der S. GmbH geltend gemacht worden. Den Angeklagten sei dabei bewusst gewesen, dass ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der S.
GmbH nicht in Betracht kam. Hierdurch seien in den Fällen
-7-
200 bis 215 der Anklageschrift insgesamt nahezu fünf Mio. Euro an Umsatzsteuer verkürzt worden. Im Fall 216 sei es beim Versuch geblieben.
12
2. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
13
a) Die G.
GmbH stand etwa zehn Jahre lang in laufender Geschäfts-
beziehung zur A.
AG. Diese produzierte aus Kupferkonzentraten, Kupfer-
schrott und anderen kupferhaltigen Legierungen hochreines Kupfer. Für ihre
Kupferöfen benötigte die A.
AG kupferhaltige Rohstoffe. Kupfer wird welt-
weit zu Preisen gehandelt, die an der Börse London Metal Exchange (LME)
nach börsenmäßigen Preisfindungsmechanismen gebildet werden. Der Preis
unterliegt dabei erheblichen Schwankungen. Für andere kupferhaltige Materialien werden Abschläge zu den LME-Preisen verhandelt.
14
Bis zum Ende des Jahres 2010 bezog die G.
GmbH selbst Kupferraf-
finiermaterial aus Osteuropa. Die Einfuhren in den Jahren 2003 bis 2010 waren
Gegenstand von zwei Betriebsprüfungen, die jeweils zu Beanstandungen führten, weil die Gesellschaft das Benennungsverlangen gemäß § 160 AO für die
ausländischen Zahlungsempfänger nicht erfüllen konnte. Zur Vermeidung
gleichartiger Probleme wurden mit den steuerlichen Beratern der Gesellschaft
zahlreiche Maßnahmen erörtert, darunter die Einholung von steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen über Vertragspartner bei den Finanzbehörden.
15
b) Im Oktober 2006 hatte der frühere Mitangeklagte S.
sondert Verurteilten P.
die S.
GmbH gegründet, die ebenfalls im Me-
tallhandel tätig werden sollte. Bei einem Treffen mit P.
ter Beteiligung der Angeklagten G.
klagten S.
und St.
für den ge-
und M.
im Juli 2010 un-
sowie der früheren Mitange-
wurde vereinbart, dass die S.
GmbH zukünftig die
-8-
G.
GmbH mit Buntmetallen beliefern sollte. S.
P.
und St.
unterstützen, insbesondere Aufgaben in Deutschland wahrnehmen,
wenn sich P.
16
im Ausland aufhält.
c) Ab September 2010 erfolgten dann Bestellungen der G.
der S.
G.
sollten
GmbH bei
GmbH und Lieferungen im Wege des Streckengeschäfts direkt an die
GmbH. Der Angeklagte G.
ließ sich für diese Geschäfte regelmäßig
Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts über die S.
GmbH vorle-
gen. Für den Einkauf in den baltischen Staaten führte der Zeuge P.
dort
mit den Lieferanten die Vertragsverhandlungen. Die letzte Lieferung aus den
baltischen Staaten erfolgte Anfang Dezember 2010. Danach kam es zu einem
Wechsel der Bezugsquellen. Ab Februar 2011 kamen die Kupferprodukte aus
nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten Osteuropas. Die S.
GmbH lieferte dann bis zum Ende der Geschäftsbeziehung infolge der Festnahme des Zeugen P.
im Mai 2012 an die G.
GmbH sogenanntes
Halbzeug, das sie von Lieferanten aus Russland und der Ukraine bezog.
17
d) Die Geschäfte der S.
den früheren Mitangeklagten S.
GmbH in Deutschland wurden weitgehend von
und St.
abgewickelt. Für die Verzollung
der LKW-Lieferungen mit Kupfer tauschten sie die Kaufunterlagen gegen solche
mit niedrigeren, manipulierten Werten aus, die stets nur zehn Prozent des tatsächlichen Werts betrugen. Infolgedessen wurden jeweils der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer zu niedrig festgesetzt. Bei den insgesamt 184 Einfuhren entstand insgesamt ein Einfuhrumsatzsteuerschaden von mehr als 3,9 Mio. Euro
und ein Zollschaden von mehr als 307.000 Euro (UA S. 29 f.).
18
e) Beim anschließenden Weiterverkauf an die G.
GmbH akzeptierte
und bezahlte diese sämtliche Rechnungen einschließlich der dort ausgewiese-
-9-
nen Umsatzsteuer. Da das aus Osteuropa gelieferte Halbzeug von minderer
Qualität war, wurde allerdings beim Weiterverkauf an die A.
AG nach Erör-
terung mit deren Vertretern gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG das ReverseCharge-Verfahren angewendet, so dass die Ausgangsrechnungen der G.
GmbH im Gegensatz zu den Eingangsrechnungen keine Umsatzsteuer enthielten.
19
f) Zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung verschwieg die S.
GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2011 bis März 2012 die Umsätze aus den
inländischen Metallverkäufen. Insgesamt wurde hierdurch Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 4,7 Mio. Euro hinterzogen.
20
g) Wer letztlich von den Zoll- und Steuerverkürzungen der S.
GmbH
profitierte, konnte das Landgericht nicht feststellen (UA S. 32).
21
h) Der Angeklagte G.
aus den Rechnungen der S.
brachte für die G.
GmbH die Vorsteuern
GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung für
das Jahr 2010 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2011 bis März 2012 sowie Mai und November 2012 in Ansatz. Hierdurch
wurde die Umsatzsteuerzahllast im Umfang von insgesamt mehr als 4,9 Mio.
Euro vermindert; für November 2012 wurde zudem eine Auszahlung eines Umsatzsteuerguthabens von mehr als 141.000 Euro erstrebt.
22
3. Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es konnte sich von einer Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung der
Angeklagten nicht überzeugen.
- 10 -
23
a) Der Angeklagte G.
die Angeklagten M.
und K.
hatte die Tatvorwürfe bestritten (UA S. 33 ff.);
hatten sich nicht zur Sache eingelassen (UA
S. 35).
24
b) Hinsichtlich der Tatvorwürfe des Schmuggels und der Hinterziehung
von Umsatzsteuer zugunsten der S.
GmbH (Fälle 1 bis 199 der Anklage-
schrift) hat sich das Landgericht zwar die Überzeugung gebildet, dass diese
Straftaten tatsächlich begangen worden sind. Eine Beteiligung der drei Angeklagten an diesen Straftaten hält es jedoch nicht für erwiesen.
25
Bezüglich des Vorwurfs der Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten
der G.
GmbH (Fälle 200 bis 216 der Anklageschrift) hat sich das Landge-
richt davon überzeugt, dass die Angeklagten bei den Handelsgeschäften der
G.
GmbH mit der S.
GmbH gutgläubig gewesen seien; ihnen sei auch
keine Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Der G.
GmbH habe deshalb jeweils ein
Vorsteuererstattungsanspruch zugestanden, so dass Steuern nicht verkürzt
worden seien.
26
c) Im Einzelnen konnte sich das Landgericht von folgenden Behauptungen der Staatsanwaltschaft keine Überzeugung verschaffen:
27
aa) Hinsichtlich der im Juli 2010 mit dem Zeugen P.
geführten
Unterredung konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob die Beteiligten
des Gesprächs vereinbart hatten, dass die S.
GmbH bei der Einfuhr zu gerin-
ge Werte angeben sollte, um zu erreichen, dass Zölle und Einfuhrumsatzsteuer
zu niedrig festgesetzt werden. Auch konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei
klären, ob Gegenstand der Gespräche war, dass die S.
terverkäufen an die G.
GmbH bei den Wei-
GmbH im Streckengeschäft Umsatzsteuer gegen-
- 11 -
über der G.
GmbH in ihren Rechnungen ausweist, ohne sie beim Finanzamt
anzumelden und abzuführen, und die G.
GmbH sodann die Vorsteuer aus
den Rechnungen beim Finanzamt geltend macht. Schließlich konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob in dem Gespräch vereinbart wurde, dass
sich der Zeuge P.
aus der Geschäftsführung zurückziehen und die S.
GmbH faktisch den Angeklagten überlassen sollte (UA S. 26 f.).
28
bb) Das Landgericht konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die
Angeklagten Kenntnis davon hatten oder zumindest die Möglichkeit hatten zu
erkennen, dass beim Zoll zu niedrige Warenwerte für die Kupferwaren angegeben wurden und dass die S.
GmbH in ihren Ausgangsrechnungen ausgewie-
sene Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden nicht anmeldete und auch nicht
abführte. Der Angeklagte G.
habe versucht, alle steuerlichen Verpflichtun-
gen zu erfüllen und die von seinen Steuerberatern empfohlenen Maßnahmen,
um nicht in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden zu werden, umzusetzen.
29
d) Der Angeklagte G.
nung mit der S.
hatte sich eingelassen, die Geschäftsanbah-
GmbH sei in völlig üblichem Rahmen verlaufen (UA S. 34).
Die Geschäftsbeziehung habe sich positiv entwickelt; außerdem habe er alle
sechs Monate vom Finanzamt für diese Gesellschaft Unbedenklichkeitsbescheinigungen angefordert und erhalten. Für ihn sei es daher überraschend,
dass der Zeuge P.
die Handelsgeschäfte mit dem Ziel betrieben habe,
Umsatzsteuer zu hinterziehen.
30
e) Das Landgericht ist der Auffassung, die Einlassung des Angeklagten
G.
sei nicht zu widerlegen. Die Behauptung der Staatsanwaltschaft in der
Anklageschrift, es habe einen gemeinsamen Tatplan gegeben, sei auf die Einlassung des Zeugen P.
im vorangegangenen gegen ihn geführten
- 12 -
Strafverfahren gestützt gewesen. Dieser habe in der gegen ihn gerichteten
Hauptverhandlung seine eigene Tatbeteiligung eingeräumt und behauptet, es
habe im Juni 2010 ein Treffen mit den Angeklagten G.
gesondert Verfolgten S.
und St.
und M.
sowie den
gegeben. Bei diesem Treffen sei ver-
einbart worden, die bereits bestehende S.
GmbH zwecks Hinterziehung von
Einfuhrabgaben und inländischer Umsatzsteuer sowie zur Erschleichung von
Vorsteuererstattungen zu nutzen, um Metallschrott aus dem Ausland für die
G.
GmbH einzuführen. Wesentliche Funktion des P.
sei dabei der
Kontakt zu den ausländischen Lieferanten und das „Schreiben von Rechnungen“ gewesen (UA S. 40).
31
Im Zuge seiner mehrtägigen Vernehmung vor der erkennenden Strafkammer habe der Zeuge P.
aber bestritten, sich im vorangegangenen
Verfahren in diesem Sinne geäußert zu haben, und habe den Sachverhalt abweichend dargestellt. Gegenstand eines Gesprächs im Juli 2010 seien nur sein
beruflicher Hintergrund und seine Fachkenntnisse im Metallhandel, die Möglichkeit einer Belieferung der G.
GmbH durch die S.
GmbH und techni-
sche Details gewesen. Über geplante Abgabenverkürzungen sei dagegen weder ausdrücklich noch stillschweigend gesprochen worden. Erst im August 2011
habe er von den gesondert Verfolgten S.
und St.
erfahren, dass in den
Zollanmeldungen die Warenwerte manipulativ herabgesetzt worden seien. Unter dem Eindruck ihrer Drohung, als Geschäftsführer der S.
GmbH andernfalls
finanziell einstehen zu müssen, habe er sich bereitgefunden, an der Fortführung
dieser illegalen Praktiken mitzuwirken. Von der Hinterziehung der inländischen
Umsatzsteuer habe er hingegen keine Kenntnis gehabt. Seine Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung habe er akzeptiert, weil er als formeller Geschäftsführer unabhängig von seiner Unkenntnis einstandspflichtig gewesen sei (UA
S. 41).
- 13 -
32
Das Landgericht hält die Angaben des Zeugen P.
in weiten Tei-
len für unglaubhaft und widerlegt. Auch gestützt auf die Angaben der früheren
Mitangeklagten S.
und St.
hat sich das Landgericht vielmehr die Über-
zeugung gebildet, dass die Tatherrschaft über die Einfuhrabgabenverkürzung
und die Verkürzung der inländischen Umsatzsteuer der S.
dem Zeugen P.
33
GmbH allein bei
lag (UA S. 43).
Das Landgericht hat „keine Veranlassung gesehen, aufzuklären, ob der
Zeuge P.
in der früheren Hauptverhandlung in eigener Sache die von
der Staatsanwaltschaft behaupteten belastenden Angaben betreffend die Angeklagten G.
, M.
und K.
nicht nur zweifelhaft, ob P.
tatsächlich gemacht hat.“ Denn es bleibe
die Angeklagten in der früheren Hauptver-
handlung überhaupt in dieser Weise belastet hat. „Vielmehr wären entsprechende frühere Angaben im Lichte seiner aktuellen zeugenschaftlichen Bekundungen und nach dem persönlichen Eindruck der Kammer unglaubhaft.“ Die
Bekundungen des Zeugen P.
seien daher nicht geeignet, den Nach-
weis einer kollusiven Einbindung der Angeklagten in die Abgabenhinterziehungen der S.
34
GmbH zu führen (UA S. 44).
Auch nach einer Gesamtwürdigung mit weiteren Umständen, darunter
die Höhe der Preise, Teilzahlungen an Drittempfänger, die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens gegenüber der A.
AG, die vorangegangene
Versagung des Betriebskostenabzugs gemäß § 160 AO, der E-Mail-Verkehr
unter den Angeklagten und die steuerliche Beratung des Angeklagten G.
,
verblieben beim Landgericht „unüberwindbare Zweifel“ an der Tatbeteiligung
der Angeklagten.
- 14 -
II.
35
Die Freisprüche haben keinen Bestand; denn die Beweiswürdigung hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
36
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen,
wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner
Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des
Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es
die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine
andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre
(vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem
Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu
würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015
– 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung
beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies
ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte
Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2007
– 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792 mwN).
37
2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
38
a) Die Beweiswürdigung zur Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen
P.
ist lückenhaft. Denn die Urteilsgründe enthalten keine nachvollzieh-
- 15 -
bare Begründung für die Annahme des Landgerichts, die von P.
in der
Hauptverhandlung des gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahrens gemachten
Angaben seien jedenfalls unglaubhaft (UA S. 44).
39
aa) Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden
Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so
beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt,
obwohl gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss
es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen
einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH, Urteile vom
8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465, vom 6. September 2006
– 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02,
wistra 2002, 430 mwN).
40
bb) Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung zu den Angaben
des Zeugen P.
41
nicht.
Ausweislich der Urteilsgründe beruht die Anklage entscheidend auf der
Tatschilderung dieses Zeugen, die er in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren in der Hauptverhandlung gemacht hatte (UA S. 40). Weshalb das Landgericht diese Angaben für unglaubhaft hält, hat es indes nicht nachvollziehbar und
für das Revisionsgericht nachprüfbar begründet. Als Beleg für diese Annahme
hat das Landgericht lediglich die Bekundungen des Zeugen P.
im vor-
liegenden Verfahren und dessen persönlichen Eindruck aus der Hauptverhand-
- 16 -
lung angeführt. Den Inhalt der früheren Aussage des Zeugen hat das Landgericht hingegen nicht mitgeteilt. Damit fehlt es an einer ausreichenden Grundlage
für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung. Um die Glaubhaftigkeit der Angaben des
Zeugen P.
beurteilen zu können, durfte das Landgericht nicht offen las-
sen, von welchem Inhalt der früheren Aussage es ausgeht. Auch hat das Landgericht nicht erörtert, welches Motiv der Zeuge für Falschangaben zum damaligen Zeitpunkt gehabt haben könnte. Umgekehrt hat das Landgericht auch nicht
in den Blick genommen, dass die Aussage des Zeugen P.
in der
Hauptverhandlung gegen die Angeklagten eine Gefälligkeitsaussage zu deren
Gunsten gewesen sein konnte. Mit dieser Möglichkeit musste sich das Landgericht schon deshalb auseinandersetzen, weil es als naheliegend ansah, dass
der Tatplan des Zeugen P.
von vornherein auf die Verkürzung der Ein-
fuhrabgaben, des Zolls und der Umsatzsteuer gerichtet war (UA S. 44).
42
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts lässt zudem besorgen, das
Landgericht habe belastende Indizien fehlerhaft einzeln sowie anhand eines
falschen Maßstabs gewürdigt und nicht in die Gesamtwürdigung eingestellt.
43
aa) Das Tatgericht ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen
(vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148
mwN). Dabei muss sich aus den Urteilsgründen auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende
Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23.
Juli 2007 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792 mwN). Die Anforderungen an eine
umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch
nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009
- 17 -
– 1 StR 479/08, wistra 2009, 315). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich
allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004
– 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
44
bb) Rechtsfehlerhaft ist hier bereits der rechtliche Ansatz des Landgerichts bei der Würdigung belastender Einzelindizien.
45
Statt die Indizien mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung einzustellen, spricht das Landgericht einzelnen Umständen jeglichen belastenden Beweiswert mit der Begründung ab, diese seien „nicht zwangsläufig“
nur mit einer Abgabenverkürzung zu erklären (UA S. 46), seien „nicht zweifelsfrei“ (UA S. 50) oder ließen „keinen zweifelsfreien Rückschluss“ auf Kenntnisse
oder eine Tatbeteiligung der Angeklagten (UA S. 47, 52, 53) zu. Damit hat das
Landgericht rechtsfehlerhaft einzelne Beweisergebnisse lediglich isoliert und
nicht im Zusammenhang mit anderen Beweisanzeichen gewürdigt.
46
cc) Schließlich hält auch die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung (UA S. 57 ff.) rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Würdigung entlastender Indizien. Belastende Indizien wurden hingegen nicht in die Gesamtwürdigung einbezogen, die
damit unvollständig ist. Hierauf beruht das Urteil schon deshalb, weil auch
dann, wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft der Angeklagten ausreichen würde, die Möglichkeit besteht, dass sie in
ihrer Gesamtheit dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln
können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004,
238).
- 18 -
47
3. Die Freisprüche einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen haben daher wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung keinen Bestand. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Auf die weiteren
von der Staatsanwaltschaft erhobenen sachlich- und verfahrensrechtlichen Beanstandungen kommt es nicht mehr an.
III.
48
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat im Hinblick auf die
insoweit unzutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf UA S. 61:
49
Die Kognitionspflicht des Gerichts bezieht sich auf die Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO). Zur Tat als Prozessgegenstand gehört das gesamte
Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten
geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Dies kann nicht unabhängig von der verletzten Strafbestimmung beurteilt werden. Im Steuerstrafrecht werden der Umfang und die
Reichweite der prozessualen Tat neben der einschlägigen Blankettvorschrift
maßgeblich durch die sie ausfüllenden Normen des Steuerstrafrechts bestimmt
(vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 StR 665/08, wistra 2009, 465
mwN). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass es sich bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO um ein Erklärungs- und zugleich um ein Erfolgsdelikt handelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, BGHR StPO
§ 267 Abs. 1 StPO Steuerhinterziehung 1). Deshalb ist beim Tatvorwurf der
Steuerhinterziehung auch bei einem freisprechenden Urteil festzustellen und in
den Urteilsgründen darzulegen, wann der Angeklagte welche Steuererklärun-
- 19 -
gen mit welchem Inhalt abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009
– 1 StR 718/08, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1 mwN). Die
Urteilsgründe müssen zudem in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren
Weise erkennen lassen, ob die in den verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen enthaltenen Angaben unrichtig oder unvollständig waren und ob sie gegebenenfalls zu einer Steuerverkürzung oder einem nicht gerechtfertigten
Steuervorteil geführt haben. Dies beinhaltet, dass das Tatgericht nicht nur die in
der Anklageschrift als Beleg für fehlerhafte Angaben angeführten Umstände in
den Blick zu nehmen hat. Vielmehr muss es sich dann, wenn nach dem Gang
der Hauptverhandlung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für andere Geschehnisse bestehen, aus denen sich die Unrichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen ergeben kann, auch mit diesen Umständen auseinandersetzen. Gegebenenfalls hat das Tatgericht entsprechend § 265 StPO
auf diese Veränderung hinzuweisen. Denn der Strafklageverbrauch eines Freispruchs würde einer neuen, auf solche Umstände gestützten Strafverfolgung
entgegenstehen. Ein Freispruch kommt schließlich auch dann nicht in Betracht,
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wenn das vom Tatgericht festgestellte Verhalten eines Angeklagten den Ordnungswidrigkeitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO)
erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465
mwN).
Graf
Jäger
Fischer
Mosbacher
Bär