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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 137/12
vom
23. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Mordes u.a.
zu 2.: Anstiftung zum Mord
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2012 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 7. November 2011 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten C.
wegen Mordes und we-
gen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit
unerlaubtem Besitz von Munition zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe sowie die Angeklagte F.
wegen Anstiftung zum Mord zu le-
benslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
2
Nach den Urteilsfeststellungen lauerte der Angeklagte C.
in den
frühen Morgenstunden des 20. April 1993 dem Vater der Angeklagten F.
,
der sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versah, auf dessen Arbeitsweg auf
und erschoss diesen aus unmittelbarer Nähe von hinten oder der Seite mit einer Selbstladepistole (Kaliber .45 Auto) mit aufgesetztem Schalldämpfer. Das
Opfer war - wie vom Angeklagten C.
klagte F.
beabsichtigt - sofort tot. Die Ange-
und deren Mutter hatten den Angeklagten C.
für die Tat-
begehung gewinnen können und ihm hierfür 80.000 DM in Aussicht gestellt und
sodann gezahlt. Die Angeklagte F.
nahm billigend in Kauf, dass ihr Vater
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unter bewusster Ausnutzung seiner Arg- und Wehrlosigkeit getötet werden
würde.
3
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2
StPO). Der Erörterung bedarf dies lediglich hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des § 252 StPO.
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1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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a) Am 16. November 1993 war ein Bruder der Angeklagten F.
Zeuge
Cu.
, der
, um 21.15 Uhr bei der Polizei erschienen und hatte Anga-
ben gemacht. In der mit „Zeugen-Vernehmung“ überschriebenen Niederschrift
hierzu, die als „Ende der Vernehmung: 22.15 Uhr“ ausweist und vom Zeugen
unterschrieben ist, ist ausgeführt:
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„Freiwillig zur Dienststelle gekommen, gibt
Cu.
… als Zeuge folgendes
an: Ich komme hierher und möchte mitteilen, dass meine Mutter
und mei-
, wh. …, mit dem gewaltsamen Tod meines Vaters
ne Schwester
zu tun haben dürften. …. Heute abend habe ich wieder ein Streitgespräch mit meiner Mutter geführt. … Das Gespräch am heutigen Abend habe ich auf
Kassette aufgenommen, ich bin der Meinung, dass es verdächtige Äußerungen meiner
Mutter beinhaltet. …“
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Der Zeuge
Cu.
hat sich in der Hauptverhandlung auf sein Zeug-
nisverweigerungsrecht (§ 52 StPO) berufen und einer Verwertung der seinerzeitigen polizeilichen Vernehmung widersprochen. Der vom Vorsitzenden angekündigten Verlesung der das Gespräch zwischen dem Zeugen
Cu.
und seiner Mutter in die deutsche Sprache übersetzten Verschriftung des vom
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Zeugen übergebenen Tonbandes hat die Verteidigung der beiden Angeklagten
widersprochen. Der Widerspruch wurde durch Beschluss der Strafkammer als
unbegründet zurückgewiesen. Das Tonband sei nicht Bestandteil der Vernehmung des Zeugen, auf dieses sei in der Vernehmung auch nicht Bezug genommen worden, anders als bei einem Schriftstück sei die Tonbandaufnahme
nicht unmittelbar wahrnehmbar gewesen, überdies sei das Beweismittel spontan und auf eigene Initiative des Zeugen entstanden. Auch die Heimlichkeit der
Aufzeichnung führe nicht zur Unverwertbarkeit der Tonbandaufzeichnung. Die
Verschriftung des Gesprächs zwischen dem Zeugen
Cu.
und seiner
Mutter wurde sodann - nach dahingehender Verfügung des Vorsitzenden - verlesen und als Beweismittel im Urteil abgehandelt.
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b) Hierin erblickt die Verteidigung einen Verstoß gegen § 252 StPO. Soweit das Landgericht ein Verwertungsverbot auch mit Blick auf die Heimlichkeit
der Tonbandaufnahme verneint hat, hat die Revision dies ausdrücklich nicht
gerügt (RB S. 29).
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2. In dem durch die Revisionsführer bestimmten Prüfungsumfang (zur
Maßgeblichkeit der „Angriffsrichtung” einer Rüge vgl. auch BGH, Beschluss
vom 12. September 2007 - 1 StR 407/07; BGH, Beschluss vom 29. August
2006 - 1 StR 371/06; BGH, Urteil vom 26. August 1998 - 3 StR 256/98;
Cirener/Sander JR 2006, 300) bleibt das Revisionsvorbringen ohne Erfolg.
Zwar sieht die Revision in der Verlesung und Verwertung der Verschriftung des
auf Tonband aufgezeichneten Gesprächs mit Recht einen Verstoß gegen § 252
StPO. Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht.
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a) Die Verlesung und Verwertung der Verschriftung des vom Zeugen
Cu.
übergebenen Tonbandes verletzen § 252 StPO, wonach die Aus-
-5-
sage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der
Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht,
nicht verlesen werden darf.
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Das übergebene Tonband ist Teil der Vernehmung, auf die sich das
Verwertungsverbot bezieht. Nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten
Grundsätzen (BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 2 StR 136/68, BGHSt 22,
219), die in der Literatur Zustimmung erfahren haben (Sander/Cirener in
Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 36; Ganter in BeckOK-StPO,
Ed. 14, § 252 Rn. 20; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 252 Rn. 3) und von denen
abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, erstreckt sich das Verwertungsverbot des § 252 StPO auch auf Schriftstücke, die der aussageverweigerungsberechtigte Zeuge bei seiner Vernehmung übergeben hat und auf die er sich
- wie es der Zeuge
Cu.
hier ausweislich der von der Revision mitgeteil-
ten Niederschrift vom 16. November 1993 tat - bezogen hat (vgl. z.B. auch
BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - 1 StR 338/04; BGH, Beschluss vom 28. August
2000 - 5 StR 300/00; BGH, Beschluss vom 31. März 1998 - 5 StR 13/98). Solche Schriftstücke werden Bestandteil der Aussage. Die Sachlage ist nicht anders, als wenn ein Zeuge den Inhalt des Schriftstücks mündlich wiedergegeben
hätte (BGH, Beschluss vom 29. November 1995 - 5 StR 531/95). In gleicher
Weise gilt dies für die hier relevante Tonbandaufzeichnung über ein vom Zeugen mitgehörtes Gespräch, dessen Inhalt der Zeuge bei seiner Aussage hätte
wiedergeben können. Auf das die Beweisinformation enthaltende Speichermedium kann es grundsätzlich nicht ankommen; denn auch andere Beweisstücke
als Schriftstücke können - weil der Sache nach einer Aussage bei einer Vernehmung gleichstehend - einem Verwertungsverbot unterliegen (vgl. Sander/
Cirener, aaO). Anderes kann sich auch nicht daraus ergeben, dass der Inhalt
einer Tonbandaufzeichnung nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, denn Gleiches
-6-
würde etwa auch für ein in einer fremden Sprache verfasstes Schriftstück gelten, ohne dass sich daraus die Zulässigkeit der Verwertung dieses Beweismittels begründen ließe.
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Eine Verwertbarkeit der Tonbandaufnahme ergibt sich auch nicht daraus, dass diese - wie die Strafkammer in dem Verwerfungsbeschluss formuliert - spontan, aus eigener Initiative des Zeugen und ohne gezielte Nachfrage
der Ermittlungsbeamten entstanden ist. Zwar sind vom Verwertungsverbot des
§ 252 StPO solche Äußerungen ausgenommen, die außerhalb einer Vernehmung gemacht worden sind, die also nicht im Zusammenhang mit einer Vernehmung gemacht wurden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - 1 StR 338/04;
BGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - 4 StR 616/99; Ganter in BeckOK-StPO,
Ed. 14, § 252 Rn. 15). Derlei liegt hier aber nicht vor, wie die von der Revision
mitgeteilte Niederschrift über die einstündige, als „Zeugenvernehmung“ und
„Vernehmung“ bezeichnete Aussage des Zeugen bei der Polizei belegt. In den
Urteilsgründen ist gleichfalls ausgeführt, dass die Tonbandkassette vom Zeugen „im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung“ übergeben wurde (UA
S. 52). Das „freiwillige Erscheinen“ des Zeugen vermag ebenso wenig wie die
unterlassene Zeugenbelehrung eine vom Verwertungsverbot nicht umfasste
Spontanäußerung im Sinne der angesprochenen Rechtsprechung zu begründen. Das übergebene Tonband und die daraus gefertigte Verschriftung sind
damit vom Verwertungsverbot des § 252 StPO erfasst.
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b) Das Urteil beruht indes nicht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler
(§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann ausschließen, dass der Urteilsspruch bei
zutreffender Gesetzesanwendung in einer den Angeklagten günstigeren Weise
ausgefallen sein könnte.
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Ausweislich der insoweit maßgeblichen Urteilsgründe stützt die Strafkammer ihre Überzeugung von Täterschaft und Tathergang auf die geständigen Angaben der Angeklagten F.
bei einer Vernehmung im November
1993 sowie - vor allem - auf die durch die seinerzeitigen Vernehmungsbeamten
eingeführten und von der Strafkammer als „uneingeschränkt glaubhaft“ (UA
S. 28) gewürdigten Angaben des Zeugen N.
Angeklagte F.
. Diesem gegenüber hatte die
die Tat wie festgestellt gestanden. Vor diesem Hintergrund
hat die Strafkammer die Aussage des Zeugen und deren Genese bewertet und
darüber hinaus - zutreffend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1995 - 2 BvR
1142/93; BGH, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 1 StR 545/01; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1997 - 2 StR 34/97 mwN) - in der Hauptverhandlung
weitere Beweise erhoben, „welche die Angaben des Zeugen N.
genannte Einlassung der Angeklagten stützen“ (UA S. 24).
bzw. die
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Soweit die Strafkammer aus der Tonbandaufzeichnung allenfalls ein weiteres bestätigendes, für die Überzeugungsbildung aber nicht maßgebliches Indiz gewonnen hat, ist im Hinblick auf die ansonsten sorgfältige Beweiswürdigung auszuschließen, dass die nur ergänzende, rechtsfehlerhafte Heranziehung des verlesenen Gesprächsinhalts das Beweisergebnis beeinflusst hat
(vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. März 2006 - 4 StR 584/05 mwN).
Nack
Wahl
Sander
Graf
Cirener