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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 135/07
vom
25. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 6. Dezember 2006 wird mit der Maßgabe verworfen,
dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge unter Mitführung einer Schusswaffe in Tateinheit
mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
schuldig ist (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Ein Verbot der Verwertung der bei der Durchsuchung der Wohnung
des Angeklagten in G.
bei Augsburg sichergestellten Be-
weismittel besteht nicht. Die Anordnung der Durchsuchung (§ 102
StPO) durch den Bereitschaftsstaatsanwalt W.
der Staatsanwalt-
schaft Kempten am 25. Dezember 2005 wegen Gefahr im Verzug
(§ 105 Abs. 1 StPO) war rechtens.
Bei einer Verkehrskontrolle gegen 11.50 Uhr fiel der Angeklagte wegen fehlender Pupillenreaktion auf. Der auf freiwilliger Basis durchgeführte Mahsantest ergab Hinweise auf Tetrahydrocannabinol (Cannabis), Benzoylecgonin (Kokain) und Amphetamin. Damit bestand zunächst der Verdacht einer Straftat gemäß § 316 StGB, jedenfalls einer
Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG und hieraus auch der
Verdacht eines Betäubungsmitteldelikts.
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Die Zuständigkeit der für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwaltschaft folgt nach § 143 Abs. 1 GVG dem Gerichtsstand (Gericht der
1. Instanz) gemäß §§ 7 ff. StPO. Zuständigkeitsbegründend sind also
alternativ insbesondere der Tatort, der Wohnsitz oder Aufenthaltsort
und der Ergreifungsort. Allerdings soll nach den Richtlinien für das
Straf- und Bußgeldverfahren grundsätzlich die für den Tatort zuständige Staatsanwaltschaft tätig werden (RiStBV Nr. 2 Abs. 1). Der (bis dahin einzige) Tatort war zunächst Kempten. Dementsprechend wandte
sich die ermittelnde Polizeibeamtin, POMin L.
, an den Be-
reitschaftsstaatsanwalt in Kempten. Dieser trug ihr auf, mit dem gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO (Richter des Durchsuchungs-orts) zuständigen Augsburger Ermittlungsrichter und, falls dieser nicht erreichbar sei, mit dem - im Hinblick auf den Tatort eines möglichen Betäubungsmitteldelikts und den Wohnsitz zuständigen - Augsburger Bereitschaftsstaatsanwalt Rücksprache zu halten, ob eine Durchsuchung
der Wohnung angeordnet wird. Der Richter war unerreichbar; der
Augsburger Staatsanwalt ordnete keine Wohnungsdurchsuchung an.
Die Polizeibeamtin unterrichtete darüber - selbstverständlich - ihren
Auftraggeber, den zuerst mit der Sache befassten (§ 12 Abs. 1 StPO)
Bereitschaftsstaatsanwalt in Kempten, der die Durchsuchung wegen
Gefahr im Verzug in eigener Zuständigkeit (§§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 1
StPO) anordnete, die dann um 14.00 Uhr durchgeführt wurde.
Für die richterliche Anordnung war der Ermittlungsrichter in Augsburg
ausschließlich zuständig (§ 162 Abs. 1 Satz 1 StPO), da die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO (Zuständigkeit des Ermittlungsrichters am Sitz der Staatsanwaltschaft bei Untersuchungshandlungen in mehreren Amtsgerichtsbezirken) nicht vorlagen. Ein Antrag
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beim Ermittlungsrichter in Kempten kam daher entgegen der Meinung
des Beschwerdeführers nicht in Betracht. Es ist zwar nicht akzeptabel,
dass in einer Stadt der Größe Augsburgs um die Mittagszeit des
1. Weihnachtsfeiertags kein Bereitschaftsrichter erreichbar ist (vgl.
BVerfG StV 2006, 676; StraFo 2006, 368). Eine gezielte Umgehung
des Richtervorbehalts - oder eine willkürliche Auswahl eines bestimmten Staatsanwalts, was freilich zu einer anderen Bewertung hätte führen können - seitens der Ermittlungsbehörden, eine willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug sind jedoch nicht ersichtlich (vgl. BVerfG
NJW 2006, 2684, 2686 Rdn. 26 f.; BGH NStZ 2004, 449). Dass die erforderlichen Dokumentationen über die Annordnung der Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug nicht vorgenommen wurden, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Fehlende Dokumentation hätte allerdings auch nicht zu einem Verwertungsverbot geführt (vgl. BGH NStZ
2005, 392).
Tatverdacht lag vor. Bei dem, der als aktuell unter Betäubungsmitteleinfluss stehend erkannt wird, ist es nahe liegend, dass er verbotene Drogen zumindest auch in Besitz hat. Gerade für die Wohnung besteht ein hohes Maß an Auffindungswahrscheinlichkeit. Eile war geboten, um die Beseitigung von Beweismitteln rechtzeitig zu unterbinden.
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Zur Relevanz des von der Revision behaupteten Verwertungsverbotes
ist abschließend zu bemerken, dass der Angeklagte ausweislich der
Urteilsgründe die Aufbewahrung der Betäubungsmittel (nach eigener
Einlassung teilweise zur gewinnbringenden Weiterveräußerung) und
Waffen in seiner Wohnung in der Hauptverhandlung ausdrücklich eingeräumt hat. Ein Verwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gefundenen Beweismittel hätte auf die Verwertungsmöglichkeit
dieses Geständnisses keine Auswirkung.
Nack
Wahl
Kolz
Frau Richterin am BGH Elf
befindet sich in Urlaub und ist
deshalb an der Unterschrift
gehindert.
Hebenstreit
Nack