You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

49 lines
9.2 KiB

<!doctype html public "-//W3C//DTD HTML 4.0 //EN">
<html>
<head>
<title>Richtlinienkonforme Beschr&auml;nkung des Gesetzes beim Verbrauchsg&uuml;terkauf: Kein Wertersatz f&uuml;r die Nutzung mangelhafter Ware im Fall der Ersatzlieferung </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
<meta name="generator" content="PMzuHTML v2">
<meta name="subject" content="Nr. 217 vom 26.11.08">
<meta name="" content="">
<meta name="LfdNr" content="217">
<meta name="Jahr" content="2008">
<meta name="Senat" content="VIII. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="VIII ZR 200/05">
<meta name="Datum" content="26.11.08">
<meta name="" content="26.11.08">
</head>
<body text="#000000" bgcolor="#FFFFFF" link="#FF0000" alink="#FF0000" vlink="#FF0000">
<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 217/2008 </p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>Richtlinienkonforme Beschr&auml;nkung des Gesetzes beim Verbrauchsg&uuml;terkauf: Kein Wertersatz f&uuml;r die Nutzung </b></font></div></p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b> mangelhafter Ware im Fall der Ersatzlieferung </b></font></div></p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass beim Verbrauchsg&uuml;terkauf (&sect;&nbsp;474 Abs.&nbsp;1 Satz&nbsp;1 BGB) der Verk&auml;ufer von dem Verbraucher im Falle der Ersatzlieferung f&uuml;r eine mangelhafte Ware entgegen dem Wortlaut des Gesetzes (&sect;&nbsp;439 Abs.&nbsp;4, &sect;&nbsp;346 Abs.&nbsp;1, Abs.&nbsp;2 Nr.&nbsp;1 BGB) keinen Wertersatz f&uuml;r die Nutzung der zun&auml;chst gelieferten Kaufsache verlangen kann. Diese richtlinienkonforme Rechtsfortbildung ist erforderlich, weil eine Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung von Wertersatz f&uuml;r die Nutzung mit Art.&nbsp;3 der europ&auml;ischen Verbrauchsg&uuml;terkaufrichtlinie nicht vereinbar ist. </p>
<p align="justify">Eine Verbraucherin hatte im Sommer 2002 bei der Beklagten, einem Versandhandelsunternehmen, ein &quot;Herd-Set&quot; zum Preis von 524,90 € gekauft. Im Januar 2004 stellte die Kundin fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen abgel&ouml;st hatte. Da eine Reparatur des Ger&auml;tes nicht m&ouml;glich war, tauschte die Beklagte den Backofen aus. F&uuml;r die Nutzung des urspr&uuml;nglich gelieferten Ger&auml;tes verlangte sie rund 70&nbsp;€, die die K&auml;uferin entrichtete. Der Kl&auml;ger (Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverb&auml;nde e.V.) fordert aufgrund einer Erm&auml;chtigung durch die K&auml;uferin von der Beklagten die R&uuml;ckzahlung dieses Betrages. Weiterhin verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit der Lieferung von Waren als Ersatz f&uuml;r mangelhafte Kaufgegenst&auml;nde von Verbrauchern Zahlungen f&uuml;r die Nutzung der zun&auml;chst gelieferten Ware zu verlangen. </p>
<p align="justify">Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und den Unterlassungsantrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Parteien zur&uuml;ckgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Der unter anderem f&uuml;r das Kaufrecht zust&auml;ndige VIII.&nbsp;Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Beklagten, mit der diese die Abweisung der Klage auch hinsichtlich des R&uuml;ckzahlungsanspruchs begehrt hat, zur&uuml;ckgewiesen. Dagegen hat er der Revision des Kl&auml;gers, mit der dieser seinen Unterlassungsantrag weiter verfolgt hat, stattgegeben. </p>
<p align="justify">Zun&auml;chst hatte der Bundesgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 16.&nbsp;August 2006 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europ&auml;ischen Gemeinschaften nach Art.&nbsp;234 des EG-Vertrages die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Vorschrift des &sect;&nbsp;439 Abs.&nbsp;4 BGB mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europ&auml;ischen Parlaments und des Rates vom 25.&nbsp;Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsg&uuml;terkaufes und der Garantien f&uuml;r Verbrauchsg&uuml;ter (ABl. Nr. L 171/12 vom 7. Juli 1999, Verbrauchsg&uuml;terkaufrichtlinie) in Einklang steht (Mitteilung der Pressestelle Nr. 118/2006). Der Gerichtshof der Europ&auml;ischen Gemeinschaften hat hier&uuml;ber durch Urteil vom 17.&nbsp;April 2008 entschieden und die vorgelegte Frage wie folgt beantwortet: &quot;Art.&nbsp;3 der Richtlinie 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Verk&auml;ufer, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz f&uuml;r die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen.&quot; </p>
<p align="justify">Nunmehr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass &sect;&nbsp;439 Abs.&nbsp;4 BGB im Falle eines Verbrauchsg&uuml;terkaufs (&sect;&nbsp;474 Abs.&nbsp;1 Satz 1 BGB) entgegen seinem Wortlaut einschr&auml;nkend anzuwenden ist. Die durch &sect;&nbsp;439 Abs.&nbsp;4 BGB in Bezug genommenen Vorschriften &uuml;ber den R&uuml;cktritt (&sect;&sect;&nbsp;346 bis&nbsp;348 BGB) greifen nur f&uuml;r die R&uuml;ckgew&auml;hr der mangelhaften Sache selbst ein, sie f&uuml;hren beim Verbrauchsg&uuml;terkauf hingegen nicht zu einem Anspruch des Verk&auml;ufers auf Wertersatz f&uuml;r die Nutzung der mangelhaften Sache. </p>
<p align="justify">Diese Einschr&auml;nkung ist erforderlich, weil eine Verpflichtung des K&auml;ufers zur Zahlung von Nutzungsersatz nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europ&auml;ischen Gemeinschaften mit Art.&nbsp;3 der Verbrauchsg&uuml;terkaufrichtlinie nicht vereinbar ist. An diese Entscheidung sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind zudem verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Aussch&ouml;pfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einr&auml;umt, soweit wie m&ouml;glich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (richtlinienkonforme Auslegung). Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europ&auml;ischen Gemeinschaften gepr&auml;gte Grundsatz verlangt von den nationalen Gerichten mehr als nur eine Rechtsfindung innerhalb des Gesetzeswortlauts (Auslegung im engeren Sinne). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung erfordert dar&uuml;ber hinaus, das nationale Recht, wo dies n&ouml;tig und m&ouml;glich ist, richtlinienkonform fortzubilden. Daraus folgt hier das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch Beschr&auml;nkung des &sect;&nbsp;439 Abs.&nbsp;4 BGB auf einen mit Art.&nbsp;3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt. </p>
<p align="justify">Dies steht im Einklang mit dem Grundsatz der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art.&nbsp;20 Abs.&nbsp;3 GG). Aus der Gesetzesbegr&uuml;ndung ergibt sich, dass eine planwidrige Regelungsl&uuml;cke besteht, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schlie&szlig;en ist. Aus den Gesetzesmaterialen geht hervor, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, jedoch irrt&uuml;mlich davon ausging, &sect;&nbsp;439 Abs.&nbsp;4 BGB sei im Falle des Verbrauchsg&uuml;terkaufs mit Art.&nbsp;3 der Verbrauchsg&uuml;terkaufrichtlinie vereinbar (BT-Drs. 14/6040, S.&nbsp;232 f.). Dies wird dadurch best&auml;tigt, dass der Gesetzgeber nunmehr der Entscheidung des Gerichtshofs der Europ&auml;ischen Gemeinschaften Rechnung tragen und durch eine Gesetzes&auml;nderung eine richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie herbeif&uuml;hren will (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 15.&nbsp;Oktober 2008, BT-Drs. 16/10607, S.&nbsp;4,&nbsp;5 f.). </p>
<p align="justify">Urteil vom 26.&nbsp;November 2008 – VIII ZR 200/05 </p>
<p align="justify">LG N&uuml;rnberg-F&uuml;rth - Urteil vom 22.&nbsp;April 2005 – 7 O 10714/04 </p>
<p align="justify">OLG N&uuml;rnberg - Urteil vom 23.&nbsp;August 2005 – 3 U 991/05 </p>
<p align="justify">Beschluss vom 16.&nbsp;August 2006 – VIII ZR 200/05 (ver&ouml;ffentlicht unter anderem in NJW 2006, 3200) </p>
<p align="justify">EuGH, Urteil vom 17.&nbsp;April 2008, Rs. C-404/06 – Quelle AG gegen Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverb&auml;nde e.V. (ver&ouml;ffentlicht unter anderem in NJW 2008, 1433) </p>
<p align="justify"><b>&sect;&nbsp;439 BGB: Nacherf&uuml;llung </b></p>
<p align="justify">(4) Liefert der Verk&auml;ufer zum Zwecke der Nacherf&uuml;llung eine mangelfreie Sache, so kann er vom K&auml;ufer R&uuml;ckgew&auml;hr der mangelhaften Sache nach Ma&szlig;gabe der &sect;&sect; 346 bis 348 verlangen. </p>
<p align="justify"><b>&sect;&nbsp;346 BGB: Wirkungen des R&uuml;cktritts </b></p>
<p align="justify">(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den R&uuml;cktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches R&uuml;cktrittsrecht zu, so sind im Falle des R&uuml;cktritts die empfangenen Leistungen zur&uuml;ckzugew&auml;hren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. </p>
<p align="justify">(2) Statt der R&uuml;ckgew&auml;hr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit </p>
<p align="justify">1. die R&uuml;ckgew&auml;hr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, </p>
<p align="justify">(…) </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 26. November 2008 </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshofs <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
Telefax (0721) 159-5501</font></p>
</body>
</html>