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<title>Zum Gerichtsstand f&uuml;r Ausgleichsanspr&uuml;che wegen Flugversp&auml;tung </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
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<meta name="subject" content="Nr. 147 vom 18.08.15">
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<meta name="LfdNr" content="147">
<meta name="Jahr" content="2015">
<meta name="Senat" content="X. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="X ZR 2/15">
<meta name="Datum" content="18.08.15">
<meta name="" content="18.08.15">
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<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 147/2015 </p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>Zum Gerichtsstand f&uuml;r Ausgleichsanspr&uuml;che </b></font></div></p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>wegen Flugversp&auml;tung </b></font></div></p>
<p align="justify"><b>Beschluss vom 18. August 2015 – X ZR 2/15 </b></p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof hat heute dem Gerichtshof der Europ&auml;ischen Union zwei Fragen zur Auslegung des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b* der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 &uuml;ber die gerichtliche Zust&auml;ndigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Br&uuml;ssel-I-Verordnung) vorgelegt. </p>
<p align="justify">Im Ausgangsfall verlangt der Kl&auml;ger eine Ausgleichszahlung in H&ouml;he von 400 € wegen eines versp&auml;teten Fluges nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b** der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). Der Kl&auml;ger buchte bei der Fluggesellschaft Air France unter deren Flugnummern eine Flugverbindung von Stuttgart &uuml;ber Paris nach Helsinki. Die Bef&ouml;rderung von Paris nach Helsinki erfolgte im Wege des Code-Sharing durch Finnair, die in Finnland ans&auml;ssige Beklagte. Der Flug auf dieser zweiten Teilstrecke hatte eine Versp&auml;tung von drei Stunden und zwanzig Minuten. </p>
<p align="justify">Das vom Kl&auml;ger angerufene Amtsgericht, in dessen Bezirk der Flughafen Stuttgart liegt, hat die Klage mangels Zust&auml;ndigkeit der deutschen Gerichte abgewiesen. Die Berufung des Kl&auml;gers ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat angenommen, die internationale Zust&auml;ndigkeit k&ouml;nne sich allenfalls aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b* Br&uuml;ssel-I-VO ergeben. Indes liege im Inland gerade kein Erf&uuml;llungsort. Der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch kn&uuml;pfe ausschlie&szlig;lich an den versp&auml;teten Flug der Teilstrecke von Paris nach Helsinki an. </p>
<p align="justify">Der f&uuml;r das Reise- und Personenbef&ouml;rderungsrecht zust&auml;ndige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs meint demgegen&uuml;ber, in der vorliegenden Fallgestaltung sei ein Gerichtsstand ebenso am Abflugort der ersten Teilstrecke, also am Flughafen Stuttgart, er&ouml;ffnet. Dies folgt aus zwei &Uuml;berlegungen. Zum einen d&uuml;rfte eine Klage auf Ausgleichszahlung auch dann im Gerichtsstand des der Luftbef&ouml;rderung zugrundeliegenden Vertrags erhoben werden k&ouml;nnen, wenn das nach der Fluggastrechteverordnung verpflichtete &quot;ausf&uuml;hrende Luftfahrtunternehmen&quot; nicht zugleich der Vertragspartner des Fluggasts ist. Daf&uuml;r spricht bereits, dass die Anspr&uuml;che nach der Fluggastrechteverordnung eine vertragliche Grundlage der Bef&ouml;rderungsleistung voraussetzen. Zum anderen d&uuml;rfte bei einer nach dem Vertrag mehrgliedrigen Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflugh&auml;fen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als zust&auml;ndigkeitsbegr&uuml;ndender Erf&uuml;llungsort anzusehen sein, wenn die Klageanspr&uuml;che aus Ereignissen auf einer anderen Teilstrecke resultieren. Dies entspr&auml;che einer konsequenten Ankn&uuml;pfung an die vertragliche Grundlage der Bef&ouml;rderungsleistung. </p>
<p align="justify">Der Gerichtshof der Europ&auml;ischen Union hatte sich mit der vorliegenden Fallgestaltung noch nicht zu befassen. In der Rechtssache Rehder (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - C-204/08, Slg 2009, I-6073) hat der Unionsgerichtshof zwar entschieden, dass der Kl&auml;ger bei der Durchsetzung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zwischen dem Gericht des Ortes des Abflugs und dem des Ortes der Ankunft des Flugzeugs w&auml;hlen kann. Diese Entscheidung betraf aber eine eingliedrige Flugverbindung, die vom Vertragspartner des Fluggasts selbst durchgef&uuml;hrt wurde. Da sich die Bewertung der vorliegenden Fallkonstellation deshalb nicht hinreichend sicher aus der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ableiten l&auml;sst, hat der Bundesgerichtshof gem&auml;&szlig; Art. 267 AEUV*** folgende Fragen vorgelegt: </p>
<p align="justify">1.Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Br&uuml;ssel-I-Verordnung dahin auszulegen, dass der Begriff &quot;Anspr&uuml;che aus einem Vertrag&quot; auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung erfasst, der gegen&uuml;ber einem ausf&uuml;hrenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist? </p>
<p align="justify">2.Soweit Art. 5 Nr. 1 Br&uuml;ssel-I-VO Anwendung findet: </p>
<p align="justify">Ist bei einer Personenbef&ouml;rderung auf einer aus mehreren Fl&uuml;gen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflugh&auml;fen der Abflugort der ersten Teilstrecke als Erf&uuml;llungsort gem&auml;&szlig; Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich Br&uuml;ssel-I-VO anzusehen, auch wenn die Flugverbindung von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgef&uuml;hrt worden ist und sich die Klage gegen das ausf&uuml;hrende Luftfahrtunternehmen einer anderen Teilstrecke richtet, auf der es zu einer gro&szlig;en Versp&auml;tung gekommen ist? </p>
<p align="justify">AG N&uuml;rtingen – Urteil vom 16. Juni 2014 – 11 C 6/14 </p>
<p align="justify">LG Stuttgart – Urteil vom 10. Dezember 2014 – 13 S 115/14 </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 18. August 2015 </p>
<p align="justify"><b>* Art. 5 Nr. 1 EuGVVO </b></p>
<p align="justify">Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden: </p>
<p align="justify">1. </p>
<p align="justify">a)wenn ein Vertrag oder Anspr&uuml;che aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erf&uuml;llt worden ist oder zu erf&uuml;llen w&auml;re; </p>
<p align="justify">b)im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erf&uuml;llungsort der Verpflichtung </p>
<p align="justify">–[…] </p>
<p align="justify">–f&uuml;r die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder h&auml;tten erbracht werden m&uuml;ssen; </p>
<p align="justify">c)ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a); </p>
<p align="justify"><b>** Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Fluggastrechteverordnung </b></p>
<p align="justify">Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Flugg&auml;ste Ausgleichszahlungen in folgender H&ouml;he: </p>
<p align="justify">[...] 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Fl&uuml;gen &uuml;ber eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Fl&uuml;gen &uuml;ber eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km, […] </p>
<p align="justify"><b>*** Art. 267 AEUV </b></p>
<p align="justify">Der Gerichtshof der Europ&auml;ischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung </p>
<p align="justify">a)[…], </p>
<p align="justify">b)&uuml;ber die G&uuml;ltigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. </p>
<p align="justify">Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und h&auml;lt dieses Gericht eine Entscheidung dar&uuml;ber zum Erlass seines Urteils f&uuml;r erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. </p>
<p align="justify">Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden k&ouml;nnen, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. </p>
<p align="justify">[…] </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshofs <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
Telefax (0721) 159-5501</font></p>
</body>
</html>