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<title>Bundesgerichtshof entscheidet &uuml;ber Ersetzung unwirksamer Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen der kapital- bildenden Lebensversicherung im Treuh&auml;nder- verfahren nach &sect; 172 VVG </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
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<meta name="subject" content="Nr. 138 vom 12.10.05">
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<meta name="LfdNr" content="138">
<meta name="Jahr" content="2005">
<meta name="Senat" content="IV. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="IV ZR 162/03">
<meta name="Datum" content="12.10.05">
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<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 138/2005 </p>
<p><div align="center"><b><font size="+2">Bundesgerichtshof entscheidet &uuml;ber Ersetzung unwirksamer </font></b></div></p>
<p><div align="center"><b><font size="+2"> Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen der kapital- </font></b></div></p>
<p><div align="center"><b><font size="+2">bildenden Lebensversicherung im Treuh&auml;nder- </font></b></div></p>
<p><div align="center"><b><font size="+2">verfahren nach &sect;&nbsp;172 VVG </font></b></div></p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof (BGH) erkl&auml;rte durch zwei Urteile vom 9.&nbsp;Mai 2001 (BGHZ 147, 354 und 373) auf eine Verbandsklage des Bundes der Versicherten Klauseln in Allgemeinen Bedingungen f&uuml;r die kapitalbildende Lebensversicherung wegen Versto&szlig;es gegen das Transparenzgebot f&uuml;r unwirksam. Es handelte sich um Klauseln &uuml;ber die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des R&uuml;ckkaufswerts, die Verrechnung von Abschlusskosten und einen Stornoabzug. Der BGH sah die im Transparenzmangel liegende unangemessene Benachteiligung darin, dass den Versicherungsnehmern die mit der Beitragsfreistellung und der K&uuml;ndigung insbesondere in den ersten Jahren verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteile nicht deutlich gemacht werden. Sie liegen darin, dass wegen der zun&auml;chst vollen Verrechnung der Sparanteile der Pr&auml;mien mit den im Wesentlichen aus der Vermittlungsprovision bestehenden einmaligen Abschlusskosten (&quot;Zillmerung&quot;) in den ersten Jahren keine oder allenfalls geringe Betr&auml;ge zur Bildung einer beitragsfreien Versicherungssumme oder eines R&uuml;ckkaufswerts vorhanden sind. </p>
<p align="justify">Die von den Urteilen unmittelbar betroffenen Lebensversicherer ersetzten die f&uuml;r unwirksam erkl&auml;rten Klauseln mit Zustimmung eines Treuh&auml;nders nach &sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;2 i.V. mit Abs.&nbsp;1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) durch inhaltsgleiche, ihrer Meinung nach nunmehr transparent formulierte Klauseln. &sect;&nbsp;172 VVG wurde im Zuge der europarechtlich gebotenen Deregulierung des Versicherungsmarkts im Jahre 1994 in das Versicherungsvertragsgesetz eingef&uuml;gt. Andere Lebensversicherungsunternehmen, deren Allgemeine Bedingungen gleichartige Klauseln enthielten, gingen ebenso vor. Insgesamt d&uuml;rften davon 10 bis 15 Millionen Vertr&auml;ge betroffen sein, die zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001 abgeschlossen worden sind. </p>
<p align="justify">Zahlreiche Versicherungsnehmer haben die Urteile vom 9.&nbsp;Mai 2001 zum Anlass genommen, ihre Lebensversicherung zu k&uuml;ndigen und im Wege der Stufenklage den R&uuml;ckkaufswert ohne Verrechnung mit Abschlusskosten und ohne Stornoabzug geltend zu machen. Sie sind unter anderem der Ansicht, das Verfahren der Klauselersetzung nach &sect;&nbsp;172 VVG sei nur auf reine Risikoversicherungen gem&auml;&szlig; &sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;1 VVG anwendbar, nicht jedoch auf die kapitalbildende Lebensversicherung. Jedenfalls komme eine Klauselersetzung bei bereits gek&uuml;ndigten Vertr&auml;gen nicht mehr in Betracht. Keinesfalls sei es zul&auml;ssig, eine wegen Intransparenz f&uuml;r unwirksam erkl&auml;rte Klausel durch eine inhaltsgleiche zu ersetzen. Diese Fragen sind in Literatur und Rechtsprechung umstritten. </p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof hat &uuml;ber die Revision gegen drei landgerichtliche Berufungsurteile entschieden. Das Landgericht Hannover (VersR 2003, 1289) hat den beklagten Versicherer verurteilt, dem Versicherungsnehmer &uuml;ber die H&ouml;he des R&uuml;ckkaufswerts ohne Ber&uuml;cksichtigung von Abschlusskosten und ohne Stornoabzug Auskunft zu erteilen. Das Landgericht Aachen (VersR 2003, 1022) hat die Klage der Versicherungsnehmerin abgewiesen. Das Landgericht Hildesheim hat den beklagten Versicherer verurteilt, der Versicherungsnehmerin Auskunft &uuml;ber die H&ouml;he des R&uuml;ckkaufswerts ohne Ber&uuml;cksichtigung von Abschlusskosten zu erteilen. Seiner Ansicht nach ist es interessengerecht, die Abschlusskosten wie bei der &quot;Riester-Rente&quot; auf einen l&auml;ngeren Zeitraum zu verteilen (nach &sect;&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 Satz&nbsp;1 Nr.&nbsp;8 AltZertG in der bis zum 31.&nbsp;Dezember 2004 geltenden Fassung mindestens 10 Jahre; so schon dieselbe Kammer des Landgerichts Hildesheim in einem anderen Urteil, VersR 2003, 1290). Die Landgerichte haben die Revision zugelassen. </p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof hat die Urteile der Landgerichte aufgehoben und wie folgt entschieden: </p>
<p align="justify">1. </p>
<p align="justify">&sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;2 VVG ist auch auf die kapitalbildende Lebensversicherung anwendbar und nicht nur auf die Risikoversicherungen im Sinne von &sect;&nbsp;172 Abs. 1 VVG. Das Gesetz gibt den Lebensversicherungsunternehmen das Recht, bei allen Arten der Lebensversicherung ohne Zustimmung der Versicherungsnehmer unwirksame Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen mit Zustimmung eines unabh&auml;ngigen Treuh&auml;nders durch neue Bestimmungen zu ersetzen, wenn zur Fortf&uuml;hrung des Vertrages dessen Erg&auml;nzung notwendig ist. Die damit verbundene Einschr&auml;nkung der durch das Grundgesetz gew&auml;hrleisteten Vertragsfreiheit der Versicherungsnehmer ist nicht verfassungswidrig. Sie ist im Interesse der Rechtssicherheit und der nach &sect;&nbsp;11 Abs.&nbsp;2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) gebotenen Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer sachlich notwendig. </p>
<p align="justify">2. </p>
<p align="justify">Die verfassungsrechtlich gesch&uuml;tzten Interessen derjenigen, die von der gesetzlichen Einschr&auml;nkung der Vertragsfreiheit betroffen sind, m&uuml;ssen jedoch hinreichend gewahrt werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist dies dadurch sichergestellt, dass die neuen Klauseln sowohl im Individualprozess als auch im Verbandsprozess der uneingeschr&auml;nkten richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Materiell ist dem Schutzbed&uuml;rfnis der Versicherungsnehmer durch eine die Voraussetzungen und Wirkungen des &sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;2 VVG pr&auml;zisierende und einschr&auml;nkende Auslegung Rechnung zu tragen. </p>
<p align="justify">Die Erg&auml;nzung ist im Sinne von &sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;2 VVG zur Fortf&uuml;hrung des Vertrages notwendig, wenn durch die Unwirksamkeit der Bestimmung in den Versicherungsbedingungen eine Regelungsl&uuml;cke im Vertrag entsteht. Das ist der Fall, wenn die Unwirksamkeit die Leistungspflichten der Parteien betrifft. Da die Unwirksamkeit einer Klausel dazu f&uuml;hrt, dass der Vertrag von Anfang an l&uuml;ckenhaft war, wirkt die l&uuml;ckenf&uuml;llende Vertragserg&auml;nzung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur&uuml;ck. &sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;2 VVG erfasst deshalb auch gek&uuml;ndigte und beitragsfrei gestellte Vertr&auml;ge. </p>
<p align="justify">3. </p>
<p align="justify">Die von den beklagten Versicherungsunternehmen mit Zustimmung eines Treuh&auml;nders vorgenommene Ersetzung der unwirksamen Klauseln durch (ihrer Meinung nach) transparent formulierte inhaltsgleiche Bestimmungen ist unwirksam. </p>
<p align="justify">a) </p>
<p align="justify">F&uuml;r die unwirksame Vereinbarung von Abz&uuml;gen bei Beitragsfreistellung und K&uuml;ndigung (Stornoabzug) gibt es eine Regelung im Gesetz. Nach &sect;&sect;&nbsp;174 Abs.&nbsp;4, 176 Abs.&nbsp;4 VVG ist der Versicherer zu einem Abzug nur berechtigt, wenn er vereinbart ist. Ist die Vereinbarung &nbsp;wie hier&nbsp; unwirksam, besteht kein Anspruch auf einen Abzug. </p>
<p align="justify">b) </p>
<p align="justify">Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln &uuml;ber die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des R&uuml;ckkaufswerts bei K&uuml;ndigung und &uuml;ber die Verrechnung der Abschlusskosten unterl&auml;uft die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach &sect;&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 AGBG, jetzt &sect;&nbsp;307 Abs.&nbsp;1 BGB und ist schon deshalb mit den Grunds&auml;tzen der erg&auml;nzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren. Bei inhaltsgleicher Ersetzung blieben der Versto&szlig; gegen das Transparenzgebot folgenlos und die wegen Intransparenz unwirksamen Klauseln mit den verdeckten Nachteilen bei K&uuml;ndigung und Beitragsfreistellung f&uuml;r den Versicherungsnehmer letztlich doch verbindlich. </p>
<p align="justify">4. </p>
<p align="justify">Da die Vertragserg&auml;nzung nach &sect;&nbsp;172 Abs.&nbsp;2 VVG gescheitert ist, hatte der Senat im Wege der richterlichen erg&auml;nzenden Vertragsauslegung zu entscheiden, ob und auf welche Art die einmaligen Abschlusskosten mit den Beitr&auml;gen zu verrechnen sind. Die danach vorzunehmende Interessenabw&auml;gung f&uuml;hrt zu folgendem Ergebnis: Bei vorzeitiger Beendigung der Beitragszahlung bleibt jedenfalls die versprochene Leistung geschuldet; der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des R&uuml;ckkaufswerts darf aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser Mindestbetrag wird bestimmt durch die H&auml;lfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Pr&auml;mienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals. Bereits erworbene Anspr&uuml;che aus einer vereinbarten &Uuml;berschussbeteiligung werden dadurch nicht erh&ouml;ht. </p>
<p align="justify">Urteile vom 12.&nbsp;Oktober 2005 </p>
<p align="justify">IV ZR 162/03 - Amtsgericht Hannover – Entscheidung vom 12.11.2002 - 525 C 5344/02 ./. Landgericht Hannover – Entscheidung vom 12.6.2003 - 19 S 108/02 </p>
<p align="justify">IV ZR 177/03 - Amtsgericht D&uuml;ren – Entscheidung vom 30.10.2002 - 45 C 214/02 ./. Landgericht Aachen – Entscheidung vom 10.7.2003 - 2 S 367/02 </p>
<p align="justify">IV ZR 245/03 -Amtsgericht Hildesheim – Entscheidung vom 28.4.2003 - 49 C 123/02 ./. Landgericht Hildesheim – Entscheidung vom 16.10.2003 - 1 S 54/03 </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 12.&nbsp;Oktober 2005 </p>
<p><font size="-1">
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