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<title>Meinungsverschiedenheiten zwischen dem II. und XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in F&auml;llen kreditfinanzierten Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds beigelegt </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
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<meta name="subject" content="Nr. 062 vom 25.04.06">
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<meta name="LfdNr" content="062">
<meta name="Jahr" content="2006">
<meta name="Senat" content="XI. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="XI ZR 193/04">
<meta name="Datum" content="25.04.06">
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<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 62/2006 </p>
<p><div align="center"><b><font size="+2">Meinungsverschiedenheiten zwischen dem II. und XI. Zivilsenat </font></b></div></p>
<p><div align="center"><b><font size="+2"> des Bundesgerichtshofs in F&auml;llen kreditfinanzierten Erwerbs </font></b></div></p>
<p><div align="center"><b><font size="+2">von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds beigelegt </font></b></div></p>
<p align="justify">Der f&uuml;r das Bank- und B&ouml;rsenrecht zust&auml;ndige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte &uuml;ber verschiedene Klagen zu entscheiden, in denen es um kreditfinanzierte Beteiligungen von Verbrauchern an geschlossenen Immobilienfonds ging. Die Fonds waren in der Rechtsform von Gesellschaften b&uuml;rgerlichen Rechts gegr&uuml;ndet worden. Gesch&auml;ftsgegenstand war die Errichtung und Vermietung von Geb&auml;uden. Die Anleger waren jeweils von Vermittlern geworben worden, sich zu Steuersparzwecken an den Fonds zu beteiligen. Der Beitritt sollte &uuml;ber Bankkredite finanziert werden. </p>
<p align="justify">In zwei F&auml;llen erfolgten der Fondsbeitritt und die Aufnahme der Finanzierungskredite, die durch Grundschulden an Grundst&uuml;cken des Fonds gesichert waren, durch Treuh&auml;nder, denen die Anleger umfassende notarielle Vollmachten erteilt hatten. Au&szlig;erdem hatten sie die Treuh&auml;nder zus&auml;tzlich in einem von ihnen selbst unterzeichneten Zeichnungsschein beauftragt, den Beitritt zu dem Immobilienfonds zu bewirken und die erforderlichen Finanzierungskredite aufzunehmen. Die Treuh&auml;nder verf&uuml;gten nicht &uuml;ber eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz, soweit diese erforderlich war. </p>
<p align="justify">In zwei F&auml;llen wurden die Darlehensvertr&auml;ge durch die Anleger selbst abgeschlossen. Bei diesen Darlehen handelte es sich nicht um durch Grundschulden gesicherte Kredite. Nur in einem Fall erfolgte der Abschluss durch den Anleger in einer Haust&uuml;rsituation. </p>
<p align="justify">In den zur Entscheidung stehenden F&auml;llen haben sich Rechtsfragen gestellt, die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aus seiner Zust&auml;ndigkeit f&uuml;r das Darlehens- und Verbraucherkreditrecht und der II. Zivilsenat als der f&uuml;r das Gesellschaftsrecht zust&auml;ndige Senat des Bundesgerichtshofs in der Vergangenheit unterschiedlich gesehen haben. Beide Senate haben die dadurch hervorgerufenen Differenzen und L&ouml;sungsm&ouml;glichkeiten miteinander eingehend er&ouml;rtert. Dabei hat sich erwiesen, dass die spezifisch gesellschaftsrechtlichen Fragen, die nach Meinung beider Senate in der Vergangenheit zu der Befassung des II. Zivilsenats mit F&auml;llen der kreditfinanzierten Fondsbeteiligungen gef&uuml;hrt haben, zwischenzeitlich gekl&auml;rt worden sind (BGHZ 156, 46 ff.) und nunmehr – auch in den heute entschiedenen F&auml;llen – die die Prim&auml;rzust&auml;ndigkeit des XI. Zivilsenats begr&uuml;ndenden darlehens- und verbraucherkreditrechtlichen Probleme im Vordergrund stehen. Den hierzu von dem XI. Zivilsenat entwickelten L&ouml;sungen widerspricht der II. Zivilsenat vor allem im Hinblick auf die Ausf&uuml;hrungen des XI. Zivilsenats in dem Rechtsstreit XI ZR 106/05 (unter IV 3. – 5.), die die m&ouml;gliche Haftung der Bank f&uuml;r bestimmte Fallkonstellationen betreffen, nicht. </p>
<p align="justify">Dementsprechend werden die in den heute entschiedenen F&auml;llen aufgetretenen einschl&auml;gigen Fragen von dem XI. Zivilsenat wie folgt beantwortet: </p>
<p align="justify">1. Der Erwerb eines Immobilienfondsanteils und das Darlehen, das zur Finanzierung dieses Erwerbes dient und nicht von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abh&auml;ngig ist, sind ein verbundenes Gesch&auml;ft im Sinne von &sect; 9 Abs. 1 VerbrKrG, wenn zwischen beiden Vertr&auml;gen eine wirtschaftliche Einheit besteht. Eine wirtschaftliche Einheit wird unwiderleglich vermutet, wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Kreditnehmers zustande kommt, der von sich aus die Bank um Finanzierung seines Anlagegesch&auml;fts ersucht, sondern deshalb, weil der Vertriebsbeauftragte des Anlagevertreibers dem Interessenten zugleich mit den Anlageunterlagen einen Kreditantrag des Finanzierungsinstituts vorgelegt hat, das sich zuvor dem Anlagevertreiber gegen&uuml;ber zur Finanzierung bereit erkl&auml;rt hatte (Best&auml;tigung von BGHZ&nbsp;156, 46 ff. (II. Zivilsenat) und Senatsurteil vom 23.&nbsp;September 2003 &nbsp;XI&nbsp;ZR 135/02, WM&nbsp;2003, 2232 f.). </p>
<p align="justify">Ist ein Darlehensnehmer durch falsche Angaben zum Erwerb einer Fondsbeteiligung bewogen worden, kann er bei Vorliegen eines verbundenen Gesch&auml;fts im Sinne von &sect; 9 Abs. 1 VerbrKrG auch der die Fondsbeteiligung finanzierenden Bank seine Anspr&uuml;che gegen die Fondsgesellschaft entgegenhalten und gem&auml;&szlig; &sect; 9 Abs. 3 VerbrKrG die R&uuml;ckzahlung des Kredits verweigern, soweit ihm gegen die Fondsgesellschaft ein Abfindungsanspruch zusteht (Best&auml;tigung von BGHZ&nbsp;156, 46 ff. (II. Zivilsenat) und Senatsurteil vom 23.&nbsp;September 2003 &nbsp;XI&nbsp;ZR 135/02, WM&nbsp;2003, 2232 f.). </p>
<p align="justify">Dar&uuml;ber hinaus kann er den mit dem Anlagevertrag gem&auml;&szlig; &sect;&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 VerbrKrG verbundenen Darlehensvertrag nach &sect; 123 BGB anfechten, wenn die T&auml;uschung auch f&uuml;r dessen Abschluss kausal war. Den daneben bestehenden Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gegen den Vermittler kann der Darlehensnehmer ebenfalls gegen die kreditgebende Bank geltend machen, da der Vermittler bei einem verbundenen Gesch&auml;ft nicht Dritter im Sinne von &sect;&nbsp;123 Abs.&nbsp;2 BGB ist. </p>
<p align="justify">Dagegen kann er Anspr&uuml;che gegen Gr&uuml;ndungsgesellschafter, Fondsinitiatoren, ma&szlig;gebliche Betreiber, Manager und Prospektherausgeber dem R&uuml;ckzahlungsverlangen der Bank nicht gem&auml;&szlig; &sect;&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 VerbrKrG entgegensetzen (Abweichung von BGHZ&nbsp;159, 280 ff.; 159, 294 ff., II. Zivilsenat). </p>
<p align="justify">Wird ein Darlehensvertrag nach &sect; 1 Abs. 1 HWiG widerrufen und bildet er mit dem finanzierten Fondsbeitritt ein verbundenes Gesch&auml;ft im Sinne von &sect; 9 Abs. 1 VerbrKrG, erfordert der Zweck der gesetzlichen Widerrufsregelung, dass dem Darlehensgeber nach Widerruf kein Zahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer zusteht. Die R&uuml;ckabwicklung hat in diesem Falle unmittelbar zwischen dem Kreditgeber und dem Partner des finanzierten Gesch&auml;fts zu erfolgen (Best&auml;tigung von BGHZ 133, 254 ff., XI. Zivilsenat). Der Kreditnehmer kann die von ihm selbst auf das Darlehen gezahlten Betr&auml;ge vom Kreditgeber zur&uuml;ckverlangen, nicht aber die ihm zugeflossenen Fondsaussch&uuml;ttungen. </p>
<p align="justify">2. Die Annahme eines verbundenen Gesch&auml;fts im Sinne des &sect; 9 Abs. 1 VerbrKrG scheidet aus, wenn es sich bei dem Darlehensvertrag um einen Realkreditvertrag im Sinne des &sect; 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG handelt. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn nicht der Erwerber, sondern der Fonds das Grundpfandrecht bestellt hat (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat). </p>
<p align="justify">3. F&uuml;r den Empfang eines Darlehens im Sinne des &sect; 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG ist es unerheblich, ob ein verbundenes Gesch&auml;ft vorliegt. Daher wird auch in F&auml;llen, in denen Darlehensvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Gesch&auml;ft gem&auml;&szlig; &sect;&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 VerbrKrG darstellen, ein wegen fehlender Gesamtbetragsangabe nichtiger Darlehensvertrag gem&auml;&szlig; &sect;&nbsp;6 Abs.&nbsp;2 Satz&nbsp;1 VerbrKrG g&uuml;ltig, wenn dem Kreditnehmer die Darlehensvaluta nicht direkt zugeflossen, sondern vertragsgem&auml;&szlig; unmittelbar an einen Treuh&auml;nder zum Erwerb des Fondsanteils ausgezahlt worden ist (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat) </p>
<p align="justify">Auch f&uuml;r die Frage, ob in den F&auml;llen nichtiger Vollmacht des gegen das Rechtsberatungsgesetz versto&szlig;enden Treuh&auml;nders zugunsten der kreditgebenden Bank eine Rechtsscheinhaftung nach &sect;&sect; 171, 172 BGB eingreift, kommt es nicht darauf an, ob Kreditvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Gesch&auml;ft im Sinne des &sect;&nbsp;9 VerbrKrG sind (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat). </p>
<p align="justify">4. Sofern die dem Treuh&auml;nder erteilte umfassende Vollmacht wegen Versto&szlig;es gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam ist, kann der Treuh&auml;nder zum Abschluss des Darlehensvertrages f&uuml;r den Anleger gleichwohl befugt sein, wenn ihm in einem Zeichnungsschein gesondert Vollmacht erteilt ist und dieser Zeichnungsschein der Bank vorgelegt worden ist. </p>
<p align="justify">Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europ&auml;ischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 (NJW 2005, 3551 ff. – Schulte und NJW 2005, 3555 ff. – Crailsheimer Volksbank) zu den Folgen einer unterbliebenen Widerrufsbelehrung nach der Haust&uuml;rgesch&auml;fterichtlinie waren f&uuml;r die ergangenen Urteile nicht von Bedeutung, weil es sich in drei F&auml;llen nicht um Haust&uuml;rgesch&auml;fte gehandelt hat und weil der Anleger im vierten Fall bereits nach der Securenta-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 133, 254 ff.) vor den Risiken eines kreditfinanzierten verbundenen Gesch&auml;fts gesch&uuml;tzt wird. </p>
<p align="justify">Urteile vom 25. April 2006 </p>
<p align="justify">XI ZR 193/04 </p>
<p align="justify">LG Ravensburg, Urteil vom 29. Januar 2004 – 2 O 328/03 </p>
<p align="justify">OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Mai 2004 – 6 U 30/04 </p>
<p align="justify">XI ZR 29/05 </p>
<p align="justify">Amtsgericht Hamburg-Altona, Urteil vom 27. Juni 2002 – 317 C 90/02 </p>
<p align="justify">Landgericht Hamburg, Urteil vom 20. Januar 2005 – 327 S 112/02 </p>
<p align="justify">XI ZR 106/05 </p>
<p align="justify">LG Mosbach, Urteil vom 26. Oktober 2004 – 2 O 155/04 </p>
<p align="justify">OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Mai 2005 – 6 U 244/04 </p>
<p align="justify">XI ZR 219/04 </p>
<p align="justify">Landgericht M&uuml;nchen I, Urteil vom 23. September 2003 – 28 O 11074/03 </p>
<p align="justify">OLG M&uuml;nchen, Urteil vom 17. Juni 2004 – 19 U 5236/03 </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 25. April 2006 </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshof <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
Telefax (0721) 159-5501</font></p>
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